Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Die Aufforderung seiner Verlobten derangierte Gracchus für einen kurzen Augenblick, denn letztendlich war er schlichtweg nicht gewohnt, Hand an eine Frau zu legen. Womöglich hatte er auch Antonia einstmals ein Geschmeide angelegt, doch konnte er sich dessen nicht entsinnen, wiewohl selbst jedwede andere physische Berührung ihrer Person sehr lange bereits zurück lag - er konnte, oder wollte, nicht einmal mehr jenen Augenblick ihres Abschiedes in Erinnerung sich rufen als er an der Hintertüre der Villa Flavia sie aus der Stadt hinfort hatte dekretiert, denn es war nur allzu wahrscheinlich, dass er zu diesem Zeitpunkt es versäumt hatte, hinlänglich Lebewohl zu sagen.
    "Selbst..verständlich."
    Beherzt ergriff er die Kette - er hatte so vieles versäumt und würde diesen Fehler nicht noch einmal begehen - und nestelte einige Augenblicke an dem filigranen Schließmechanismus, welcher der epikritischen Sensibilität seiner Fingerspitzen beinahe mehr abverlangten als sie zu geben bereit waren. Schlussendlich jedoch lösten die verhakten Kettenglieder sich, so dass die Perlen und Steine sich kühl um den schlanken Hals der Aurelia konnten betten, und als würde dies gänzlich unbeabsichtigt und zufällig geschehen berührten Gracchus' Finger dabei für einen kurzen Augenblick die blasse Haut, spürte er dabei in sich hinein nach einer Regung, welche sich jedoch nicht wollte einstellen. Da er indes im nächsten Moment bereits seine gesamte Konzentration wieder auf den Kampf mit dem Verschluss der Kette hatte zu verwenden, lastete er schlichtweg dieser enervierenden Handlung seinen Mangel an emotionaler Regung an. Ein erleichtertes Seufzen echappierte schlussendlich seiner Kehle als das Geschmeide sicher um Priscas Hals lag, und er einen halben Schritt um sie herum trat, um die Perfektion dieser Kombination zu bewundern.
    "Nun, ich muss gestehen, es ist mir nicht geglückt, deine Anmut noch zu mehren, lässt sich ein Extremum doch schli'htweg nicht steigern, doch möchte ich behaupten, dass dies Kleinod zumindest sie noch zu unterstreichen vermag"
    , beurteilte er das Gesamtwerk mit einem sublimen Lächeln.
    "Darüber hinaus bedaure ich, dass meine weiteren Pfli'hten dieses Tages mir nicht gestatten, diesen Anblick allzu lange weiterhin zu genießen. Dennoch möchte ich nicht ohne eine determinierte Perspektive mich von dir ver..abschieden, denn ich habe bereits den Kalender studiert, sowie die Götter befragt nach einem adäquaten Datum für unsere Eheschließung. Am sechzehnten Tage vor den Kalenden des Oktobers* wäre ein opportuner Tag, so dir dies konveniert."



    Sim-Off:

    * 16.9.

