Ein wenig missbilligend schweifte Gracchus' Blick zu seinem Vetter, während er zu einem Weinbrötchen griff. Aristides war schon immer wenig zurückhaltend beim Essen gewesen, doch wie er die Eier - ausgerechnet - eines nach dem anderen ohne Maß und Zurüchaltung in sich aufnahm, war regelrecht besorgniserregend. Womöglich bekam ihm die Legion wirklich nicht gut. Bevor Gracchus jedoch weiter darüber nachdenken konnte, betrat eine junge Frau den Raum und nannte Aristides ihren Vater. Die Aufmerksamkeit Gracchus' wurde darüber gänzlich auf sie gelenkt und er stöberte eilig in den Winkeln seines Gedächtnisses, wie ihr Name war. Dass er sie gesehen hatte, war Jahre her, dass Aristides in Briefen von seiner Tochter gesprochen hatte, war ebenso selten vorgekommen, wie er überhaupt Briefe gesendet hatte. Calvinia? Warum hatte ihn niemand davon benachrichtigt, dass seine Nichte im Haus war? Ocellina? Irgendeine Merkbrücke hatte es gegeben, sie hatte etwas mit Arristides zu tun. Arrecina? Möglicherweise. Glücklicherweise hatte Gracchus seinen Bissen noch nicht heruntergeschluckt und kaute ein wenig länger darauf herum, was ihn tatsächlich vorerst vor einer Begrüßung bewahrte. Schließlich, nachdem Aristides die Begrüßung übernommen hatte, nickte Gracchus seiner Nichte zweiten Grades zu.
"Salve, Arrecina."
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
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Gracchus stützte seinen Vetter auf der anderen Seite des Sklaven. So einen kräftigen Eindruck dieser auch machte, Gracchus würde ihm Aquilius nicht gänzlich anvertrauen. Behutsam ließ er seinen Vetter auf das Bett sinken und kümmerte sich vorerst nicht darum, dass seine Toga nun dunkle Flecken des flavischen Blutes aufwies. Sein mitleidiger Blick wich nicht von Aquilius und mitleidig war in diesem Falle nicht nur eine Floskel, Gracchus litt tatsächlich beim Anblick seines Vetters mit diesem mit, selbst als jener seinen Schmerz herauswürgte, wandte er seinen Blick nicht ab. Behutsam strich er ihm schließlich eine Strähne aus der Stirn.
"Was machst du nur für Sachen, Aquilius? Welchen Weg hast du nur genommen? Du weißt doch, dass Rom nicht Athenae gleicht."
Es lag kein Vorwurf in seiner Stimme, nur tiefe Sorge. Sein Vetter sah tatsächlich übel zugerichtet aus, und es härmte Gracchus, dass jener keinen zusammenhängenden Satz mehr hervorbrachte. Seine Finger strichen über seines Vetter Schläfe hinab und ein tiefer Zwiespalt tat sich in ihm auf. Einerseits drängte ihm alles, Aquilius nicht allein, nicht in Obhut des unfähigen Sklaven zu lassen, andererseits jedoch war er nicht nur des Vergnügens wegen hier, sondern hatte eine Pflicht angenommen.
"Holt meinen Sklaven Sciurus her. Er soll die Toga mitbringen"
Die Toga war an sich für den Notfall zum Wechseln nach dem Opfer gedacht, falls das Blut zu reichlich floss und dorthin spritzte, wo es nicht hingehörte. Doch in diesem Falle musste Gracchus das Risiko eingehen, dass das Opfer nicht ganz sauber ablaufen würde, denn mit einem bereits blutigen Gewand konnte er die Kulthandlung schlecht beginnen. Er strich Aquilius übers Haar und der Versuch eines Lächelns kräuselte seine Lippen.
"Sciurus wird sich um dich kümmern. Ich werde gleich nach dem Opfer wieder nach dir sehen. Du musst jetzt stark sein, Amiculus, so wie früher, wenn ich dich im Ringen geschlagen habe. Wie damals, wird auch heute der Schmerz nachlassen."
