"Sag, Sciurus, glaubst du, dass die Existenz nach dem Tode fortbesteht?"
Neuerlich blickte der Sklave auf, zögerte diesmalig jedoch nicht. "Ich glaube nicht, Herr. Über Dinge, über die ich nichts weiß, treffe ich keine Aussagen."
Gracchus seufzte - eine philosophische Diskussion mit seinem Vilicus war bisweilen eine überaus enervierende und unbefriedigende Angelegenheit.
"Wie dem auch sei, nehmen wir für einen Augenblick an es gibt eine Existenz nach dem Tode, natürlich rein hypothetisch. Dazu folgende Gegebenheiten: erstens, diese Existenz ist nicht ge..bunden an den physischen Körper des Menschen. Dies ist zweifelsohne ein Fakt, denn wir verbrennen den Leib eines Toten, so dass - im Rahmen unserer Hypothese - nur die Seele fortbestehen kann. Zweitens, die Wahrnehmung der Zeit ist gebunden an den Körper. Wie die Zeit verrinnt spüre ich am eigenen Leibe, um mich her nehme ich den Fortgang der Zeit durch meine Sinne wahr, während in dem Augenblicke, da ich meinen Körper vergesse und nurmehr mein Geist sich in etwas ver..tieft - etwa beim Lesen eines spannenden Epos oder dem Besuche eines mitreißenden Theaterstückes -, ich auch die Zeit vergesse, und erst hernach wird mir dies bewusst, wiederum rein körperli'h, etwa da mir meine Augen vom intensiven Lesen oder mein Gesäß vom langen Sitzen schmerzen."
Er ließ eine kurze Pause folgen, um sich der Aufmerksamkeit des Sklaven zu versichern, welcher mit unbewegter Mine seinen Ausführungen folgte.
"Soweit also die Fakten. Die Konklusion ist somit ein leichtes, wiewohl unausweichlich. Wenn die Zeit nur durch den Körper erlebbar ist, die Existenz nach dem Tode indes keine Körperli'hkeit - zumindest nicht in dieser Form - kennt, so wird in der Existenz nach dem Tode die Zeit nicht mehr wahrgenommen. Lange Jahre des Wartens, ein Lebensalter, die Un..endlichkeit gar werden somit als ebenso lange wahrgenommen wie ein kurzer Moment. Stimmst du mir zu?"
"Im Sinne deiner Annahmen scheint dies logisch, allerdings nur solange du keine weiteren Fakten in deine Überlegung aufnimmst, beispielsweise eine, wie du es nennst, andere Körperlichkeit nach dem Tod, die ebenfalls Zeit wahrnimmt. Eine Hypothese ist außerdem eine schlechte Grundlage, um in dieser Angelegenheit eine endgültige Entscheidung zu treffen, Herr. Womöglich gibt es keine Existenz nach dem Tod oder jeder lebt dann in seiner eigenen Welt und du triffst nie wieder auf den Decimus."
Unwillkürlich hob sich Gracchus' Braue, indes war Sciurus bereits zu lange sein Leibsklave, um nicht zu ahnen, worauf er hinaus wollte. Wieder echappierte ihm ein Seufzen, sodann hob er seine Hand und knetete einen Augenblick seine Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger.
"Es ist nicht nur Faustus. Ich ... Es ist diese gesamte Existenz, welche mir derart verschwendet vorkommt. Zweifels..ohne habe ich bereits den Zenit meines Lebens überschritten, doch wenn ich zurückblicke, kann ich nur wenig entdecken, was ihm einen Sinn hätte verschafft, und blicke ich voraus, so evoziert dies nur Widerwillen, wiewohl jene Furcht, welche beständig alles zu dur'hdringen scheint. In der Ehe mit Aurelia ... Prisca ... kann ich nur scheitern, denn niemals werde ich ihr sein können, was sie verdient. In meiner Familie bin ich längst ... überholt, meine Verwandten bedürfen keines Rückhaltes mehr und meine Kinder ... sie sind mir so fremd, wie ich ihnen sein muss."
Letztlich hatte er nicht den geringsten Schimmer einer Ahnung, was in den Köpfen seiner Nachkommen vorging. Minor war distanzierter denn je, Flamma hielt sich von ihm fern und zeigte sich wortkarg, und Titus gedeihte weitaus besser bei seinem Onkel in Baiae.
