Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Ich wäre ganz klar für Option 1, da die „Wahl der Gottheit“ wohl selbst für Aeditui (historisch) nicht unbedingt der eigenen Präferenz folgte, sondern schlichtweg einer Notwendigkeit.


    Darüber hinaus opferten zweifelsohne nicht alle Römer allen Göttern, die Annahme jedoch, dass ein Römer eine einzige Gottheit präferierte erscheint mir als eine zu sehr durch die heute vorherrschend monotheistisch geprägte Kultur beeinflusste Ansicht. In einer polytheistischen Religion ist es doch geradezu widersinnig eine einzelne Gottheit zu präferieren, denn letztendlich gibt es einen guten Grund für all diese Götter - die fehlende Allmacht, respektive die Spezialisierung. Wenngleich es selbstredend auch nicht möglich ist, sich allen Göttern gleich zuzuwenden, wird eine Einschränkung sich doch eher auf einen kleineren Kreis wichtiger Götter beziehen. Auch im römischen Staatskult war dies schlussendlich nicht anders, in der Vielzahl der Gottheiten gab es die zwölf Hauptgötter (die consentes) und z.B. in Rom unter diesen noch einmal die göttliche Trias, welcher besondere Zuwendung zuteil wurde.


    Zitat

    Das Gaius-Normalrömer wirklich abseits vom Hausaltar tätig werden musste, war eher selten.


    Und gerade dies spricht doch gegen eine einzige „Haupt“-Gottheit, denn einzelnen Gottheiten dedizierte Verehrungsstätten gab es letztlich nur im öffentlichen Raum (Tempel oder andere Kultstätten). Ein Hausaltar war Ort immer Ort der möglichen Verehrung aller Götter, doch zumindest der expliziten Verehrung einer kleinen Anzahl diverser Göttlichkeiten (welche durch Bilder, kleine Statuen oder Gegenstände repräsentiert waren).


    Es mag zweifelsohne Ausnahme gegeben haben (in Hinblick auf den Herrscherkult indes würde ich mich Serapios Ansicht anschließen), doch eine Auswahlfläche für eine einzelne Gottheit suggeriert zu sehr, dass dies die Normalität, respektive eine Notwendigkeit wäre, sich darauf festzulegen (wie auf die Herkunft, von welcher man üblicherweise nur eine einzige hat). Dies würde die Schwierigkeit, sich aus einer monotheistischen Kultur in eine poltheistische Gedankenwelt hineinzuversetzen meines Erachtens nur unnötig steigern.
    (Die Herkunfts-Angabe als äußerlich erkennbares Merkmal macht indes durchaus mehr Sinn, denn man mag allfällig einem Menschen seine Herkunft nicht ansehen, doch spätestens wenn er beginnt zu sprechen, so kann man diese doch häufig am Akzent einschätzen).