    Die Salutatio war Gracchus für gewöhnlich eine überaus dröge Angelegenheit, denn zumeist waren die Probleme seiner Klienten recht banal, wiewohl für ihn auch nicht nachzuvollziehen. Dem einen mangelte es an Geld, der nächste benötigte einen Hahn oder ein Huhn für ein Opfer, ein anderer suchte Rechtsbeistand im Streit mit einem Nachbarn, wieder einer konnte vom Erfolg seiner Taberna berichten und ein anderer von der profitablen Hochzeit seiner Tochter. Der überwiegende Anteil dieser Sorgen, Nöte und Freuden war derart weit von Gracchus' eigenem Leben entfernt, dass er jegliche Anfragen um Unterstützung stets nur abnickte - schlussendlich wurde dies von ihm als Patron erwartet - und die Klärung der Details, Geldsummen etwa, an seinen Vilicus weiterreichte, sich bemühte die erfreulicheren Berichte mit einem geduldigen - wenn auch im Grunde unverständigen - Lächeln entgegen zu nehmen und die Fragenden so gut als ihm möglich zu beraten. Dass nicht nur seine eigenen Klienten, sondern auch jene seiner Vettern Felix und Aristides ihn aufsuchten, bisweilen in dessen Absenz sogar jene seines Neffen Furianus, zog die Salutatio zumeist noch mehr in die Länge als ohnehin notwendig und führte an manchen Tagen gar dazu, dass Gracchus am Ende doch noch die Geduld verlor und die Bittsteller am nächsten Tag noch einmal sich in die Schlange mussten stellen.
    "'s isch eifach zu trogge, Herr, I kann die Äcker nimmer wässre. Där Fluss is a einzigs Staubbett und där Brunne hat grad gnug fers Vieh"
    , klagte ein Bauer in tiefem, süditalischem Dialekt seine Sorgen. Er hatte mit Aristides in Parthia gekämpft, welcher ihn nach seiner Dienstzeit auf einem der flavischen, landwirtschaftlichen Güter in Richtung Ancona als Verwalter hatte eingesetzt.
    "I hab werklich Sorge, dass die Ernt futsch is und die Kia au noch eigehe wenns ned amol saiche tut!"
    "Hm, ja"
    , unterbrach Gracchus den Mann ohne genau verstanden zu haben, um was es ging. Er delektierte Worte, er mochte fremde Sprachen, doch Dialekte in ihrer Tiefe waren ihm seit jeher ein Rätsel, welches er nicht zu durchdringen im Stande war.
    "Mein Vilicus wird sich deiner Angelegenheit annehmen, du wirst jede Unterstützung erhalten, welche du benötigst."
    Mit fragendem Blick wandte er sich dem Nomenclator zu und bedeutete jenem mit einer unscheinbaren Geste, dass die Salutatio baldmöglichst zu beenden war, sofern keine wichtigen Angelegenheiten sich noch auftaten.

    Geradewegs von der Inauguratio auf dem Kapitol kommend erreichten der Pontifex maximus und der Pontifex pro magistro die Regia. Ein Kultbediensteter sorgte augenblicklich dafür, dass in eines der kleinen Officien kühle Getränke und eine Platte mit frischen Obststücken gebracht wurde und trug dafür Sorge, dass insbesondere dem Augustus es an nichts würde mangeln. Obgleich der Raum einen runden Tisch enthielt so saßen die Gesprächspartner letztlich sich dennoch gegenüber, gleichwohl nahm das traute Ambiente Gracchus ein wenig die Befangenheit, welche er der schlichten Abundanz und Dimension wegen stets bei Audienzen in der Aula Regia verspürte.
    "Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dir zu versi'hern, Augustus, dass ich die Wahl des Senates überaus begrüße. Nach der Verlängerung der Amtszeit der Konsuln hegte ich durchaus Zweifel, dass dieser Senat noch zu rationalen Entscheidungen fähig ist, doch im ent..scheidenden Augenblick kehrte doch Vernunft in die Curia Iulia zurück."
    Letztlich würde zwar nur die Zeit richten können über diese Entscheidung, wiewohl den Erfolg des Aquilius, doch zumindest der Beginn und die Aussichten auf einige Veränderungen waren durchaus positiv.

    Obgleich Gracchus als pro magistro nach dem Ritus hier und da noch einige Anweisungen gab und mit dem ein oder anderen ebenfalls ein kurzes Wort wechselte, so behielt er doch vorwiegend Aquilius im Auge und suchte zu ergründen, was die Intention hinter dessen Handeln war - schlichtes kaiserliches Gebaren oder das eines Pontifex maximus. Ob seines mangelnden Einfühlungsvermögen in Intentionen anderer kam er indes zu keinerlei Ergebnis bis sie sich auf den Weg in die Regia machten.

    Gracchus nickte nachdenklich - die Umstände der letzten Jahre hatten so manchen von vielem abgehalten.
    "Nun, sofern er mit entspre'henden Argumenten überzeugen kann sehe ich nichts, was gegen ihn sprechen würde."
    Abgesehen von Macers Herkunft - doch da Gracchus in der Öffentlichkeit zumeist den etwas moderateren Patriziern konnte zugerechnet werden und nur in seinen eigenen Kreisen seiner Borniertheit Freiraum gewährte, würde er dies selbstredend weder hier, noch im Collegium Pontificum erwähnen.
    "An seinen Ver..diensten und seiner Integrität besteht schlussendlich tatsächlich wohl kaum Zweifel."
    Zumindest nicht mehr oder weniger als an jener anderer Collegiumsmitglieder.
    "Ich hoffe, dein Interesse an den Collegien war dennoch nicht nur den Bestrebungen deines Patrons geschuldet?"
    führte er das Gespräch sodann mit einem feinen Lächeln zurück auf den Gastgeber.
    "Es ist letztendlich mehr als deplorabel, dass die Collegien durch den Bürgerkrieg Mitglieder einbüßen mussten, mehr noch dass Palma es versäumt hat, der Neubesetzung aller vakanten Sitze ausrei'hend Gewichtung zu verschaffen. Aquilius wird dem zweifelsohne mehr Bedeutung beimessen."