"Und Rom ... Rom erwartet nurmehr eines von mir, doch dieses Consulat, Sciurus, dies ... ist meine größte Furcht von allen. Bevor wir ... vor diesem unsägli'hen Tage des Todes Valerianus' war ich bereit, diesen Schritt zu gehen. Ich hätte Durus schlichtweg nicht zustimmen dürfen, dem Vinicier den Platz zu lassen. Damals hätten meine Verbindungen, meine Reputation zweifelsohne ausgereicht, um eine Mehrheit zu erlangen. Im rechten Augenblick als Consul die Ma'henschaften des Vesculariers zu unterbinden ... bei den Göttern, es hätte alles anders verlaufen können!"
Mit einem leichten Kopfschütteln suchte er die Gedanken an jenen Tag und all jene Leben, deren Tod dies vielleicht hätte verhindern können, wieder in sich zu begraben.
"Doch heute ... ich bin auch politisch überholt, Sciurus. Meine Verbindungen sind tot oder auf ihren Landgütern weit fort von Rom, im Senat herrschen abwe'hselnd die Barbaren oder die Zänker, und meine Reputation ... ist nichts mehr wert. Darüber hinaus ... und ob alldessen, hege ich schlichtweg die Befürchtung, auch an diesem Amt nur scheitern zu können."
Er fixierte die ausdruckslosen, graufarbenen Augen des Sklaven.
"Was also bleibt noch zu erwarten? Was sollte mich daran hindern, diesen einen Schritt zu gehen, und nach dem nä'hsten endlosen Augenblicke mich endlich in Vereinigung mit jenem wiederzufinden, nach dem es mich sehnt?"
Letztlich lief alles doch nur auf Faustus hinaus und Sciurus schwieg in Ermangelung einer Antwort. Nach einigen Augenblicken der Stille ließ Gracchus eine unwirsche Handbewegung folgen.
"Geh und lasse mich allein!"
Als die Türe sich hinter dem Sklaven geschlossen hatte, starrte Gracchus lange noch unschlüssig in den Raum hinein, im Grunde seiner Seele ein wenig besorgt über die Tatsache, dass das Leben und die Zukunft dessen ihm mehr Furcht bereiteten als der Gedanke an den Tod und davor, dass allfällig danach keine Existenz würde warten.
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
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"Senator Kaeso Annaeus Modestus"
, begann Gracchus mit der Essenz seines Vorschlages.
"Er war lange Zeit Mitglied im Collegium der Quindecemviri Sacris Faciundis bis er durch die Pro..skriptionen des Vescularius aus diesem Gremium exkludiert wurde. Jedoch ist er nicht nur ein Mann des Cultus - durch seine Statthalterschaft in Germania, sowie dahingehend sein Legat über eine Legion ist er ebenso vertraut mit politischen, wie mitlitärischen Strukturen. Mag dies für die Flamines maiores und minores nebensä'hlich sein, für den Flamen Divorum ist diese Erfahrung höchlichst opportun, wenn nicht gar obligat. Ich habe ihn erst kürzlich gesprochen, und nach seiner Rückkehr nach Rom scheint er überaus ambitiös - eine Eigenschaft, welche der Cultus publicus sehr gut gebrau'hen kann."
Von Modestus' Absicht zur nächsten Amtszeit ebenso für die Praetur zu kandidieren, wusste Gracchus in diesem Augenblicke nichts, gleichwohl war dies prinzipiell kein Ausschlusskriterium, denn gegenteilig zu den übrigen Flamines war der Divorum nicht gezwungen, politischen Ämtern zu entsagen.
"Rom wieder im Rahmen des Cultus Deorum zu dienen entspricht gleichwohl seinem Wunsch, schlussendlich geschah sein Ausschluss nicht auf eigenes Ersuchen hin, hat ihn gegenteilig überaus be..trübt. Darüberhinaus erfüllt er alle Voraussetzungen für dieses Amt - auch eine Ehe steht ihm bereits in Aussicht."
Davon, dass Senator Annaeus ausgerechnet eine Duccia würde ehelichen, wusste Gracchus zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nichts, was seinen Zuspruch zweifelsohne begünstigte. -
In den Tagen nach Serapios Besuch verfiel Gracchus mehr und mehr in zermürbende Grübelei - über dessen Worte, über den Abschied selbst und das, was darauf folgte. Endlos drehten seine Gedanken sich in Kreisen ohne einer Antwort je näher zu kommen, sanken tiefer und tiefer hinab im endlosen oceanos ungelöster Fragen.
"Sciurus?"
wandte er sich in einem Augenblicke nachdenklich an den Sklaven, welcher seit langer Zeit ihn begleitete und stets verlässlich war. "Ja, Herr?" blickte dieser von den Schriftstücken, welche er für Gracchus ordnete, empor.
"Hast du dir schon einmal darüber Gedanken gemacht, was der Sinn und Zweck dieses Lebens ist?"
"Ich bin ein Sklave, dies ist der Sinn und Zweck meines Lebens", erwiderte Sciurus ohne Zögern.
