Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Dass Lucullus nun so offen seine Stärke als Älterer forderte, brachte Gracchus etwas aus dem Konzept. Wieder einmal verfluchte er seinen Bruder, jener, welcher der Starke von ihnen hätte sein sollen, jener, der die Familie zusammehielt. Doch er war längst nicht mehr ihr Bruder und Gracchus musste seine eigene Schwäche verbergen, um zu sein, was man von ihm erwartete. Er ergriff die Hand des Lucullus.
    "Die Gens mag schwach erscheinen, doch unterschätze nicht den Einfluss, welchen unser Vetter Felix noch immer auf den Kaiser hat. Zudem ist unsere Familie stark wie nie. Unsere Schwester Agrippina ist die Virgo Vestalis Maxima, wir beide sind auf dem Weg nach oben und... und..."
    Es kostete Gracchus noch einen dritten Anlauf, den verhassten Namen auszusprechen.
    "... und Animus' Versagen ist längst aus dem Geiste Roms getilgt. Wir werden die Familie zusammenhalten, Lucullus, und den unsrigen Teil dazu beitragen, die Gens Flavia zurück nach oben zu bringen."

    Zitat

    Original von Artoria Medeia
    "Oh großer Sacerdos, hochgeehrter Patrizier aus der noblen und edlen Gens Flavia, die doch dem Imperium großen Glanz verliehen hat. Sei willkommen in der Casa Artoria, die fast beschämt sein muss, durch so viel Ehre, die Du dieser erweist!" Das mit der Kletterei war dieses mal nicht notwendig, weder ein Sack mit Opfergaben noch ein Kranz mussten an den Sacerdos weiter gereicht werden. "Wenn wir, Unwürdigen und Dreck vor Deinen edlen Füßen, etwas vorschlagen dürfen? Wir kümmern uns darum, dass Deine Sklaven und Deine Helfer, die Du für das Opfer benötigst, genauso wie das große Tier dort, gut versorgt im Triclinum warten. Du könntest derweil Dich schon den Gästen im Innenhof anschließen. Oder wünschst Du Ruhe und Abgeschiedenheit bis zum Opfer?"


    Die Ehrbezeugungen und Schmeicheleien tangierten Gracchus nur wenig, von der Rostra war man gar Schlimmeres gewohnt, und er hatte sich während seiner Studien in Achaia im Zuge der Rhetorik auch gegen solcherlei Katzbuckeln Gelassenheit angeeignet. 'Glaube dem Wort eines Menschen nur höchstens soweit, wie du dir selbst bei gleichem Wortlaut glauben würdest,' hatte der alte Grieche immer gemahnt, welcher Aquilius und ihn in den Künsten der Rede ausgebildet hatte. Mit einem Wink stand Sciurus schräg hinter ihm, das Paket noch immer in der Hand.
    "Dies sind die Lenden des Ochsen, welcher am Morgen bei der öffentlichen Opferung der Vinalia dem Iuppiter offeriert wurde. Ich habe mir erlaubt, sie als meinen Anteil mit in dieses Haus zu bringen. Richtig portionniert sollten sie für die wichtigsten Gäste der Feier ausreichen. Dabei ist zu beachten, dass sie ohne jegliche Beilage serviert werden, der geeignetste Zeitpunkt hierfür ist vor der eigentlichen Hauptspeise."
    Natürlich hätte Gracchus auf einen Anteil des Opfers verzichten können, doch war es Brauch, das Opferfleisch der Vinalia beim abendlichen Fest zu verspeisen, und diesem Brauch wollte er nachkommen, in der eigenen heimischen Villa oder an anderem Ort. So hatte er dafür Sorge getragen, dass die gesamten Ledenstücke in seinen Besitz übergingen, welche aufgrund der Herkunft von einem Ochsen nicht gerade als klein betitel werden konnten.
    "Ich gehe davon aus, dass sie samt der Sklaven den richtigen Weg einschlagen werden. Ich selbst ziehe es vor, mich zu den Gästen zu gesellen, meine Aufgabe wird beginnen, wenn das Opfer beginnt."
    Es gab Sacerdotes, welche dies anders sahen, doch Gracchus zählte nicht zu jenen. Es war immerhin der Vorteil des Sacerdos der Sacerdos zu sein.

    Ein schelmisches Blitzen leuchtete in Gracchus' Augen auf, als er sich des Blickes seines Vetters bewusst wurde.
    "Wann ist ein Mann schon frei, mein lieber Vetter? Niemals, so sage ich dir. Der Übergang in das Stadium der Ehe ist nur der Übergang einer Art der Unfreiheit in eine andere."
    Er schenkte ihm ein feines Lächeln und fuhr fort.
    "Wie dem auch sei, wir werden sicherlich eine geeignete Partie für dich finden. Die Auswahl geeigneter Familien mag dieser Tage nicht groß sein, doch noch ist es nicht an der Zeit, Eile aufkommen zu lassen."
    Mit Argusaugen folgte Gracchus dem Sklaven, welcher sich mit dem Nachtisch näherte und einige süße Leckereien vor ihnen abstellte. Mit dem Blick eines Jägers erspähnte Gracchus die ersehnten Schüsselchen mit Tyropatinam und wollte nach einer der Schalen greifen, als bereits der Sklave diejenige mit besonders viel Pfeffer wählte und sie vor Gracchus abstellte. "Ohne Honig, Herr."
    Ein Lächeln kräuselte Gracchus Lippen und er bedachte Sciurus mit einem wohlwollenden Blick. Schließlich wandte er sich der Schale mit der Eierspeise zu und löffelte jene genüsslich aus.