Gracchus hoffte dies zumindest. Er hatte sich während seiner Studien nur mäßig mit der Anatomie beschäftigt, doch er glaubte sich vor allem an den Teil zu erinnern, dass innere Schäden im Körper bis zum Tode führen konnten. Mit vor Sorge gerunzelter Stirn musterte Gracchus seinen Vetter und bemerkte nicht, wie sein Sklave den Raum betrat, bis jener sich leise räusperte.
"Sciurus. Wir müssen uns eilen, das Opfer ist schon in Vorbereitung."
Er stand auf und wies auf die Toga. Der Sklave verstand wortlos und begann damit, seinem Herrn das verschmutzte Gewand abzunehmen und ihn in die saubere Toga einzukleiden. Derweil erläuterte Gracchus kurz, was geschehen war.
"Ich will, dass du bei ihm bleibst und ihn im Auge behälst. Sollte sich sein Zustand verschlechtern, so benachrichtige mich sofort. Ansonsten tust du alles, was er wünscht."
Der Sklave nickte und Gracchus wandte sich an Aquilius, nahm dessen Hand in die seine.
"Lass dich versorgen, ja? Kann ich dich allein lassen?" -
Aus dem Fest herausgerissen folgte Gracchus dem Sklaven und mit jedem Schritt wuchs sein Ärger über die Störung. In ihm stieg die Frage auf, weshalb die hispanischen Flavier nicht endgültig in Hispania bleiben konnten und dem römischen Familienzweig endlich seine Ruhe ließen. Im Vestibulum trat der Sklave zur Seite, und Gracchus Blick erfasste den Flavier, welcher tatsächlich ein Hispanier war.
"Aquilius! Bei den Göttern!"
Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen und eilte zu dem Vetter hin.
"Was ist passiert? Geht es dir gut?"
Eine Hand unter Aquilius' Kinn hob Gracchus dessen Gesicht an und fuhr mit dem Finger über Aquilius' Schläfe und das dort herabrinnende Blut.
"Bei den Göttern, wer hat dich so zugerichtet?"
Sein Blick traf den kleinen Ianitor, dessen Gesicht nicht die Sorge zeigte, welche es in diesem Falle tun sollte.
"Rasch, was stehst du noch untätig hier herum? Gibt es einen Raum, wo wir ihn hinbringen können, wo er sich setzen kann? Sorge für Wasser und saubere Tücher, unfähiges Geschöpf!"
Der Ärger über die Störung und die Sorge um seinen Vetter fanden nun ein Ventil in dem Sklaven. -
Zitat
Original von Artoria Medeia
In der Pause trat einer der Türsklaven, mit geöltem Leib und den Lederbändern, die den muskulösen Oberkörper umschlangen, an die Flavier heran. Demütig auf den Boden blickend verbeugte er sich leicht. „Domini, ein Herr ist an der Tür, heruntergekommen und angeschlagen, der behauptet ein Verwandter von Euch zu sein. Sein Auftreten wirkt jedoch in keinster Weise eines Patriziers würdig!“ Er sprach langsam und sehr betont, war sein Latein doch etwas holprig.Gracchus blickte von Milo zu Aristides und legte die Stirn in Falten.
"Ein Hispanier?"
Obwohl es sonst nicht seine Art war, so lag doch Schärfe und Verachtung gleichzeitig in dieser Frage, welche keine Antwort suchte, sondern nur Ausdruck der Missbilligung war. Aristides traute Gracchus nicht zu, mit den Hispaniern umzugehen, und von Milo wusste er nicht, wie dieser in den Umgang mit jenem Familienzweig eingewiesen war. Ein Blick zu den Vorbereitungen des Opfers bestätigte ihm, dass man ihn bald, doch nicht sofort benötigen würde. Sollte jener uverschämte Mensch an der Tür dieses Hauses tatsächlich ein Hispanier sein, so würde Gracchus dem Türsteher zu Verstehen geben, dass man mit jenem Subjekt nicht verwandt war und er ihn getrost entsorgen konnte, wie dies auch mit jedem übrigen Bettler geschehen konnte. Seine Abwesenheit würde daher ohnehin nicht lange währen.