    Tapfer - dies war kein Wort, das Gracchus jemals auf sich hätte bezogen - weder vor, noch nach der Konspiration -, war es doch stets mehr die Feigheit, welche sein Leben - zumindest gefühlt - geleitete, und auch integer war keine Eigenschaft mehr, welche er noch ohne Zögern sich würde zukommen lassen. Doch Serapio gebrauchte diese Worte mit solcher Gewissheit, klang weder nach einem verliebten Toren, noch nach einem provokanten Aggressor, nicht einmal nach der vorhaltungsvollen Stimme des Gewissens - seine Worte wurden getragen von einer gefestigten Klarsicht, erwachsen aus der neutralen Perspektive der Retrospektive heraus - allfällig im Tempel des Serapis -, ohne Verklärung, ohne Groll, voller Ernsthaftigkeit und Authentizität. War dies die Absolution, nach welcher Gracchus es so sehr dürstete, die Freisprechung von seiner Schuld? Allfällig nicht - denn letztendlich war zweifelsohne niemand dazu befähigt, solcherlei auszusprechen -, doch es war die milde Nachsicht desjenigen, welchem er glaubte mehr als allen geschadet zu haben, dessen Leid ihm das Herz hatte zerrissen, dessen Konnivenz ihm gewichtiger war als das Wohlwollen jedes anderen Menschen.
    "Danke, Faustus, … deine Worte … bedeuten mir sehr viel"
    , entgegnete Gracchus darob und es war ihm als würde der gewaltige Berg auf seinen Schultern ein wenig in Bewegung kommen, als würden einige Brocken davon abfallen und das Gewicht auf seiner Brust sich ein wenig verringern.
    "Und du klingst keinesfalls wie ein Verrückter."
    Ein schiefes Lächeln stahl sich um seine Lippen.
    "Eher wie ein Philosoph."
    Im Tempel des Serapis hatte Faustus auch dem Anschein nach einem solchen entsprochen und bei genauer Betrachtung schien Gracchus diese Profession seinem Naturell weitaus angemessener als die des Soldaten, denn obgleich der Flavier stets überaus angetan war von dem schneidigen Gardeoffizier in seiner Prachtrüstung, so mochte die notwendige Abgeklärtheit ihm doch nie zu Faustus passen - letztendlich indes war dies vermutlich ebenso eine erlernbare Maske wie sie in similärer Ausprägung in der Politik ebenfalls bisweilen notwendig war.
    "Denn diese Idee, dass der Mensch letztli'h einem vorgegebenen Laufe des Schicksales folgt, dass selbst die Götter nur ein wenig Wind und Strömung beisteuern können und damit allfällig tangieren, ob du durch seichtes Ufer, felsige Stromstellen oder tiefe Fahrrinnen navigierst, das Ende der Fahrt jedoch durch den Fluss des Lebens längst determiniert ist - diese Idee ist zweifels..ohne so alt wie die Menschheit selbst."
    Einerseits war diese Vorstellung überaus beruhigend, andererseits ein wenig desillusionierend in Hinblick auf das eigene Leben.
    "Allerdings muss ich gestehen, dass ich dies nicht vollends akzeptieren mag, denn somit wäre auch in der gegenwärtigen Situation gänzlich einerlei, wie wir uns entscheiden oder was wir tun, da das Ergebnis bereits determiniert wäre. Wenn unser Tun ohnehin nichts bewirkt, könnten wir beide uns schlichtweg zurücklehnen und das Feld den machthungrigen Karrieristen überlassen."
    Zurücklehnen oder zurückziehen. Fort, weit fort, nur sie beide, nichts als sich selbst und sich gegenseitig bei sich, auf ein kleines Landgut allfällig oder ein Haus am See, einem tiefen, blaufarbenen See, so tief und blaufarben wie die Augen Faustus', in welchen Gracchus bei diesem Gedanken mit verklärtem Blicke versank. Wie oft hatte er von diesen Augen geträumt, wie oft von dieser Nähe - und doch waren Träume nur Träume, die Realität indes unübertrefflich.

    Ob der offensiv defensiven Geste seines Sprosses hob sich nun doch Gracchus' Augenbraue ein wenig empor, welchem allmählich der Gedanke kam, dass Minor sich schlichtweg ein wenig zierte das gemütliche Nest seiner Heimstatt zu verlassen, um die unbekannten Gefilde der großen weiten Welt kennen zu lernen. Zwar konnte der Vater auch dies nachvollziehen - nicht etwa, da er die unbekannten Gefilde selbst als unerquicklich hätte erachtet, im Gegenteil, doch das Reisen dorthin war ihm stets ein überaus großes Grauen -, doch tolerieren mochte er es nicht.
    "Dies ist um so mehr von Vorteil für dich als dass du in Alexandria nicht mehr allzu lange Zeit auf diesen Abschluss ver..wenden musst, und dich somit um so früher den zahllosen, weiteren Studienfeldern wirst widmen können, welche sich dort bieten."
    Um der Bequemlichkeit des Jungen entgegen zu wirken, fügte er hinzu:
    "Weiters gibt es in Anbetra'ht der Umstände keinerlei Grund ob dieser Verzögerung verlegen zu werden, denn es ist zweifelsohne uns allen weitaus wohler zu wissen, dass dein Abschluss sich ob dieser Notwendigkeit ein wenig ver..zögert, als zu riskieren, dass du noch einmal bei Nacht überstürzt aus der Stadt fliehen musst."

