Ein schmales Lächeln umschmeichelte die Lippen des Flaviers bei der Aussicht in zwölf Jahren den Beginn des nächsten Saeculums mitzuerleben. Zwölf Jahre - zweifelsohne war dies möglich, doch je älter er wurde, desto kürzer schienen die Jahre zu werden. In diesem Augenblicke jedoch wollte er dem Thema und damit diesem Gedanken nicht weiter nachgehen, sondern sich dem Bild hingeben, diese Feier mit drei Generationen Manius Gracchus zu feiern.
"Womöglich war es nicht Ovidius' Relevanz, welche als Opfer ihn selektionierte, sondern gerade seine Belanglosigkeit, dann etwa, wenn er selbst gar nicht das Ziel war, sondern ein anderer. Würde man dir drohen oder dich er..pressen wollen, so würde man kaum dich umbringen, sondern jemanden, der zwar mit dir verbunden ist, dessen Tod indes nur eine Botschaft darstellt - eine Botschaft, welche nicht ignoriert oder vertuscht werden kann, da sie auf den Stufen des Senates hinterlassen wurde."
Vescularius hatte den Flaviern, respektive Gracchus damals eine ähnliche Botschaft durch den Tod Pisos zukommen lassen, davon war er bis heute überzeugt.
"Die Frage ist darob allfällig, für wen mit großem Einfluss oder großem Rei'htum war Ovidius zwar von Interesse, jedoch abkömmlich?"
Gracchus zuckte ratlos mit den Schultern und sankt wieder ein wenig tiefer ein, da das Thema an sich zwar relevant, jedoch überaus müßig war, würden Lupus und er das Rätsel wohl kaum im Badebecken lösen. Ihre eigene Zukunft dagegen hatten sie selbst in der Hand, zumindest die Pläne hierzu.
"Den Codex iuridicalis reformieren? Ein geringeres Projekt hätte ich kaum von dir erwartet"
, lachte er. Mangelnder Ehrgeiz konnte dem Aurelier kaum wohl vorgeworfen werden.
"Aber du hast wohl recht, ein solches Unterfangen muss gut vorbereitet sein. Das intensive Studium kryptischer Paragraphen ist zugestandenermaßen nicht mein größtes Ver..gnügen, es wäre mir jedoch eine Ehre sofern ich dir bei deinen Ideen erneut behilflich sein kann."
Immerhin sah auch der Flavier einiges an Verbesserungs- und insbesondere Vereinfachungspotential bei den Rechts-Gesetzen und sofern er dies nicht maßgeblich musste vorantreiben war er durchaus gewillt einen Beitrag zu diesen Änderungen abzuleisten, nicht nur um seiner senatorischen Pflicht zu genügen. Seine Pflicht war es auch, welche am Ende aller Überlegungen seine eigenen Pläne maßgeblich bedingte.
"Nun, der Sinn würde mir danach stehen neuerlich Kunst und Kultur zu fördern, scheint mir in dieser Hinsicht Rom als Hauptstadt der Welt doch bisweilen mehr als trist. Allerdings fehlt mir noch immer ein wenig der notwendige Elan, zudem ist nun auch noch die Augusta nach Germania ent..sandt worden, und gerade sie ist doch eine große Liebhaberin der Künste, dass ich ein größeres Unterfangen wenn überhaupt, so kaum während ihrer Absenz möchte realisieren."
Arme Veturia, wie muss ihr Geiste im spröden Germania verkümmern! Gracchus verstand nicht wie der Augustus seiner Gemahlin solch eine Reise konnte zumuten, da er doch zu gleicher Zeit einen neuen Statthalter hatte entsandt, so dass auf die Anwesenheit der Kaiserin zweifelsohne hätte verzichtet werden können. Andererseits kannte Gracchus den Aquilier nicht gut genug, um dessen Hintergedanken bei dieser Aktion erraten zu können, so dass er schlichtweg darauf vertraute, dass er Kaiser wusste, was er tat.
"So bleibt der Cultus Deorum wie stets meine vorrangige Pfli'ht, gleichwohl ich auch hierbei uneins bin ob des Ausmaßes meiner Tatkraft und weiteren Strebens."
Mit einem nachdenklichen Blick versank er in einem flimmernden Lichtstrahl, welcher durch ein Fenster in die gewaltige Halle der Therme hinein fiel und sich in dem großen Raum verlor, ganz ähnlich wie die Gedanken des Flaviers sich in seinem Leben verloren als er zur Beantwortung der Frage ein wenig weiter ausholte, da er das Gefühl hatte, seinen Mangel an Diligenz rechtfertigen zu müssen.