"Lasst euch nicht stören, ich werde dies übernehmen."
Er nickten seinen Vettern zu und folgte dem Sklaven zum Eingang. -
Gemeinsam mit seinen Verwandten hatte Gracchus auf einer Kline Platz genommen, nachdem die allgemeine Begrüßung ihr Ende gefunden hatte. Das Gespräch mit seinem Vetter würde er später fortführen, die Anwesenheit seines anderen Vetters musste genutzt werden, solange sie währte, war sie doch etwas äußerst seltenes. Dass Felix nicht darüber informiert war, was in der Villa und der Gens Flavia vor sich ging, dies nahm er nicht an. Dennoch setzte er zu einer kurzen Zusammenfassung der letzen Ereignisse an.
"Einige Flavia haben zurück zu ihren Ursprüngen gefunden, wie du siehst. Dass Aristides heute hier ist, ist ein glücklicher Zufall, er wurde nach Mantua versetzt."
Genau genommen wusste Gracchus nicht, weshalb Aristides nun in Rom war. Es hatte vermutlich etwas mit der Versetzung zu tun, immerhin war er mit einigen seiner Kameraden bei der Feier der Vinalia Rustica erschienen und daher nicht allein in der Hauptstadt. Es hätte Gracchus jedoch nicht verwundert, wenn Aristides selbst für diesen kleinen Ausflug gesorgt hätte, hatte er doch gegenüber Milo erwähnt, dass sich kein Lupanar in Mantua fand und dies musste ihn wahrlich sehr bedrücken.
"Aquilius beendete vor einigen Monaten seine Studien in Achaia, Lucullus tat eben jenes vor einigen Wochen am Lago Larius. Beide haben sich dafür entschieden, den Göttern im Cultus Deorum zu dienen. Auch Milo hat sich auf seine Weise den Göttern verschrieben, er trat der Verwaltung des Cultus Deorum bei. Einzig ich selbst kehrte dem Cultus den Rücken, die Wahlergebnisse sind dir sicher geläufig."
Er hielt kurz inne, um zu rekapitulieren, ob noch etwas Gewichtiges geschehen war und wurde sich dabei des Blickes seines Bruders bewusst, welchen er jedoch nicht deuten konnte.
"Dein Sohn Furianus wurde nach Hispania beordert, vom Kaiser persönlich. Er verdingt sich dort als Architectus." -
In einem tiefen Einatmen inbegriffen genoss Gracchus den Augenblick, in welchem sein Vetter sich umwandte. Langsam ließ er den Atem wieder entweichen und hörte den gesprochenen Worten zu.
"Tatsächlich? Ein Germane? Ist er..."
Gracchus blickte fragend, winkte dann jedoch ab.
"Ach, unwichtig. Ich werde sehen, ob Sciurus ein wenig Zeit erübrigen kann, doch ich werde zuerst abwarten müssen, wie sehr ich ihn in der nächsten Zeit selbst benötigen werde."
Er bedauert nun ein wenig, dass er seinen Klienten dem Sohn seines Vetters als Scriba personalis nachgesandt hatte, womöglich würde er bald selbst gut daran tun, einen solchen zu beschäftigen.
"Die zweite Prüfung ist das Opfer, nicht wahr? Dies sollte dir nicht allzu schwer fallen, immerhin ist es die Aufgabe, welche dich auch später am meisten fordern wird. Ich selbst versuchte in den Tagen nach der Wahl meine Aufgaben als Sacerdos abzuschließen. Es wird wohl etwas dauern, bis die Vereidigung ansteht, doch ich möchte es vermeiden, unerledigte Pflichten zurückzulassen." -
Die Nachricht darüber, dass sein Vetter die Villa besuchte, hatte Gracchus ein wenig verwundert, dass jener mit allen anwesenden Flaviern speisen wollte noch ein wenig mehr, hielt er Felix doch nicht unbedingt für einen geselligen Familienmenschen, der darauf Wert legte mit seinen Vettern Belanglosigkeiten auszutauschen. So trieb ihn ein wenig die Neugierde, als er sich von Sciurus entsprechend ankleiden ließ und schließlich nur unwesentlich nach Aquilius den Raum betrat. Ein feines Lächeln kräuselte seine Lippen beim Anblick des Vetters.