"Mhm"
, war Gracchus keinesfalls zufrieden mit dieser Erkenntnis.
"Und wünschst du dir bis..weilen, etwas anderes zu sein?"
Wieder antwortete der Sklave ohne einen Augenblick des nachdenklichen Innenhaltens. "Nein, Herr, dies würde meinem Sinn und Zweck zuwider laufen."
"Dass du dir etwas wünschen kannst oder etwas anderes zu sein?"
"Beides."
Langsam hob sich Gracchus' Braue ein wenig empor in der desolaten Erkenntnis, dass Sciurus' und sein Leben ähnlicher waren als dies ihm bisweilen lieb war. Beide waren sie Gefangene ihrer Herkunft, beiden war der Sinn und Zweck ihres Lebens determiniert. Oberflächlich betrachtet mochten einem Flavier mehr Freiheiten sich bieten, doch letztendlich war seine Pflicht ihm ebenso bestimmt wie einem Sklaven. Ein tiefes Seufzen echappierte Gracchus' Kehle, gefolgt von einer Zeit der Stille, welche nur durchbrochen wurde durch das leise Knistern der Pergamente, deren Ordnung Sciurus wieder hatte aufgenommen.
"Angenommen, diese Fügung würde dur'hbrochen"
, begann der Flavier nach einer Weile erneut.
"Die Götter - oder was immer dazu fähig sein mag - würden dich aus deinem Leben entnehmen und dich an eine andere Position stellen, welche du frei könntest wählen. Welche Position wäre dies?"
Sciurus blickte wieder empor und obgleich kaum eine Regung auf seinem Antlitz zu entdecken war, konnte Gracchus diesmalig förmlich sehen wie der Sklave nachdachte, was in ihm selbst eine gewisse Spannung in Erwartung der Antwort evozierte.
"Keine andere als diese, Herr."
Mit einem kleinen Schnauben und der Lockerung seiner Muskulatur, welche er unwillkürlich hatte angespannt, quittierte Gracchus die Wahl seines Sklaven. Wenn auch die Substanz ihres Lebens similär mochte sein, so waren sie in ihrem Naturell doch different, fehlte Sciurus doch jegliche Phantasie, jegliche Leidenschaft und Eigensinn. Anderem Blute entsprungen wäre er zweifelsohne die Perfektion eines Flaviers, jener hehren Idee der Existenz, welche Gracchus stets hatte angetrieben, in deren Erfüllung er indes nur konnte scheitern. Er widmete sich wieder einige Zeit seinem eigenen Dokument, las jedoch kaum die Zeilen, da seine Gedanken weiter kreisten, von der Rigidität der Existenz hin zu deren Fortbestand. -
Stille herrschte zwischen den Gracchen während sie verharrten und warteten, und noch ehedem der Ältere sich dazu konnte durchringen, den Sohn noch einmal zu umarmen, war der Augenblick bereits vergangen und Minor mit wenigen Worten zu dem Reisewagen geeilt.
"Vale!"
drang es noch über Gracchus Maiors Lippen da setzte das Gefährt sich bereits in Bewegung.
"Auf ... bald!
wurde bereits vom Staube verschluckt, welchen die Räder auf der Straße aufwirbelten. Dort fuhr er dahin - sein Erbe, sein ganzer Stolz. Ein Schauer schlich sich über Gracchus' Rücken - nicht nur ob der Gefahren der Überfahrt, sondern gleichsam bei dem Gedanken an seinen eigenen letzten Abschied von seinem Vater. Auch er hatte geschrieben. Es war der Tod seines Vaters gewesen. Mit einem tiefen Atemzug sog er die kühle Morgenluft in seine Lungen, dann wandte er sich zurück zur Villa Flavia. Minor würde nicht die Fehler seines Vaters begehen, die Geschichte würde sich nicht wiederholen. Zweifellos. -
"Mercurius"
, notierte Gracchus sich mental - darauf vertrauend, dass sein Scriba ebenfalls alles wichtige notierte - und nickte.
"Wir werden dies berücksichtigen."
Sonderliche viele hohe Feiertage waren dem Merkur nicht eben zugesprochen, doch letztlich war es immer möglich das ein oder andere Staatsopfer außer der Reihe einzustreuen. Die Kaufleute würden sich zweifelsohne freuen und eine blühende Wirtschaft war letztlich auch ein Garant für Frieden, Wohlstand und Stabilität. Nach einer kurzen Pause fuhr Gracchus mit dem nicht ganz so alltäglichen Tagesgeschehen fort.