    Auch Gracchus blickte sinnierend durch alles hindurch, seine Aufmerksamkeit auf Dinge gerichtet, welche tief in seinem Inneren ihren Lauf nahmen, welche unaufhaltsam in Gang gerieten, jedoch nicht bereit waren, schon jetzt ausgesprochen zu werden. Er hob die Hand und begann seine Unterlippe zu kneten wie es so oft geschah, wenn die Dinge in seinem Kopf Gestalt annahmen, bis zur Vollendung geformt wurden. Die Bewegung seines Bruders, der einen Schluck von seinem Wein nahm, zog schlussendlich seinen Blick zurück in die Realität.
    "Nun gut. Im Grunde bin ich nur gekommen, um dir zu sagen, was immer du auch im Sinn hast, wenn du dabei Hilfe benötigen solltest, gleich welcher Art, so zögere nicht, an mich heranzutreten. Um deine Ziele brauche ich mir sicherlich keinerlei Sorgen zu machen, denn ich sehe, dass das Erbe unserer Familie fest in dir verwurzelt ist. So möchte ich dich auch nicht länger stören, Lucullus, es sei denn, du möchtest noch etwas bereden?"
    Er stellte den noch immer halb gefüllten Becher bei Seite und blickte seinen Bruder abwartend an. Sollte jener eine Konkurrenz in ihm sehen, so verstand er es, dies zu verbergen, doch solange er dies tat, sollte es Gracchus nicht tangieren.

    Einen Augenblick sann Gracchus darüber nach, ob ihm jener Artorier in den Reihen des Cultus Deorum bekannt war, doch recht bald musste er feststellen, dass es der Priester in Rom einfach zu viele waren, als dass er jeden davon mit Gesicht oder gar Namen kennen konnte.
    "Wunderbar, dann ist dafür gesorgt."
    Womöglich würde er dennoch einen weiteren Sklaven mitbringen. Man konnte nie wissen, wieviel Wein schon im Vorfeld des Opfers floss und bei kultischen Handlungen war es immer besser, auf der sicheren Seite zu stehen.
    "Der ein oder andere Flavier wird dieser Einladung sicherlich gerne folgen. Da in diesem Jahr wie es scheint wohl einige bedeutende Familien zur Vinalia laden, wird in unserem Hause selbst kein Fest stattfinden, so dass wir alle außer Haus feiern. Ich bin sicher, das Haus Artoria wird dabei mit in der engsten Wahl meiner Vettern liegen. Den Weg werde ich finden, darum braucht ihr euch nicht zu sorgen."
    Natürlich kannte Gracchus nur die wenigsten Wege in Rom, doch Sciurus würde sich darum kümmern, dass die Sänftenträger ihren Weg ohne Umwege würden finden.

    Es schien, als würde sich ein kleiner Hofstaat der Casa der Artorier nähern, doch als der Getragene der ankommenden Sänfte entstieg, war dies nur Manius Flavius Gracchus. Zu seinem Gefolge zählten nicht nur die vier Sänftenträger und sein Leibsklave Sciurus, welcher mit einem Packen auf dem Arm folgte, sondern auch zwei Tempelsklaven des Cultus Deorum, von welchen einer einen Handkarren nach sich zog, auf welchem ein Käfig mit einem weißen Bock mit vergoldeten Hörnern und eine Kiste mit Opferutensilien stand, und von welchen der andere in den Aufgaben eines Cultrarius und Victimarius ausgebildet und in die kultische Praxis eingeweiht war. Sciurus wollte sich dem Empfang an der Türe zuwenden, doch Gracchus schob ihn mit einem Wink bei Seite und sprach für sich selbst.
    "Sacerdos publicus Manius Flavius Gracchus, man erwartet mich."
    Er beäugte den Ianitor beinahe ein wenig vergnügt, erinnerte ihn die Aufmachung der Casa doch an vergangene Jahre in Achaia, und auch an den beiden Türwächtern glitt sein Blick nicht unachtsam vorbei.

    Zu seinem Ärger musste Gracchus feststellen, dass auf seiner Toga ein wenig Blut von dem Opfertier gelandet ist. Solchermaßen konnte er natürlich nicht zu der Vinalia-Feier der Artorier gehen, doch manchmal mussten auch Opfer anderer Art als tierischer sein, daher grämte er sich nicht lange, zog er sich in einen der Nebenräume des Tempels zurück und ließ sich von seinem Leibsklaven Sciurus eine neue Toga anlegen, wiederum in strahlendem Weiß, immerhin würde er auch bei dieser Gelegenheit als Sacerdos publicus das Opfer abhalten. Anschließend scheuchte er zwei Tempeldiener auf, um alles vorzubereiten, das Tier und die Ritualutensilien zu holen und sich an der Sänfte bereit zu halten. Als die Verteilung der Opfergaben an das Volk begann, ließ Gracchus die für ihn bei Seite gelegten Anteile von Sciurus abholen und begab sich schließlich selbst zu seiner Sänfte und nahm darin Platz. Gefolgt von Sciurus und den beiden Sklaven setzte sich die Sänfte in Bewegung um zur Casa Artoria zu gelangen.

