Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Es schien Gracchus, als würde er brennen, als müsste Aquilius brennen, und wahrlich, wahrscheinlich war dies so und Aquilius brannte mit der gleichen Leidenschaft, mit welcher auch in ihm die Flammen des Verlangens loderten. Aquilius' Körper schien Gracchus auf einmal so bedeutungsvoll, so wichtig, er wollte sich jeden Digitus von seinem Vetter genauestens einprägen, jedes noch so kleine Detail an ihm in seinen Gedanken formen, den Augenblick konservieren. Jede Stelle von der Stirn bis hin zu den Füßen, Gracchus wollte alles von ihm in sich aufnehmen, in sich bergen. Er wollte ihn in seiner Gänze, so als wäre dies das erste und gleichsam das letzte mal, denn auch wenn es ersteres nicht sein mochte, so sicherlich doch das letztere, und ohne daran zu denken, wie es sein würde, wusste Gracchus, dass es so nie wieder war. Aquilius Gesicht leuchtete warm im Licht der kleinen Flamme der Öllampe auf dem Tisch und Gracchus berührte dieses Gesicht, formte es für sich ab, die Brauen, die Stirne, die Schläfen, die gerade Nase entlang, die wunderbaren Lippen, die Kinnpartie, leichte Bartstoppeln unter seinen Fingerkuppen, die hohen Wangenknochen so stolz, der Haaransatz und das Haar, das wunderbar weiche Haar. Gracchus wollte darin schwimmen, sich darin verlieren, in Aquilius verlieren.
    Doch das, was er war, bahnte sich ungleich seinen Weg, angestoßen durch Aqulius' Worte, schwamm durch all jene unbeherrschten Gefühle, bis hinauf an die Oberfläche seines Selbst. Er schnaufte heftig, wie unter großer Anstrengung, doch er konnte nicht die Kraft aufbringen, sich gegen jene rationalen Gedanken zu wehren, die unnachgiebig und unerschütterlich die Oberhand gewannen, die nicht zu besiegen waren. So wandte er sich wieder von Aquilius ab, schob diesen erneut, zum zweiten Mal an diesem Abend, unter gewaltiger innerer Anstrengung von sich. Er wollte nicht weichen, er wollte nicht sprechen, doch die Worte quollen aus ihm heraus, wie aufgestautes Wasser aus den Öffnungen eines Dammes.
    "Verzeih mir, Caius, verzeih mir, denn ich bin nur ein Mensch. Schwach, und voller Begehren, Gier, Verlangen, nach dir, Caius, nur nach dir. Doch dies ist nichts, was sein kann, dies ist nichts, was bestehen kann, nichts was bestehen darf. Sprich nicht von Liebe, denn Liebe verträgt sich nicht mit dem was wir sind, Liebe hat in unserem Leben keine Berechtigung, sie hat keinen Bestand, denn sie hinterlässt nur Leere. Darum muss sie hier enden, Caius, ich bitte dich, versprich es mir, dass sie hier endet, denn wenn du es nicht tust, so werde ich es tun müssen, per Iovem lapidem. Wer sind wir, wenn wir uns nicht halten an das was wir von anderen verlangen? Was sind wir wert, wenn nichts uns aufhalten kann, nicht unser Selbst, nicht unser Name, nicht unsere Abstammung, nicht der Götter Fluch? Wie soll ich jemals wieder in dein Antlitz blicken, wie jemals in mein eigenes Spiegelbild, ohne vor Scham zu vergehen, ohne, dass die Schuld mich auffrisst? Magst du es können, doch ich kann es nicht, ich kann es nicht, Caius."
    Er schüttelte bedauernd den Kopf, Weh und Pein sprachen aus seinen Augen, aus seiner Stimme. Doch er stand auf, floh noch einmal vor seinem Vetter, floh durch den Raum, stellte sich mit dem Rücken zur Wand und wandte sich flehendlich an seinen Vetter.
    "Du musst gehen, Caius, du musste gehen. Ich bitte dich, geh, Caius."