“Eine weiteres exzeptionelles Ereignis, welches indes nur konventionelles Vorgehen fordert, ist die Position des Flamen Divorum. Scaevius Crassipes legte diese Pfli'ht nieder als die Nachricht des Todes Cornelius' in Rom bekannt wurde. Mag es für Rom nicht allzu relevant sein, ob nun der Sitz eines einzelnen Pontifex vakant ist oder nicht, doch die Flamines sind essentiell für die Religio, der Flamen Divorum mehr denn je. Darob wäre es überaus tunlich, diesen Platz alsbald zu besetzen. Sofern du gestattest, möchte ich eine Empfehlung für einen ge..eigneten Kandidaten aussprechen."
Letztendlich war die cooptatio alleinige Entscheidung des Augustus, doch der Pontifex Maximus hatte schlussendlich auch nicht ohne Grund einen pro magistro. -
Auch ich stimme jenen zu, welche den tieferen Sinn hinter dieser Regelung, die auf mehreren Seiten unnötigen Aufwand erzeugt, nicht sehen, insbesondere auch den vorangegangenen Worten Tiberius' bezüglich Spielkomfort und außerhalb des Rollenspiels 'verlorener' Zeit.
Darüberhinaus frage ich mich, was diese Regelung (Threaderöffnung im Senat, nicht die Spielregel) SimOn bezwecken soll. Wenn etwa ein Thema nicht 'heute' auf die Tagesordnung genommen wird, sondern auf einen anderen Tag vertagt wird, hat dies letztlich keinerlei Auswirkung, da ein Tag SimOff und ein Tag SimOn ohnehin nicht gleich sind (denn andernfalls müssten wir uns bei der Threaderstellung ebenso an die römischen Feiertage und die Senatsferien halten). SimOn würde meine ID in solch einem Falle zudem schlichtweg zum zweiten Konsul gehen oder womöglich sogar zum Kaiser, oder in eine unfreundliche Haltung zu den amtierenden Konsuln verfallen. Dies alles mag Spielpotential haben, sofern der Konsul eine ID ist, mit einem NSC scheint es mir schlichtweg überflüssig (es sei denn, die Moderatorenschaft möchte über die NSC-Konsuln Präferenzen des Kaisers selbst steuern ...).
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Leb wohl, hallten Faustus‘ Worte noch lange nach in den Hallen Gracchus‘ Gedankengebäudes, als würde ein Flüstern sich an den kristallinen Strahlen der Sonne brechen und sie gleichsam in Schwingung versetzen, als würde ein sterbendes Echo zwischen den schroffen, taubenetzten Steilhängen einer Schlucht für immer gefangen, als wäre der Klang einst eingefroren in Eis, welches nun mit berstendem Krachen am Boden zerschlug und einen Nachruf auf die Vergangenheit frei gab.
Leb wohl, hallten Faustus‘ Küsse nach auf seiner Haut, auf seinen Lippen, in jeder Faser seines Seins, als würde ein blitzumwölktes Donnern seinen Leib durchtosen und mit seinen eisigen Winden ihn seiner Struktur berauben, als würde das gleißende Glühen lodernder Flammenkerne von Innen nach Außen einem Tonkruge gleich ihn zersprengen, als würde das Abbild der hehren Idee der Liebe in einem Spiegel zerbrechen in tausende Splitter aus Tautropfen, welche die Idee selbst in ihrem reißenden Flusse mit sich hinfortrissen hinab in ein devastiertes Land, aus welchem es keine Wiederkehr gab.
Leb wohl.
Irgendwann war Faustus fort, fort aus der Villa Flavia, fort aus Gracchus‘ Leben mit einer endgültigen Ernsthaftigkeit, welche kaum Zweifel noch zuließ, welche jede Zuversicht verlachte - und mit Serapio war weitaus mehr noch gegangen als nur ein Mensch. Sukzessive sackte Gracchus in sich zusammen, sank an der Kante des Schreibtisches hernieder und suchte vergeblich festzuhalten, was ihm entglitt. Der erste bewusste Herzschlag in der Zeit des Wartens begann, ein zweiter folgte und war bereits unerträglich, ein dritter zerschlug unerbittlich jede Hoffnung, ein vierter schuf die Unendlichkeit der Leere. Noch wenige Stunden zuvor hatte er sich zufrieden gewähnt mit seiner ausstehenden Verlobung mit Aurelia Prisca, hatte geglaubt nur hart genug an sich arbeiten zu müssen, um ihr darbieten zu können, was ihr zustand, doch letztendlich war er wie so oft schon nur seiner eigenen Lüge verfallen. Denn die Wahrheit war, dass es niemanden gab, den er je derart würde lieben wie Serapio, und die Wahrheit war, dass Serapio und er niemals sich derart würden lieben können wie es der Wahrheit entsprach.