    Jene mit dem kürzesten Anreiseweg trafen oft mit den letzten Gästen ein und so war es auch beim Hausherrn der Villa Flavia nicht anders. Die Anwesenheit seines Onkels Aetius, garniert mit den hektischen Vorbereitungen, welche seit Tagen im ganzen Hause in Gange waren und welchen man beinahe nirgends hatte entkommen können, hatten Gracchus' Geduld bereits zur genüge strapaziert und ließen ihn mit einigem Unwohlsein seiner eigenen baldigen zweiten Hochzeit entgegenblicken - auch wenn diese glücklicherweise in der Villa Aurelia ihren Beginn würde nehmen, mit ein wenig mehr Glück zudem in Abwesenheit seines Onkels. So schwankte er an diesem Tage ein wenig zwischen der Freude, dass ab dem morgigen Tage das geruhsame Leben in der Villa Flavia wieder seinen Gang würde nehmen können, und dem Gram darüber, dass ab dem morgigen Tage Domitilla an die Villa Tiberia würde verloren sein. Seine Achtung gegenüber Lepidus hatte sich zwar im Zuge der Senatsdebatten nach dem Ableben Cornelius' wieder deutlich erhöht, dass seine Base indes künftig zweifelsohne nicht selten den Duccius als Schwager ihres Gatten in ihrem neuen Heim würde erdulden müssen - so nahm er schlussendlich an -, blieb dennoch eine überaus grauenvolle Tatsache.
    "Tiberius Lepidus, meine liebe Domitilla, welch ein bedeutsamer Tag für euch und unsere Familien!"
    gratulierte er letztlich beim Brautpaar angelangt, nicht ablehnend oder formell, doch auch nicht übermäßig enthusiastisch, denn letztendlich wussten sie alle, was er von dieser Ehe hielt.
    "Ich hoffe, diese Verb..indung wird lange zu euer beider Zufriedenheit währen."
    Bei Unzufriedenheit entsprechend kürzer.

    Auch Gracchus fand sich zur einberufenen Sitzung in der Curia ein. Bisweilen spielte er mit dem Gedanken seinen Platz unter den Salii an seinen Sohn weiterzugeben, doch letztlich konnte er sich nie dazu durchringen - schlussendlich würde dies ein wenig einem Eingeständis fortschreitenden Alters gleichkommen. Er begrüßte die Anwesenden, darunter den Imperator, ehedem er seinen Platz einnahm.

    Auch Gracchus selbst hatte keine weiteren Verbindlichkeiten, und selbst in diesem Falle hätte es wohl kaum etwas gegeben, was nicht im Zuge einer kaiserlichen Audienz hätte verschoben werden können.
    "Dies wäre durchaus eine Option, die Zeremonie ist abgeschlossen. Würde die Regia dir zusagen?"
    Dies würde zwar einen Abstieg vom Kapitol bedingen, indes zumindest ihnen den Aufstieg auf den Palatin ersparen.

    "Nun, die Flamines Maiores und Minores sind noch immer gut besetzt. Einzig der Flamen Divorum ist derzeit vakant."
    Nach einer kurzen Pause fuhr Gracchus fort.
    "Das war eine etwas eigen..artige Geschichte. Scaevius Crassipes legte diese Pflicht nieder, kaum dass die Nachri'ht von Cornelius' Tod in Rom bekannt wurde. Doch vermutlich hat er es letztlich damals ohnehin nur angenommen, um Palma einen Gefallen zu tun."
    Schon damals war dies eine eigenartige Geschichte gewesen, doch glücklicherweise war es mittlerweile schlichtweg ebendies - eine Geschichte. Gracchus ließ noch ein wenig Fisch sich auf den Teller auftragen, vergaß es dort jedoch vorerst wieder.
    "Senator Purgitius?"
    repetierte er ohne tatsächlich eine Frage zu intendieren, konnte dabei nicht verhindern, dass eine Braue ihm ein wenig emporstieg.
    "Dies ist durchaus … interessant. Er schien mir bisherig eher den militärischen Gebieten zugewandt als dem Cultus publicus. Hat er einen Grund genannt, weshalb er diesen Schritt gerade jetzt gehen möchte?"

