Mochte der junge Serenus ein Rebell sein, er blieb ein Patrizier, ebenso wie Gracchus, welcher ob dieser Tatsachen nicht gewillt war den Widerspruch des Kindes zu dulden. Doch ebenso gab es nur wenig, was Gracchus' geduldiges und zumeist milde gestimmtes Gemüt erhitzen konnte, weshalb keine Zurechtweisung erfolgte, sondern eine Erklärung.
"Es ist und bleibt ein Tier, Serenus. Sieh dir Sciurus an."
Mit einer unbestimmten Geste wies Gracchus auf den blonden Sklaven, welcher allzeit um ihn herum war, wie ein Schatten seiner selbst, und immer zur Stelle, wenn man ihn brauchte.
"Er ist mein Leibsklave, er ist mein Custos Corporis und Scriba personalis. Er folgt mir, wohin ich gehe, hat Vorrechte, welche nur wenige Sklaven in diesem Haus genießen, und sicherlich ein besseres Leben, als so mancher Plebeier draußen in der Stadt. Er ist äußerst schicklich, sich seines Standes bewusst und von untadeliger Herkunft. Um bei deinem Vergleich zu bleiben, Sciurus ist ein Patrizier unter den Sklaven. Dennoch, er ist ein Sklave und er bleibt ein Sklave, selbst dann noch, wenn Fortuna ihm eines Tages die Freiheit in die Hände spielen sollte, denn wen sie einmal in Besitz verwandelt hat, dem ist es für immer unmöglich, seine Würde zurückzuerlangen. Gleichermaßen verhält es sich mit allen Ständen und auch mit den Tieren, ein jeder ist, was die Götter ihm zugedacht haben, und dies bleibt er. Dein Hund bleibt ein Hund, wie mein Sklave ein Sklave bleibt, und weder Sklave noch Hund haben gemeinsam mit den Herren etwas am Tisch zu suchen."
Auf die Worte des Jungen über die kaiserlichen Flavia hin kräuselten sich Gracchus' Lippen zu einem feinen Lächeln, welches er hinter der Hand verbarg, mit welcher er sich auf die Kline stützte. Es war in den eigenen vier Wänden nicht ungewöhnlich, dass Flavia über ihre Herkunft und Zukunft hinsichtlich der kaiserlichen Linien sprachen, doch dass bereits Serenus sich mit solcherlei Gedanken befasste, dies amüsierte ihn.
"Wer weiß, vielleicht wirst du eines Tages Imperator. Zwar hat der hochgeschätzte Caesar Valerianus bereits einen Sohn, doch es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass ein Kaiser seinen Nachfolger an Kindest statt annimmt."
Davon abgesehen, dass die Herrschaft des Caesar längst nicht gesichert war, solange der Imperator noch lebte. Aus politischem Kalkül heraus, oder aber auch nur einer Laune nachgebend, konnte jener jederzeit einen anderen Mann zu seinem Nachfolger bestimmen.
"Benimm dich schicklich, vor allem in Gegenwart der kaiserlichen Familie, widme dein Streben den Tugenden und dem Imperium, und setze dich darüber hinaus nicht mit Tieren und Sklaven an einen Tisch, vielleicht wist du dann eines Tages den Namen Flavius zurück in den Palatium Augusti tragen."
Einen Moment überlegte Gracchus zu erwähnen, dass dies ganz sicher auch nicht geschehen würde, solange Serenus mit seinem Rennwagen den Rasen der Villa Flavia maltretieren würde, doch er war sich nur allzu bewusst, zu was junge Knaben getrieben wurden, denen das Spiel in der heimischen Villa verwehrt blieb. Mit einem erregenden Kribbeln, gleichermaßen jedoch auch mit einem gewissen Schauder erinnerte er sich daran, in welchen Gegenden sich Aquilius und er selbst herumgetrieben hatten, um sich ihrer jugendlichen Energien zu entledigen. Eingedenk mancher dieser Erinnerungen grenzte es beinahe an ein Wunder, dass sie beide noch am Leben, und dass tatsächlich tugendhafte Bürger aus ihnen geworden waren.
"Was auch immer du mit deinem Wagen befährst, es sei dir auf jeden Fall angeraten, einen großen, um nicht zu sagen sehr großen Bogen um die Rosensträuche deines Onkel Felix zu machen, denn dieser wäre sicherlich äußerst ungehalten, wenn an jenen auch nur das geringste abgeknickte Blatt zu entdecken ist. Ein geeigneter Zeitpunkt für den Markt wird sich sicherlich finden, vorerst sollten wir jedoch die Nachricht deines Vaters abwarten."
Die Frage nach dem Zeitpunkt für Unruhe im Haus brachte Gracchus in ernsthafte Bedrängnis. Andererseits hielt er sich selbst ohnehin während des Tages nicht sonderlich oft in der Villa auf. Die übrigen Bewohner würden ihre eigenen Vereinbarungen mit Serenus treffen müssen.
"Da du die Vormittage ohnehin für deine Studien aufwenden solltest, werden dir die Nachmittage für gemäßigte Unruhe bleiben. Du wirst zudem schon herausfinden, wann die meisten Flavia außer Haus und damit die beste Zeit dafür ist. Neben deiner Schwester und deinen beiden Vettern Furianus und Milo, befinden sich dein Onkel Aquilius aus dem Zweig des Atticus und Lucullus, mein Bruder, in der Villa. Zudem meine Frau, Antonia. Deine Tante Agrippina, die Virgo Vestalis Maxima, wird uns sicherlich mit Freude empfangen, wenn es dir ein Anliegen ist, sie zu besuchen. Es ist die Pflicht der vestalischen Jungfrauen das heilige Herdfeuer zu hüten, wie du sicherlich weißt, darum verlassen sie das Atrium Vestae nur selten."