Am Ende der Stufen von der Regia hinab kommend hielt Gracchus nach der Eintragung noch einmal inne und wandte sich Prisca zu.
"Teuerste Aurelia … teuerste Prisca. Nun da die Ver..lobung offiziell ist, erlaube mir, dies Kleinod dir zu überlassen."
Von der Seite her trat ein flavischer Sklave heran, präsentierte ein Kästchen aus Kirschholz, welches Gracchus öffnete. Darin lag auf dunklem, samtenem Tuche ein Geschmeide aus goldenen Kettengliedern, kleinen Kugeln aus Granat und cremefarbenen Perlen. Im Gegensatz zu den Dingen des täglichen Lebens, für welche er kaum nur sich je interessierte, wählte Gracchus schöne Dinge stets selbst aus - gleich ob sie für ihn oder als Präsente für andere waren gedacht - ob dessen die Kette keinesfalls prätentiös anmutete, sondern eher der Kategorie exquisiter Unaufdringlichkeiten zuzurechnen war.
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
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Nach einem kurzen Blick auf die Tabula bestätigte Gracchus:
"Dies ist korrekt."
Um sodann nach einem Blick der Bestätigung zu Prisca und einem Abschiedsgruß an den Kultbeamten das Officium samt seiner nun offiziell Verlobten wieder zu ver- und jenen zu überlassen, welche bereits weitaus länger für einen Termin davor ausharrten. -
Nachdem er sich auf der Kline hatte niedergelassen und einen verdünnten Wein ausgewählt, hob auch Gracchus seinen Becher an.
"Auf den Frieden - zwischen Göttern und Menschen, wie auch zwischen den Menschen"
, erlaubte er sich den Trinkspruch zu erweitern, brachte ebenfalls einige Tropfen den Göttern als Opfer dar und nahm selbst einen Schluck, ehedem er den Becher ein wenig nachdenklich zurück auf den Tisch stellte. Während die annaeischen Sklaven auftischten und Sciurus die Servietten seines Herrn bereit legte, konzipierte Gracchus seine Antwort auf die Frage nach den letzten Jahren, respektive der turbulenten Zeit, welche er in Anbetracht der Umstände nachgerade mit dem Bürgerkrieg assoziierte.
"Nun, wir haben in dieser Zeit alle diverse Ver..luste tolerieren müssen."
Dies inkludierte nicht nur die letztlich temporäre Einbuße seiner Bürgerrechte, Heimat und Ehre, sowie die daraus resultierenden Nachwirkungen, sondern weitaus mehr noch den Tod seiner Gemahlin, welcher zwar nicht unmittelbare Folge des Bürgerkrieges war gewesen, aus Gracchus' Sicht jedoch letztendlich unbezweifelt aus dem Schrecken all dieses Geschehens war resultiert. Der Gedanke daran versetzte ihm einen Stich aus Trauer, Gram und Schuldgefühlen, doch kannte er den Senator nicht gut genug, um diesen Verlust zu erwähnen.
"Indes habe ich wohl kaum ein Anre'ht drauf, zu klagen."
Erst nachdem die Worte ausgesprochen waren realisierte der Flavier, dass dies danach klang als hätte er die turbulente Zeit selbst evoziert - was zweifelsohne den Tatsachen entsprach, indes selbstredend derart nicht sollte ausgesprochen werden, so dass er hastig hinzufügte:
"Denn letztendli'h war Roms Verlust weitaus schmerzlicher, wiewohl viele andere Familien weit mehr mussten ertragen als die meine. Auch die germanischen Provinzen waren in besonderem Maße betroffen, nicht wahr?"
Modestus war zu jener Zeit Statthalter des oberen Germanias gewesen und hatte eine Legion in den Krieg geführt, doch nähere Details waren Gracchus nicht bekannt. In den Jahren nach Palmas Einzug in Rom hatte er diverse Male versucht, das Geschehen seit der Machtergreifung des Vesculariers zu rekonstruieren, doch sein Gewissen weigerte sich standhaft, sich näher mit den Einzelheiten dieses Bürgerkrieges zu befassen, ob dessen er diese beständig wieder vergaß, respektive verdrängte, und bei Bedarf stets nur in einem trüben Gedankensee nach Bruchstücken zu fischen vermochte. -
"Salve, Senator Annaeus!"
retournierte Gracchus die Begrüßung.