    Mit einem Schluck des delektablen Weines spülte Gracchus den schlechten Beigeschmack Cornelius' Entscheidung hinfort, denn letztendlich hatten die Parzen längst für einen Ausgleich Sorge getragen. Seine Reaktion bezüglich der Ambitionen des Annaeus Modesus hingegen fiel überaus unspektakulär aus. Letztendlich war es nicht ungewöhnlich, dass ambitionierte Männer einen Pontifex nach ihren Aussichten auf einen Sitz in einem der stadtrömischen Collegien befragten, darunter durchaus weit inkompetentere Männer ohne jede kultische Vorprägung, welche einzig nach Prestige gierten, indes von kultischen Pflichten nichts wissen wollten. Senator Annaeus indes hatte bereits Erfahrung im Collegium der Quindecimviri gesammelt, so dass der Schritt in das Collegium Pontificum durchaus nicht als absurd anzusehen war.
    "Die Plätze im Collegium Pontificum konnten erfreuli'herweise in Cornelius' Amtszeit wieder zur Gänze gefüllt werden, so dass wir unseren Pflichten und Aufgaben mit voller Kraft konnten nachgehen. Ein Sitz jedoch ist derzeit dennoch vakant, denn kurz vor dem Ableben des Augustus wurde auch Pontifex Villius Plennianus in den Kreis seiner Ahnen aufgenommen. Noch ehedem wir uns mit diesem Verlust recht be..fassen konnten, wurde jegliche Routine durch Cornelius' Tod, respektive Testament durchbrochen. Selbstredend ist das Collegium in vielen Belangen auch ohne den Pontifex Maximus beschlussfähig, doch in Hinblick auf eine Cooptatio wird sein Einverständnis benötigt."
    Oftmals war dieses Einverständnis nur durch den pro magistro gegeben, jedoch stets in Abstimmung mit dem Pontifex Maximus.
    "Dieser Sitz ist noch immer vakant, theoretisch bestünde also durchaus eine Mögli'hkeit für dich, dem Collegium Pontificum beizutreten. Ich weiß von ein, zwei Namen, welche bereits dafür genannt wurden, jedoch ist niemand darunter, der schon jetzt eine eindeutige Mehrheit im Collegium hält. Darüberhinaus wird natürlich auch die Stimme des neuen Augustus großes Gewi'ht haben, allfällig wird er dafür Sorge tragen wollen, einen engen Vertrauten unter den Pontifices zu wissen, oder zumindest den Sitz mit einem Manne zu besetzen, von welchem er persönlich überzeugt ist."
    Zwar hatte der Aquilier sich bereits für Gracchus als pro magistro entschieden, dies mochte jedoch nur der Reibungslosigkeit seines Amtsantrittes geschuldet sein und ihn nicht davon abhalten, persönliche Favoriten im Collegium zu platzieren.
    "Letztendli'h liegt es somit an dir, wofür du dich entscheiden und an welchen Stellen du Einfluss nehmen möchtest. Für beide Positionen wirst du zweifelsohne ein wenig Überzeugungsarbeit leisten müssen, in beiden Fällen sehe ich jedoch kein Hindernis, welches deine Erfolgsaus..sichten gänzlich unterbinden würde."
    Ein feines Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen.
    "Was ist es also, das dich antreibt, Annaeus Modestus? Die Aufgaben und Pfli'hten der beiden Collegien sind immerhin grundverschieden."