"Salve, Aquilius."
Die vergangenen Tage hatten nicht allzuviel Zeit geboten, ausführliche Gespräche mit seinen Verwandten zu führen, doch nach Sciurus Bericht hatten sich auch jene nicht übermäßig viel in der Villa aufgehalten.
"Wie geht es dir? Was machen deine Bemühungen um den Dienst der Götter?" -
Aquilius reagierte genau auf jene Weise, wie Gracchus dies erhofft hatte und stemmte sich gegen ihn. Doch es genügte nicht, um ihn in den sandigen Boden zu drücken und Gracchus sah sich alsbald selbst in schlechter Position. Er biss die Kiefer aufeinander, um den Schmerz in einem Arm zu ignorieren, schließlich jedoch gab er nach und befreite sich mit einer Drehung aus dem schmerzenden Griff. Jedoch ließ er seinem Vetter keine Zeit, ging gleich zum nächsten Angriff über, in dem er noch in der Drehung eine Position seitlich hinter Aquilius einnahm und sich dann mit seinem gesamten Schwung und Gewicht gegen den Vetter drückte, wohl wissend, dass er dabei seinen eigenen Stand aufgeben und sie letztlich beide im Sand landen würden.
"Lande nach mir, denn ich werde dir einen Schritt voraus sein."
Er presste die Worte mit einem Schnaufen heraus. -
Gracchus wandte den Kopf zu seinem Vetter Aristides um und entgegnete ihm, ebenso mit einem leisen Flüstern.
"Es geht um die Wahl eines Magisters. Nachdem sich niemand dazu bereit erklärte, stand ich schließlich auf, denn es scheint mir, als bräuchte diese Soldalität einige neue Impulse. Es findet sich augenscheinlich kein weiterer, der sich ebenfalls zur Wahl stellt und dies scheint dem Claudier nicht zu gefallen. Was sein gutes Recht ist, doch ich frage mich, weshalb er nicht selbst vortritt." -
Dass der Vetter seiner Verlobten öffentlich die Stimme gegen ihn erhob, vielleicht nicht offensichtlich, jedoch in jedem Fall hintergründig, erstaunte Gracchus. Mochten sie sich auch nicht näher kennen, Gracchus erinnerte sich, dass der Claudier während seiner Verlobungsfeier eher zurückhaltend war, so hätte er zumindest erwartet, dass jener sich selbst zur Wahl stellen würde, wenn er mit den Wahlalternativen nicht zufrieden war. Dass die Sodales kaum würden führerlos bleiben können, musste immerhin auch ihm klar sein, denn der nächste Festtag lag nicht allzu fern.
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Zitat
Original von Vibius Valerius Victor
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Er legt die Wachstafeln mit den Prüfungsfragen vor den Prüfling auf den Tisch. "Wenn du keine Fragen mehr hast kannst du direkt anfangen. Möge Fortuna dir hold sein."
...Gracchus las die Fragen konzentriert durch und widmete sich dann mit großer Sorgfalt jeder einzelnen. Da der Septemvir kein festes Zeitfenster vorgegeben hatte, nahm sich Gracchus soviel Zeit, wie er benötigte. Schließlich jedoch klappte er die letzte Tafel zu, legte den Griffel Beiseite und gab seine Antworten ab.
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"Es hat mich ebenfalls gefreut, wir werden dies nun sicherlich noch des öfteren tun."
Gracchus erhob sich.
"Ich wünsche dir eine angenehme Nachtruhe, Bruder."