“Lebe wohl, ... carbunculus meus ... “
, flüsterte Gracchus irgendwann als die Nacht längst hereingebrochen war, sein Leib bereits schmerzte von der ungewohnten Haltung am Boden - allfällig auch von der seelischen Qual, welche einem Wurme aus tausenden Messerklingen gleich durch seinen Körper kroch. Leer fühlte er sich, ausgelaugt, zerschlissen und entbehrlich, und da das Warten im Leben ihm viel zu lange, viel zu qualvoll erschien, so sann er nach über das Warten im Tode - denn hieß es nicht, dass im Reich der Toten die Zeit ohne Bedeutung war? Serapios Familie mochte sich auf ihn verlassen, doch Gracchus‘ Familie würde zweifelsohne ebenso gut ohne ihn auskommen, vom Staate ganz zu schweigen. Als er sich mühsam emporstemmte - als laste das Gewicht einer ganzen Welt auf seinen Schultern - und den Raum verließ - leer und freudlos -, war es ihm als hätte nicht nur Faustus Abschied von ihm genommen - endgültig und unwiederbringlich -, sondern gleichsam er selbst.~~~ finis ~~~
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Einige Augenblicke war Gracchus gänzlich derangiert ob des Kusses der Aurelia - nicht nur der Art der Berührung wegen, welche durch eine Vertreterin des weiblichen Geschlechtes gewährt ihn stets verunsicherte und irritierte, sondern mehr noch ob der Öffentlichkeit dieser Geste, welche für ein verlobtes Paar zweifelsohne nicht als unbotmäßig zu erachten war, ihm jedoch schlichtweg derart ungewohnt, dass sie ihn tatsächlich sprachlos zurück ließ. Allein Priscas Abschiedsworte mochten verhindern, dass dies allzu auffällig war, denn an deren Klang sich festhaltend fand auch Gracchus schlussendlich einige Worte zur einstweiligen Trennung, wenn auch nicht gar so eloquent wie es sonstig seine Art war.
“Mögen ... die Götter über dich wachen, ...“
Er öffnete bereits seinen Mund ein wenig mehr für das A der Aurelia, stockte jedoch und brachte seine Lippen schlussendlich zusammen.
“Prisca. Auch ich ... werde dich in Ge..danken tragen ... Auf bald!“
Der sechzehnte Tag vor den Kalendes des Oktobers - dieser Tag würde zweifelsohne schneller über sie hereinbrechen als es an diesem Tage noch schien. -
“Dies wäre in der Tat eine überaus sinnvolle Maßnahme“
, pflichtete Gracchus bei, ein wenig erleichtert, dass der Imperator selbst dererlei vorschlug - wenn auch dies von anderer Stelle an ihn herangetragen mochte sein -, und nicht etwa direkt versuchte alle Ereignisse der Vergangenheit als vergangen und vergessen abzutun.
“Denn eine kultische Reinigung hat es seit dem Ende des Bürger..krieges nicht gegeben. Zweifelsohne wäre dies ebenso ein Zeichen an die Götter, wie an die Soldaten und Bürger Roms. Der October als dem Mars geweihte Monat könnte dafür allfällig passend sein.“
Indes wäre auch jeder andere Zeitpunkt besser als die Götter, den Staat und das Volk weiter in dürftiger Schönfärberei verharren zu lassen.
“Darüberhinaus stellt sich mir die Frage, ob du eine bestimmte Ausri'htung des öffentlichen Kultes präferierst, welche wir in der kommenden Zeit favorisieren sollen? Generell ist es stets zweckmäßig, der göttlichen Trias größte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, doch letztlich lassen sich über eine gewisse Präferenz auch deine politischen Absichten kommunizieren. Steht etwa eine Aus..einandersetzung in Aussicht, so ist es angebracht, die Mars-Feiertage ausführlich zu begehen, ist es dir indes ein Anliegen die Künste zu fördern, so sollten die Minerva-Tage entsprechend umfänglich gefeiert werden. Selbstredend bemüht sich der Cultus Deorum stets allen Göttern die ihnen zustehenden Feiertage gebührend zu zelebrieren, doch letztendli'h sind auch unsere Mittel limitiert.“ -
Zitat
Original von Manius Flavius Gracchus
Urlaubsbedingt absent für die nächsten drei Wochen.
Da auch im Urlaub nicht stets alles nach Plan verläuft bin ich bereits wieder anwesend. -
Urlaubsbedingt absent für die nächsten drei Wochen.
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Einen marginalen Augenblick lang hob sich Gracchus' Braue, schaffte es indes nicht einmal den Bruchteil eines digitus empor, ehedem sie sich wieder glättete. Flamen Divorum wäre tatsächlich ein überaus adäquates Amt für den Annaer, aus diversen Überlegungen heraus.