    Zitat

    Original von Herius Claudius Vesuvianus
    ...
    "Ich gebe zu, ich war nicht sonderlich einfallsreich und ich hatte auf die Schnelle nur geringe Möglichkeiten... Seht also bitte mehr das Zeichen als die Gabe, wenn ich euch diese Kleinigkeit überreiche."

    Zitat

    Original von Claudia Antonia
    ...
    Ich freue mich, dass du Zeit gefunden hast, Vetter. Ich weiß, die Legion spannt dich sehr ein. Vielen Dank für deine Glückwünsche.


    "Wir danken dir sehr, Claudius. Sei dir versichert, dieser Tag und die Anwesenheit der Gäste ist uns bereits Geschenk genug."


    Zitat

    Original von Decimus Claudius Donatus
    "Die Götter und ihr Wohlwollen über euch!"

    Zitat

    Original von Claudia Antonia
    Einen kurzen Moment blinzelt Antonia überrascht. Bisher hat sie noch geglaubt, ihr Bruder wäre in Germanien, um dort einige Dinge zu regeln und nun steht er hier vor ihr.
    So bringt sie auch nicht mehr als Vielen Dank, Donatus. heraus und lächelt erfreut.


    Den nächsten Gratulanten kannte Gracchus bisher noch nicht, zumindest konnte er sich nicht an jenes Gesicht erinnern. Die vertraute Art und den Name, mit welchem Antonia ihn ansprach, ließen ihn jedoch im Stammbaum schnell auf deren Bruder stoßen.
    "Wir danken dir für die Glückwünsche. Und es freut mich sehr, dich endlich einmal persönlich kennen zu lernen."
    Natürlich hatte Gracchus bisher nichteinmal in Gedanken eine Vorstellung von Antonias Bruder, hatte sie doch bei den wenigen Gelegenheiten, welche sie gemeinsam verbracht hatten, nie viel über ihre Familie erzählt, ebensowenig wie er über die seine.

    Da Gracchus in seiner Pflicht als Magistrat der Stadt Rom für die Finanzierung des Festes gesorgt hatte, ließ er es sich erwartungsgemäß nicht nehmen, persönlich anwesend zu sein, auch wenn er sich kaum für das anschließende exzessive Weintrinken begeistern würde können. Erst in einer eigenen Sänfte, dann an seiner Seite, begleitete ihn Claudia Antonia, welche somit zum ersten Mal in der Öffentlichkeit ihren Platz als seine Ehefrau einnahm. Das Gefühl war ein wenig ungewohnt und es befremdete Gracchus, dass sie ständig so nahe um ihn herum war, doch obwohl sie diesen Tag gemeinsam verbrachten, kommunizierten sie zu seinem Glück wenig miteinander. Die Sklaven sorgten dafür, dass beide bis nach vorn zum Tempel hin durch gehen konnten, wo sie schweigend der Dinge harrten, welche folgen würden. Der Flamen Dialis war noch nicht eingetroffen, doch mochte er in einem der Nebenräume weilen und sich herrichten. Gracchus hoffte, dass es bis zum Beginn des Opfers nicht allzu lange hin war, würde er sonst doch womöglich in die Verlegenheit kommen, doch noch mit Antonia konversieren zu müssen. Ein wenig verstohlen blickte er sich nach anderen möglichen Gesprächspartnern um, mit welchen die Wartezeit überbrückt werden konnte.

    "Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit dem Septemvir Valerius, bezüglich der Feiertage im Oktober. Wie ich es in meiner Wahlrede angekündigt habe, werde ich für die Ausrichtung der Meditrinalia und der Fontinalia Sorge tragen. Ich würde mich freuen, wenn du zu diesen Gelegenheiten ebenfalls erscheinen würdest, in deiner Vorbildfunktion als Quaestor gewissermaßen."

    Ein wenig unschlüssig legte Gracchus die Stirn in Falten.
    "Ich verstehe. Nun, nichtsdestotrotz werde ich mich dessen annehmen. Wenn es dahingehend weiter nichts zu besprechen gibt, so werde ich dich wieder deiner Arbeit überlassen."
    Einer Arbeit, welche anhand der Wachstafeln auf dem Schreibtisch gemessen immerhin immens sein musste.