Nachdenklich, nicht gänzlich zufrieden, aber doch beruhigt, verließ Gracchus das Cubiculum seines Bruders. Ganz sicher war er sich über dessen Gedanken und Intentionen noch immer nicht, doch seine Befürchtungen hatten sich nicht bestätigt. Alles weitere würde die Zeit zeigen, doch Gracchus war vorerst zuversichtlich. -
Nachdem sich nach einer Weile keine weiteren Fragesteller meldeten, wandte sich Gracchus noch einmal kurz an die Menge.
"Ich danke euch, für euere Aufmerksamkeit und hoffe, dass ich euch von meinen Qualitäten überzeugen konnte. Werdet ihr mir eure Stimmen geben, so soll es euer Schaden nicht sein, denn ich werde all meine Schaffenskraft zur Ausübung meiner Pflichten aufwenden. Mögen die Götter über eine gerechte und faire Wahl wachen."
Damit wandte er sich von der Rednerbühne, verzichtete jedoch darauf, die Sänfte für seinen nächsten Weg zu nutzen. Das Capitol war nicht weit und Gracchus würde den Rest des Tages nutzen, seinen Dienst in den Tempeln zu tun. Bis zur Wahl war dies immerhin seine Aufgabe und jene wollte er auf keinen Fall vernachlässigen. -
Zitat
Original von Marcus Flavius Aristides
Die Ereignisse überschlugen sich förmlich, als ein Häuflein Soldaten in die Veranstaltung polterte, wie dies nur ein Häuflein Soldaten zustande brachte, gar unabhängig davon, ob in Rüstung oder in Zivil. Kurz darauf stand schon sein Vetter Aristides bei ihnen und Gracchus war die Verwunderung förmlich ins Gesicht geschrieben, denn auch er hatte diesen weit fort in Germania vermutet - ein Umstand, den er nicht unbedingt nur bedauerte, war Aristides doch maches mal für seinen eigenen Geschmack ein wenig zu überschwänglich. Aus diesem Grunde war es andererseits nicht verwunderlich, Aristides in Rom zu sehen, er hatte schon immer ein Talent für überraschende Momente besessen.
"Salve, Vetter. Wie geht es dir? Nun, meine Studien sind beendet, aber aufhören zu studieren werde ich wohl nie."
Nach Milos Worten zu urteilen, beteiligte sich auch dieser gerne an ausschweifenden Zügen durch nächtliche Städte, und Gracchus hoffte, dass die beiden Aquilius nicht allzusehr in dies hineinziehen würden, wie Aristides es in Griechenland bereits oft genug getan hatte. Gracchus selbst war zwar im geeigneten Moment kein Kind von Traurigkeit, ein wenig peinlich berührt erinnerte er sich an gesellige Männerabende welche meist in völliger Trunkenheit geendet hatten, doch die nächtlichen Ausflüge seiner Vettern führten für gewöhnlich dorthin, wo käufliche oder bereitwillige Damen warteten, und dies war nichts, mit dem Gracchus viel anfangen konnte.ZitatOriginal von Artoria Medeia
wurden."Sicherlich fragt Ihr Euch gespannt, wie es weiter gehen wird. Nun, alles werde ich Euch nicht verraten..." Medeia schmunzelte vergnügt. "...aber ehe wir zum Opfer des Iuppiters schreiten und danach zum Mahl und der Unterhaltung durch Tanz, Spiel und Theater, gilt es noch etwas wichtiges zu wählen. Wir müssen den heutigen Weinkönig oder Königin und somit auch den Zeremonienmeister wählen. Ich bitte um Vorschläge, werte Gäste!"
Als die Gastgeberin zur Begrüßung ansetzte, verstummten die meisten Gespräche. Auch die Flavier blickten zur Quästrix hin, welche zur Wahl aufrief. Ein verstohlenes Funkeln blitzte in Gracchus' Augen auf und seine Lippen kräuselten sich in einem feinen Lächeln, als er darüber nachsann, seinen Vetter zur Wahl vorzuschlagen. Das Studium des Weines zählte sicherlich zu den wenigen Studien, welchen sich jener mit Eifer widmete, weshalb er als Zeremonienmeister gar prädestiniert war. Andererseits war sich Gracchus nicht sicher, ob dies wirklich eine gute Idee war, welche er nicht im Nachhinein noch bereuen müsste. -
Am Tag, welcher jenem folgte, an dem sich Gracchus in der Schola zur Prüfung angemeldet hatte, erschien er im genannten Raum um jene Prüfung abzulegen. Schon einmal hatte er eine Prüfung zum Sacerdos abgelegt, doch es hieß, dass die Probatio rerum sacrarum mit jener nicht vergleichbar wäre. Er nahm an einem der Tische Platz und starrte ein kleines Loch in die Luft.
