Selbstredend hatte niemand von einem anderen Kandidaten gehört, wiewohl auch der pro Magistro den Augenblick für eine etwaige Antwort nicht allzu lange ließ währen. Wer nun nicht sprach, der musste für immer schweigen, doch wer sprechen würde, riskierte ebenfalls bald für immer zu schweigen - obgleich Aquilius vermutlich kaum sich verscularischer Unsitten würde bedienen.
"Nun gut, so wird es eine Abstimmung für oder gegen Aquilius Severus. Möge ein jeder seine Sententia abgeben."
Die erste Stimme gebührte dem Rex Sacrorum Menenius Lanatus, welcher sein Votum pro Aquilius mit einem überzeugten Nicken bekräftigte. Ihm folgend gaben Flamen Dialis - wie stets ob dessen fortgeschrittenen Alters ein wenig krächzend -, Flamen Martialis - laut und bestimmt-, und Flamen Quirinalis - gänzlich neutral -, ihre Stimmen ab, ehedem traditionsgemäß die Virgines Vestales aufgerufen wurden, die Virgo Vestalis Maxima Minucia allen voran, sodann die übrigen.
"Decima Messalina, stimmst du der Wahl zu?"
Nach den Antworten der Sacerdotes folgte auch die Discipula.
"Iulia Torquata, stimmst du der Wahl zu?"
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
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Neuerlich veränderte die Atmosphäre im Raume sich und noch ehedem Gracchus begriff, was geschah, durchzuckte ihn - wie zu Beginn dieses Treffens bereits - ein Gefühl von Heiß und Kalt, von wohligem Schauer, von Hoch und Tief zugleich als Serapio ihn am Arm fasste, schlussendlich an der Schulter - näher, immer näher ihm kam. Während dessen Worten hielt er den Atem an, um durch keine unachtsame Regung diese Berührung zu lösen, gleichsam nicht einordnen könnend, was eigentlich genau zwischen ihnen geschah. Bevor er dies genauer konnte durchdenken, senkte er mit einem tiefen Seufzen den Blick. Borkan - was war das denn für ein Name? Zweifelsohne keiner, der in einer anständigen römischen Familie wurde vergeben, somit war jemand offenbar ein Provinzler, aus Dacia allfällig oder gar Germania. Borkan! Dies klang in Gracchus' Ohren nach dem Namen für einen rauen Wind, für eine wilde, nordische Chimäre oder eine ausgedörrte, östliche Sandwüste. Doch obgleich Jemand Borkan sich mehr als alles in Gracchus' Geist drängte, so war er nicht, was einer Reaktion bedurfte. Der Flavier blickte auf und noch immer lag diese wunderbar warme, starke, herrliche, kräftige, wundervolle Hand auf seiner Schulter.
"Ich glaube dir, Faustus"
, sagte Gracchus sanft. Er wollte Serapio nicht zürnen, er wollte nicht mit ihm brechen, wollte nicht einmal ihn enervieren. Er wollte ihn. Mehr als alles. Noch immer.
"Und sie soll keinen Keil zwischen uns treiben. Weder kann, noch will ich re'htfertigen was sie getan hat, auch wenn wir in dieser Zeit zweifelsohne alle Dinge getan haben, auf welche wir nicht stolz sind. Aber das ... ist ohne Belang. Meine Familie braucht eine Si'herheit gegenüber Aurelius Lupus und ich brauche eine Sicherheit gegenüber Aurelia Prisca. Mit einem meiner Söhne oder Neffen kann ich sie nicht verheiraten, da sie in der Ehe mit Piso gezeigt hat, dass sie keine Kinder gebären kann, und nicht zuletzt brauche ich eine Gemahlin, um für meine Familie weiter voranzukommen. Ich … ich brau'he diese Ehe, und sofern Aurelia Prisca nicht zuvor in einen öffentlichen Skandal involviert ist, kann ohnehin nichts mehr diese Hochzeit verhindern."
Es sei denn Gracchus selbst wäre in einen Skandal verwickelt und die Aurelier würden sich distanzieren, doch dies würde er zweifelsohne nicht provozieren wollen. Allein die Tatsache, dass die Aurelia wusste, was sie von ihm zu erwarten hatte, würde ihn über so einiges hinwegsehen lassen.
"Doch was auch geschieht, Faustus, ich werde nicht zulassen, dass sie dir in irgendeiner Weise Schaden zufügt, das … das verspreche ich dir."
Zeigte Serapios' Empörung, wie auch seine Furcht vor einem Keil der Aurelia zwischen ihnen nicht, dass ihm noch etwas an Gracchus lag? Was war dieses fragile Etwas zwischen ihnen? Freundschaft - dämpfte Gracchus' Ratio den Funken aus Hoffnung, welcher in seinem Herzen wollte aufglimmen -, eine Freundschaft wie sie nach dem Erkalten der Liebe blieb, mit gegenseitigem Respekt für die neue Liebe des anderen, mit Scherzen über alte Zeiten, bisweilen verträumten Gedanken an die Vergangenheit, welche nach dem Erwachen nurmehr ein müdes Lächeln hervorriefen. Borkan. Es fiel Gracchus schwer, dies zu akzeptieren - selbst nach allem, was geschehen war -, doch noch weniger Recht als Faustus hatte, sich in seine profane Ehe einzumischen, hatte Gracchus ein Recht darauf, sich in Faustus' Liebesleben einzumischen. Dass sie überhaupt wieder miteinander sprachen, war zweifelsohne bereits mehr als er hatte erwarten dürfen. Ohne dich stünde ich jetzt nicht hier, wollte er ihm sagen, doch letztendlich, geleitet von einem müden Lächeln, wurde dies nur ein:
"Ich ... muss jetzt dennoch gehen."
Mühsam hielt er sich davon ab, ihm eine Hand auf den Arm zu legen, denn dies wäre nicht nur von der Intention der Freundschaft getragen. Er hatte kein Recht.
"Sobald du … einen Zeugen brauchst vor dem Praetor, lasse es mich wissen."