    Keiner der Anwesenden wusste zu diesem Zeitpunkt, dass die Eintragung der Verlobung sich ein wenig noch würde hinauszögern durch die Staatskrise, die durch den Tode des Augustus Cornelius würde ausgelöst werden, doch letztendlich war diese Eintragung ohnehin nur eine amtliche Notwendigkeit, so dass diesbezüglich alles gesagt war. Just in jenem Augenblicke verabschiedete sich Minor - noch vor dem Dessert - augenscheinlich in Richtung des Vomitoriums*, was dem Vater ein wenig die Braue in die Höhe schob, denn unwissend der desolaten Gedanken seines Sprösslings nahm dieser doch an, dass jener schlichtweg zu ausgiebig sich den Speisen hatte gewidmet, was schlussendlich durchaus in Anbetracht dessen Leibesfülle kein seltenes Gebaren darstellte, welches Gracchus zwar als durchaus unerquicklich erachtete, jedoch stets hatte versäumt zu maßregeln - letztendlich hatte er dererlei Antonias Sujet zugerechnet, welche wiederum dies der Obliegenheit ihres Gatten hatte zugeschrieben. Ob dessen blickte er nur ein wenig entschuldigend zu Prisca und Lupus hin, ehedem er sich weiter der Konzeption der Eheschließung widmete.
    "Nun, wir müssen uns wohl kaum restringieren, gleichsam ist die Anzahl derer, welche uns noch von politischem Nutzen könnten sein dur'haus nicht mehr ganz so exorbitant wie zu Beginn unserer Karrieren"
    , warf er mit einem süffisanten Lächeln in den Raum. Obgleich auch Gracchus zu früheren Zeiten durchaus den ein oder anderen Kompromiss hatte eingehen müssen, war sich anzubiedern indes noch nie sein Weg gewesen, was ihn allfällig nicht gar so vorschnell hatte an die Spitze des Staates katapultiert wie so manchen homo novus, doch zumindest hatte er dafür weder seine Seele, noch sein Integrität verkaufen müssen. Und ungeachtet des Status, welchen die beiden Politiker mittlerweile hatten erreicht, öffneten sich - zumindest in seiner Vorstellung - ohnehin bereits allein durch die Nennung der Namen Aurelius oder Flavius bereits genügend Türen. Auch die Türe des flavischen Tricliniums öffnete sich in diesem Augenblicke und ließ einige Sklaven herein, welche den Tisch abräumten, einige welche neuerlich Schüsseln mit Wasser und warme Tücher brachten, um die patrizischen Hände zu säubern, sowie einige, welche die Nachspeise servierten: in Weinteig gebackene Trauben, in Honig gerollte Grießbällchen gefüllt mit Topfen, sowie mit Nüssen gefüllte Datteln und Feigen, dazu ein lieblicher Wein.
    "Indes müssen wir uns heute zweifelsohne auch noch nicht auf die Namen im Detail festlegen, ein wenig Zeit bleibt uns schlussendlich noch."
    Ein wenig Zeit - ein wenig Zeit allein. Bei genauer Betrachtung war dies die beste Zeit überhaupt, jene in welcher man bereits verlobt war - und somit in Aussicht stellte den Erwartungen der Gesellschaft Genüge zu tun -, gleichsam noch einige Zeit von der eigentlichen Hochzeit entfernt. Zwar war man auch in dieser Zeit nicht frei, doch frei war ein Flavius in dieser Hinsicht wohl ohnehin niemals.
    "Ich denke, somit wäre alles Notwendige bespro'hen?"
    Gracchus beschlich das Gefühl etwas essentielles vergessen zu haben, doch wollte ihm nicht in die Sinne gelangen, was dies mochte sein, somit es allfällig doch nicht gar so wichtig war.



