Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Gracchus bemerkte die Verstimmung in der Couleur seiner Gemahlin nicht, realisierte auch nicht ihre Differenzierung zischen männlichen und weiblichen Leibsklaven - da dies für ihn gänzlich unerheblich war, seine Gedanken einzig auf die divergenten Funktionen abzielte.
    "Es ist wohl zweifelsohne ein Unterschied zwischen deinen Leibsklaven und einem Leibwä'hter, Prisca. Erstere sind dazu da, dir deine Wünsche zu erfüllen und dich zu umsorgen, was des Tages wie des Nächtens gleichermaßen essentiell ist, während die Aufgabe des letzteren ist, dein Leben zu schützen - was behütet durch dieses Haus, wie auch seine Wächter im Regelfalle ent..behrlich sollte sein. So dies den Gewohnheiten deiner Familie entspricht ist nichts dagegen einzuwenden, doch der Eindruck, den dies in mir evoziert ist, dass du dich in diesem Hause nicht ungefährdet fühlst. Ich bin für diese Si'herheit verantwortlich, dir gegenüber als dein Gemahl, doch als gegenwärtiges Oberhaupt der Familie auch gegenüber jedem anderen Mitglied dieses Hauses. Sofern es also Grund zur Beunruhigung gibt oder gar Zweifel an der Ergebenheit unserer Sklaven, so muss ich dies wissen."
    Gracchus mochte seine Position als Oberhaupt der Familie nicht und für gewöhnlich tangierte sie ihn wenig, doch in Hinblick auf eine potentielle Gefährdung seiner Familie war er überaus empfindlich, nicht nur da er sich selbst bereits viel zu oft als drohendes Unheil hatte erwiesen. Er fasste Prisca am Arm und blickte sie fest an.
    "Gab es während des Sklavenaufstandes Grund zu Argwohn gegenüber unseren Sklaven?"
    sprach er schlussendlich die schlimmste seiner Befürchtungen - die Gefährdung aus dem Inneren der Familie - aus. Die Sklaven aus der Zucht der Flavia waren wenig anfällig für Verlockungen, welchen gefangene oder schlecht gezüchtete Massensklaven boten, doch auch Agrippinas Zucht mochte nicht gefeit sein gegen das Erwachsen eines schwarzen Schafes, gleichwohl stammte zwar die Mehrheit, doch längst nicht alle Sklaven des Hauses aus der flavischen Zucht.

    Der flavische Senator konnte dem Consul noch immer nicht gänzlich folgen, was ein gewisses Unwohlsein in ihm evozierte, war doch die Forderung, welche Claudius stellte, durchaus von nicht geringer Tragweite, so dass zweifelsohne auch die Ursache nicht gering konnte sein.
    "Diese Varia, war dies ebenfalls eine Ritterin?"
    fragte er leise seinen Nebenmann.
    "Nein, eine Sklavin"
    , kommentierte jener, was Gracchus in neuerliche Derangierung stürzte, was deutlich an den Falten auf seiner Stirn zu sehen war. Als schlussendlich sich einige Augenblicke der Stille über den Senat senkten, entschied er sich noch einmal das Wort zu ergreifen.
    "Consul Claudius, da mir nicht gänzlich eingängig ist, ob du die Ursache des Sklaven-Aufstandes vor einigen Wochen nun in dem unbotmäßigen Ver..halten der Sergia am gestrigen Tage siehst - könntest du allfällig erläutern, in welchem Verhältnis jene Frau zu den aufständischen Sklaven steht? In welcher Weise hat sie die Sklaven dazu ermutigt, zu morden? Gleichwohl, da du eine Gesetzesänderung in Hinblick auf alle Frauen Roms zweifelsohne nicht aufgrund eines Einzelfalles wirst einfordern, gibt es weitere Exempel dieses Werteverfalls durch untugendhaftes Verhalten, welches mit dem Verbre'hen in Zusammenhang steht? Denn ich sehe durchaus die Notwendigkeit, jenes ungebührliche Verhalten zu maßregeln, gleichwohl bedeutet die Verfehlung eines einzelnen nicht zwangsläufig den Verfall einer nicht eben gering dimensionierten Gruppe."
    Gracchus selbst konnte diesen Verfall nicht bestätigen, waren doch jene Frauen, von welchen er umgeben war, von unbezweifelt tugendhaftem Charakter, gleichwohl mochte er selbstredend nicht ausschließen, dass in anderen Schichten der Gesellschaft Entwicklungen vonstatten gingen, welchen er sich nicht gewahr war - insbesondere aufgrund seiner stadt-römischen Absenz der letzten Monate.