Wenn auch nichts sie vorher würde zusammen bringen, zumindest diese Gelegenheit blieb als Ausblick am Horizont. -
Nachdem die Mitglieder des Collegium Pontificum vollständig versammelt, der Augustus mit diesen sich bekannt gemacht hatte und hernach die zeremoniellen Riten zur Eröffnung der Contio abgeschlossen waren, begann Gracchus mit dem ersten - und einzigen - Punkt der Tagesordnung.
"Am heutigen Tage fällt uns die ehrenvolle Aufgabe zu das nä'hste Oberhaupt des Cultus Deorum, den Bewahrer der Pax Deorum, den Pontifex Maximus zu erkiesen. Der ehrenwerte Tiberius Aquilius Severus, vor wenigen Tagen durch den Senat Roms zum Imperator Cesar Augustus bestimmt, steht nun ebenfalls als Kandidat für das Amt des Pontifex Maximus bereit. Seit vielen Jahren bereits ist er ein verdientes Mitglied der Salii Palatini und hat sich auch darüber hinaus oftmals intensiv um die Pax Deorum bemüht, etwa während seiner Statthalterschaft in Dalmatia den Tempel des Iuppiter Maximus in Salonae erweitern lassen. Über seine Tauglichkeit darüber hinaus müssen zweifel..sohne keine weiteren Worte verloren werden."
Schlussendlich waren alle Kaiserkandidaten in den zurückliegenden Wochen ausgiebig diskutiert worden, nicht nur in den Hallen der Curia Iulia, sondern bis in die letzten Winkel Roms.
"Hat jemand von weiteren Kandidaten gehört, welche das Amt des Pontifex Maximus anstreben?"
Im Grunde war die Wahl des Pontifex Maximus ein Possenspiel, denn seit den Tagen des ersten Augustus war dieses Amte mit jenem des Kaisers verbunden, und nach der unkonventionellen Art und Weise, wie Aquilius auf den Thron gekommen war, war Gracchus nicht bereit, dies in Frage stellen zu lassen - nicht einmal hätte der Kaiser dies tun wollen. Dennoch musste er sich letztendlich an das Protokoll halten, wozu auch die recht überflüssige Frage nach anderen Kandidaten zählte. -
Tiberius Aquilius Severus - dies war er also, der neue Imperator Caesar Augustus des römischen Reiches. Obgleich Gracchus zu dessen Erhebung weit weniger hatte beigetragen als zu den letzten beiden Kaisern - seine Stimme war nur eine unter vielen gewesen, während er zuvor maßgeblich den Weg hatte geebnet, respektive freigeräumt -, so glaubte - hoffte - er doch, dass dieser Mann nun endlich derjenige war, welcher Rom zu neuer Blüte würde führen. Der erste Erfolg zeigte sich bereits als endlich die beiden Consuln das Podest der Macht mussten räumen und die - aus Gracchus' Blickwinkel - widerrechtlich an sich gerissene Macht an den Augustus abtreten. Der Beifall ebbte ab als Aquilius Severus zu seiner ersten Rede als Kaiser ansetzte und jedes Wort, welches aus seinem Munde gelangte, von den Senatoren genauestens beäugt wurde. Ich hingegen, ich werde ein Kaiser für alle sein - dies war zweifelsohne die Essenz der Rede - eine recht knappe Erklärung, und doch von mehr Gewicht als eine wortgewaltige Ausführung nur hätte sein können, wiewohl mit dem Anflug einer gewissen Brisanz, denn letztendlich würden sich alle darauf berufen können. An diesem Tage indes war es nicht angebracht sich bereits über Eventualitäten zu sorgen, an diesem Tage versprach die Wahl des neuen Augustus einen neuen Anfang, und auch Gracchus quittierte dies mit Applaus.
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Die physische Manifestation Serapios Exaltation gereichte dazu Gracchus noch mehr in die Defensive zu drängen, insbesondere da Faustus nun von oben herab auf ihn einredete, aus des Flaviers Sicht nichts anderes als dessen Entscheidungskompetenz in Frage stellend.
"Was hätte ich tun sollen mit diesen Briefen?"
fragte er barsch zurück und setzte sich auf.
"Damals als ich mit nichts als einem Fetzen Tunika am Leibe bei Na'ht und Nebel die Stadt verlassen musste! Hätte ich sie vernichten oder ver..brennen sollen, diese Worte, deren güldener Schein mir den Weg durch die Dunkelheit weist, die mich in jedem Fallen auffangen und auf eine Statt aus fedriger Zufriedenheit betten, die mich auf ihren Schwingen über die Abgründe des Lebens tragen?"
Er zögerte kurz, korrigierte dann hastig, denn in keinem Falle wollte er nun auch noch eine Blöße sich geben.
"Trugen! Sie blieben dort, wo ich sie am sichersten glaubte, wo meine Hoffnung mit ihnen verblieb! Dass ich auch hierbei irrte …"
, sowohl in Hinblick auf die Sicherheit, als auch auf die Hoffnung,
"… dies ist wohl nurmehr ein … Tropfen im gewaltigen Oceanos meiner … Fehleinschätzungen!"
Als er zurückgekommen war und die Briefe eben dort nicht mehr hatte vorgefunden, hatte ihn dies beinahe um den Verstand gebracht - dessen er sich ohnehin bereits nicht mehr sicher gewesen war -, und auch der Verlust seiner Hoffnung auf Faustus gereichte zweifelsohne zu selbigem.
"Nicht erst Cornelius' Truppen haben in der Stadt gewütet, Vescularius' Urbaner sind in mein Heim ein..gedrungen und haben alles durchwühlt, und nur Aurelia Priscas couragiertem Einschreiten ist zu verdanken, dass sie die Briefe nicht mit sich genommen und dem Vescularier ausgehändigt haben!"
Er erhob sich nun ebenfalls, noch immer defensiv in seiner Haltung, doch nun weniger aus Verunsicherung heraus denn mehr aus der Standhaftigkeit patrizischen Fatalismus'.