"Ich danke dir sehr für deine Einladung, wiewohl dies nicht vonnöten wäre gewesen, um kultische Auskünfte jedweder Art zu erhalten. Um so mehr hoffe ich, dir die entspre'henden Antworten auf deine Fragen entbieten zu können."
Obgleich dies zweifelsohne Teil des formalen Austausches gegenseitiger Höflichkeiten war, so entsprach dies durchaus den Tatsachen. Letztendlich bedingte das Amt des pro magistro für alle Arten kultischer Belange verfügbar zu sein und nicht jeder Fragesteller verband dies mit der Einladung zu einem Mahl. Indes mochte es durchaus dazu gereichen, etwaige Entscheidungen und Prozesse zu begünstigen oder beschleunigen.
"Und sofern mir dies am heutigen Tage nicht sollte gelingen, werde ich mich be..mühen, sie zumindest zu einem späteren Zeitpunkt nachzureichen."
Zwar waren die meisten Gegebenheiten des Kultes seit Generationen bereits vorgegeben, doch insbesondere in Hinblick auf die aktuelle politische Ausrichtung hatte der neue Pontifex Maximus noch keine Tendenz vorgegeben. -
Die Toga wieder ordentlich in Falten gelegt betrat Gracchus das Haus und folgte dem Sklaven hinein in das Innerste. Ihm hernach folgte sein Faktotum Sciurus, welcher im gleichen Wissen wie sein Herr ebenfalls war angewiesen, achtsam zu bleiben, darüber hinaus wie stets dazu diente, Gracchus' Gedächtnis mit all jenen Details zu komplettieren, welche für den Flavier persönlich schlichtweg belanglos, für seine Pflicht indes relevant waren.
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Nachdenklich legte Gracchus die Stirn in Falten und sann über einen geeigneten Senator für Dexter nach. Zuerst fiel ihm Cornelius Scapula ein, indes war jener derzeit politisch überaus unmotiviert, so dass ein Tirocinium bei diesem allfällig ein wenig fade mochte enden. In Hinblick auf Aurelius Lupus war er sich ein wenig unsicher, welche Pläne jener derzeit verfolgte, ein Großteil der plebejischen Nobilitas kam nicht in Frage, da zu viele von diesen bei der Machtausweitung des Ducciers zu still gewesen waren, ein anderer Teil der Nobilitas wiederum war nach Erreichen des Konsulates öffentlich nurmehr im Senat engagiert, was für Dexter ebenso ein wenig öde mochte ausfallen.
"Domitillas' Verlobter, Senator Tiberius Lepidus allfällig. Er ist verbal durchaus gewandt, ambi..tioniert und ein Pontifex zudem."
Dass der Tiberier seine Schwester mit Duccius Vala hatte verheiratet, konnte Gracchus zwar noch immer nicht nachvollziehen, seine Echauffierung im Senat gegen die Machenschaften der Konsuln indes hatte diesen Malus wieder ein wenig nivelliert.
"Womöglich wird er sich alsbald für das Aedilat vorbereiten, was zweifelsohne eine gute Gelegenheit wäre, viel zu lernen. Domitilla, weißt du näheres über seine Absi'hten?" -
Die Nacht über hatte Gracchus kaum ein Auge zugetan und sofern er doch in Schlaf war verfallen hatten grässliche Alben ihn heimgesucht. Mehr als einmal war er ertrunken oder untergegangen, begraben unter gewaltigen Wellen, mehr als einmal hatten schaumbekrönte Wogen nach den Seinen gegriffen und sie ihm entrissen, hatte der salzige Wind und die Öde windstiller Sonne inmitten des oceanos ihm die Haut von den Knochen geätzt. Ein wüster Pirat, welcher seinem Antlitz auf jede Miene glich, hatte Leontia ihm geraubt und in sein Reich zwischen Seesternen und Algen hinab gezerrt, wo sie unter elendiglichen Qualen umflutet von türkisfarbenen Wassern verdurstet war, und als die Cephalopoden und Krustentiere ihr Gerippe bis auf alle Knochen hatten abgenagt, hatte die Fratze des Quintus Tullius, welcher gleichsam der unbarmherzige König des Meeres gewesen war und drohend seinen Dreizack hatte geschwungen, in kehligem, donnerndem Lachen angekündigt, dass Minor seine nächste Eroberung würde sein. Entsprechend misslaunig zeigte Gracchus sich darob als Sciurus noch vor dem Aufgehen der Sonne ihn aus dem Bett holte, härmte zudem mit jedem vergehenden Augenblick sich mehr und mehr, dass er Minor auf jene Reise nach Alexandria hatte beordert, anstatt ihn nach Achaia zu senden, welches mit einer vergleichsweise kurzen Überfahrt über das Mare Adriaticum - wenn auch zuvor und hernach längerer Reise über Land - zu erreichen war. Doch letztendlich gab es kein Zurück, so dass der Vater schlussendlich mit ausdrucksloser Miene, welche er sonstig für Opferriten oder den Senat hatte reserviert - um nicht sein Antlitz von Sorgenfalten übermannen zu lassen - vor den Sohn hin trat.