    Zitat

    Original von Aurelia Prisca
    ...
    Haben die Cornelier wirklich nichts besseres im Angebot? Immerhin geht es hier um den erstgeborenen Sohn des Familienoberhauptes der Flavier. Und mit diesem war Prisca zufällig verheiratet. Also warum frage ich meinen Mann nicht einfach? ... dann hätte ich endlich Gewissheit:"Gracchus? … Was ich dich längst einmal fragen wollte: Wie kam es eigentlich zu der Verbindung zwischen deinem Sohn und der Cornelia?" Diese Frage kam vielleicht überraschend, aber sie war ja durchaus legitim und sie betraf seinen Sohn, der eben im Mittelpunkt stand.


    Mit Argusaugen folgte Gracchus Maior der Eröffnung der Spiele durch Gracchus Minor - nicht etwa, da er einen Faux Pas seines Sohnes erwartete, sondern schlichtweg da er keinen Augenblick dieses erhebenden Momentes wollte versäumen, gleichwohl die Handlung nicht sonderlich spannungsreich war. Der Start der Gespanne fesselte ihn weitaus weniger als die meisten übrigen Zuschauer und auch dass der grüne Rianorix alsbald im hinteren Feld fuhr tangierte ihn vorerst kaum, denn als seine Gemahlin seinen Namen nannte gehörte jegliche Aufmerksamkeit gänzlich und ohne Ausnahme ihr. Ihre Frage mochte aus seiner Perspektive derzeitig jedes Anstoßes entbehren, doch Gracchus hatte noch nie versucht, die Gedankengänge der weiblichen Wesen um ihn her nachzuvollziehen.
    "Nun, Cornelius Scapula und sein Bruder stammen aus einem bedeutsamen Zweig der Cornelia, und unsere Freundschaft war vor dem Bürger..krieg noch weitaus inniger als sie es heute ist."
    Ihre Freundschaft war zwar nicht versiegt, noch war sie im Kriege gebrochen wie jene zu Durus, doch das Vertrauen zwischen ihnen war nicht mehr ohne Vorbehalte. Scapula warf Gracchus insgeheim vor, dass er ihm nicht die gänzliche Wahrheit berichtete, wie und weshalb es zu seiner Proskription war gekommen, weshalb er Rom so zeitig hatte verlassen und was genau er bis zum Ende des Bürgerkrieges und darüber hinaus hatte getan - gleichwohl war der Cornelier zu höflich, Gracchus offen darauf anzusprechen. Der Flavier indes konnte darüber nicht sprechen ohne die Wahrheit zu beugen oder zu leugnen, ob dessen er selbst diese Zeit niemals thematisierte und froh war, dass Scapula nicht danach fragte, gleichwohl jene enge Vertrautheit, welche sie früher hatte verbunden, aus diesem Grunde üblicherweise mied.
    "Scapulas Bruder war Tribun einer Legion und als er in Parthia fiel, nahm Scapula dessen Kinder in seine Obhut. Bald darauf entschieden wir eine feste Bindung zwischen unseren Familien zu forcieren und schlossen die Verlobung zwischen Minor und Philonica, beide waren damals noch Kinder."
    Es war also eine überaus traditionelle Verbindung zwischen den beiden Familien.
    "Wie sich gezeigt hat, war dies für beide kein Na'hteil."
    Ein zufriedenes Lächeln umschmeichelte Gracchus' Lippen. Sowohl Scapula, als auch er hatten schlussendlich ihr Consulat absolviert und beide besetzten noch immer wichtige kultische Positionen, wiewohl sie auch politisch sich noch immer nahe standen. Ob Minor und Philonica sich dabei mochten spielte für diese Verbindung keine Rolle.
    "Philonica ist allfällig keine Venus, doch sie wird zweifelsohne eine gute Ehefrau werden"
    , räumte Gracchus jeden Zweifel an dieser Ehe aus.
    "Du wirst sie sicher mögen."
    In seinem harmonischen Weltbild würden sich ohnehin stets alle Ehefrauen der Flavier mögen (müssen).
    "Zudem wird sie nach ihrem Einzug in die Villa Flavia schlussendli'h ein Vorbild erhalten, welches kaum angemessener könnte sein"
    , fügte er schelmisch hinzu, auf seine teuerste Gemahlin anspielend. In den Reihen hinter ihnen brandete in diesem Augenblick Jubel auf als Pheidon von Calydon sich an die Spitze des Feldes schob. Gracchus' Blick wurde auf die Rennbahn gezogen und seine linke Braue hob sich ein wenig empor.
    "Oh, es scheint unser Favorit bringt uns kein Glück"
    , wandte er sich noch einmal ehrlich betrübt zu Prisca, da ihm zwar selbst wenig an dem Gewinnen lag - gegenteilig, je schlechter das grüne Gespann fuhr, desto weniger frenetisch würde er jubeln müssen - gleichwohl er indes sich wünschte, dass Priscas Favorit würde gewinnen schlichtweg da dies Priscas Wahl war.