"Es hätte ihr gänzlich einerlei sein können, nach Pisos Tod band nichts sie mehr an die Flavia, und doch hat sie dafür Sorge getragen, dass diese Briefe nicht an die Öffentli'hkeit gelangen, hat sie versteckt und nach dem Ende des Krieges nicht mit einem einzigen Worte versucht, mir gegenüber daraus für sich einen Vor..teil zu schlagen - im Gegenteil!"
Etwas anderes über Prisca wollte Gracchus nicht hören und wollte es doch hören. Alle Fäden des Schicksales hatten sich um ihn gesponnen, dass ihm kaum eine Alternative blieb als die Aurelia zu ehelichen, gleichsam ihm nichts mehr könnte zupass kommen. Es war ein do ut des auf irdischer Ebene, ein ausgeglichener Handel zwischen zwei Familien, zwischen zwei erwachsenen Menschen. Gracchus wandte sich ab, schüttelte den Kopf und schloss einen Augenblick die Augen. Hätte Antonia je Kenntnis von seinen Vorlieben erlangt, Pathicus wäre zweifelsohne noch die geringste Schmähung gewesen, welche die hehre Claudia für ihn hätte erdacht. Sie nannte uns Pathici - dies klang beinahe wie der Titel zu einem extravaganten Theaterstück, und allfällig würde es dies sein - das Stück seiner nächsten Ehe. Dennoch bedeutete auch dies Wissen keinerlei Unterschied mehr, es gab kein Zurück aus einer Entscheidung, welche ohnehin nie eine Wahl war gewesen. Gracchus öffnete die Augen und blickte in das euphorisch angespannte Gesicht eines der Titanen an der Wand, welcher mit Hingabe und Inbrunst sich in sein Schicksal stürzte. Ob diese Hingabe und Inbrunst wohl in gleichem Maße vorhanden wäre, würde er um sein Verderben wissen?
"Aurelia Prisca weiß, was sie erwartet, und sie weiß, was von ihr er..wartet wird."
Er drehte sich um und fixierte Serapios Augen, in welchen Gracchus - wie er glaubte - den Trug von Hingabe und Inbrunst lodern sah, und sofern doch etwas darin loderte, so war es nichts, das ihm hätte gegolten.
"Für dich mag dies alles ganz einfa'h sein, dir jemanden zu suchen, mit ihm zusammen zu sein und dein Glück zu ge..nießen. Ich .... folge meiner Pflicht und tue, was für das Wohl und ... Überleben meiner Familie notwendig ist. Und wenn dies inkludiert, dass ich ... diese eine Lüge jeden Tag vermeiden kann, so ist dies bereits mehr als ich für mich selbst von einer solchen Ver..bindung erhoffen kann."
Hätte er nur vor Jahren bereits den Mut aufgebracht, all dem schlichtweg den Rücken zu kehren, mit Faustus das nächste Schiff gen Osten zu besteigen und der Familie eine Nachricht zukommen zu lassen, dass das Meer ihn hatte verschlungen. Hätte, könnte, sollte. Die Chance war vergangen, vertan wie so viele, und Faustus segelte mit jemand anderem hinfort.
"Es ist Zeit für mich zu gehen, ich ... muss mich noch auf die morgige Senatssitzung vorbereiten"
, beschloss er darob überaus nüchtern das Treffen und rückte sein Pallium zurecht. Er wollte nicht länger noch in Faustus' Nähe verweilen, in welcher dieser sich Herzschlag um Herzschlag nur immer weiter von ihm entfernte. -
Wenige Tage nach der Ernennung Aquilius Severus' zum Imperator Caesar Augustus traf ein Schreiben des Pontifex Maximus auf dem Palatin ein, denn während der Senat dem Aquilier die weltlichen Vorrechte hatte anvertraut, so lag die Übergabe der kultischen Macht noch immer in den Händen des Collegium Pontificum.
Ad Imperator Caesar Tiberius Aquilius Severus Augustus
M. Flavius Gracchus Pontifex pro magistro Imp Caes Tib Aquilio Severo Aug s.p.d.
Gemäß der Mores Maiorum hat das Collegium Pontificum die Absicht, dir als erstem Manne des Staates das Amt des Pontifex Maximus anzutragen. Aus diesem Grunde bitten wir dich zur kommenden Contio des Collegium zu erscheinen, um Deine Kandidatur selbst bekannt zu geben.
Mögen die unsterblichen Götter stets über dein Wohl wachen!
http://www.niome.de/netstuff/IR/SiegelCaduceus100.png
[Blockierte Grafik: http://www.niome.de/netstuff/IR/ManiusFlaviusGracchus.png]
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Einige Tage nach der Wahl des Aquilius Severus zum Imperator Caesar Augustus kam auch das Collegium Pontificum zusammen, um den neuen Pontifex Maximus zu erkiesen. Letztendlich war dies selbstredend nur eine Formalie, denn seit langer Zeit schon war der Augustus auch immer das Oberhaupt des römischen Kultes, und doch war das Collegium derart traditionsverbunden - respektive verknöchert -, dass dies durch eine offizielle Wahl ratifiziert werden musste. Für Gracchus war dies die erste Cooptatio des Maximus seit langem, welcher er wieder beiwohnte, hatte er doch zu jener des Vesculariers auf der Liste der durch diesen Proskribierten gestanden, und war zu jener des Cornelius noch nicht wieder in das Collegium aufgenommen. Da seit diesen Gelegenheiten zum ersten Male auch wieder ein pro magistro im Amte war - namentlich er selbst -, konnte der Rex Sacrorum an diesem Tage sich zurücklehnen und dem Flavier die Leitung der Contio überlassen. Während die kleine Halle sich füllte, sann Gracchus darüber nach, was Aquilius Severus für den Cultus Deorum mochte bedeuten. Als Abkömmling einer altehrwürdigen Familie und Sodalis der Salii Palatini war der Kult ihm zweifelsohne tief verwurzelt, doch letztendlich hatte ein Augustus vielfältige Aufgaben, welchen er selten allen in gleichem Maße konnte gerecht werden. Auch sann Gracchus darüber nach, was dies für ihn selbst würde bedeuten. Im Grunde hatte er das Amt des pro magistro angenommen da er gegenüber Conrelius sich nicht in der Freiheit hatte gesehen, dies abzulehnen, und allfällig hatte Aquilius auch bereits anderweitige Pläne, einen eigenen Vertrauten einzusetzen, den Pontifex Cartilius etwa, von welchem Gracchus zu wissen glaubte, dass dessen Familie eng mit der aquilischen befreundet war. Doch zuerst einmal galt es, den Aquilier selbst zu kooptieren.