    Seine Gedanken waren recht verwirrend und Gracchus sich nicht sicher, ob er jenen korrekt gefolgt war.
    "Was sind Götter ohne die, die an sie glauben? Wo ist Baal, was ist Bastet, wer ist Teutates? Der die Welt verschlingende Baal ist untergegangen mit den Karthagern, Bastet interessiert keinen Menschen mehr, sofern sie in der Welt überhaupt noch jemand kennt, und Teutates wird mit denen sterben, die ihm im fernen Gallien anhängen, deren Söhne und Töchter längst den Mars verehren. Die Götter mögen sich nicht nach den Stimmen des Pöbels richten, solange sie existieren, doch sie hängen sicherlich in ihrer Existenz von ihm ab."
    Das Volk gespalten, ihr Teller nur halb gefüllt, dies war nun der Punkt, an welchem Gracchus vollkommen verwirrt war. Bevor sich sein Bruder eines Tages der Politik zuwenden würde, musste er seine Gedankengänge sprachlich besser zu strukturieren lernen.
    "Wir werden den Teller immer halb voll sehen, ist es doch dies, was man uns lehrte."
    Schlussendlich schlug Lucullus doch wieder einen Weg ein, dem zu folgen war.
    "Deine Absichten ehren dich und ich wünsche dir, dass du einen Weg findest, dem Volk den Weg zurück an den Opferaltar zu zeigen. Ich selbst habe bemerkt, dass viele verunsichert scheinen, sich die einfachsten Opfer nicht zutrauen. Selbst den Weg in den Tempel einzuschlagen und um Hilfe zu bitten, scheint oftmals schon viel an Überwindung zu kosten, und wer wollte es ihnen verdenken? Was sie brauchen ist fürwahr Geleit. Nach dem, der sie davon abbrachte, brauchst du nicht lange zu suchen. Der Staat selbst ist es, der seine Aufgaben vernachlässigt. Wann hast du zuletzt einen Magistraten opfern sehen? Wenn ich dir sage, wie viele Feiertage in den letzten Monaten vom Cultus Deorum selbst getragen werden mussten, anstatt dass sich traditionell ein Magistrat um die Ausrichtung bemüht hat, so wird es dir schwindeln. Denn es war noch jeder Feiertag, welcher nicht im Sinne der Ludi gefeiert wurde, aus welchen die Aedilen ihre Wählerstimmen ziehen. Dass eine Magistratur eine kostspielige Sache ist, daran denken sie nicht, wenn sie sich zur Wahl stellen, und sind sie gewählt, so sparen sie an den Gaben für die Götter."

    Nichteinmal geringe Makel musste Gracchus übersehen, genau genommen musste er absolut nichts übersehen, was er sah. Aus diesem Grunde lag ehrliche Freude auf seinem Gesicht, als er das verheisungsvolle Wort verkündete.
    "Litatio!"
    Er blickte über die Menschen hinweg um sich an deren Freude zu berauschen, als die Erleichterung über das angenommene Opfer durch die Reihen zog. Wenig einte alle Römer und sogar Peregrini und Fremde im täglichen Leben so sehr wie der Wein. Es mochte sich über den Geschmack der einzelnen Rebsorten streiten lassen, auch über die Herkunft des besten oder schlechtesten Weines, doch auf die ein oder andere Weise hofften sie allegar auf den Ertrag der nächsten Lese. Gracchus übergab die Vitalia einem Opferhelfer, welcher sie zu dem vorbereiteten Kessel mit kochendem Wasser brachte, während der Victimarius das Tier zerlegte. Bis alle Fleischteile des Ochsen auf die Kessel aufgeteilt und zur Zubereitung in die Tempelküche gebracht wurden, war der Anteil für den Gott bereits gar und wurde zurück an den Opferaltar getragen. Gracchus wandte sich erneut an die Menschen.
    "Volk von Rom! Wohlwollend schaut Iuppiter auf uns herab und legt seine schützenden Hände auch in diesem Jahr über die Trauben, welche wir in den nächsten Wochen abernten werden. Dafür gebührt ihm unser aller Dank!"
    Er nahm das erste Fleischstück und übergab es in das Opferfeuer.
    "Iuppiter, höchster und größter, dies Opfer nimm als Zeichen unseres Dankes an!"
    Die Flammen züngelten um das Fleisch und zischten leise, auch, als Gracchus die weiteren Stücke dem Feuer und damit der Welt der Götter übergab. Mit der Verbrennung der Vitalia nahm das Opfer sein Ende. Da die meisten Menschen die Vinalia rustica im Kreise ihrer Familie und Freunde weiter feiern würden, wurde das Fleisch des Opfers als Sportulae verteilt, so dass jeder sich seinen Anteil mit nach Hause nehmen konnte. Natürlich würden nur die wenigsten in den Genuss kommen, tatsächlich ein Stück des Ochsen zu erhalten, doch dies würde immerhin dazu führen, dass in vielen Häusern am späteren Tag weitere kleine Opferungen stattfanden.

    Die feine Betonung entging Gracchus nicht, seine Sinne waren auf solcherlei geradezu trainiert. Er nickte nachdenklich und überschlug in Gedanken bereits die Vorbereitungen, welche getan werden müssten.
    "Das notwendige Opferzubehör sollte vorhanden sein. Einen Cultrarius werde ich mitbringen. Ein Minister sollte für ein Opfer dieser Größe ausreichen, soll diese Aufgabe von einem Mitglied eures Haushaltes übernommen werden? Andernfalls würde ich auch eine Opferhelfer mitbringen."
    In vielen Häusern war es üblich, dass den Kindern diese Aufgaben angetragen und sie somit an die Kulte herangeführt wurden. Doch Gracchus war über die Situation im Hause Artoria nicht informiert genug um zu wissen, wer dort lebte.
    "Weiters gibt es nichts zu beachten, was außergewöhnlich wäre."