    Ein wenig unruhig schritt Gracchus durch den porticus des Peristyliums, beäugte dabei - gänzlich entgegen seiner sonstigen Gewohnheit - die herumstehenden oder ihren Tätigkeiten nachgehenden Sklaven kritisch, die Stirn in Falten gelegt.
    "Prisca"
    , empfing er seine Gemahlin und bestätigte sein Begehr ohne auf sein Befinden einzugehen.
    "In der Tat."
    Er nickte leicht.
    "Teuerste Gemahlin, ich bin in Sorge. Ich habe Kenntnis erlangt darüber, dass Claudia Sassia einen Leibwä'hter hat erworben, welcher selbst in diesem Hause an ihrer Seite wacht, welcher gar in einem Zimmer neben ihrem Gemach nächtigt."
    Allein dass einem Sklaven eigener Raum wurde zugestanden war etwas, das Gracchus' ein wenig aus dem Konzept brachte, doch mehr noch die Funktion desselben.
    "Ehedem noch ich diesen Insult bei Scato konnte anspre'hen, kam mir indes zu Ohren, dass auch du seit einiger Zeit einen solchen Leibwächter beständig an deiner Seite lässt ver..weilen, so dass dies augenscheinlich keine Geringschätzung unserer Familie bedeuten kann, welche mich sollte kränken, sondern derangiert und besorgt mich zurücklässt darüber, welche Gefahr die Frauen dieses Hauses dazu ver..anlasst, sich in ihrem Heim nicht mehr sicher zu fühlen?"
    Ein kleiner Affront blieb dennoch bestehen, da augenscheinlich niemand im Hause gewillt war mit ihm über diese Causa zu sprechen. Sein fragender Blick indes barg mehr Sorge denn Verstimmung, war die Villa ihm doch ein Bollwerk der Sicherheit, und so dies für seine Gemahlin nicht mehr gegeben war, musste dies eine Gefahr für die gesamte Familie bedeuten.

    Die ersten Tage im Senat seit seiner Rückkehr nach Rom hatten Gracchus ein wenig ermatten lassen, hatte er bisweilen doch das Gefühl, dem Geschehen nicht in Gänze folgen oder aber eine unter dem Offensichtlichen verborgene Ebene nicht detektieren zu können. Zweifelsohne hatte dies auch zu früheren Zeiten bereits für die ein oder andere Debatte zugetroffen, insbesondere im Spiel um Ränke und Intrigen, doch nach seiner Absenz schien ihm diese Gegebenheit um so deutlicher. Allfällig enervierte ihn jedoch auch nur die Gesamtmenge an Konzentration, welche er im Laufe der Sitzung wieder musste aufbringen nachdem er in den zurückliegenden Monaten seinen Geist nur mit sich selbst hatte beschäftigen müssen. Doch auch in seinem Heim blieb nicht alles derart erfreulich wie es zuerst den Anschein hatte, ob dessen er an diesem Tage seine Gemahlin Prisca um eine Unterredung bat.

    Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates
    ...
    "...
    Ich habe keine Zeit, all deine Fragen stückweise durchzugehen. WIR haben keine Zeit. Ich wollte eigentlich dich und Senator Flavius Gracchus bitten, dass wir gemeinsam eine Staatssühne anbringen. Schneller als schnell kann ich nicht handeln, daher ist dieses Gesetz der erste Schritt, die Rückversicherung beim Kaiser der zweite, das Anbringen der Staatssühne der dritte und am besten müsste alles gleichzeitig geschehen."


    Er blickte Aurelius direkt an: "Wie steht es um deine Mitwirkung dabei?" Dann blickte er zu Flavius Gracchus. "Senator Flavius, darf ich dich um deine Unterstützung in dieser Sache bitten?"
    ...


    Die Initiative des Claudius erregte durchaus Gracchus' Interesse, gleichwohl war er noch immer nicht im Detail informiert über das gesamte Ausmaß des Aufstandes, noch über die Ergebnisse der Ermittlungen. Offenkundig aus diesem Mangel an Kenntnis fiel es ihm schwer, einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem - ihm unbekannten - Gebaren einer Zeugin, Morden im Vorfeld des Ereignisses, sowie dem Ereignis selbst, gleichwohl er entschied aufgrund eben dieses Mangels an Information weder voreilige Schlüsse zu ziehen, noch unfundierte Kommentare abzugeben. Bass erstaunt indes folgte er den Reaktionen der Senatoren, welche sich äußerten, in dem zunehmenden Eindruck dass in dieser Debatte mehr vonstatten ging als er zu detektieren vermochte, ob dessen er a fortiori nicht bereit war, in diesem Stück eine Rolle zu übernehmen, ohne der dramaturgischen Konstellationen sich gewahr zu sein. Indes, dieser Vorsatz scheiterte in dem Augenblicke, da der claudische Consul ihn direkt ansprach, worauf selbstredend eine Reaktion vonnöten war.
    "Verzeih, Consul Claudius, doch mir fehlt gegenwärtig ausreichend Kenntnis der Fakten sowohl zu dem Aufstand selbst, als auch zu seinen Ursa'hen, als dass ich in imstande wäre hier und jetzt das Ausmaß dieser Katastrophe in Hinblick auf die pax deorum zu gewichten. Indes kann ich die Worte Senator Aurelius' nur bekräftigen, dass eine von Menschen provozierte Katastrophe nicht als Zeichen göttlichen Willens in..terpretiert werden kann. Sofern also wie von dir angedeutet wir selbst Schuld tragen an diesem Sklavenaufstand ist eine Entsühnung nicht notwendig. Sollten indes andere - mir derzeit nicht bekannte - Fakten diesen Schluss nahe legen, bin ich selbstredend als Teil des Collegium Pontificum stets bereit, dem Senat eine entspre'hende Empfehlung zur procuratio zu unterbreiten."
    Einen Augenblick zögerte Gracchus, um auch zu dem Gesetzesvorschlag selbst eine Meinung abzugeben, doch war ihm die Diskussion darum derzeitig ein wenig zu konfus als dass er sie gänzlich vermochte zu durchschauen, ob dessen er davon absah und vorerst den weiteren Verlauf abwartete.

    Zitat

    Original von Aurelia Prisca
    ...
    Wie jetzt? ... Prisca machte zunächst großen Augen als sie Gracchus ungläubig an sah. Wie, er weiss es nicht? ...Will er mich auf den Arm nehmen? ... er ...er weiss es wirklich nicht! Schließlich atmete Prisca erleichtert aus und kicherte vergnügt. " ... na, da habe ich mir ja völlig umsonst Sorgen gemacht." Ihre Angst hatte sich zum Glück als völlig unbegründet heraus stellt, da es offenbar heutzutage keine Rolle mehr spielte, welcher factio man zu jubelte.


    "Nein, einen persönlichen Favoriten habe ich nicht, aber ...", entgegnete Prisca schließlich auf Gracchus´Frage hin mit einer spontenen Idee:" ... wenn die Flavia einst den Grünen zugewandt waren und dein Vetter ein großer Anhänger von ihnen war, dann sollten wir mit seiner Tradition nicht brechen und also heute für die Grünen jubeln, was meinst du?"
    ...