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Ein wenig erschrocken ob der Heftigkeit Serapios Ausbruch zuckte Gracchus zusammen, blickte derangiert und nicht gänzlich sicher, ob diese Insultationen als Affront waren zu werten oder schlichtweg einem Missverständnis entsprangen.
"Erpresst?"
Er brauchte einige Augenblicke bis dass er sich jene fälschlichen Fakten imaginierte, von welchen Faustus musste annehmen, dass sie den Tatsachen entsprachen - dass Prisca durch ihren Vetter in die Details der Konspiration war eingeweiht worden und mit diesem Wissen nun suchte den Flavier zu erpressen.
"Aber nein, Faustus, Aurelia Prisca hat keinerlei Kenntnis von der Konspiration. Zumindest ... gehe ich davon aus, wiewohl sie nie Gegenteiliges erkennen ließ"
, fügte er ein wenig unsicher an.
"Ich selbst ... habe sie um diese Ehe gebeten. Nicht nur zur Wahrung der Ver..gangenheit, auch ... nun es ist ... schli'htweg ... politisch, ... familiär und auch ..."
Gracchus bemerkte wie sehr diese Angelegenheit ihn in Bedrängnis brachte, wie unsicher er wurde gegenüber der einzigen Person, welche (beinahe) all seine Geheimnisse kannte. Sofern es in Rom irgendjemanden gab, welchem gegenüber er sich nicht würde erklären müssen, der seine persönlichen Beweggründe würde nachvollziehen können so war dies Serapio - und doch fühlte Gracchus in diesem Augenblicke sich in die Enge gedrängt, persönlich attackiert beinahe und war darob nicht mehr bereit die Gesamtheit seiner Intention preiszugeben, insbesondere da deren Grundlage doch ohnehin seit Faustus' Offenbarung nicht mehr existierte.
"Sie ist eine überaus untadelige Frau!"
flüchtete der Flavier sich ob dessen auf sicheren Grund, die Couleur seiner Stimme nun beinah ein wenig mit Trotz eingefärbt. Serapio mochte sich einen jemand leisten können, selbst als Präfekt der Prätorianer hatte er allfällig zwar einen kleinen Skandal riskiert, aber eben doch nur einen kleinen Skandal. Für Gracchus indes hing nicht nur seine eigene Karriere an dieser Ehe, für ihn gewährleistete dies die überaus fragile Sicherheit seiner Familie, die solide Basis für seine Nachkommen, und in gewisser Weise auch die Stabilität Roms.
"Sie entstammt nicht nur einer vortreffli'hen Familie, sondern ist darüber hinaus in ihrer eigenen Person überaus honorig, wiewohl bedacht und klug! Sie war mit meinem Vetter Piso verheiratet, und ich verwahre mich dagegen, dass du meine künftige Gemahlin mit der..artigen Schmähungen bedenkst!"
Seine Haltung war nun angespannt und abweisend, in seinen Worten schwang nicht nur Empörung, sondern gleichwohl ein wenig Enttäuschung mit. Nichts war diese Ehe im Vergleich mit jemand, und doch vergönnte Serapio ihm augenscheinlich nicht einmal Sorglosigkeit in Hinblick auf diese Art obligater Pflicht! -
Die zurückliegenden Tage waren überaus enervierend gewesen für Gracchus - erst die Imponderabilien und Exaltation nach der Testamentsöffnung und der darin festgelegten Wahl des nächsten Augustus, hernach eben letztere, seine eigene Nominierung inkludierend. Zudem trieb ihn noch immer das Gespräch mit Faustus um, wiewohl die in Aussicht stehende Ehe mit Aurelia Prisca. Aufgrund eben dieser Geschehnisse hatte er zuletzt wenig Zeit gefunden für die Belange der Familie, weder um die Vorbereitungen zur Abreise seines Sohnes zu befürsorgen, noch um mit dem Neuankömmling in Form seines Neffen Dexter ausgiebig zu konversieren.
"Salvete, ihr beiden!"
grüßte er an diesem Abend die jungen Männer, welche bereits auf den Klinen des Tricliniums harrten, und legte sich auf den ihm angestammten Platze neben Gracchus Minor.
"Nun, habt ihr beiden euch bereits rege ausgetauscht über Alexandria und das Museion? Zweifelsohne hast du, Dexter, zahlrei'he nutzbringende Ratschläge, welche du Minimus mit auf den Weg geben kannst?" -
Da auch Aurelius Lupus* nichts Notwendiges mehr hatte anzusprechen, wurde über das Dessert hinweg noch ein wenig über die Mitgift verhandelt, respektive sich verständigt. Letztendlich verlief dies kaum sonderlich bemerkenswert, war dies doch keine Ehe aus finanziellen Gründen, und weder war es für die Aurelia geboten sonderlich kleinlich, noch für die Flavia sonderlich gierig sich zu zeigen, und nur der Höflichkeit halber wurde das Quantum einige Male remittiert und adjustiert, bis alsbald der Wert Aurelia Priscas derart determiniert war, dass beide Parteien dies einvernehmlich konnten akzeptieren. Ein wenig noch wurde hernach über die allgemeine Lage, die Götter und die Welt parliert bis schlussendlich die Zeit gekommenen war, den Abend zu beschließen. Gracchus ließ sich nicht nehmen, die Gäste noch bis hinaus in das Atrium zu geleiten und dort zu verabschieden, um hernach sich überaus beschwingt bei einem kurzen Spaziergang durch den Hortus die Beine ein wenig zu vertreten. Der Abend war mehr als zufriedenstellend verlaufen, denn so sehr die Aussicht auf eine erneute Ehe ihn in Hinblick auf seine eigenen Bedürfnisse auch abschreckte, um so favorabler war diese Verbindung in Hinblick auf Politik, Familie und Staat.