    Während seiner Zeit als Sacerdos publicus hatte Gracchus nie etwas davon mitbekommen, dass der Cultus Deorum hätte sparen müssen. Doch womöglich hatten sich die Zeiten geändert und es war wahrlich gut, dass er sich zu seinem Schritt entschlossen hatte.
    "Es ist wahrhaft deplorabel, dies vernehmen zu müssen. Ich werde dafür Sorge tragen, dass die Meditrinalia nicht zu knapp gefeiert werden müssen. Zudem werde ich mir Gedanken darüber machen, wie dieser Misere im Allgemeinen abzuhelfen ist, womöglich haben auch meine Amtskollegen hierfür brauchbare Ideen. Es war mein Anliegen, auch während meiner Amtszeit als Quaestor für den Cultus Deorum einzustehen und ich werde mich dem nicht versagen."
    Es empörte Gracchus tatsächlich mehr als er es zeigte, von solcherlei Zuständen erfahren zu müssen, und es verwunderte ihn zudem nicht länger, dass der Tempel des Mars Ultor, für welchen schon seit langem Renovierungspläne vorlagen, noch immer in seinem alten Zustand war. Viel bedauerlicher als die bloße Tatsache jedoch war, dass dies kaum ein Thema der Öffentlichkeit zu sein schien, welche sich längst um diese Sachlage hätte kümmern müssen.
    "Das Opfer der Fontianalia soll ebenfalls nicht zu kurz kommen. Du kannst dabei auf mich zählen, Septemvir."

    Wie aufgefordert nahm Gracchus Platz und ließ seinen Blick kurz über das Durcheinander auf dem Schreibtisch wandern. Es war ihm schleierhaft, wie ein Mensch in dieser Wirrnis Ordnung bewahren wollte, Ordnung, welche für Organisation notwendig war, welche immerhin eine der Hauptaufgaben der Septemviri war. Doch jeder musste selbst seinen Weg finden und womöglich hatte Valerius seine ganz eigene Art der Planung, als Sacerdos hatte er immerhin selten bei Gracchus einen desorganisierten Eindruck hinterlassen.
    "Mein Wahlversprechen ist es, welches mich zu dir führt, Valerius. Es ist mir durchaus ein ernsthaftes Anliegen für die traditionsgemäße Durchführung der Meditrinalia und Fontinalia Sorge zu tragen, vor allem, da doch speziell die Meditrinalia dem mir nahe stehenden Iuppiter geweiht sind."

    Gracchus löffelte sich je einen Klecks der Gurken- und Apfelsoße auf den Teller, vermischte beides miteinander, tunkte letztendlich eines der Fleischbällchen hinein und biss genüsslich davon ab. Er kaute auch den zweiten Bissen erst zuende und konnte sich nicht beherrschen, auch die Fingerspitzen abzuschlecken, auf welchen ein Klecks der Soße gelandet war, bevor er sich wieder dem Gespräch widmete.
    "Veraltet, ich möchte dieses Wort nicht gebrauchen, haftet ihm doch meiner Ansicht nach ein negativer Hauch an, der Beigeschmack dessen, das nie gut war und nun alt ist. Überholt dagegen kennzeichnet für mich Vorteilhaftes, welches durch Besseres ersetzt wird. Eben dies ist der mühsame Knackpunkt an jenem Gedanken, denn es würde bedeuten, dass das Imperium besser besteht auch ohne uns oder womöglich einfach nicht schlechter. Seit der Republik drängte der Plebs auf unsere Posten, mehr und mehr wurde das Patriziat aus den wichtigsten Ämtern Roms verdrängt und was bleibt, sind repräsentative, oftmals undankbare Ämter wie die der Flamines. Was hat es Rom gebracht, so frage ich dich, Lucullus? Geht nicht alles Erinnern und Mahnen am Leben vorbei? Ist Rom nicht dennoch erblüht, florieren Wirtschaft und Wachstum nichtsdestotrotz, weiten sich nicht dennoch die Grenzen, sowohl geographisch, als auch gedanklich? Was braucht ein Staat, um ein guter Staat zu sein? Dies ist die Frage, welche mich seit Antritt meines Staatsamtes beschäftigt und es beängstigt mich der Gedanke, dass es nicht viel braucht, der Gedanke, dass unsereins überflüssig sein könnte."
    Ein tiefes Seufzen bahnte sich den Weg aus Gracchus' Innerstem hervor in die Freiheit hinaus.
    "Was ist es, das wir noch geben können, wenn doch nichts, was wir haben, das Imperium zu benötigen scheint?"