"Bist du bereit, Minimus? Vergiss nicht, vor der Überfahrt am Hafen ein Opfer an Neptunus und Salacia zu erbringen. Und sende uns eine Nachri'ht, sobald du in Alexandria angekommen bist, Sulpicius Cornutus wird dir zweifelsohne einen geeigneten Boten zur Verfügung stellen. Und falls du während der Überfahrt ..."
Gracchus stockte. Im Grunde wollte er Minor versichern, dass er nur seinen Siegelring würde vorzeigen und den Namen seines Vaters nennen müssen sofern er in Gefangenschaft von Piraten geriet, so dass eiligst eine Lösegeldforderung würde gestellt und diese selbstredend stante pede würde beglichen werden, doch letztendlich mochte er diese Thematik doch nicht erwähnen.
"Falls du während der Überfahrt von Unwohlsein solltest be..fallen werden, so versuche dich schlichtweg so wenig wie möglich auf dem Schiff zu bewegen. Es mag überaus unangenehm werden, doch letztendli'h ist noch niemand daran gestorben."
Gänzlich sicher war Gracchus dessen nicht, doch wollte er Minor auch diesbezüglich nicht unnötig beunruhigen. -
Wie geladen und bestätigt erschien an diesem Tage eine flavische Sänfte am Eingang der Domus Annaea. Während Gracchus' Vilicus Sciurus ankündigte, dass sein Herr vom Hausherrn erwartet wurde, ließt der Senator noch einmal die Toga sich richten und begutachtete das Haus. Der Besuch - wenn auch offiziell gänzlich unverfänglich - bereitete ihm durchaus ein wenig Unbehagen, denn obgleich Modestus nicht alle Details kannte und - aus Gracchus' Sicht - auch der Anteile des Flaviers nicht konnte sicher sein, so wusste er doch von den Anfängen der Konspiration und jener Männer, welche bei jenem verhängnisvollen ersten Treffen im Hause Tiberius' anwesend gewesen waren. All dies war lange her und im Grunde längst ohne Bedeutung, dennoch gemahnte der Flavier sich vigilant zu bleiben.
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Nach einem kurzen Intermedium bin ich noch einmal einige Tage bis Sonntag absent.
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Noch eine kleine Unzulänglichkeit des Charakters des Kaisers: es scheinen ihm derzeit noch die Eltern zu fehlen. Zumindest im Tabularium sind diese nicht eingetragen und auch bei seiner Vorstellung im Senat hat Aquilius seine Abstammung nicht näher erwähnt. Für die Inauguratio habe ich die väterliche Abkunft nun schlichtweg unterschlagen, nützlich für die Zukunft wäre sie allfällig dennoch.
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Derangiert verfolgte Gracchus das Schriftstück mit seinem Blicke, öffnete noch erstaunter den Mund, um die Frage zu stellen, woher Serapio wusste, dass diese Zeilen die seinen waren, als jener bereits eine Erklärung folgen ließ.
Du weißt genau ..., dass ich DIR nicht widerstehen kann!