Sim-Off: *In Abstimmung mit eben jenem.
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Im Fluss der Zeit ließ Gracchus neben Serapio sich treiben, so wundervoll nah und gleichsam so unendlich weit entfernt, und jedes der fürderhin angesprochenen Themen gereichte dazu, seine Contenance herauszufordern, denn zu sehr war er emotional in jene verwoben, und zu sehr war er emotional aufgewühlt als dies zu verbergen - denn selbst so er in Hinblick auf die politische Angelegenheit beinahe sich mochte vergessen vor Entrüstung war alldies letztendlich nichts in Vergleich mit der Exaltation, welche ihn umtrieb seit Faustus' Worten.
Ich bin wieder mit jemandem zusammen.
So sehr Gracchus auch suchte, diese Worte über die Brisanz der weiteren Angelegenheiten zu vergessen, verbargen sie sich beständig im Raume und immer dann, wenn ein kurzer Augenblick des Schweigens eintrat, ließen sie sich herab in spöttischer Weise zu erscheinen in der Peripherie seines inneren Auges, gerade so deutlich, dass er nicht umhin kam sie zu perzipieren. Zweifelsohne war es eine mehr als dürftige Revanche, doch mit einem Male - gerade als eine kurze Pause, um sich einige Schlucke Wein zu gönnen, das vorherige Thema beendete, und der vorwitzige, purpurfarbene Schatten des Hohnes von der Seite her sich anschickte die Bühne der Aufmerksamkeit zu betreten - drängte es Gracchus mit seinen eigenen Zukunftsplänen zu kontern.
"Ich werde mich bald noch einmal ... vermählen. Mit Prisca aus dem Hause der Aurelier."
Da der spottende Schemen aus seinen Augenwinkeln sich nun zurückzog blieb dieser frei für einen indirekten Blick auf sein Gegenüber. Der Flavier nahm nicht an, dass Serapio die Aurelia näher kannte, zögerte indes einen Augenblick darüber sinnend, ob es angebracht war, Faustus davon zu berichten, dass Prisca von ihrer Liaison wusste und die Ehe darob mehr als nur eine vorteilhafte Verbindung zwischen zwei patrizischen Familien war. Doch es gab keine Liaison mehr zwischen ihnen, wozu also sollte er Faustus in Unruhe versetzen oder gar ihm Wohlwollen abringen ob dieser Entscheidung?
"Bereits vor Cornelius' Tode habe ich intendiert das Consulat endlich anzustreben, wozu eine Ehe ... obligat ist. Obgleich sich nun alles verzögert und herna'h es auch zu spät sein wird, die Prämissen für eine Kaiserwahl zu verbessern, so bin ich es Rom, wiewohl meiner Familie letztlich doch schuldig." -
"Gut"
, beschloss Gracchus die Causa in der Überzeugung, dass letztlich dies schlussendlich alles nur zu Minors bestem Wohle geschah. Da keine weiteren Fragen in den Raum waren geworfen worden, war die flavische Familien-Versammlung damit beendet. Und obgleich die endgültige Wahl des neuen Augustus noch einzige Zeit sich dahinzog, zeigte sich in den nachfolgenden Tagen zumindest, dass ein Chaos in Rom vorerst ausblieb. -
Tiberius Aquilius Severus
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"So ist es doch beinahe immer, Faustus"
, warf Gracchus ernüchternd ein. Er hatte lange daran geglaubt, das Ideal der Wahrheit auch in der Politik adhibieren zu können, doch Rom hatte ihn Stück um Stück eines Besseren belehrt.
"Solange ihr eigenes, bescheidenes Leben nicht allzu sehr davon tangiert wird ist es den Menschen einerlei was im Reiche sich ereignet, ziehen sie es vor ers..prießlichen Lügen Glauben zu schenken als der bitteren Wahrheit, möchten sie allzu gern dem Vertrauen schenken, was der Staat ihnen vorgibt, und oftmals ist es augenscheinlich auch dies, was die Wahrheit erträgli'h, bisweilen gar ihr Leben lebenswert macht."
Auch der öffentliche Staatskult basierte letztlich auf dieser Gleichung, und Gracchus hatte dies immer akzeptiert, da er der Ansicht war, der Staat würde stets das beste entscheiden müssen, würde letztlich auch das beste entscheiden für die Bürger, die in ihm lebten.
"Der Wert an sich ist also nicht die Tatsache, sondern das Resultat. Gleichwohl bin ich der Ansi'ht, dass je näher dies an der Wahrheit sich befindet, desto höher seine Güte ist."
Auch über Gracchus' Antlitz zog sich beim Gedanken an die prätorianische Garde vor der Curia Iulia ein feines Lächeln in Hinblick auf all die strammen Männer in ihrer militärischen Pracht - und unter ihnen Serapio, welcher hoch auf seinem Rosse dem strahlenden Helden aus Gracchus' Phantasie gleich alle überstrahlte. Zu Beginn des Aufmarsches hatte er zwar befürchtet, die Praetorianer wären vor dem Senat aufgestellt, um eine ganz bestimmte Richtung der Wahlen zu erzwingen, doch dies hatte sich alsbald als unbegründet herausgestellt - letztlich folgten sie nur ihrer Pflicht für Rom.
"Darob gebe ich dir Recht, dass es von großer Relevanz ist, dass der der erste Mann im Reich ein untadeliger Mensch ist, dem Wahrheit und Tugenden höchste Güter sind, und gerade nun, da wir nicht schle'hterdings konnivieren müssen, wer als Erbe nachfolgt, nicht tolerieren müssen, wer sich in Gier und Machtstreben dem letzten Kaiser angebiedert hat, bietet sich uns die einmalige Chance, den bestmöglichsten aller Männer zu erkiesen und so den Grundstein einer gloriosen, triumphalen Ära zu legen!"