    Ungestört von allem Treiben um ihn herum stand ein weißer Ochse neben dem Tempel des Iuppiter angekettet und fraß genüsslich aus einem Trog mit Heu. Als die Opferhelfer kamen um ihn zu holen, folgte er ihnen vom Seil gezogen bereitwillig. Erst, als sie ihn vor dem Tempel drehten, damit er gen Westens schaue, stellte er sich ein wenig ungeschickt an, drehte sich nicht weit genug, dann wieder etwas zu weit, bis er schließlich in richitger Position stand und seine Ketten an den Ringen im Boden verankert wurden. Gracchus hatte schon manchen Sacerdos oder Popa davon sprechen gehört, wie menschlich solches Tier in den Augenblicken vor einem Opfer oft schien, doch er konnte ihre Ansicht nicht teilen. Ein Ochse blieb ein Ochse, ein Esel ein Esel, auch Apuleius Roman "Der goldene Esel konnte Gracchus nicht vom Gegenteil überzeugen, war es doch eine Fabel. Wenn überhaupt, so würde das Tier göttlich erscheinen, waren die Götter doch die einzigen, welche in jedwede beliebige Gestalt herabfahren konnten. Ein wenig göttlich schien der Ochse fürwahr, denn die golden glänzenden Hörner auf seinem Kopf gaben ihm ein strahlendes Antlitz. Scharlachrote und weiße Bänder lagen ihm um den Kopf, eine breite Wolldecke war auf seinen Rücken gelegt. Mit Ankunft des Ochsen konnte das Opfer beginnen. Gracchus tunkte einen Pinsel, welcher bezeichnenderweise aus den Haaren eines Ochsenschwanzes gefertigt war, in eine Schüssel voll Wasser und besprengte die Umstehenden damit. Dies wiederholte er, bis alle, welche in seinem Wirkungsbereich standen, so gereinigt waren. Während Gracchus den Pinsel an einen Minister abgab, forderte ein Herold mit strenger Stimme von den umstehenden die nötige Ruhe. Gracchus ließ sich erneut eine Falte seiner Toga über das Haupt ziehen, dann nahm er ein aufgerolltes Pergament entgegen und las laut die traditionelle Darbringungsformel:
    "O Iove hochgelobter, Iove höchster und größter,
    Dir zu Ehren verrichten wir unsere heiligen Riten,
    Unsere Gebete und Entsühnungen, göttlicher König,
    Auf alle Dinge rundherum möge Dein Glanz herabscheinen.
    Die Erde ist Dein, und die Berge werfen sich hoch auf,
    Die See abgrundtief, und alles innerhalb des Himmels.
    Göttlicher König, der Du vom Höchsten herstammst,
    Großmütiger, gebietender, mit der Macht ausgestatteter Iove;
    Allvater, aller Anfang, Prinzip und Ende,
    dessen Macht allmächtig ist, schüttlest dieser Erde Ball;
    Selbst die Natur erzittert unter Deinem gewaltigen Wink,
    Laut erschallend, bewaffnet mit Blitz, donnernder Gott.
    Quell der Fülle, läuternder König,
    O Vielgestaltiger von welchem alle Natur entspringt;
    Glückverheißender hör unser Gebet, gib uns sorgsames Heil,
    Mit Frieden Göttlicher, und notwendigem Wohlstand."

    Er ließ die Worte einen Moment lang wirken, gab das Pergament einem Opferdiener zurück, wusch sich sodann die Hände und trocknete sie durch das Mallium latum. Währendessen setzte das Spiel der Flötenspieler ein und begleitete das weitere Tun. Gracchus nahm die Salzlake entgegen und vollzog mit ihr die Reinigung des Ochsen. Ein Minister entfernte den Schmuck, die Kopfbänder und die Wolldecke, dann zog Gracchus sein Opfermesser und strich dem Tier mit der stumpfen Seite über den Rücken. Schließlich wandte er sich den Versammelten Menschen zu, das Flötenspiel verstummte.
    "Volk von Rom! Zu Ehren des Iuppiter sind wir heute hier versammelt um seinen Tag, die Vinalia rustica, gebührend zu feiern. Einst baten unsere Vorfahren den allmächtigen Iove um seinen Schutz und seine Hilfe gegen den wilden Mezentius. Der göttliche Iuppiter gewährte ihnen in seiner Güte den Sieg über die Feinde. Ihm zum Danke schenkten unsere Vorfahren dem Iuppiter den Ertrag eines Weinberges und sie schenkten ihm diesen Tag, auf dass auch zukünftig Iove dafür Sorge tragen möge, dass die Trauben unserer Reben reifen und der süße Wein auf ewig hin fließen mag. Darum sind wir heute hier versammelt, dem Iuppiter zu Danken für seine Gunst und gleichzeitg zu bitten um seine Gunst! Damus ut des - so geben wir dem Iuppiter einen Ochsen, auf dass er unsere Trauben bis zum Ende der Lese schützen möge!"
    Gracchus warf dem Victimarius einen verheißungsvollen Blick zu, woraufhin jener das traditionelle "Age?" verlauten ließ.
    "Age!"
    Ein schwerer Schlag mit dem Opferhammer fuhr auf den Hinerkopf des Tieres herab, just in jenem Moment, als von vorn das Beil geschwungen wurde und zielsicher seinen Weg zur Halsschlagader der Kehle fand. Blut spritzte und quoll sodann reichlich aus der Wunde hervor, während das Tier schon im Umfallen begriffen war. Gracchus glaubte den Boden ein wenig erzittern zu spüren, als der Ochse auf dem Boden aufschlug - es war wahrlich ein großes Tier. Ein Minister hielt eine große Opferschüssel bereit, um einen Teil des Blutes aufzufangen, doch es floss so reichlich, dass jene Schüssel gleich mehrmals hätte gefüllt werden können. Schließlich mühten sich zwei Popae ab, das Tier so auf den Rücken zu drehen, dass der Bauchraum zugänglich war und geöffnet werden konnte, um die Eingeweide zu entnehmen. Gebannt sah Gracchus dabei zu, wie die Opferhelfer ihren Dienst taten und die Vitalia sorgsam im dem Inneren des Tieres suchten um sie dort herauszunehmen. Letztendlich hielt er Schale um Schale in Händen um Organ um Organ zu prüfen, es von allen Seiten genauestens zu betrachten und auf Makel hin zu üntersuchen.