    "Salve, ..."
    Natürlich war es in keinster Weise verwunderlich, Aquilius aus dem Officium des Septemviren herauskommen zu sehen. Er war immerhin Sacerdos und wer außer einem Septemvir oder Scriba sollte anderweitig aus diesem Officium kommen, wenn nicht ein Sacerdos in Angelegenheiten des Cultus Deorum? Wäre dies nicht Aquilius gewesen, sondern irgendein Sacerdos, so hätte Gracchus gegrüßt und wäre an ihm vorbei eingetreten, so wie es nun einmal ablaufen müsste, in einem Falle, wenn dies nicht Aquilius wäre. Doch es war Aquilius und eben dies war somit nunmehr das vorherrschende Element in Gracchus Gedanken: Aquilius. Trieben die Götter ihre Späße mit ihnen oder trieben sie sich beide selbst immer wieder in die Arme? Gracchus wusste es nicht.
    "... Aquilius."
    Es war nur ein Lidschlag, welcher das Zögern verriet, das Zögern aneinander vorbei zu gehen, unbeteiligt und als Vettern die sie waren, doch Gracchus erschien es quälend lange. Schließlich jedoch nickte er betont beiläufig und trat in das Officium ein, möglichst ohne Aquilius auch nur zu berühren. Er wartete nicht, bis sein Vetter den Raum gänzlich verlassen hatte, geschweige denn bis jener die Türe schloss, denn alles was nun notwendig war, war zum Alltag zurückzukehren, zu dem, weshalb er hier war.
    "Salve, Septemvir Valerius."

    "Das ist ein Wort."
    Er zückte den Griffel und drückte die passenden Eintragungen in das weiche Wachs.
    "Ich werde somit die Paragraphen 1 bis 17, sowie 56 und 57 übernehmen. Weiters die Anhänge, welche der Lex Provincialis nachfolgen."
    Zwar kannte Gracchus die Bestandteile des Codex Universalis, er wusste in diesem Moment jedoch nicht, in welcher Reihenfolge die Anhänge diesem anhingen. Doch er vertraute auf Tiberius' Kenntnisse, immerhin war dieser als Advocatus Imperialis mit der Materie der Gesetze sicherlich bestens vertraut.
    "Sobald wir die Arbeiten abgeschossen haben, sollten wir uns wieder in Verbindung setzen."

    Zitat

    Original von Marcus Vinicius Hungaricus
    ...
    Feliciter, Flavius. Mögen die Götter euch ihren Segen niemals verwehren.


    Ob und welche Augen Hungaricus für seine Braut hatte, nahm Gracchus in diesem Augenblick nicht wahr. Mochten alle Männer der Welt Augen für Antonia haben, sie mochten sie alle haben, wenn nur er diesen Tag endlich abschließen würde können. Doch bis zum Abend war es noch lange hin.
    "Ich danke dir, Senator."
    Die Monotonie der Worte fand kein Ende.
    "Bitte greift im Triclinium zu und feiert mit uns diesen wunderbaren Tag."


    Zitat

    Original von Herius Claudius Vesuvianus
    "Feliciter! Alles Gute und den Schutz der Götter für dich und deinen Mann."


    Es hatte Gracchus ein wenig verwundert, solch eine geringe Anzahl an Claudiern bei der Feierlichkeit anwesend zu wissen, respektive einen einzigen. Bisweilen, in kurzen Augenblicken, in welchen er die knappe Zeit fand darüber nachzudenken, hatte er Sorge, dass Antonia womöglich in weniger guter Beziehung zum Rest ihrer Gens stand, als angenommen. Doch in der Anzahl der Gäste ging leicht der ein oder andere unter, und mit den Claudiern musste dies so sein, denn nun trat Vesuvianus auf das frisch vermählte Paar zu, welchen Gracchus von den Salii Palatini her kannte. Da sie nun seine angetraute Ehegattin war, antwortete Gracchus an Antonias statt.
    "Wir danken dir, Claudius, für die Glückwünsche. Bitte geselle auch du dich mit uns ins Triclinium um dieses Ereignis angemessen zu feiern."