Von Überschwang in Erwartung auf diese phantastische Opportunität verfiel Gracchus indes alsbald in ein tiefes Seufzen, geleitet von einem beinahe entschuldigenden Schulterzucken.
"Ich wünschte, ich könnte dieser Mann sein, Faustus, stelle dir nur vor, was ich alles tun, was ich alles errei'hen könnte für Rom, zu welcher Blüte das Reich wieder gelangen könnte unter flavischer Herrschaft, gleichwohl keiner meiner Ahnen je wieder einen Taugenichts mich könnte schimpfen. Zu anderer Gelegenheit wäre es darüberhinaus nur mehr als gedeihlich, denn ohnehin ist nichts geringes meine Pfli'ht, ich wurde geboren, dem Staat voranzugehen, dazu erzogen, das Reich zu lenken und zu bewahren. All die Jahre der Studien über vergangenen Fehler und Glanzstunden der Historie, der fremden Sprachen, um die Weisheiten der Welt in mich aufzunehmen, Arithmetik, Geometrie und Geographie, um die Zusammenhänge des Lebens zu ver..stehen, die Rhetorik, um meine Gedanken in angemessene Worte zu fassen - all das nur, um das Imperium zu führen, zu bewahren und voranzubringen, mit meinen Ideen, Idealen, mit Treue und Mut den Tugenden zu folgen, dem Volk seinen Weg zu zeigen. Denn dies ist es, was uns Patrizier ausmacht, dies ist es letztlich wozu wir all diese angeblichen Privilegien genießen."
Auch wenn es letztenendes nicht einfach war, diesem Pfad zu folgen, auch wenn er zweifelsohne mehr als einmal bereits dabei gescheitert war, so war dies doch ein unabänderlicher Drang in ihm, ein ihm inhärentes Streben, über welches er sich am Ende schlichtweg nicht konnte hinweg setzen.
"Und doch liegt in eben dieser Pflicht mein Verhängnis, Faustus. Keine Bescheidenheit, keine Taktik - es ist diese vermaledeite Pfli'ht, mein Streben in den Dienst des Wohles Roms zu stellen - mehr noch nach all dem, was geschehen ist, nach allem, was mein Handeln evoziert hat. Seit Valerianus sich aus Rom zurückge..zogen hat wankt das Reich von einer intrinsischen Krise zur nächsten, seit dieser Zeit gibt es politisch kein rechtes Vorankommen mehr. Was wir brauchen ist Stabilität und Sicherheit, wir können uns schlichtweg keine Experimente mehr leisten. Wir brauchen einen Kaiser, der bereits bewiesen hat, dass er nicht nur Rom als Consul voranstehen kann, sondern zudem in der Lage ist, ein Gebiet prosperierend zu verwalten, wiewohl Schlachten erfolgrei'h zu schlagen, und dessen Herrschaftsanspruch sich gleichwohl auf militärischen Rückhalt gründet. Nichts davon kann ich vorweisen, kein Consulat, nicht die Verwaltung einer Provinz, keine einzige gewonnene Schlacht, geschweige denn dass ich je auch nur einer einzigen hätte beigewohnt, und auch keinen militärischen Rückhalt - zweifelsohne habe ich den Einfluss dessen bisherig bei Erwägungen der Familienpolitik gänzli'h unterschätzt."
Gracchus versuchte sich ein einem Lächeln, doch gelingen mochte es ihm nicht. Die Unsicherheit bei alledem war schlichtweg zu groß, viel zu groß, um dieses Risiko für Rom eingehen zu können.
"Es mag sein, dass es mir gelingen würde, den Anforderungen zu genügen, es mag sein, dass niemand diese Herrschaft in Frage würde stellen - doch ebenso wahrscheinlich ist mein Scheitern, ebenso wahrscheinlich, dass diese militärische Namenlosigkeit neuerlich nur ma'hthungrige Begierden würde evozieren - ob dessen es schlichtweg widersinnig, geradezu wahnwitzig ist, meine Person in Erwägung zu ziehen, insbesondere wenn doch wahrhaft geeignetere Männer zur Wahl stehen. Aquilius Severus etwa kann gleichwohl mit untadeliger Abstammung, Staatsklugheit und zahllosen Verbindungen aufwarten, gleichsam indes mit militärischer Expertise, Rückhalt in den Truppen sowie weitreichender Erfahrung in der Verwaltung einer Provinz. Er gleicht viel mehr jenem Manne, den Rom nun braucht." -
Zitat
Original von Lucius Tiberius Lepidus
...
"[...] Ich selbst muss jedoch zugeben zwischen ihm und Cassius Cavarinus geschwankt zu haben. Letzterer hat mir im Gegensatz zu Aquillius einen sehr entschlossenen Eindruck gemacht und ich frage mich, ob Rom nicht vielleicht auch so jemanden derzeit gut gebrauchen könnte. Ein Kaiser, der Stärke repräsentieren kann nach diesen langen Zeiten großer Schwäche"
...ZitatOriginal von Medicus Germanicus Avarus
...
"Ich muss dem Senator Purgitius hinsichtlich seiner Einschätzung zum Kandidaten Cassius zustimmen. Noch bei dessen Antrittsrede habe ich stark mit mir gerungen das Wort zu erheben. Kriege sind ein notwendiges Übel, um die Grenzen dort zu halten wo sie sind, aber alte Feinde mit einem geschwächten Rom herauszufordern, ist nicht nur unheimlich teuer sondern auch gefährlich. Unsere Nachbarn wissen um unsere politischen Wirren, die mitunter in einem sehr blutigen Bruderkrieg ausgetragen worden sind. Uns sollte mehr daran gelegen sein diese Wunden zu heilen, anstatt Neue aufzureißen. Feldzüge, die mit dem jetzigen Stand der Truppen kaum verlustarm zu bewältigen sind. Richten wir heute unsere militärische Stärke gen Osten aus, wird sich Morgen schon ein anderer Nachbar gemüssigt fühlen diese Konstellation auszunutzen und seinerseits unsere Grenzen dort zu überschreiten. Ich möchte mir nicht ausmalen, was für Leid das in unser Reich tragen kann."