    Als der Augustus zu Gracchus trat und ihm seine mangelnde Erfahrung in Hinblick auf das kultische Zeremoniell eingestand, suchte der Pontifex seine vorrangige Reaktion zu unterdrücken, welche schwankte zwischen einem Schmunzeln und einem Seufzen. Der erste seiner Vorschläge würde lauten, den Caesar alsbald in ein Collegium zu kooptieren, dass jener bei seinem Amtsantritt - von welchem indes zu hoffen war, dass er in ferner Zukunft lag - auch für seine kultische Pflicht gewappnet war.
    "Es ist mir eine Ehre und Freude zu..gleich, Augustus, die Aufgaben des pro magistro an deiner Seite weiterhin ausführen zu dürfen."
    Gar so eindeutig war seine Freude zwar nicht, doch kaum wohl würde jemand ein solches Desideratum ablehnen, wiewohl gegenteiliges zweifeslohne auch öffentliche Konsequenzen würde nach sich ziehen, welche Gracchus seiner Familie nicht mochte zumuten.
    "Sofern die Aufgaben die res publica betreffend dich nicht zu sehr binden, würde ich ob dessen gerne so bald als möglich mit dir die Ri'htung determinieren, welcher der öffentliche Kult unter deiner Ägide folgen soll."

    In Hinblick auf den Antritt des neuen Kaisers nickte Gracchus beipflichtend - immerhin hatte er für Aquilius gestimmt und hoffte darob um so mehr, dass sich dies nicht im Nachhinein ebenso als Fehler würde zeigen wie seine Entscheidung für Cornelius zuvor. Die darauffolgenden Worte Annaeus' bezüglich Domitillas Hochzeit derangierten den Flavier einen Augenblick, da ihm nicht bekannt war, in welcher Verbindung seine Base zum Hause Modestus' stand, indes mochte die Einladung auch einer Verbindung Lepidus' geschuldet sein, ob dessen er auch hierzu nur ein freundliches Nicken mochte beisteuern, ganz so als wäre diese Einladung letztlich schlichtweg eine Selbstverständlichkeit, - nicht nur um ein etwaiges, seinem Nichtwissen geschuldetes Fettnäpfchen zu umschiffen, sondern ebenso da die Hochzeit an sich ob der Beteiligung seines Onkels Aetius ihm generell ebenfalls keine angenehme Causa war. Erfreulicherweise wechselte das Thema sodann auf ein - für Gracchus - weitaus einfacheres Terrain. Da Modestus in seiner Nachricht bereits entsprechendes hatte angekündigt, hatte der Flavier sich selbstredend mit der kultischen Karriere des Senators vertraut gemacht, wiewohl er die Frage nach dem Ausschluss aus eigener leidvoller Erfahrung konnte beantworten.
    "Nun, die Cooptatio auf Lebenszeit in den stadtrömischen Collegien wird bereits seit Divus Iulianus nicht mehr gar so strikt gefasst wie sie einst definiert wurde, ein Ausscheiden auf Wunsch ist durchaus möglich und letztendli'h auch für die Collegien sinnvoll, um Plätze neu besetzen zu können, etwa sofern ein Mitglied entscheidet sich fern von Rom zur Ruhe zu setzen. Eine Exklusion indes ist nur in schwerwiegenden Fällen möglich - einer Verurteilung etwa, auf einen Erlass des Pontifex Maximus hin oder eben durch die Pro..skription. Tatsächlich hätten durch die Abrogation der Proskription auch alle rechtlichen Auswirkungen dieser - darunter in deinem, wie auch in meinem eigenen Falle der Ausschluss aus einem kultischen Collegium - annulliert werden müssen, allerdings hat Cornelius Palma sich explizit gegen dies entschieden. Den genauen Beweg..grund für diese Entscheidung kann ich dir nicht nennen, doch durch die Notwendigkeit einer erneuten Cooptation meinerseits in das Collegium Pontificum hat Palma die vorigen Entlassungen im Grunde ratifiziert."
    Diese Angelegenheit war eine der ersten, in welchen Gracchus dem verstorbenen Augustus war gram gewesen. Das Collegium hatte ihn zuvor bereits einmal aufgrund längerer Absenz ausgeschlossen, was ihn ebenfalls hatte sekkiert, jedoch letztlich noch nachvollziehbar gewesen war, doch dass Palma nicht schlichtweg den Ausschluss mitsamt der Proskription hatte aufgehoben, sondern eine erneute Cooptation hatte vorgezogen - und damit die Exklusion hatte offiziell anerkannt -, hatte Gracchus überaus empört.
    "Es bestehen von deiner Seite aus somit keinerlei Verpfli'htungen mehr gegenüber den Quindecimviri."
    Dass Annaeus Modestus nicht wieder in das Collegium wollte aufgenommen werden, verhinderte zumindest, dass eben jenes oder nun Aquilius Severus sich noch einmal mit den Beweggründen des Ausschlusses würde befassen müssen.
    "Womit einer Aufnahme in das Collegium Augurum zumindest kultrechtlich nichts im Wege steht. Die Aufnahme selbst indes steht auf einem anderen Blatt, die Auguren sind bei der Auswahl ihrer Mitglieder stets ein wenig eigen, wenn auch nicht gar so res..triktiv wie die Haruspices. Dass dein Großvater bereits Augur war, könnte durchaus begünstigenden Einfluss darauf nehmen, das Collegium dazu zu bewegen, dich dem Senat zur Cooptatio vorzuschlagen. Eine weitere Mögli'hkeit wäre die Berufung durch den Kaiser selbst - gegen diese können nicht einmal die Auguren intervenieren, wiewohl dies losgelöst von der Restriktion der Anzahl besetzter Plätze ist. Wobei diese Begrenzung derzeit ohnehin keine Problematik darstellt, deplorablerweise gibt es noch immer in allen stadtrömischen Collegien Sitze, welche seit dem ves..cularischen Regime vakant geblieben sind."
    Nach all diesen Worten platzierte Gracchus eine Olive auf einem Stück Fisch und schob es sich in den Mund, um abzuwarten, ob es dem Senator nur um eben diese Informationen ging oder allfällig um mehr.