    Im Triclinium wurden bereits die ersten Gäste von den herumeilenden Sklaven bewirtet. Kaum lagen die Besucher auf den Klinen, wurden ihnen kühle, feuchte Tücher gereicht, um sich zu erfrischen, und Schalen mit klarem Wasser und trockene Tücher, um ihre Hände zu reinigen. Auf den Tischen arrangiert standen Schalen voll Obst, Körbe mit Mustea, Schalen voll verschiedenartig gefüllter Oliven, frische Brote, Moretum und Knoblauchcreme. Hatten sich die Gäste erst akklimatisiert, trugen die Sklaven Ova Spongia Ex Lacte heran, Melones et Pepones, Cucurbitas more Alexandrino, Gustum de holeribus, Omentata und Ostreae. Von all dem gab es reichlich, womöglich gar ein wenig übermäßig viel.


    M. Tiberius Germanus, Colonia Claudia Ara Agrippinensium, Provincia Germania


    Salve Tiberius,


    Es wurde dir die große Ehre zuteil in die Reihen der Sodales Salii Palatini aufgenommen worden zu sein. Die in Italia wohnhaften Sodales treffen sich regelmäßig in der Curia Saliorum auf dem Palatin, eine Einladung hierzu wirst du zum nächsten Termin erhalten.


    Vale bene,
    M. Flavius Gracchus,
    Magister Salii Palatini




    M. Tiberius Lupus, Legio I Traiana, Mantua, Provincia Italia


    Salve Tiberius,


    Es wurde dir die große Ehre zuteil in die Reihen der Sodales Salii Palatini aufgenommen worden zu sein. Die in Italia wohnhaften Sodales treffen sich regelmäßig in der Curia Saliorum auf dem Palatin, eine Einladung hierzu wirst du zum nächsten Termin erhalten. Zudem steht ante diem XIV KAL NOV DCCCLVI A.U.C. (19.10.2006/103 n.Chr.) die Feier des Armilustrium an. Bei Fragen hierzu wende dich schriftlich an mich oder an einer der Sodales, welche in der Legio I ihren Dienst tun.


    Vale bene,
    M. Flavius Gracchus,
    Magister Salii Palatini

    "Alte Werte und neue Ideen, dies ist hoffentlich der richtige Weg in die Zukunft."
    Er hielt inne, als der Bedienstete Teller und Löffel brachte, kurz darauf die Soßen. Helle, dunkle, grüne, rote, dickflüssige und beinahe wässrige waren darunter. Sie dufteten nach Sesam und Kümmel, nach Pfeffer und Oliven, nach Garum, nach Melonen, Brennesseln und Kürbis, Gurke und Thunfisch, Apfel und Zwiebeln, nach säuerlicher Zitronatzitrone, Moretum und Knoblauch, Senf und Honig, Dill, Liebstöckel, Ingwer, Muskat, Fenchel und Nelken, und auch der Liquamen fehlte nicht. Zufrieden betrachtete Gracchus das Ensemble.
    "Hast du dich schon einmal mit dem Gedanken befasst, dass wir, dass unsere Art überholt sein könnte, Luculllus? Verstehe mich nicht falsch, es ist eine rein hypothetische Überlegung und ich denke, als Mensch, welcher sein Umfeld wahr nimmt, sollte man sie sich ab und an stellen."
    Der Wirt brachte nun die Schüssel voll mit Fleischbällchen und Gracchus wartete nur, bis jener sich umdrehte, bevor er zugriff.
    "Nun denn, lass es dir munden, Bruder."