"Stärke sollte durchaus ein Spezifikum des nächsten Augustus sein"
, griff Gracchus den Gedanken Tiberius' auf.
"Cassius indes scheint mir eher impulsiv, was letztlich nicht immer zur bestmögli'hen Initiative führen muss. Ich pflichte Senator Germanicus bei, dass wir unsere Truppen nicht allzu bald wieder in einen Krieg an einer Seite unseres Reiches sollten konzentrieren solange diese nicht an allen Grenzen wieder gestärkt sind. Obgleich die östlichen Provinzen zweifels..ohne ihre Beachtung finden müssen, so muss Rom vorranging von innen heraus stabilisiert werden, und hierfür hat sich Aquilius Severus immerhin explizit ausgesprochen durch seine angedachte Stärkung des Senates, welcher schlussendlich - sofern durch einen Augustus toleriert - den Staat in allen Berei'hen maßgeblich voranbringen kann." -
Zitat
Original von Spurius Purgitius Macer
....
"Nun möchte ich dem Vinicius keineswegs nachsagen, in gewissen Bereichen ein Versager zu sein, aber doch ist es meines Erachtens kaum zu übersehen, dass seine Stärken im politischen und juristischen Bereich liegen, darüber hinaus aber nicht viel zu Buche steht. Militärisch hat er zum Beispiel deutlich weniger zu bieten als der Aquilius."Original von Marcus Helvetius Commodus
...
Commodus führte den Flavier so dann in das kleine Cenatio in welchem bereits der Purgitier, der Iulier und der Tiberier saßen und in dem noch zwei Klinen frei waren."Verehrte Senatoren ich freue mich einen weiteren hochrangigen Gast begrüßen zu dürfen und gehe davon aus das er in eurer Runde willkommen ist. Senator Manius Flavius Gracchus!"
...
Mit großem Interesse lauschte Gracchus bereits beim Betreten des Raumes dem Gespräch und konnte durchaus sogleich mit der Ansicht des Purgitius konform gehen. Obgleich die Ansichten des Senators zu den seinen selten oppositär waren, so gehörte er politisch doch schlichtweg einem anderen Block an - da der Flavier per se nun einmal der konservativen, patrizischen Fraktion zuzurechnen war -, doch seit der Posse der Konsuln bezüglich der Verlängerung der Amtszeit des Cursus Honorum war Purgitius Macer noch ein Stück weit in Gracchus' Achtung gestiegen.
"Salvete Senatores"
, grüßte der Flavier die drei Senatoren nach der Einführung durch Helvetius Commodus.
"Ich hoffe, ich störe nicht?"
Letztendlich sah er sich selbst zwar mehr in der Rolle des Abstimmenden als des Kandidaten, indes gebot die Höflichkeit in Hinblick auf diese Konstellation zumindest jene Nachfrage. -
Während Serapio sprach folgte Gracchus beflügelt durch den Augenblick den Worten noch immer ein wenig entrückt, noch immer ein wenig versunken in seine eigenen Phantastereien, in welchen alle Macht gegen das stumpfe Zerstörungswerk der Konspiration hatte versagt, und diese Manius hatte abgetötet und zerstückelt. Doch durch Faustus' unermüdliche Standhaftigkeit wurden die Teile zusammengefügt, und sein liebender Zauber hauchte dem Leichnam neues Leben ein, so dass Aton erneut am Himmel konnte erstrahlen. Und während Serapios Familie Wolken gleich am Horizont vorüberzog, schipperte die Sonnenbarke über den Zenit, des Hephaistions gestählter Leib nah bei jenem des Aton, bis ...
Ich bin wieder mit jemandem zusammen.
Bis die phantastische Seifenblase mit einem lauten Knall zerplatzte, Hephaistion sich mit einem Hechtsprung in den himmlischen Oceanos verabschiedete, und die Sonnenbarke dem felsigen Erdgrund entgegen stürzte, auf welchem sie in tausende Stücke zerbarst, Aton unter sich begrabend. Auch im Außen war dies bestürzende Geschehen auf Gracchus' Antlitz abzulesen, welches mit einem Male den Anschein bot als hätte der praetorianische Tribun ihm unvermittelt sein scutum ins Gesicht geschlagen. Während Faustus bereits zu anderen Themen überging, suchte Gracchus nach einem Augenblick der Starre seine Contenance wieder zu erlangen. Wie er suchte beiläufig zu dem Wein vor sich auf dem Tisch zu greifen zitterte seine Hand leicht, und als die kühle Flüssigkeit seine Kehle hinabfloss wünschte er sich imstande zu sein, all seinen Gram schlichtweg in Wein ertränken zu können - deplorablerweise wurde ihm jedoch stets zuvor unwohl bevor sein Gram auch nur annähernd im Wein versank. Ein Schluck indes reichte aus, um seinen Verstand wieder in Gang zu bringen, welcher in Anbetracht und Anwesenheit Serapios sich bereits hatte verabschiedet. Denn zumindest in Gedanken hatte er sich schlichtweg zum Narren gemacht, zu einem liebestrunkenen Narren, einem vernarrten Toren, einem törichten Tropf. Noch ehedem Faustus durch die Türe des Raumes war getreten, hatte ihn die Sorge umgetrieben, er könne neuerlich dessen unermesslichem Zorne anheim fallen, doch kaum bot jener ihm nur die Hand der Versöhnung, glaubte er die Intimität der Vergangenheit wieder in Reichweite, glaubte nach allem, was er ihm hatte angetan, würde in Faustus noch immer das gleiche Feuer brennen wie in ihm selbst, glaubte er jener hätte ihm gleich nur sehnsüchtig diesen Augenblickes geharrt, in welchem sie endlich wieder eins konnten werden.
"Das ... freut mich für dich"
, entgegnete er, den Blick auf das Glas gerichtet, welches nun wieder auf dem Tisch stand.