"Du kannst dir meiner Unterstützung gewiss sein, Anneus, ich werde gegenüber dem Pontifex Maximus nicht nur deinen Namen er..wähnen, sondern obendrein eine Empfehlung aussprechen. Was die Ehe betrifft so es gibt zweifelsohne viele Väter, welche sich überaus glückli'h würden schätzen, ihre Tochter als Flaminica an der Seite eines verdienten Senators und Praetorius zu wissen." -
Bedächtig blickte Gracchus durch den Raum, folgte Vorschlägen und Gegenvorschlägen, Kundmachungen und Einwänden, sortierte seine Gedanken, ehedem er schlussendlich selbst das Wort erhob.
"In all den Jahren, in welchen ich bereits Salier bin, war die Erkiesung eines Magisters nie derart ver..halten. Junge Männer waren Teil dieser Sodalität, waren voller Elan, ihre Pflicht zu erfüllen, waren voller Stolz wenn ihr Name hier vorgeschlagen wurde, den Tänzern voranzugehen."
Er ließ seinen Blick durch die Runde der Anwesenden streifen.
"Mit Verlaub, ich sehe kaum noch junge Männer hier, und auch Tiberius Lepidus hat nicht unre'ht bezüglich anderweitiger Pflichten, welche uns davon abhalten, eine weitere Funktion samt der Obliegenheiten welche damit verbunden sind, anzunehmen. Ebenso hat er deplorablerweise Recht in Hinblick auf mögliche Nachfolger. Wie lange ist es her, dass überhaupt irgendein junger Mann an uns herangetreten ist ob einer Aufnahme, wie lange hat es gedauert, den letzten vakanten Platz unter uns zu besetzen? Entspri'ht es nicht mehr dem Zeitgeist junger Patrizier, sich dem Kult zu widmen, oder wagt es niemand dieses Privileg einzufordern von Männern wie uns? Hat diese Sodalität an Bedeutung oder Attraktivität, oder beides, verloren, oder sitzen wir zu fest auf unseren Stühlen, dass die Jugend nicht wagt daran zu rütteln?"
Eine kurze rhetorische Pause.
"Ich habe keine Antwort auf diese Frage. Doch das Finden eines adäquaten Magisters scheint nicht unser vor..rangiges Problem."Sim-Off: Sim-Off möchte ich die Frage in den Raum stellen, ob es nicht Sinn macht, die beiden Salier-Bünde auf einen bespielbaren zu beschränken, um dort ein etwas aktiveres Spielgeschehen zu fördern? Seit der Spielregeländerung (vor 2 Jahren bereits) sind die Sodalitäten doch schlussendlich kaum noch attraktiv, einzig für jene Patrizier, welche eine politische Karriere jenseits des Cultus Deorum anstreben (denn alle anderen werden sich eher direkt um einen Sitz in den stadtrömischen Collegien bemühen), wiewohl es ohnehin kaum Patrizier-Neuanmeldungen gibt.
Sofern wir darüberhinaus eine historische Annäherung forcieren wollten, sollte es statt der zwei Salier-Bünden eher noch eine Alternative für "alte Männer" geben, denn historisch waren die Salier tatsächlich nur junge Männer, die meisten standen noch vor ihrer politischen Karriere. Für die älteren IR-Patrizier, welche nicht im Cultus Deorum ihre Karriere suchen, bleibt bei uns indes nicht viel Auswahl (im Grunde einzig die Arvalbrüder). -
"Die stete Ausübung des öffentlichen Kultes an sich ist selbstredend gefestigt, doch das Konstrukt, auf welchem er ruht ist ein überaus komplexes, wiewohl durchaus empfindliches. Zum einen sind Politik und Cultus Deorum eng verzahnt, das eine kann das andere be..einflussen, in beide Richtungen. Du als Augustus und Pontifex Maximus stehst beidem vor, gleichwohl du beides aktiv repräsentieren musst, denn wo die Politik das große Weltgeschehen bestimmt, bestimmt der Kult maßgeblich das Leben deiner Bürger. Die We'hselbeziehungen, welche daraus erwachsen, solltest du nicht unterschätzen. Der Cultus Deorum kann dir dabei helfen, dein Volk und den Staat zu Frieden und Wohlstand zu führen, doch wenn du selbst diese Pflicht nicht ernst nimmst, werden Volk und Staat ihr ebenfalls nicht folgen."
Ausprägungen hierfür gab es zweifelsohne zahlreiche.