    Vom Spiel der Musikanten begleitet wälzte sich die Prozession der Vinalia rustica langsam dahin. Auf der Spitze des Capitols hatte sie ihren Anfang genommen und war von dort herab am Tabularium vorbei und zwischen den Tempeln des Vespasian und Titus und des Saturn aufs Forum Romanum gezogen. Dort warteten bereits viele Menschen, erfreuten sich am Anblick der zur Schau gestellten Götterstatuen und reihten sich am Ende dem Zug ein um später am Opfer teilzunehmen. Die Feiernden zogen vor der Curia Iulia auf die Via Flaminia und folgten ihr ein Stück weit, bis sie zum Marsfeld hin Richtung Tiber abbogen. Zwischen dem Porticus Divorum und der Saepta Iulia hindurch folgten sie dem Marsfeld nach Süden, vorbei am Theatrum Balbum und auch dem Porticus Octaviae und Theatrum Marcellum. Die Häuser entlang der Straßen waren geschmückt mit Weinlaub, so reichlich, dass in einigen Weinbergen rund um die Stadt herum an den Reben nur noch Trauben hängen mochten, jedoch keine Blätter mehr.


    Das Forum Boarium wurde überquert und anschließend der Palatin umrundet, über die Straße zwischen jenem Hügel und dem Circus Maximus und die Straße von dort zum Amphitheatrum Flavium hinauf. An jenem Bauwerk, das mit seiner Gens eng verbunden war, spürte Gracchus langsam, wie ihm die Füße zu schmerzen begannen. Doch der Rausch des Festes, die Weisen der Flötenspieler und Fidler, die vergnügten Jubelrufe Iuppiter zu Ehren der Zuschauer, die noch immer an den Seiten der Straßen warteten um sich der Prozession anzuschließen, dies alles sorgte dafür, dass er mühelos weiterging, die Toga noch immer einigermaßen perfekt sortiert, den Kopf hoch erhoben, den Tempel der Venus et Roma schon im Blick und damit dem Forum bereits wieder nahe. Einige letzte Nachzügler warteten geduldig am Forum, bis das Ende der Prozession sie erreichen würde, die Spitze indes zog um die Rostra herum und zwischen dem Templum Saturni und dem Templum Vespasiani et Titi hinauf zum Capitol, dort, wo früh am Morgen ihr Weg begonnen hatte.


    Als Gracchus hinter dem Opferaltar vor dem Tempel stand und darauf wartete, dass der Platz sich mit den ankommenden Menschen füllen würde, schnaufte er heftig. Bisweilen hatte er sich vorgenommen, den Weg den Capitolshügel hinauf des öfteren zu Fuß und nicht in der Sänfte zu nehmen, doch nach dem langen Gang durch die halbe Stadt fehlte es ihm für dieses letzte Stück an Reserven. Er ließ sich einen Becher Wasser reichen, auf dass ihm nicht im letzten Augenblick die nötige Stimme fehlen würde und genoss die verbleibenden Minuten der Ruhe vor dem Opfer.