Es hätte nicht der inhibierenden Geste bedurft, um den Flavier zum Schweigen zu bringen, denn Faustus' Worte ließen sprachlos ihn zurück, schlugen in seine Welt ein wie ein Stern, welcher vom Himmel hinab fiel. Heiß. Und Kalt. Schwarz. Und Weiß. Laut. Und Leise. Hell. Und Dunkel. Mit leicht geöffnetem Mund suchte er noch die Bedeutung dieser Worte zu erfassen, als bereits Serapio um seinen Hals lag. Um seinen Hals lag. Sein Leib ganz nah. Nah. Seine Worte ein Hauch an seinem Ohr. So nah. Seine Lippen auf seiner Haut. Berückend. Überwältigend. Ein Seufzen echappierte Gracchus' Kehle, in welchem alle Sehnsucht, alle Hoffnungslosigkeit und alles Verzehren der letzten Jahre lag, welches im gleichen Atemzuge aus ihm entwich in welchem seine Hände ihren Weg um Serapios Hüfte fanden, nicht die Erinnerung dieses Körpers mussten suchen, der ihm so präsent war wie die Realität nur konnte sein. Unbotmäßig gegen jede Vernunft folgten seine Lippen dem Drang die Berührung zu erwidern, die Küsse zu erwidern. Alle Anstrengung, dies zu beenden - nichtig. Aller Vorsatz dem zu entsagen - nichtig. Alle Idee, eine Frau zu lieben - nichtig. Nichtig im Bruchteil eines Herzschlages, zerschlagen, zersprengt, zerstört durch einen einzigen Kuss. Einen atemberaubenden, atemraubenden Kuss.
"Ich habe versucht ... es zu beenden ..."
, flüsterte Gracchus atemlos zwischen einem Kuss und dem nächsten.
"Zwecklos ... als wollte ich ... der Sonne ver..bieten, aufzugehen ... "
, verlor er sich in Faustus.
"Ich kann nicht ... von dir lassen ... nicht aufhören ... dich zu lieben ..."
Drängend schob Gracchus den Saum Faustus' Tunika empor, um sich seinen Weg zu bahnen, drängte den Körper des Geliebten zurück bis zu dem massiven, hölzernen Schreibtisch.
Ich bin vergeben, und ich will glücklich sein, ... , und ich will ihm treu sein, ... er ist mir sehr wichtig...
, gemahnte ihn sein Gewissen an Serapios Worte, und doch gab es kein Halten mehr, insbesondere nicht durch Worte. Diese Liebe war keine Idee, sie war das Ideal, dieser Mensch, dieser Leib, dieser Geist, diese Seele war, wonach Gracchus sich verzehrte, wieder und wieder, unablässig, machtlos gegen sich selbst, gegen jeden Verstand, respektive mit vollstem Einverständnis seines Verstandes..
Alles kann immer sofort und von jetzt auf gleich zu ende sein
, - alles allfällig, doch diese Liebe nicht.~ ~ ~
Eine Unendlichkeit und einen Augenblick nachdem die Welt in Euphorie und Ekstase sich hatte verloren, ließ Gracchus schwer atmend sich auf die Kante des Tisches fallen. Sein Mundwinkel war ein wenig empor gehoben und ein verklärtes Leuchten lag in seinem Blicke, mit welchem er Serapio bedachte. Alle Entscheidungen seines Lebens waren stets geleitet von einem Zögern, jeder Wille geführt von Zaudern, doch in diesem Augenblicke lag kein Funke von Unentschlossenheit mehr in seinen Worten.
"Ich bedaure diese Konstellation, Faustus, doch ich werde niemals aufhören, dich zu lieben. Und wenn es eine Schwä'he ist, oder eine Krankheit oder sogar der Wahnsinn - es ist nichts als die Wahrheit, welche ich geschworen habe, dir niemals wieder vorzuenthalten. Du kannst nicht den Menschen, welcher die Schönheit des wahren Seienden hat er..blickt zurück in die Höhle fesseln und ihm Schatten an der Wand als Realität offerieren."
Er fasste Serapio bei den Schultern, sein Blick eindringlich.
"Du bist das Korrelat meiner Seele, und nie wieder werde ich so lange ak..zeptieren, dass du mir entrissen bist! Dieser Brief ist die Wahrheit, viel zu lange schon, und wenn es nur eine Wahl gibt zwischen der Heimli'hkeit und dem Ideal, zwischen meiner Pflicht für Rom und ... dir, zwischen ... meiner Familie ... und dir ... dann ..."