"Darüberhinaus beinhaltet der Cultus mehr als nur das Ziehen von Fäden eines Staates im Hintergrund. Die dem Leben und der Realität inhärenten Prinzipien verlangen nach Ausglei'h, was in Hinblick auf den Kreislauf unseres Jahres selbstredend Aufgabe des öffentliches Kultes ist. Doch auch wenn wir den Willen der Götter oftmals überaus frei zum besten Wohle des Staates interpretieren, so gibt es doch einflussreichere Mächte, welche diese Welt mit..bestimmen, und diese verlangen zu außergewöhnlichen Ereignissen außergewöhnlichen Tribut."
Ein Frevel etwa, wie durch Palma begangen, konnte nicht einfach durch die Rückkehr zur Normalität ausgeglichen werden. Der Cornelier hatte es versäumt, dem Bürgerkrieg auf dieser Ebene Rechnung zu tragen, und diese Ebene hatte darob selbst für Kompensation gesorgt. -
Der Name Decimus Serapio öffnete selbstredend alle Türen in Gracchus' Haus, so dass auch der Name Decimus Casca schlussendlich bis zu ihm gelangte.
"Decimus Casca?"
fragte er anfangs ein wenig erstaunt noch einmal nach, nickte dann jedoch. Selbstredend hatte er Faustus' jungen Verwandten nicht vergessen - obgleich er sich durchaus so manchesmal wünschte, die Begleitumstände ihrer Bekanntschaft vergessen zu haben.
"Natürli'h, lasse ihn sogleich vor!"
Als dann Casca vor ihn trat, erhob sich Gracchus und ging einen Schritt auf ihn zu, ihn mit freundschaftlichem Handschlag zu begrüßen.
"Decimus Casca, welche eine Freude, dich zu sehen! Was führt dich zu mir?"
Allfällig hatte Serapio ihn geschickt ob der Klage, anderes konnte Gracchus sich in diesem Augenblicke kaum imaginieren. -
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Keinesfalls hatte Gracchus intendiert bedeutsam als Variante von großartig zu gebrauchen, sondern schlichtweg um auszusagen, dass dies kein ordinärer Tag war. Die Tage der Ermordung Caesars oder Valarianus' etwa waren ebenfalls bedeutsam, gewesen, gleichwohl wie der Tag des Kriegsentscheides gegen die Parther oder der Machtergreifung Salinators - doch zweifelsohne würde niemand soweit gehen, dies als großartige Tage in Erinnerung zu behalten. Doch Gracchus schwieg an diesem so bedeutsam Tag, denn wiewohl er in seiner Bedeutung mit den zuvor genannten Tagen selbstredend längstens nicht vergleichbar war, so war es gleichsam nicht an ihm, dies zu gewichten. Er nickte nur verhalten, um sodann den weiteren Gästen Platz zu machen.
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Der Augenblick war perfekt, Faustus ganz nah und Gracchus endlich bereit, den entscheidenden Schritt zu wagen - und um so derangierender, um so dräuender war die Spur der Beunruhigung, der Anflug von Furcht beinahe, welcher in Serapios Stimme lag. Die Ächtung, die Familie, all dies mochte Gracchus in diesem so perfekten Augenblicke nicht hören, dass er sich geradewegs auf jene wahnwitzige Idee stürzte, welche Serapio selbst unterbreitete, dass in ihm das Feuer erglomm, welches das Durchbrennen entfachte.
"Warum nicht? Warum nicht, Faustus? Wir könnten der Welt schli'htweg entschwinden, dem Leben entfliehen, das uns fesselt, und ein neues beginnen. Der Oceanos, Faustus, der [/i]Oceanos[/i] kann uns der Existenz entreißen!"
fabulierte er begeistert von dieser Idee, Serapio haltend als würden sie bereits gemeinsam auf seinen Worten reisen und er verhindern müssen, dass Faustus ihm entglitt.
"Meine Base segelte einst gen Aegyptus hinfort, doch sie gelangte niemals dort an, noch kehrte sie zurück. Ich ließ ihr na'hforschen, dem gesamten Schiff - doch der Oceanos hatte es verschlungen, ohne jede Spur zu hinterlassen. Und dies geschieht doch immer wieder, ganze Schiffe, aber auch einzelne Personen, welche den Launen des Neptunus anheimfallen. Wir be..steigen ein Schiff, jeder ein anderes, bestechen den Kapitän und retirieren in einem Sturme, verlassen das Schiff klandestin im nächsten Hafen. Rom wird uns allfällig betrauern, unsere Familien uns ver..missen - doch alsbald wird man uns schlichtweg vergessen, denn letztlich ist dies nur der Lauf des Lebens. Wir aber, Faustus, wir aber können neu beginnen, in einer der südlichen Provinzen allfällig oder im Osten, ganz gleich solange wir nur beieinander sind!"