    Zwischen den Hügeln Roms hing noch frühmorgendlicher Nebel, als sich die ersten Gläubigen auf dem Capitol sammelten, um der Feier der Vinalia rustica beizuwohnen. Manius Flavius Gracchus hatte seinen Weg zum Tempel des Iuppiter Capitolinus noch früher als jene beendet und stand bereits seit einiger Zeit neben den Stufen zum Eingang des Tempels. Als die letzten Vorbereitungen abgeschlossen waren, schritt er, umringt von Ministri, die Treppe hinauf und betrat das Gebäude. Er wandte sich zur Seite und reinigte seine Hände in dem Becken neben der Tür, schließlich durchschritt er den länglichen Statuenraum bis vor das Antlitz des Iuppiters. Ein Minister kam herbei und legte dem Sacerdos eine Falte seiner Toga über den Kopf, ein weiterer öffnete die Schale mit dem Räucherharz und hielt sie bereit. Gracchus atmete einen Moment tief ein, schließlich griff er in die Schale und holte eine Hand voll Bernstein daraus hervor. Die Räucherung hatte einen weiten Weg hinter sich, von den Küsten der fernen barbarischen Lande im Norden war sie durch viele Hände gegangen - fremde, feindliche, freundliche, wie römische - bis sie zu einem nicht geringen Preis in die Hand des Cultus Deorum gelangt war. Mit einer weichen Bewegung streute Gracchus das Harz über das Becken mit glühender Räucherkohle und ließ seinen Blick mit den emporsteigenden Rauchschwaden wandern. Er drehte die Handflächen zum Himmel hinauf und begann das Bittgebet.
    "Iove Capitoline, erweise uns Deine Gunst, schenke uns Deine Aufmerksamkeit an diesem Tag, welches der Deine ist aus unserem Dank heraus für deine Güte und Großmütigkeit. Wir laden Dich ein, Vater aller Dinge, und bitten Dich heute mit uns zu sein."
    Der helle Rauch zog unentwegt unter die Decke, auch dann noch, als die Minister sich seitlich von Gracchus aufstellten und ihm die Gaben für das Voropfer zu reichen. Er legte Weinlaub auf die Mensa bis alle freie Fläche um die Opferschalen und Statuen mit Grün gefüllt waren, sodann folgten Weintrauben, ein frischer, duftender Opferkuchen und schlussendlich goss er aus einer Amphore Wein in eine der Schalen bis diese gefüllt war, bevor er regungslos, in Betrachtung der Statue versunken verharrte. Die Ministri befürchteten schon den Sacerdos aus seiner Starre reißen zu müssen, als jener sich zur Rechten hin umwandte und mit langen Schritten dem Ausgang entgegen ging. Am Ende der Treppenstufen wurde Gracchus erst wieder die Menge der Menschen bewusst, welche sich mittlerweile auf dem Platz gesammelt hatten und auf den Beginn der Prozession warteten. Er strich sich die Togafalte vom Kopf und ließ sich das Gewand von einem Minister richten, bevor er die Treppe hinab ging, dem ein oder anderen Sacerdos zunickend. Die Prozession stand bereits in Formation, so dass sich die Verrichter des Voropfers nur noch zwischen die Priester einordnen mussten. Die Tibicines und Fidicines voraus begannen mit ihrem Spiel und die Prozession zog los.

    Zitat

    Original von Medicus Germanicus Avarus
    Ah sehr allgemein gesprochen, dachte sich Avarus und wartete noch eine ganze Weile ab. Dann fragte er mehr so aus der Kalten heraus:


    "Was stellst du dir als Aufgabe. Welchen Quaestorenposten bevorzugst du und vielleicht willst du uns zusätzlich noch mit einem Schmankerl locken?"


    Neben einigen Applaudierenden, welche natürlich an der Rostra immer gern gesehen waren, zeigte sich ein weiterer Senator und Gracchus beantwortete auch dessen Frage.
    "Die Aufgabe, in welcher ich mich sehe, ist die des Quaestor Principis, denn ich glaube, dass ich dem Imperium am besten in Rom dienlich sein kann. Die weiteren Quaestorenämter in Rom, dasjenige des Urbanus oder das des Consulum machen meiner Ansicht nach wenig Sinn, die Aufgaben des Quaestor Urbanus sind nicht so reichlich, als dass sie nicht von den Quaestrores Provincialis und pro Praetore übernommen werden können und einen sich zur Wahl stellenden Anwärter auf das Amt des Consuls gibt es bisher nicht. Daher sehe ich die Aufgaben des Principis auch nicht nur als Sekretär des Kaisers mit seinen Aufgaben und im Feld der Chronik unseres Reiches, sondern weiter gefasst womöglich auch in der Organisation der nächsten Wahlen. Diesbezüglich möchte ich jedoch betonen, dass ich, ganz egal, welche Quaestur mir letztenendlich vom Senat angetragen würde, jede Pflicht mit ganzem Eifer erfüllen werde, selbst wenn sie mich in eine Provinz führt.
    Dies ist es, was ich dir und den übrigen Wählern biete, keine Schmankerl, keine wahnwitzigen Versprechungen und auch kein billiges Freibier, sondern meine Schaffenskraft als Quaestor. Wie bereits zuvor erwähnt, werde ich dabei auch meine bisherigen Bemühungen um das Wohl des Staates nicht hinter mir lassen. Ebenso, wie ich mich um die weltlichen Aufgaben kümmern werde, werde ich auch die cultischen Belange nicht missachten, wie es heutzutage im Cursus Honorum beinahe schon usus geworden ist. Denn Aufgabe der Magistrate war es seit jeher auch Feiertagsopfer auszurichten, und obwohl der September in dieser Hinsicht recht mager ist, so werde ich im Falle meiner Wahl dafür Sorge tragen, dass die Meditrinalia zu Ehren des Iuppiter und die Fontinalia zu Ehren des Fons im Oktober in solchem Maß ausgerichtet werden können, wie es diesen Göttern gebührt."