"Bereits vor meiner Geburt waren die Vitae unserer Familie verbindlich geregelt. Meinem Bruder war das militärische Oberkommando über die erste Legion zugedacht, meiner Schwester die Rolle der Virgo Vestalis Maxima und mir selbst die des Flamen Dialis. Dies mag auf den ersten Blicke ver..messen erscheinen, doch im Grunde war nur die Zukunft meines Bruders ambitioniert. Meine Schwester und ich hatten mit unserer Zukunft abzugelten, was Rom unserer Familie zuteil werden ließ und lässt. Letztendlich haben die obersten Priesterämter schon lange ihren großen Einfluss verloren, sind selbst bei alten Patrizierfamilien unpopulär geworden ob ihrer Pfli'hten und Einschränkungen. Die Flavia jedoch ist davon überzeugt, dass es nichts ohne Ausgleich geben kann, do ut des - dies gilt in allen Bereichen des Lebens, da alles durchzogen ist von den göttlichen Prinzipien."
Nur wenn jeder in Rom seine Rolle ausfüllte konnte das Imperium florieren und gedeihen, und zur Rolle der Patrizier gehörte dabei das eigene Leben ebenso ein Stück weit hinten anzustellen und ihre Pflicht in Politik, Militär und Cultus zum Wohle Roms zu erfüllen, wie es etwa zur Rolle des Metzgersohnes gehörte, den Betrieb seines Vaters zu übernehmen und für die Fleischversorgung der Stadt Sorge zu tragen.
"Mein ganzes Leben war auf diese Zukunft ausgeri'htet, bereits in frühester Jugend derart gefestigt, dass ich mich gar mit meinem Vater überwarf als er nach dem ... Tod ... meines Bruders postulierte ich solle nun an dessen Stelle treten."
Zweifelsohne hätte Gracchus dem Wunsch seines Vaters früher oder später nachgeben müssen, doch das Schicksal hatte beschieden, dass Titus Vespasianus zuvor den Weg allen Fleisches ging und dem Sohn somit seine Zukunft nach eigenem Ermessen offen stand.
"Stets war mein Streben erfüllt von dem Gedanken daran, meine Tugenden zu entfalten und meine Integrität zu wahren, jeden Schritt zielgerichtet abzuwägen, um zu tun und mir anzueignen, was vonnöten ist, ein Flaminat ausfüllen zu können. Bis Ves..cularius Salinator die Welt ins Wanken brachte."
Er senkte seine Stimme ein wenig ab und blickte nun wieder zu Lupus.
"Ich habe mich dafür entschieden, zum Wohle Roms meine Integrität aufzugeben. Und obgleich es zweifelhaft ist, dass irgendjemand in diesem Bürgerkriege seine Integrität konnte bewahren, so gibt es doch beileibe Männer, welchen dies besser gelungen ist als mir selbst."
Er schwieg kurz, ehedem er wieder fortfuhr.
"Nach der Eheschließung mit Prisca habe ich in Betra'ht gezogen, mich stattdessen auf eines der anderen Flaminate oder etwa den Rex Sacrorum auszurichten. Indes, in letzter Zeit beschleicht mich auch hierzu Zweifel, denn letztendlich müssen diese nicht weniger unbescholten sein als der Flamen Dialis."
Trotz aller Realität hing Gracchus noch immer der naiven Vorstellung an, dass jene Männer an der Spitze des Cultus Deorum wahrhaftig ihre Integrität durch ihre politische Laufbahn und alle Widrigkeiten des Lebens hindurch hatten behalten können. Ein Seufzen echappierte seiner Kehle, ehedem er sich zu einem Lächeln zwang.
"Dass Menenius Lanatus augenscheinlich mehr als ein Saeculum erleben wird, scheint mir zudem ein eindeutiges Zeichen der Götter zu sein, dass es derzeit keinen Mann gibt, welcher würdig wäre dieses Amt auszufüllen."
Ein wenig schicksalsergeben breitete er die Hände aus.
"Insofern also füge ich mich in meine derzeitigen Pflichten, überlasse Ehrgeiz und Ambition der jüngeren Generation, und werde wohl meinen Sohn Titus in die Pflicht nehmen müssen, eines der hö'hsten kultischen Ämter für die Flavia auszufüllen."