Selbstredend hatte Gracchus keinerlei Vorstellung davon, was es bedeutete für sein eigenes Leben Sorge zu tragen, gar für ein Einkommen oder auch nur ein Dach über dem Kopf und ausreichend Nahrung. Doch mit Serapio an seiner Seite konnte das Leben nurmehr ein Leichtes sein, konnte nur alles sich so fügen, wie es sein musste. Ein Haus am Meer - für jeden einfachen Bürger würde dies Traumgespinst eher einem Palaste gleichen -, ein lichter Wald darumherum zur Jagd, übervolle Obstbäume und duftende Blumenwiesen, ein pittoresker Bach, welcher in einen Fischteich mündete, auf dessen silbrigem Wasser die Sonne sich spiegelte, umrandet von vollkommenen Skulpturen und Statuen aus weißem Marmor, blühenden Sträuchern und grazilen Rosen, welche zum Lustwandeln verleiteten, ein luftiges Peristyl in welchem zu jeder Stunde des Tages philosophische Weisheiten erörtert wurden, ein Atrium, in welchem Faune und Oneiroi für alle Annehmlichkeiten sorgten ...
. . .
Gracchus blickte blinzelnd zurück in die Realität. Es waren die Faune und Oneiroi, welche seine Illusion zerplatzen ließen wie der Dorn einer Rose eine schillernde Seifenblase.
"Allfällig ... hast du recht"
, gestand er leise, eine tiefe, unendlich tiefe Traurigkeit die Couleur seiner Stimme durchziehend, und mit seinen Schultern sanken auch seine Hände herab, gaben Serapio frei, zurück in die Tristesse der Realität, zurück in die Verfügungsgewalt von Familie, Staat und Pflicht, zurück in die Arme Borkans.
"Doch … nun … falls du es doch irgend..wann einmal möchtest wagen … ich … ich werde auf dich warten ... und ich könnte zweifelsohne auch ohne Faune und Oneiroi leben."
Er realisierte nicht, dass dies für Faustus keinen Sinn würde ergeben können, doch da Gracchus im Angesicht Serapios Bedenken nicht noch einmal diesem würde versichern können, dass nichts ihn davon würde abhalten, alles hinter sich zu lassen, dass gleichwohl er diese Liebe nicht würde beenden können, war dies alles, was blieb. -
Eine Wahl durch den Senat war zweifelsohne eine gute Grundlage, um auf eben dessen Unterstützung zu bauen.
"Die Wahl des Augustus zum Pontifex Maximus mag zwar nurmehr eine Formalie sein, dennoch ist es stets ein gutes Zei'hen, wenn nicht hinter vorgehaltenen Händen Unmut geäußert wird. Soweit mir bekannt, war dies bei deiner Wahl nicht der Fall, was zweifelsohne auch daran mag liegen, dass die kultischen Erwartungen durchaus optimistisch sind. Indes, und dies mag dir diese Aufgabe etwas ver..einfachen, wird es nicht allzu diffizil sein, deine Vorgänger in dieser Hinsicht zu übertreffen."
Gracchus ließ eine kurze Pause folgen, ehedem er fortfuhr.
"Kontinuierliches Interesse am stadtrömischen Cultus wäre bereits mehr als es in den letzten Jahren gegeben hat, wiewohl dies im Grunde auch bereits deine maßgebliche Pfli'ht umfasst, zumindest sofern du dich nicht etwaig entschließt, dem Cultus Deorum vorrangige Priorität einzuräumen."
Aus Sicht eines Pontifex pro magistro wäre dies zwar durchaus wünschenswert, dennoch war Gracchus darüberhinaus Staatsmann genug, um sich gewahr zu sein, dass der Augustus letztendlich zahllose weitere Pflichten musste wahrnehmen. -
"Nun, der Magister Augurum, Numerius Matius Metellus, ist zweifelsohne stets bereit, Auskunft zu er..teilen. Sonstig allfällig Appius Tuscilius Centumalus, ich meine er wohnt ebenfalls hier auf dem Esquilin."
Gleichwohl der Flavier nicht wusste, wo genau, und dies selbstredend auch nicht zwingend würde bedeuten, dass Modestus den Tuscilier kannte.
"Und sofern du einen Entschluss gefasst hast, lasse es mich bitte wissen, denn ich bin überzeugt, dass der Cultus Deorum dur'haus davon würde profitieren, gleich für welches Collegium du dich entscheidest."
Ob diese Ansicht durch ihre gemeinsame Vergangenheit geprägt war oder durch anderes mochten in diesem Augenblicke nur die Götter wissen.