    Sim-Off:

    * Ich bin mir durchaus bewusst, dass solche Räumlichkeiten mehr ein Mythos und wissenenschaftlich nicht belegt sind, allerdings passt die Idee zu gut zur flavischen Familie, um sie in kreativer Freiheit nicht zu nutzen.

    Die Wahl fiel Gracchus durchaus leicht, denn mit dem Aquilier würde ein Mann aus einer altehrwürdigen Familie den Thron besteigen, dem der Staat ein Anliegen war, der militärische Erfahrung mitbrachte und den Gracchus aus seiner Erfahrung bei den Salii Palatini als durchaus kompetenten und patenten Mann einschätzte, Rom zumindest stabile Verhältnisse zu bescheren.


    :dafuer: Tiberius Aquilius Severus

    Ich bin derzeit leider nicht allzu gut beieinander und habe darob meine rechte Not mit kreativer Schaffenskraft. Ob dessen versuche ich zumindest in Hinblick auf die Kaiserwahl meinem Obliegenheiten nachzukommen, für alle weiteren Threads bitte ich (weiterhin) um ein wenig Geduld ...

    "Zweifelsohne"
    , konsentierte der Flavier die ducci'sche Aufforderung.
    "In Hinblick auf die außenpolitische Lage scheint es mir adäquat, vorerst schlichtweg eine Stabilisierung der Grenzen zu garantieren und nach Außen hin zu demonstrieren, jedoch in allzu naher Zukunft keine weitere Expansion zu forcieren - was indes nicht gleichzusetzen sein soll, Bedrohungen von Außen zu tolerieren. Für detaillierte Strategien fehlt mir jedoch wie bereits angemerkt die Fa'hkompetenz, ob dessen ich in militärischen Belangen auf verdiente und erfahrene Berater würde vertrauen. Innenpolitisch bin ich der Ansicht, dass Rom von einer massiven Stärkung des Cultus Deorum aus seiner Mitte heraus profitieren würde und dies ist eine Causa, welche ich als Pontifex maximus durchaus mit Nachdruck würde ver..folgen. Die Relevanz der Götter wurden zu lange schon aus dem Kaiserpalast vernachlässigt und eingedenk des do ut des ist es allfällig nicht verwunderlich, dass die Götter Roms Kaisern nurmehr Usurpatoren und Bürgerkrieg haben zukommen lassen."
    Oder ein recht abruptes Ende von Karriere und Leben.
    "Da das Schicksal eines Augustus untrennbar mit dem der Welt verbunden ist, erscheint es mir um so relevanter in dieser Hinsicht Rom zu einer harmonischen Balance zurück zu führen. Ausgehend aus dem Palast muss diese Stärkung durch alle Berei'he des Staates erfolgen, wie auch aus Reihen des Cultus Deorum selbst, was unter anderem mit einer Restriktion fremdländische Kulte würde einhergehen, welche zweifelsohne ihre Berechtigung in den entfernten Provinzen haben, im Herzen Roms jedoch mehr und mehr die staatskultische Stärke aufwei'hen und damit das Volk verunsichern."
    Da Staatsreligion für Gracchus - idealerweise - untrennbar mit Politik verbunden war, war dies auch bereits das wesentliche Ansinnen innenpolitischer Änderungen.
    "In Hinblick auf das Bürgertum wiederum wäre mir daran gelegen, nach den Dürren des Bürgerkrieges und der Wiederherstellung normaler Lebensumstände Rom nun auch endlich wieder zu einer kulturellen Blüte zu führen. Die Menschen mögen in gehetzten Tieren, brutalen Gladiatorenkämpfen und aggressiven Wagenrennen kurzweilige Ablenkung finden, doch auch der Wolf frisst in Notzeiten Aas, wird es in Anbetra'ht einer reichhaltigen Selektion delektablerer Beute jedoch nicht anrühren. Rom hat in den letzten Jahren genügend Aggression und Stumpfsinn erlebt, darob ist es längst überfällig, Kunst und Schönheit zurück in die Stadt zu bringen. Eine Aufwertung des kulturellen Angebotes würde nicht nur Roms Einwohner zufriedener machen, sondern glei'hsam die Lebensqualität unserer Stadt wieder anheben."
    Wie aus seiner eigenen Existenz gewohnt, in welcher notwendige und begehrliche Dinge stets verfügbar waren, hatte Gracchus selbstredend auch in staatspolitischer Hinsicht keinerlei Vorstellung davon, ob und wie solcherlei Vorhaben zu finanzieren wäre.