    "Am frühen Abend."wiederholte Gracchus nachdenklich nickend.
    "Dies sollte mir genügend Spielraum geben. Werdet ihr das Opfertier selbst auswählen oder möchtet ihr es über den Cultus Deorum ordern? Wenn ihr es wünscht, so könnte ich dafür Sorge tragen, dass ein besonders prächtiges und vor allem makelloses Tier erworben wird. Der Cultus Deorum wird nur von den besten Züchtern Italias beliefert. Der Bock könnte somit auch bereits zur Opferung vorbereitet werden."
    Das Prasseln des Regens vor der Tür des Tempels vermischte sich mit dem Prasseln des Feuers in den Schalen neben der Tür im Tempelinneren und durch den zugezogenen, dunklen Himmel begünstigt tauchten die Feuer im Tempel - nicht nur jene in den Feuerschalen, auch jene der Kerzen und Öllampen - die Cella in ein warmes Licht. Wind zog in den Raum und brachte die Flammen zum Tanzen, so dass auch die Schatten auf dem Gesicht des Iuppiters tanzten. Gracchus hatte das Gefühl, dass der Bart des Gottes in Bewegung war, doch als er seinen Blick darauf fokussierte stellte es sich nur als Illusion heraus. Ein Bediensteter des Tempels eilte aus dem Nass die Stufen zum Tempel hinauf, mühte sich mit der gewaltigen Pforte ab und schloss diese mit einem dumpfen Laut. Offen blieb nur die kleine Tür, welche im Tor eingefasst war, in welcher der Tempeldiener kurz verharrte, Gracchus zunickte und dann wieder hinaus in den Regen und zurück in eines der Nebengebäude verschwand. Die flackernden Flammen beruhigten sich allmählich und verbreiteten eine beinahe heimelige Stimmung. Dies führte dazu, dass Gracchus bewogen war die Quaestrix nicht ob ihrer Versäumnisse zu kritisieren.
    "Ein wenig scheint es mir, ist gerade jenen, die unseren Staat führen, das Bewusstsein um ihr religiöses Erbe verloren gegangen. Die Politik allein rühmen sie, doch dass das eine nicht ohne das andere funktionnieren kann, dies wird oftmals vergessen. Zu selten beziehen sie den Willen der Götter in ihre Entscheidungen ein. Doch dass gerade jenes Ereignis am Tempel der Iuno bis in den Senat gelangt, dies zeigt meines Erachtens zu deutlich, wie verzweifelt die Bürger ob jenes Verhaltens sind. Ein totes Schaf, bei den Göttern, all unsere Vorfahren, welche je ein Prodigium erlebten, können uns nur belächeln."

    Gracchus war noch im Nachdenken inbegriffen, als er bereits von den nächsten Ereignissen überholt wurde. Der Senator Purgitius trat an das Geschehen und stellte sich als äußerst kritischer Fragesteller heraus. Da er seine eigenen Fragen bereits gestellt hatte, trat der Sacerdos ein wenig zur Seite, um dem Wahlkampf seinen Lauf zu lassen, womöglich würde er später noch die Gelegenheit finden, mit dem Aurelier das ein oder andere Wort zu wechseln.

    Gracchus kommentierte den Kommentar des Aurelius Cicero wortlos mit einem freundlichen Nicken, ging jedoch nicht weiter darauf ein, da sicherlich allen an der Rostra Stehenden bewusst war, dass eine Kandidatur nichts war, das man sich spontan überlegte, sondern etwas, was lange Zeit im Voraus geplant werden wollte. Im Stillen womöglich, aber dennoch geplant. Stattdessen beantwortete er die Frage des Senator Purgitius.
    "Weder werde ich meinem Vater zu den Stadteinheiten folgen, noch strebe ich es an, die kaiserlichen Einkünfte in einer Provinz zu verwalten, wie es meine Mutter einst tat. Wenn du jedoch von Politik oder Religion sprichst, so schließt das eine das andere nicht aus. Während meines Dienstes im Cultus Deorum bemerkte ich immer wieder, dass entgegen der pessimistischen Rufe allerorten das römische Volk überraschend götterfürchtig ist. Es sind die hochrangigen Amtsträger, welche jene Frömmigkeit so manches mal missen lassen und all zu oft vergessen zu scheinen, wie wichtig die Pax Deorum für das Gelingen des Staates ist. Um dies zu ändern, Senator, um die Mächtigen unseres Landes aufzurütteln, glaube ich, führt langfristig kein Weg an der Politik vorbei. Daher werde ich mich auch während einer Amtszeit weiter für die Belange des Cultus Deorum einsetzen und auch hernach wird mein Wirken dem Cultus Deorum wohl niemals fern sein."

    Instinktiv blickte sich Gracchus nach seinem Sklaven Sciurus um, seiner mentalen Stütze und seinem Terminkalender. Doch natürlich befand sich der Sklave nicht im Tempel, weilte er doch zu jenen Stunden in der heimischen Villa und kümmerte sich um allerlei anderweitige Angelegenheiten. So musste sich der Sacerdos selbst bemühen und darüber nachdenken, wie der Ablauf während des Feiertages sein würde. Das öffentliche Opfer würde am Morgen beginnen, samt der Prozession und der Schlachtung des Tieres würde man bis kurz vor dem Mittag die Litatio hoffentlich abschließen - wenn nicht, so würde auch die Artoria nicht viel zu feiern haben. Die Zubereitung und anschließende Verbrennung der Anteile für Iuppiter und die Ausgabe des restlichen Fleisches an das Volk würde sich bis zum frühen Nachmittag ziehen, doch wenn Gracchus sich gleich anschließend auf den Weg machte, so könnte er dem privaten Opfer beiwohnen. Die Tatsache, dass sich immer weniger Römer ein korrektes Opfer zutrauten, war ihm bereits während seines Dienstes im Cultus Deorum aufgefallen. Womöglich sollte sich die Priesterschaft nicht nur um ihren Nachwuchs kümmern, sondern ihr Wissen auch und gerade an die Bevölkerung weitergeben um deren Selbstvertrauen in kultischen Belangen zu stärken.
    "Für wann genau ist diese Feier angesetzt? Die öffentliche Opferung wird mich bis nach Mittag beanspruchen, doch wenn es anschließend nicht zu spät ist, kann ich gerne versuchen, euch behilflich zu sein."
    Natürlich würde dies nicht gänzlich uneigennützig geschehen, denn in jener Gesellschaft um die Quaestrix würde sich sicherlich Gelegenheit bieten, den ein oder anderen Wähler auf sich aufmerksam zu machen. Gracchus Blick schweifte nach draußen, wo dicke Regentropfen auf den Opferaltar vor dem Tempel klatschten. Mit einem feinen Lächeln wandte er sich schließlich den Artoriern wieder zu.
    "Iupiter Pluvius scheint uns bereits gewogen. Und die Neptunalia scheinen ihre Zwecke auch erfüllt zu haben, der Tiber wird dieser Tage sicherlich nicht mehr austrocknen."