"Ich hoffe, er ... macht dich glückli‘h."
War es nicht dies, was er sich hatte gewünscht - dass Serapio glücklich war? Weshalb dann schmerzte die Generosität dieser Worte so sehr? Weshalb war er diesem jemand, der nun in Faustus' Bette lag, der seinen Leib liebkoste und seine Küsse empfing, weshalb war er diesen Manne schon in diesem Augenblick nicht mehr gewogen ohne dass er ihn überhaupt kannte?
"Alles ist verkommen"
, wandte er sodann ein, um sich gleichsam abzulenken. Roms Gedeih und Verderb lag auf der Waage des Schicksals, wen interessierte unter diesen Umständen ein gebrochenes Herz, das ohnehin nur zu einem toten, zerstückelten Leibe gehörte?
"Cornelius hat sich um nichts bemüht, er hat nichts in Angriff genommen und alle wi‘htigen, vakanten Positionen nur mittelmäßig besetzt. Als wäre er nach all dem, was geschehen ist, am Ende von allen am meisten überrascht worden, dass er der Kaiser Roms wurde, als wäre seine Vision in dem Augenblicke be..endet gewesen als der Senat ihn inthronisierte."
Er schüttelte langsam den Kopf. Es war Gracchus nurmehr unbegreiflich, wie er damals sich für den Cornelier hatte aussprechen können. Selbst Vinicius Lucianus wäre rückblickend vermutlich eine bessere Wahl gewesen.
"Allfällig hat er sich auch nur deswegen mit Mediokrität umgeben, um neuerliches Aufbegehren zu verhindern. Oder aber es war schli‘htweg Überheblichkeit, worauf letztlich auch sein Testament schließen lässt."
Oder aber war er schlichtweg nicht in Liebe entbrannt gewesen zu dem einstigen Praefectus der Garde? Gracchus glaubte den Kontext dieser Entscheidung aus einer durchdachten, rationalen Perspektive heraus betrachtet zu haben, doch konnte er sich seines Urteilsvermögens tatsächlich sicher sein, wenn bereits ein Blick in Faustus‘ Augen ihm jegliche Rationalität abspenstig machte? -
„Salve Helvetius Commodus!“
erwiderte Gracchus die Begrüßung.
“Ich danke dir für deine Einladung und deine Gastfreundschaft. Eine vorzügli'he Idee übrigens, den senatorischen Konversationen abseits der Öffentlichkeit einen neutralen Raum zu bieten.“
Zweifelsohne ein Schritt, der den Namen Helvetius Commodus ein wenig bekannter würde machen.
“Nun, die Gespräche sind es, deretwegen ich vorrangig gekommen bin, ein Glas verdünnter Wein würde mir darob vorerst genügen, um mich jenen unmittelbar an..zuschließen.“
Der Flavier war durchaus ein Freund guten Essens - wobei sein Geschmack ein wenig eigen war und nicht unbedingt mit dem der Feinschmeckermehrheit konform ging -, doch Cornelius‘ Tod und dessen Folgen lagen ihm ein wenig schwer im Magen, ob dessen er dieser Tage eher weniger als mehr zu sich nahm. -
Tiberius' Profil habe ich tatsächlich nicht betrachtet, ich bezog mich mit dieser Aussage allerdings auch auf die Diskussion hier, in welcher mehrfach von einer einzigen Gottheit gesprochen wird, der sich jemand besonders verbunden fühlt.
Sofern im Tabularium mehrere Gottheiten eingestellt werden können, hängt es letztlich von der Gestaltung der Benutzungsoberfläche ab, ob dies vermittelt, dass man einen Gott auswählen müsste oder dazu anregt, mehrere Gottheiten auszuwählen (was dann wiederum in Hinblick auf das Verständnis der römischen Religion nicht gar so abwegig ist).
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Die flavische Sänfte erreichte das Haus nicht ganz so zeitig, was schlichtweg damit in Zusammenhang stand, dass eine Sänfte umringt von allerlei Leibwächtern in Rom nicht gar so schnell vorankam. Seitdem irgendjemand auf die - ein wenig wahnwitzige - Idee gekommen war, ihn auf die Liste der Kandidaten zur Kaiserwahl setzen zu lassen, und nachdem er noch immer - auch nach dem ersten Wahlgang - auf dieser Liste stand, hegte Gracchus die Befürchtung, sein Leben könne in Gefahr sein. Wie schnell konnten sich einige Männer - die zu Beginn allfällig nur deshalb zusammen kamen, um über die Kandidaten zu beraten - in eine Sache verrennen und sich zu einer Konspiration zusammenfinden, welche einen Mord zur Folge hatte, allfällig um einen Kandidaten aus dem Weg zu schaffen, um einem anderen den Weg zu ebnen! Dies war mitunter auch ein Grund, weshalb der Flavier diese Einladung überhaupt hatte angenommen - sofern er selbst Teil der Zusammenkunft war, würde er schlichtweg nicht deren Opfer werden, so hoffte er zumindest. Ein weiterer Grund war, dass er verhindern wollte, dass bei einer solchen Zusammenkunft irgendjemand würde versuchen, weitere Männer davon zu überzeugen, dass Gracchus ein viabler Kaiser wäre - denn obgleich diese Idee zu einer anderen Zeit durchaus ihren Reiz hätte auf ihn ausgeübt, so war und blieb sie in dieser Zeit schlichtweg wahnwitzig. Er hatte Rom schon einmal an den Rande des Untergangs gebracht, dies durfte keinesfalls noch einmal geschehen. Nachdem er durch den - ihm ein wenig suspekten - Iantior eingelassen worden war, brachte ein Sklave ihn in das Atrium. Gracchus kannte den Hausherrn nicht, wusste nur von seinem Vilicus dass der Helvetier ein Tirocinium bei Duccius Vala hatte absolviert - was nicht eben für ihn sprach -, jedoch ebenso ein Enkel des Helvetius Geminus war, was ihn immerhin als Gastgeber qualifizierte.