    Gracchus schüttelte langsam den Kopf.
    "Es entspricht nicht meiner Ideologie, dass ein Mann bere'htigt wäre, eine solche Nominierung abzulehnen, denn dies ist die Entscheidung Roms, nicht eines einzelnen. Schlussendlich schien jemandem diese Möglichkeit adäquat, und wie ich anmerkte bin ich bereit, jede Pflicht, welche der Senat und Rom mir auf..erlegt, zu akzeptieren. Ich möchte lediglich zu bedenken geben, dass das Wohle Roms an vorderster Stelle unserer Überlegungen stehen muss, und werde mir daher selbst meine Stimme in keinem Falle zugestehen, sondern sie einem der weitaus qualifizierteren Kandidaten zu..kommen lassen."
    Hätte es dem guten Ton der Politik entsprochen, so hätte er dies auch allen anderen Senatoren nahegelegt, doch hoffte der Flavier auch ohne dies, dass jene die richtige Entscheidung würden treffen.

    In Anbetracht der Frage seines Sohnes konnte Gracchus nicht gänzlich sich entscheiden, welcher emotionalen Stimmung er sollte erliegen - der Enttäuschung, dass Minor im Angesichte der imperialen Katastrophe augenscheinlich nicht fähig oder willens war, das Ausmaß und die Bedeutsamkeit jeder Entscheidung im Gesamtkontext der Familie und ihrer Zukunft zu überblicken, wiewohl die übergreifenden Zusammenhänge zu erfassen, oder aber dem Aufflammen väterlicher Zuneigung für diesen Abkömmling, der in seinem klandestinen Wesen ihm doch bisweilen überaus similär schien, und der im Angesichte der imperialen Katastrophe sich um weitaus kostbarere Causae sorgte als eben jene - um die Bedeutsamkeit und Relevanz rhetorischer Studien.
    "Unter den rhetores des Museion in Alexandria wirst du zweifels..ohne mehr als adäquaten Ersatz finden. Du wirst bei Sulpicius Cornutus domizilieren, er ist ein Klient Felix' und ein guter Freund unserer Familie, und wird dir in allen Belangen sekundieren."
    Gracchus, der selbst nie in Aegyptus gewesen war, kannte den Sulpicier zwar nur aus Erzählungen seines Vetters, hatte aber bereits einige Zeit zuvor brieflichen Kontakt aufgenommen, um den - zu dieser Zeit noch in einiger Ferne - geplanten Studienaufenthalt seines Sohnes zu arrangieren.