    Einen Augenblick verunsicherte der Blick seiner Gemahlin Gracchus und als sie schlussendlich anfing zu kichern, ließ dies seine Augenbraue ein wenig empor wandern - indes in einer amüsierten Art und Weise, da gleichsam auch sein Mundwinkel sich hob.
    "Eine überaus diplomatische Wahl, welcher ich bereitwillig folge."
    In frenetischen Jubel würde er ohnehin nicht verfallen, die Wahl eines Favoriten sich vermutlich höchstens auf den Lautstärkepegel seines Klatschen auswirken. In diesem Augenblicke fuhr der Zug ein und alle Augen wendeten sich diesem zu, auch die des Flaviers.
    "Sieh nur, Minimus!"
    hauchte er beinahe ehrfürchtig, ein sublimes Lächeln auf seinen Lippen, allfällig selbst zu leise als dass Prisca es konnte hören. Womöglich sprach er mit sich selbst, von Stolz erfüllt, allfällig zu seinen Ahnen, um Bestätigung suchend, dass er seine Pflicht hatte erfüllt und einen viablen Erben herangezogen, welcher das flavische Ansehen zu mehren vermochte, allfällig aber auch zu Mars selbst, welchem sein Sohn an diesem Tage alle Ehre ließ zukommen, dass der Gott dieses Spektakel in keinem Falle mochte verpassen. Dem Wagen der Ausrichter folgten die Wägen der Teilnehmer. Die aurigae waren allesamt sehr junge Männer, ihre Körper standen bereits jetzt unter Spannung und betonten ihre Muskeln und Dynamik. Zweifelsohne war dies ein Fest fürs Auge, auch wenn Gracchus sich musste eingestehen, dass sein Appetit auf junges Gemüse nachgelassen hatte. Früher einmal hätte er nach diesen Leibern sich verzehrt, doch im Laufe der Jahre verspürte er mehr und mehr einen Drang nach Substanz und nachhaltiger Tiefe. Ein kleiner Stich durchzog sein Herz, denn jener, welche zum Rausch der Sinne ihm diese Tiefe hatte geschenkt, war fort, hatte allein ihn zurückgelassen. Zwei Teile eines einzelnen, endgültig und für immer getrennt, zurück blieb ein unvollständiges etwas, das er selbst war. Noch einmal brandete Jubel um ihn her auf als alle Wägen waren eingefahren und ehedem die Protagonisten sich aufstellten für die Opferung, zu welcher selbstredend die Menge in Schweigen verfiel, welchem auch Gracchus sich anschloss, ein wenig noch immer in eigene Gedanken vertieft.

    Gracchus' Antlitz erhellte sich ein wenig als ihm gewahr wurde, dass er die Intention des Paragraphen augenscheinlich ein wenig missinterpretiert hatte.
    “Ich muss gestehen, ich hatte den Paragraphen als Regelung zum Weiterverkauf aufgefasst, nicht als Festlegung der preisli'hen Einschränkungen in Hinblick auf den Verkauf an den Staat. Insbesondere der Begriff 'berechtigt' impliziert hier den gesamten Rechtsraum, während tatsächlich nur eine Option gegeben werden soll, einge..schränkt durch die preisliche Bindung. Eine Ergänzung ist daher nicht nötig, allfällig reicht es dieses Wort zu ändern. 'Städte und Gemeinden können ihnen zufallende Betriebe an die Provinz verkaufen, in welcher der Betrieb steht, oder an den Pasceolus Imperialis, allerdings nur zu deren Anschaffungskosten.' Oder könnte dies ebenfalls zu falscher Interpretation führen?"
    Allmählich war Gracchus an einem Punkt angelangt, an welchem er seine Sätze vor Worten nicht mehr lesen konnte. Glücklicherweise neigten seine Notizen sich einem Ende zu.