Zögern. Zaudern. Allfällig nur eine rhetorische Pause, um die Tragweite dieser Worte sich selbst bewusst zu machen. Ein letzter Augenblick, um sich für das Leben zu entscheiden, welches niemals sein eigenes war, und doch immer das seine.
"Dann möchte ich dich wählen, Faustus."
Alles konnte immer sofort und von jetzt auf gleich zu ende sein, und er hatte schon viel zu viel Zeit mit Serapio verloren. -
Ad K. Annaeus Modestus, Domus Annaea
M' Flavius Gracchus Pontifex pro magistro K. Annaeo Modesto Senatori s.p.d.
Es ist überaus erfreulich zu vernehmen, dass du nach deiner Rückkehr dich erneut einem der stadtrömischen Collegien anschließen möchtest, denn wie bereits seit vielen Jahren sind die Plätze in diesen eher vakant als begehrt.
Gerne bin ich bereit dir deine Fragen zu beantworten und werde deine Einladung darob in zwei Tagen* nach den Sitzungen des Senates annehmen.
Mögen die unsterblichen Götter über dein Wohl wachen!
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Sim-Off: *SimOff frühestens Sonntag.
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"Die Ver..lobung wurde ANTE DIEM X KAL NOV DCCCLXIV A.U.C.* in der Villa Flavia geschlossen, im Beisein des Senators et Haruspex Primus Sextus Aurelius Lupus, sowie meines Sohnes Manius Flavius Gracchus Minor"
, listete Gracchus nicht nur den Tag, sondern zugleich auch Zeugen der Tat auf.Sim-Off: * 23.10.2014, da der genaue Tag vermutlich ohnehin kaum eine Rolle spielt, habe ich denjenigen ausgewählt, an welchem alle Zustimmung gegeben war.
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Die Senatoren Roms folgten dem neuen Augustus wie gewünscht nach der Wahl auf das Forum Romanum, um sich dem Volk zu stellen - denn letztendlich war Aquilius Severus Kaiser geworden da sie es derart hatten bestimmt, so dass an seinem Erfolg oder Scheitern der gesamte Senat sich würde messen lassen müssen. Für Flavius Gracchus hätte der Wahlsieg des Aquilius im Grunde bereits ein Scheitern bedeuten müssen, doch als er auf das Forum hinaus trat wurde ihm in aller Deutlichkeit bewusst, dass dies der Beginn eines Weges war, welchen er niemals hätte gehen wollen. Letztendlich war er sich - tief in seinem Innersten - gar dessen sicher, dass der Beginn dieses Weges das Ende seiner Person hätte bedeutet, und so sehr ihm diese Person bisweilen zuwider war, so sehr war er ihr doch verfallen als ihr Ende allzu sehnsuchtsvoll herbei zu sehnen.
"IMPERATOR AQUILIUS VIVAT!"
riefen die Römer dem neuen Imperator zu, und Gracchus mochte ihnen durchaus aus vollem Herzen beipflichten. -
Letztendlich stimmten selbstredend alle Pontifices für den Augustus - als letzter aus ihren Reihen auch Gracchus selbst:
"Auch ich befürworte die Wahl des Aquilius Severus zum Pontifex Maximus."
Hernach folgten - pro forma, denn einen Einfluss hatten sie diesbezüglich nicht wirklich - die Pontifices Minores, welche gleichfalls keine Einwände erhoben, so dass der pro magistro letztendlich verlautbarte:
"Ich stelle fest, dass die Cooptatio des Pontifex Maximus eindeutig ist. Der Zustimmung der Sterblichen ist offensi'htlich, nun benötigen wir diejenige der Götter. Aus diesem Grunde setze ich eine Inauguratio vor den Comitia Calata für den morgigen Tag an."