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"Dann werde ich diesen Termin wahrnehmen. Damit möchte ich dich auch nicht länger aufhalten, Senatorin, du hast sicherlich eine Menge Arbeit."
Das Officium sah in der Tat eher danach aus, als ob in der Schola Personalmangel herrschte. Es war äußerst deplorabel, dass die wichtigsten Institutionen des Reiches dermaßen unterbesetzt waren. Religion und Wissen verkamen, während sich die klugen Köpfe in den Legionen sammelten, die keinen Feinden mehr gegenüber standen.
"Ich danke dir für die Auskünfte. Vale und einen angenehmen Tag."
Bevor er die Schola verließ, ließ sich Gracchus noch den erwähnten Raum zeigen, so dass er am folgenden Tag nicht würde suchen müssen. -
Mit einem Nicken bestätigte Gracchus Milos Überlegungen zu den Dimensionen der Villa Flavia.
"Zum Glück ist dein Bruder von der Idee abgekommen, die Villa weiter auszubauen. Sonst würde man vermutlich nicht einmal mehr einen Sklaven finden, wenn man gerade einen braucht."
Ein kurzes Schaudern durchfuhr ihn, als Milo sich mit dem Kranz geschmückt in Pose stellte. Auch wenn sich die beiden im Verhalten nur mäßig ähnelten, die äußere Ähnlichkeit zu seinem Bruder Furianus war manches mal nicht zu übersehen und manches mal führte dies in Gracchus zu ähnlich unpassenden Gedanken wie bei jenem. Um über die Uneinigkeit in sich selbst hinwegzuführen, antwortete er rasch.
"Der Ianitor bot mir ebenfalls einen Kranz an, doch ich lehnte ab. Es ist das Fest des Iuppiter, der nach dem Ritus patrius geehrt wird und ich bin nicht nur als Gast hier, sondern auch als Sacerdos publicus. Die Quaestrix bat mich, das Opfer durchzuführen."
Interessiert hörte er schließlich, was sein Vetter über die Organisation im Cultus Deorum zu berichten hatte.
"Ach, wie deplorabel, dass dies alles erst jetzt geschieht. Allerdings werde ich den Cultus Deorum weiterhin im Auge behalten, sollte meine Kandidatur erfolgreich sein. Gerade an übergreifender Organisation und Impulsen von außerhalb scheint es ihm manches mal zu mangeln, ganz zu Schweigen von der fehlenden Zusammenarbeit mit den Magistraten, ein Versäumnis welches meines Erachtens jedoch auf Seiten derselben liegt. Wie ich bereits bei meiner Wahlrede äußerte, ich werde dem entgegen gehen und kann nur hoffen, dass andere Magistrate folgen werden. Allerdings bin ich mir über den Ausgang der Wahlen nicht so sicher. Politische Kontakte habe ich nicht unbedingt viele, sieht man von jenen ab, die mit unserer Gens zusammenhängen, und womöglich habe ich den Schritt zu früh getan. Doch gerade die letzten Monate haben meines Erachtens gezeigt, dass die Verbindung zwischen Staat und Religion auf Dauer wieder gefestigt werden muss und nachdem der Staat nicht auf die Religion zukommt, sehe ich keinen anderen Weg dazu, als Impulse aus dem Cultus Deorum in die Poltik zu bringen." -
Eine Suche blieb Gracchus erspart, schickte er doch seinen Sklaven Sciurus voraus um das richtige Officium für sein Ansinnen zu suchen. Zwar misstraute er dem Ergebnis dieser Suche, gab ihm Sciurus doch zu verstehen, dass man sich direkt im Officium des Rectors melden müsse, doch fand er sich eben an jenem Officium ein. Die Schola hatte entweder noch weniger Personal als der Cultus Deorum, dass sie sich kein Anmeldeofficium leisten konnte, oder der Rector der Schola hatte keine Arbeit, dass er die Anmeldungen selbst übernahm. Nach kurzem Studium des Schildes, welches an der Tür hing und da Kund tat Anklopfen und eintreten! kam Gracchus zum Schluss, dass die Rectorin Aelia, wie er nach dem Lesen nun wusste, zumindest nichts zu verbergen hatte. So klopfte er also und betrat nach kurzem Warten den Raum.