    Zitat

    Original von Aurelia Prisca
    ...
    "Ja in der Tat! Die Götter haben uns einen wundervollen Tag geschenkt um dieses Ereignis genießen zu können", entgegnete Prisca ihrem Mann mit ihrem schönsten Lächeln und nachdem sie neben ihm Platz genommen hatte, hakte sie sich wie selbstverständlich bei ihm unter: "Ich freue mich so sehr, dass wir beide ein bisschen Zeit miteinander verbringen können", gab sie Gracchus mit gesenkter Stimme zu verstehen, wie wohl sie sich an seiner Seite fühlte und schickte sogleich eine Frage hinterher:"Ehm, gibt es eigentlich eine bestimmte factio, der wir heute zujubeln sollten? Ich meine nur wegen dem Consul und deinem Sohn ... Welche factio unterstützen die beiden denn ... und welche wir? ...Verzeih bitte meine Dummheit, aber ich möchte nur vermeiden, dass ich heute der falschen factio zu juble", fügte Prisca erklärend und mit einem entschuldigenden Blick hinzu. In der Tat hatte Prisca etwas den Überblick verloren, was die einzelnen factiones betraf und von wem diese im einzelnen unterstützt wurden.


    Allfällig war es die Erfahrung seiner ersten Ehe, welche - zumindest zum Ende hin - nicht derart furchterregend war gewesen wie der junge Gracchus einst hatte befürchtet, allfällig waren es die Gegebenheiten dieser zweiten Ehe - gänzlich ohne die Notwendigkeit, einen weiteren Nachkommen hervorbringen zu müssen -, allfällig jedoch war es schlichtweg Priscas Art, welche so gänzlich anders - behutsamer und sanfter - als jene Antonias war, welche Gracchus die Augenblicke mit seiner Gemahlin tatsächlich eher wie eine kleine Flucht vor dem Alltag ließen erscheinen, denn wie eine leidige Pflicht. Selbst ihre Nähe war ihm nicht unangenehm und beinahe so traut als hätten sie die letzten Jahrzehnte bereits miteinander verbracht. Er öffnete den Mund, um ihre Frage zu beantworten, realisierte indes, dass er keine Antwort wusste und blies die Luft mit aufgeblähten Backen wieder aufs.
    "Ich ... muss zugeben, ich weiß es nicht"
    , gestand er ein.
    "Unter meinem Vetter Felix war die Flavia einst den Grünen zugewandt, er war ein überaus enthusiastischer Factio-Anhänger. Indes bin ich nicht sicher, was seit dieser Zeit sich bei den Rennställen ge..ändert haben mag und nach welchen Kriterien diesertage sich Sympathien bilden."
    Früher immerhin hatten die Factiones gar politischen Einfluss und dem falschen Wagen zuzujubeln mochte durchaus gesellschaftliche Konsequenzen gehabt haben. Diese Tage, so war Gracchus sich immerhin sicher, waren glücklicherweise vergangen.
    "Hast du denn einen persönlichen Favoriten?"

    In seinen Briefen hatte der Iulius überaus zerknirscht geklungen, und auch hier im Senat trat er schuldbewusst auf. Dennoch, Gracchus konnte nicht des Eindruckes sich erwehren, dass er gleichsam die Verantwortung auf das Gremiums selbst schob, welches seinen Gesetzesentwurf hatte nicht genügend examiniert, stattdessen schlussendlich ratifiziert, und nicht zuletzt zu den beiden Consulen, welche sowohl Diskussion, als auch Abstimmung hatten geleitet und deren Gebot es doch war, mit ihrer reichhaltigen Erfahrung jedes Gesetz genauestens zu prüfen, um im Fehlerfalle rechtzeitig einzuschreiten. Zweifelsohne war dies nicht von der Hand zu weisen, doch dass Gracchus selbst einer dieser Consulen war gewesen, am Ende gar jener, welcher die Abstimmung hatte geleitet, und dass der Iulius dies explizit nicht unerwähnt ließ obgleich es wenig zur Sachlage beitrug, ließ den Beigeschmack der Worte nur mehr fade werden, was in dem Flavier neuerlich einen Zweifel an der wahren Intention des Iulius Dives ließ aufkommen. Indes beschloss er sich in diesem Augenblick an die Notwendigkeit zu halten, welche die Sachlage bedingte, und seine innere Stimme vorerst in den Hintergrund zu verbannen. Nachdem Consul Claudius sich hatte geäußert, sprach auch Gracchus.
    "Die von Senator Iulius empfohlenen Erweiterungen der Paragraphen Fünfzehn und Se'hzehn betreffend Eigentum scheinen mir ebenfalls nicht nur sinnvoll, sondern geradezu obligat in Hinblick auf die Tradition und Sitte des Senates, wiewohl die Achtung der römischen Familie."
    Soweit stimmten sie nun augenscheinlich alle überein.
    "Bezüglich der Änderung des Begriffes 'Imperator Caesar Augustus' zu 'Censor' möchte ich anmerken, dass die von Senator Iulius vor..geschlagene Änderung den Paragraphen Fünfzehn an den Paragraphen Sechzehn über den Senat und den Ordo Senatorius würde angleichen, in welchem bereits der Begriff 'Censor' verwendet wird. Die Alternative wäre, eben diesen Paragraphen zu ändern und das Wort 'Censor' hier durch 'Imperator Caesar Augustus' zu we'hseln."
    Tatsächlich war Gracchus nicht gänzlich sich sicher, was am Ende geeigneter war. Durch die Lex Aquilia de Imperio war der Censor derzeitig auf Aquilius Severus festgelegt, indes war das Gesetz nach Gracchus' Ansicht ein wenig unpräzise was die Zeit nach ihm betraf.