    Zitat

    Original von Marcus Annaeus Metellus
    "Was will denn ein Priester in der verwaltung? Solltest Du nicht lieber den Göttern dienen? Weshalb sollte man Dich wählen? Weil Du aus ruhmreicher Familie stamst? oder weil Du das Geld hattest, die schönen Künste zu studieren? Auch ich habe studiert. Die Architektur :]
    Aber ich habe es mir hart verdient. Ich diente in Rom für lange zeit als Vigilus und habe ärmlich gelebt und gespart, während ein reicher Sohn sich Haarkräuseleien hingeben konnte. Was hast Du bislang geleistet, für das man Dir die Stimme geben könnte?"


    Gracchus wandte sich dem Fragesteller zu.
    "Du verkennst den Staat, wenn du so einseitig denkst. Die Pax Deorum ist ein wichtiger Garant für das Bestehen unseres Imperiums, der Cultus Deorum ist ein wichtiger Bestandteil der Pax Deorum und die Priester sind ein wichtiger Bestandteil des Cultus Deorum. Der Staat gründet sich nicht allein auf die Säule der Verwaltung, er gründet ebenso fest auf der Verehrung der Götter wie auf der Landwirtschaft und der Expansion. Ebenso verkennst du den Cursus Honorum, wenn du ihn als bloße Verwaltung darstellst. Das Beispiel der Ludi ist sicherlich auch dir bekannt, sie sind Teil des religiösen Lebens unseres Staates und für viele von jenen zeichnen Quaestoren, Aedile oder Praetoren verantwortlich. Doch wenn es dir nach einer fachlichen Qualifikation für die Verwaltung verlangt, so kann ich dir sagen, dass ich während meiner Ausbildung im Cultus Deorum lange als Commentarius tätig war und somit auch praktische Erfahrung auf jenem Gebiet vorweisen kann."

    Zitat

    Original von Titus Aurelius Cicero


    Wahrlich, dies war ein Mann, mit dem es sich reden ließ und der vor allem wusste, wovon er sprach.
    "Was ist daran falsch, dass jene Götter mit dem Füllhorn dargestellt werden? Sie alle haben einen Bezug dazu, sei es im Überflüss der Früchte, oder durch die Ernte oder das Wachsen jener. Mit den Floralia magst du Recht haben, doch spätestens die Ludi Florales waren seit jeher nicht sehr sittlich, wie Ovid uns in seinen Fasti lehrt. Aber, auch hierbei gebe ich dir gerne Recht, dies mag nicht mehr Gegenstand einer Diskussion an diesem Ort sein, denn womöglich mag es nichteinmal sicher sein, ob überhaupt jemand bei diesen Dingen Recht behalten kann, liegen die Einführungen unserer Feste doch zu weit zurück. Es wäre mir eine Freude, diese Diskussion an anderem Ort fortzuführen, doch Mantua ist weit entfernt. Womöglich wird sich jedoch eine Gelegenheit hier in der Stadt ergeben, wenn du als Quaestor deinen Platz in Rom einnehmen wirst."
    Ein feines Lächeln kräuselte Gracchus Lippen.
    "Doch abschließend möchte ich als Sacerdos publicus noch auf die von dir gestellte Frage bezüglich des Sittenverfalls eingehen. Die Aufgabe des Cultus Deorum war es seit jeher den Menschen in religiösen und sakralen Belangen zur Seite zu stehen und für die Pax Deorum zu sorgen. Doch Wächter über die profanen Sitten sind wir nicht, diese Aufgabe obliegt den Consuln, den Censoren und dem Staat. Wie könnten wir gegen jene vorgehen, welche durch die Götter beschützt werden? Natürlich, wir sind alle nur Menschen, auch ich habe meine persönliche Meinung zu solchen Exzessen, doch als Sacerdos ist es ebenso meine Pflicht einer Meretrix bei ihrem Opfer für Flora zur Seite zu stehen, wie einem Legionarius bei seinem Opfer an Mars oder einem Magistraten bei seinem Opfer an Iuppiter."


    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Antoninus


    Gracchus wandte sich zu dem Mann, welcher augenscheinlich der Bruder des Aurelius Cicero war und wahrlich erkannte er in ihm einen ehemaligen Quaestor, auch wenn er sich seines Namens nicht erinnerte.
    "Verzeih, ich möchte beileibe nicht die Erfolge des Aurelius Cicero schmälern, doch waren die Floralia jene, welcher er beispielhaft für seine Initiative anführte. Im Übrigen muss der Mensch auch die Muse besitzen, sich mit Nebensächlichkeiten zu befassen, nur so wird er sicher gehen können, nichts übersehen zu haben. Mir hat dies bisweilen bereits eine Einladung zu einem sicherlich noch sehr interessanten Disput eingebracht, auch wenn ich zugeben muss, dass dies für dies Kandidatur wohl tatsächlich nebensächlich ist."