"Salve, Senatorin Aelia."
Er neigte kurz den Kopf zum Gruß und trat näher.
"Mein Name ist Flavius Gracchus, ich bin Sacerdos publicus im Dienst des Cultus Deorum. Ich möchte gerne die Probatio rerum sacrarum ablegen." -
Gemessenen Schrittes erschien der Sacerdos im Innenhof der Casa und blieb nahe der Tür stehen, um einen Blick über die Gäste zu werfen. Er bedauerte nun, seinen Leibsklaven Sciurus am Eingang abgegeben zu haben, diente ihm dieser doch üblicherweise als Nomenclator und kompensierte so Gracchus' überaus unzureichendes Namensgedächtnis. Mit der Gastgeberin im Gespräch erkannte er einen Quaestor, bei welchem ihm zumindest der Nomen gentile geläufig war, daneben sah er auch den Praefectus Praetorio, mit welchem er vor nicht allzu langer Zeit ein Gespräch im Tempel des Mars Ultor geführt hatte. Dass auch Tiberia Livia zu den Gästen zählte, erfreute ihn, da er die Senatorin schon seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Allerding schien auch sie gerade in ein Gespräch vertieft, so dass er sie vorerst nicht stören wollte. Beinahe ein wenig versteckt entdeckte Gracchus schließlich seinen Vetter zweiten Grades und trat auf jenen zu.
"Salve, Milo."
Ein wenig amüsiert nahm Gracchus den Kranz zur Kenntnis, welcher auf Milos Haupt lag. Die Festivität schien allgemein äußerst griechisch angehaucht zu sein.
"Einen frohen Feiertag wünsche ich dir. Ich hörte, der Cultus Deorum hat dich in der Verwaltung aufgenommen? Die Götter scheinen den Flavia dieser Tage wieder nahe zu stehen, nachdem sie immer mehr von uns um sich scharren."
Ein leichtes Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen. Er hatte trotz der relativ langen Zeit, da Milo bereits in der Villa Flavia wohnte, noch immer wenig Gelegenheit gehabt, diesen Sohn seines Vetters näher kennen zu lernen. Milo schien den größten Teil seiner Zeit außerhalb der Villa zu verweilen und selbst zum Abendessen trafen die Mitglieder des Hauses nur selten aufeinander. -
Geduldig ließ Gracchus die weiteren Schmeicheleien über sich ergehen. Sein ruhiges Gemüt führte selten dazu, dass ihm etwas lang wurde und so folgte er tatsächlich jedem einzelnen Wort des Ianitors mit seiner ganzen Aufmerksamkeit. Als der Mann ihm den Kranz reichte, lehnte Gracchus mit einer abweisenden Geste ab.
"Sehr aufmerksam."
Natürlich bedachte er mit seinen Worten nicht den Ianitor, sondern die Gastgeberin.
"Doch dies ist nicht notwendig. Dem Iuppiter wird nach Romanus ritus geopfert, eine Togafalte zum Bedecken des Kopfes genügt."
Ohne weiter auf den Sklaven zu achten, schloss sich der Sacerdos dem dünnen Mädchen an, welches ihn in den Innenhof führte. Sein Blick jedoch galt nicht ihren federnden Hüften, sondern glitt über die beiden Türsteher mit dem geölten Haar.