    Aurelius' Vorschlag für einen ergänzenden Satz bezüglich der Willenserklärung durch Dritte löste die Unklarheiten des Pars Secunda durchaus, wiewohl auch die Reduktion auf drei Zeugen. Während im Anschluss Minor seine Gedanken äußerte, widmete der ältere Gracchus sich einem Stück Forelle und freute sich insgeheim, dass sein Sohn ebenfalls zu einer Verbesserung des Gesetzes konnte beitragen.
    "In Paragraph siebzehn, Satz zwei sieht die Neuregelung vor, dass Städte und Gemeinden bere'htigt sind, ihnen zufallende Betriebe zu deren Anschaffungskosten an die Provinz oder den Pasceolus Imperialis zu verkaufen. Gibt es einen Grund, weshalb du die Veräußerung dieser Betriebe an Privatpersonen unterbinden möchtest?"
    , arbeitete Gracchus hernach seine Liste mit Anmerkungen weiter ab, um sich während Lupus' Antwort ein wenig Kalbfleisch und Gemüse auf seinen Teller zu schöpfen.

    Es war nicht etwa, dass Gracchus Wagenrennen nicht mochte, er konnte ihnen nur schlichtweg nichts abgewinnen. Runde um Runde fuhren die Wägen durch die Arena, mal in der einen, mal einer anderen Reihenfolge - ohne Handlung, ohne humoristische Erhebung, dramaturgische Wendung, ohne tieferen Sinn und ohne Katharsis. Am heutigen Tage in des ging es nicht um das Wagenrennen an sich, und auch nicht nur darum gesehen zu werden - denn auch darauf hätte Gracchus gerne noch ein wenig verzichten können. Doch diese Equirria wurden nicht nur im Namen des Consuls Claudius veranstaltet, sondern auch im Namen dessen Quästors, Gracchus' Sohn. Es war dem Flavier daher nicht nur gebotene Pflicht, sondern Zeichen seiner Freude und seines Stolzes nach der Darbietung des Waffentanzes der Salier, an welcher Minor ebenso hatte mitgewirkt, den Spielen beizuwohnen. Zudem war es durchaus auch eine gute Gelegenheit, wieder ein wenig Zeit mit seiner Gemahlin zu verbringen, hatte jene doch freudig einem Besuch zugestimmt.
    "Die Götter scheinen diesen Equirria bereits gewogen zu sein"
    , wandte Gracchus mit einem Wink gen Himmel sich seiner Gemahlin Prisca zu, sobald sie ihre Plätze erreicht hatten.

    Zitat

    Original von TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS
    Der Kaiser nickte wissend zu den eher floskelhaften Antworten des Flaviers. Aber was hätte er auch anderes antworten sollen?
    "Die Karriere deines Sohnes verfolge ich natürlich mit großem Interesse." bestätigte er dann in Bezug auf Gracchus junior. Er hatte ja schon mehrmals mit ihm gesprochen. Und die Chance in Germanien hatte er ja offensichtlich meisterhaft genutzt! "Und ich bin gespannt, ob er sich auch im Senat so gut machen wird wie im Angesicht der Barbaren." Diese Geschichte war ja an das kaiserliche Ohr gedrungen. Und sicher ebenso nach Baiae.