    Im Grunde war der Wille der Götter gänzlich irrelevant in dieser Angelegenheit. Viele Jahre zuvor hatten einige Männer - darunter Gracchus - entschieden, Cornelius Palma zum Kaiser zu machen. Vor einigen Wochen hatte Cornelius Palma durch sein Testament entschieden, den Senat über den nächsten Kaiser entscheiden zu lassen. Vor wenigen Tagen hatte der Senat entschieden, Aquilius Severus zum Kaiser zu machen. Am Vortag hatte das Collegium Pontificum entschieden, diese Entscheidung mitzutragen, ob dessen Gracchus am vorigen Abend in Abstimmung mit Matius Metellus den Flug eines Vogels hatte beauftragt. Die Götter hatten dabei nichts mehr zu entscheiden. So kam es, dass kurz bevor die Zeremonie ihren Anfang nahm hinter dem capitolinischen Tempel ein Kultbeamte einen Spiegel gen Osten ausrichtete, um die Sonne damit zu reflektieren, und einen Augenblick hernach auf der Dachterrasse eines unbedeutenden Hauses auf dem Esquilin ein Käfig geöffnet wurde, aus welchem ein Falke zum Himmel empor stieg und sich nach Westen wandte. Etwa zu jenem Zeitpunkt als der Magister Augurum seine Hand auf das Haar des Kaisers legte kam der Falke allmählich in Sicht der Curia Calabra, um alsbald einige Kreise über dem Plateau des kapitolinischen Hügel zu ziehen - denn das Tier war darauf konditioniert von der Behausung auf dem Esquilin zu seinem Heimkäfig auf dem Ianiculum zu fliegen und dabei auf dem Kapitol eine Belohnung in Form mehrerer Küken zu erhalten. Da an diesem Tage sich jedoch keine Belohnung für den Falken zeigte, brach dieser nach einigen Kreisen die erwartungsvolle Suche ab, um in Richtung Westen hinfort nach Hause zu fliegen. Mochte dies augenscheinliche Schauspiel der Natur einem einfachen Manne bereits überaus verheißungsvoll erscheinen, so war durch die Art des Vogels, die Richtung seines Fluges dem Lauf der Sonne nach, sowie dem kurzen Verweilen über dem Zentrum der Welt selbst den Forderungen der Auguren genüge getan. Obgleich er sich mühte eine erwartungsvolle Miene aufrecht zu erhalten, so stahl sich doch bereits ein Anschein von Zufriedenheit auf Gracchus' Antlitz als er dem Vogel hernachblickte. Die Götter hatten entschieden.