Die Contio war somit beendet, denn ohne einen legitimen Pontifex Maximus würden keine weiteren Beschlüsse gefällt werden, und dieser würde erst durch die Inauguratio bestimmt werden. Letztendlich war auch dies nur eine Formalie, jedoch eine für den Cultus überaus substanzielle. -
Es war nicht allzu lange her - gemessen in menschlichen Lebenszeiten -, dass das Collegium Pontificum vor der Curia Calabra auf dem Capitol war zusammen gekommen, um die Zustimmung der Götter zur Bestätigung eines neuen Pontifex Maximus einzuholen - respektive die Zustimmung der Götter selbst zu bestimmen. Denn selbstredend waren wie üblich Vorkehrungen getroffen, welche Tiberius Aquilius Severus in jedem Falle am Ende des Ritus als neuen Pontifex Maximus würden hervorgehen lassen. Neben dem Collegium Pontificum hatten zahllose weitere Priester sich auf der Hügelkuppe versammelt, um die Einsetzung des höchsten Priesters Roms nicht zu verpassen, und harrten nun der Ankunft des Augustus.
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"Wir sind beide gewaltfrei, vorherigen Ehen wurden ... durch den Tod be..endet, im Falle Aurelias die Ehe mit Aulus Flavius Piso, in meinem eigenen Falle mit Claudia Antonia."
Es war merkwürdig, Antonia in einem Satze mit Prisca zu erwähnen. Gracchus konnte sich nicht mehr dessen entsinnen, wie es gewesen war, die gleiche Pflicht mit ihr absolviert zu haben, doch in seiner Vorstellung war dies zweifelsohne ebenfalls ein überaus erhebender Augenblick gewesen - ungeachtet der Tatsache, dass diese seine erste Ehe durch seinen Vetter Felix arrangiert worden war und er Antonia zur damaligen Zeit noch weniger gekannt hatte als er nun Prisca kannte. -
Auszeichnungen waren ein Thema, mit welchem Gracchus beinahe so wenig konnte anfangen wie mit der Lex Mercatus. Anerkennung war ein Kraut, welches nur auf Gräbern wuchs, und ein Diploma oder Inscriptio brachte - seiner Ansicht nach - weder Rom, noch dem Ausgezeichneten irgend einen Vorteil. Allerdings gehörte er - trotz allfällig gegenteiliger Gerüchte - noch nicht zur Fraktion der ewig Gestrigen, und sah darob durchaus ein, dass es Menschen gab, welche auf diese Art der Belohnung Wert legten, ob dessen sie durchaus bisweilen sinnvoll konnte sein. Ob Decima Seiana eine solche war, konnte er nicht beurteilen - bezweifelte dies zwar, war ihr indes als Person überaus gewogen. Als Consul Duccius dann auch noch vorschlug, alle ehemalige Rectores der Schola auszuzeichnen, konnte Gracchus nicht mehr anders als diesen Vorschlag zu befürworten, da unter den genannten sich auch sein Vetter und Patron Flavius Felix befand - und würde dieser herausfinden, dass Gracchus sich in Hinblick auf diesen Vorschlag auch nur enthalten hatte, wäre ihm dies zweifeslohne überaus abträglich. Zu mehr als einer recht undifferenzierten Zustimmung konnte er sich dennoch nicht durchringen.
"Es scheint mir ebenfalls angebracht, alle bisherigen Rectores der Schola mit einer Inscriptio auszuzei'hnen. Decima Seiana verdient diese zweifelsohne, doch gleichfalls war die Arbeit vorheriger Rectores nicht minder gut." -
[Blockierte Grafik: http://www.niome.de/netstuff/IR/nsc/Acanthus.png] | Acanthus
Acanthus saß auf seinem Schemel neben der Türe und lauschte dem Prasseln der Tropfen während er darüber nachdachte, woher der Regen kam, diese scheinbar endlose Masse an Wasser, die niemals zu versiegen schien, und weshalb dieser Regen nur ab und an über Rom fiel und nicht dauerhaft. Da der Tag sich bereits dem Ende zuneigte, rechnete er nicht mehr mit Besuchern, sprang jedoch pflichtbewusst wie eh und je auf, als es an der Porta klopfte. Tribun Decimus Serapio - natürlich kannte der Ianitor diesen Namen, ebenso wie die zugehörige Geschichte. Jeder in Rom kannte diese Geschichte von Salinators gefallenem Wachhund. Doch Acanthus war nur ein einfacher Sklave, der sich damit begnügte den wahrhaft phantastischen Geheimnissen dieser Welt nachzuspüren, und war vollkommen uninteressiert an Politik und Gerüchten, weshalb er den Tribun einließ wie er jeden anderen Tribun auch eingelassen hätte - denn ein einzelner Tribun war zweifelsohne wichtig, aber ohne eine Kohorte in seinem Rücken kaum gefährlich.