    Nachdenklich hob Gracchus seine Hand zur Unterlippe und begann jene zu kneten. Er schätzte es nicht, wenn Menschen sich unpräzise ausdrückten oder man ihne jegliche Antwort mühsam entlocken musste. Doch augenscheinlich wollte sein Amtskollege ihm nicht detailliert mitteilen, wie weit seine Bemühungen bereits fortgeschritten waren. So versuchte er es auf andere Art und Weise.
    "Ab Paragraph 18 also, so biete ich dir an, die davor liegenden zu übernehmen. Zudem nenne mir einen Paragraphen im Codex, ab welchem ich beginnen soll. Haben wir unsere Vorschläge zur Änderung der in Frage kommenden Passagen komplettiert, so sollten wir gemeinsam den Imperator aufsuchen und ihm jene vorlegen."

    "Welche Paragraphen umfasst dies genau?"
    Er zog aus der Falte seiner Toga eine Wachstafel hervor, löste den Griffel von der Schnürung und klappte sie auf, um sich genauere Notizen zu machen. Schließlich legte er die Stirn in Falten.
    "In Bezug auf die Lex stimme ich dir voll und ganz zu. Sie wurde bereits vor einiger Zeit vom Senat als nicht anwendbar erklärt, weshalb also sollte sie weiter die Gesetze unseres Volkes aufblähen?"
    Jene Lex war von vorneherein dermaßen unüberlegt und unbedacht gewesen, dass es ein Wunder war, dass sie tatsächlich noch immer ihren Platz im Codex Universalis hatte. Als Hohn und Spott der Plebejer gegenüber dem Adelsstand war sie deklariert worden, doch glücklicherweise hatte sich herausgestellt, dass die Patrizier Roms lange nicht so viel an Einfluss verloren hatten, wie manch Emporkömmling sich gewünscht hatte.

    So gut er es auch zu verbergen suchte, das leise Zittern in Aquilius' Stimme entging Gracchus nicht, der jene Stimme schon so lange kannte, so lange schätze und ihr so lange lauschte in allen Lagen des Lebens. Der Gedanke, welcher hinter jenem Zittern stand, war ungeheuerlich und Gracchus wusste, dass sie beide dafür am Felsen hängen und Ethon erwarten würden, war es doch der Schwur vor Iuppiter, welchen sie damit brechen würden. Doch musste nicht gerade Iuppiter sie vertehen, war er nicht selbst der Homoscus Maximus? Dennoch, Gracchus konnte nichts darauf antworten, denn alles was in ihm währte war Zweifel und Unwissenheit. Bis zu jenem Augenblick, als Aquilius vor ihm war und verlangte, was nur ihm zustand. Seine Berührung durchführ Gracchus wie ein Schlag, die bronzene Statue des Iuppiter fiel zu Boden und blieb mit einem dumpfen Schlag dort liegen, das Gesicht hinauf zur Decke gewandt, hinauf zu ihnen, sie beide unverwandt beobachtend. Längst aufgestaute Begierde, nur mäßig an Sciurus abgegeben, bahnte sich ihren Weg hinauf aus Gracchus' Herz bis hin zu seinen Lippen. Noch immer hielt Aqulius ihn fest an den Schultern und Gracchus umfasste die Hüften seines Vetters, zog ihn eng an sich, so dass ihre Leiber sich endgültig berührten. Einmal noch, es wäre so leicht, es war so leicht, sich zu vergessen, einmal noch, es war so leicht jeden Zweifel, jeden Rest von Bedenken endlich beiseite zu schieben, die letzten Vorbehalte zu ignorieren, geschehen zu lassen, was geschah. Gracchus Hand fuhr hinauf, über Aqulius' Rücken und Hals hinauf in dessen Haar, dieses Haar, so weich wie tausend Morgen, er berührte Caius, er atmete Caius ein, er schmeckte Caius, er wollte Caius sein. Nichts war nun wichtiger, als mit ihm zu sein, mit ihm zu sein nur diese eine Nacht, nur diese letzten Stunden und dann nie wieder. Ama et fac quod vis!

    "Der Codex Universalis hat in seiner Gesamtheit 57 Paragraphen, weiters etwa nochmals die gleiche Anzahl in den Anhängen. Da viele der Anhänge neueren Datums sind, vermute ich dort weniger notwendige Korrekturen, als im eigentlichen Codex. Wir sollten die Arbeit daher nicht auf beide Teile aufteilen, sondern von beidem je einen Part übernehmen. Welche Anteile hast du bereits durchgesehen?"