    Zur aktuellen Tagespolitik deutete Severus schließlich mit dem vollen Weinpokal in Richtung des Consul. "Claudius Menecrates nutzt sein Consulat für einige Gesetzesinitiativen, wie mir mein Quaestor berichtet. Es geht um Vertragsrecht und Wagenrennen." Er strich sich durch den Bart. "Ein etwas trockenes Thema, aber lebhafte Diskussionen, wie ich hörte."


    Zufrieden registrierte Gracchus, dass der Augustus bestens über das Potential Minors war informiert und dessen weiteren Schritten im Cursus Honorum augenscheinlich nichts im Wege stand. Alsbald würde also auch er sich mit Vertragsrecht und Wagenrennen befassen dürfen, zweifelsohne beides Themen, zu welchen der ältere Gracchus weder Expertise, noch Passion hätte beitragen können.
    "Nun, trockene Themen im Senat sind zumeist ein Garant für Frieden und Stabilität Roms. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich solchen Diskussionen bisweilen wenig abge..winnen kann, so gehört ihnen doch meine ganze Präferenz gegenüber Disputen über dräuende Krisen oder Gefahren. Und zweifelsohne bin ich darin keine Ausnahme, ob dessen wir über diese Themen im Endeffekt um so lebhafter und un..gestümer zu diskutieren wissen."
    Gerade die Heftigkeit der Auseinandersetzungen, welche solche Kleinigkeiten bisweilen zu Tage förderten, war darob beruhigend in Hinblick Blick auf die echten Gefahren der Welt. Auch dass der Augustus nur davon hörte und nicht selbst beständig im Senat gegenwärtig war, trug zu einem Bild größtmöglichen Gedeihens und Stabilität Roms bei.
    "So scheint es also nicht nur in Germania derzeitig ruhig, sondern auch an den übrigen Grenzen Roms?"
    Selbstredend erwartete Gracchus nicht, dass der Aquilier brisante Details oder Gefahren würde offenbaren, doch generelle Außenpolitik war schlussendlich kein Staats-, respektive Senatsgeheimnis.


    Der ältere Gracchus mochte ein feines Schmunzeln bei den Worten seines Sohnes sich nicht verwehren, schlussendlich hatte Minor noch vor einigen Jahren eben gegen die Prädestination seines Standes in nicht geringem Maße aufbegehrt, so weit gar dass der Vater ihn beinahe des eigenen Lebens und seiner Familie hätte verwiesen. Gleichwohl diese Tage von unendlicher Betrübnis waren geprägt, so grämte Gracchus seinem Sohn nicht mehr, schlussendlich hatte auch er einst ähnliche Kämpfe mit seinem eigenen Vater ausgefochten und trug noch immer schwer daran, dass er ob dessen Tode sich niemals mit ihm hatte aussöhnen können. Gleichwohl gab es über Minors gegenwärtiges Streben ohnehin nicht zu räsonieren.
    "Ein Disput über die Prädestination jedes Standes für seinen Lebensweg - eine komplexe Angelegenheit aus philosophischer Sicht und durchaus ein Sujet für ein langwieriges Gesprä'h."
    Dass die claudischen Damen überaus geistreich waren, mochte er indes nicht weiter kommentieren, brachte ihm dies doch Antonia in Erinnerung, welche nie um eine tiefgründige Antwort war verlegen gewesen.
    "Zweifelsohne wirst du nach deiner Quaestur wieder ein wenig mehr Zeit für die Philosophie finden können."
    Zumindest so lange bis Minor im Senat würde sitzen und aufgrund der Prädestination seines Standes ein anderes Amt würde annehmen müssen.
    "Allfällig ist auch Philonica an solcher Konversation interessiert? Schon zu Zeiten meines Vetters Felix gab es in diesem Hause bisweilen illustre Runden, welche sich philosophischen oder künstlerischen Themen widmeten, gleichwohl sind dies unbe..zweifelt Themen, welch in jeder Generation zeitgemäß sind."
    Auch wenn vieles ihm aus dieser Zeit verschwommen war, Gracchus entsann sich noch sehr genau daran, dass er auf solch einem Conventus zum ersten Male Antonia begegnet war.