"Bitte tritt ein, Herr, ich werde nachhören lassen, ob der Senator Zeit hat."
Einige schnelle Zeichen veranlassten den Laufburschen, der kurz nach dem Klopfen ebenfalls von seinem Platz auf dem Boden aufgesprungen war, zu Gracchus' Officium zu eilen, während Acanthus dem Besucher den Mantel abnahm und ihn im Atrium abstellte und zu warten bat. Schon wenige Augenblicke hernach kehrte der Junge dorthin zurück.
"Der Senator wird dich empfangen, Tribun, bitte folge mir", sprach der junge Sklave ohne Serapio ins Gesicht zu blicken und führte ihn in Richtung des Officiums.
IANITOR - VILLA FLAVIA -
Da sein Vilicus Sciurus noch einige Dinge für ihn in der Stadt erledigte, langweilte sich Gracchus an diesem Abend in seinem Officium und ritzte gänzlich unmotiviert Muster in eine Wachstafel. Er hatte schon während der cena beständig über die Gästeliste seiner Hochzeit nachgedacht und wollte diese dem Sklaven diktieren, ehedem er die Hälfte davon wieder vergaß. Obgleich für die Feierlichkeit noch nicht einmal ein Termin war determiniert, mochte Gracchus mit der Planung keine Zeit mehr verlieren, denn je mehr er sich in die Vorbereitungen vertiefte, desto weniger konnten seine Zweifel sich in ihm ausbreiten. Gänzlich unerwartet indes disturbierte die Ankündigung eines Tribuns - der Sklavenjunge hatte bereits den Namen vergessen und erwähnte diesen darob nicht erst - seine Langeweile, und evozierte sogleich ein Gefühl der Panik in ihm. Hastig blickt er sich in seinem Officium um, konnte jedoch nichts Verfängliches darin entdecken - etwa ein Pergament, auf dem Ich habe den Kaiser ermordet stand -, drehte die Tabula um und richtete sich gerade auf. Er wusste nicht, weshalb ein Tribun ihn mochte aufsuchen, rechnete indes mit dem schlimmsten.
"Faustus"
, erkannte er diesen erstaunt als Serapio zur Türe eintrat und erhob sich, sein Herz schneller schlagend und sein Atem beschleunigt. Von allen Tribunen Roms ausgerechnet Faustus! Standhaft und entschlossen hatte er in den vergangenen Tagen versucht, Serapio aus seinen Gedanken zu verbannen, hatte sich regelrecht fanatisch auf Aurelia Prisca konzentriert, hatte versucht ein Flämmchen der Liebe für sie zu entfachen, doch der Anblick des Decimers machte augenblicklich alle Bemühungen zunichte, fegte einer Sturmbö similär über ihn hinweg und erstickte das karge Glimmen. 'Denke an eine Möhre!' vernahm er die mahnende Stimme des Meister Fasiri in seinen Gedanken, was jedoch nur dazu führte, dass sein Blick zu Faustus' Lenden wanderte und ein Schauer über Gracchus' Rücken fuhr, da ihn dies nicht im mindesten vom Stachel des Skorpions ablenkte. Kühlen Atem in seine Kehle einlassend blickte er wieder empor, gemahnte sich, ruhig zu bleiben und sich nicht wieder in Narreteien zu verlieren. Auf Serapios Antlitz spiegelte sich Ernsthaftigkeit und eine Spur von Konfusion wieder, was einen Anflug von Sorge in Gracchus evozierte. Ein Teil seiner Gedanken bangte, jemand hatte die Konspiration enttarnt und Faustus war gekommen, ihn zu warnen.
"Ist etwas ... geschehen?"
Ein anderer Teil - sehr tief in ihm, doch überaus aufmüpfig - hoffte indes, dass Serapio gekommen war, um Trost zu suchen, da er entdeckt hatte, dass Borkan nur ein unlauterer Herzensdieb gewesen war - woraufhin ein weiterer Teil sich sogleich wieder einen törichten Narren schalt.