    Im ersten Augenblicke der Nominierung glaubte Gracchus sich verhört zu haben. Im zweiten Augenblicke hob seine linke Braue sich derart weit empor, dass es beinahe schien als wolle sie den Rahmen seines Antlitzes sprengen. Denn im dritten Augenblicke glaubte er sich einem impertinenten Scherze erlegen, mit welchem die beiden Consuln ihm seine heftigen Ressentiments gegen eine Verlängerung ihrer Amtszeit wollten retardieren. Doch weder der Vettier, noch der Duccier brachen im nächsten Augenblicke in schallendes Gelächter aus, diese Nominierung zurückzuziehen, gegenteilig begann Vettius Bolanus mit jener kurzen Zusammenfassung Gracchus' Eignung, wie dies bei all den anderen - ernsthaften - Nominierungen ebenfalls geschehen war. Ein wenig beschämt sondierte der Flavier unauffällig die Reihen und suchte einen Hinweis darauf, wer bei allen Göttern auf diese Idee gekommen war - und weshalb? Zweifelsohne war es durchaus schmeichelhaft auch nur in Betracht gezogen zu werden für eine solche Aufgabe, gleichwohl würde es Zeit seines Lebens sicherlich die einzige - wenn auch überaus geringe - Chance bleiben, eine zweite flavische Dynastie zu begründen, was ihn durchaus in Hinblick auf seine Familie in eine gewisse missliche Lage brachte, doch letztendlich wog seine Verantwortung zu schwer als dass er sich persönlichen Träumereien - von welchen er nicht einmal sicher war, dass dies ein angenehmer Traum würde sein oder nicht eher ein Alb - hinzugeben.


    Als er schlussendlich zu einer Stellungnahme wurde aufgefordert, blieb ihm nicht mehr als der Versuch, sich selbst und seiner Überzeugung treu zu bleiben - darauf hoffend, dass dies nicht wieder in einer Katastrophe würde enden wie jener, deren Ende eben der Anfang dieser Wahl war.
    "Ehrenvolle patres conscripti, es ehrt mich und meine Familie dur'haus, dass mein Name für eine solche Wahl genannt wird, dennoch möchte ich euch gemahnen an das Wohle Roms zu denken und als Princeps nur den besten aller Männer auszuwählen, wie dies nicht nur Wunsch des verstorbenen Augustus war, sondern gerade in dieser Zeit von essen..tieller Relevanz für Rom ist. Ein solcher Mann sollte nicht nur bewiesen haben, dass er genügend Stimmen für ein Konsulat auf sich kann vereinen, sondern dieses Amtes an der Spitze Roms auch sich würdig gezeigt haben, gleichsam sollte ihm fundamentale militärische Praxis zu eigen sein, und im besten Falle hat er in einer der Provinzen bereits bewiesen, Wohl und Prosperität eines Territoriums mehren zu können. Mit nichts hiervon - der Erfahrung eines erfolgrei'hen Consulates, militärischer Praxis oder der Leitung einer Provinz - , kann ich aufwarten, und obgleich ich gewillt bin stets jede Pflicht auszufüllen, welche der Senat mir anver..traut, bin ich doch überzeugt, dass es unter den genannten Kandidaten weitaus viablere und erfahrenere Männer gibt, die Aufgaben eines Princeps auszufüllen."
    Zweifelsohne würden die Ahnen seiner Familie für diese Worte ihn über lange Zeit hinweg ihn torquieren - doch die Ahnen seiner Familie waren noch immer besser als die Larven eines ganzen Volkes.

    In Rückblick auf 10 Jahre IR kann ich nicht feststellen, dass sich bezüglich der Konflikte sonderlich viel geändert hat. Weder SimOn, SimOff noch SimOn-SimOff-Vermischungen. Es sind in dieser Zeit mehr gute Spieler aus dem IR ausgeschieden als ich noch überblicken kann, und nur etwa ein oder zwei aus zehn hatten als Grund keine Zeit oder keine Lust mehr - die übrigen waren schlichtweg SimOff frustriert, verärgert oder haben aufgrund diverser Spieler-Streitigkeiten entnervt aufgegeben.
    Eine natürliche Entwicklung scheint es zu sein, dass langjährige Spieler mit der Zeit ein wenig abstumpfen oder des Streitens müde werden, doch mit neuem Spielerpotential kommen stets auch neue Konflikte auf, so dass es immer wieder Spieler gibt, welche (ohne sich jemals real gegenüber gestanden zu haben) eine bisweilen enorme Aversion gegeneinander hegen, sowie bereit sind außergewöhnlich negative Energie SimOff gegeneinander aufzubringen. Weshalb dies so ist? Ich möchte behaupten, dies ist der ganz normale, alltägliche, menschliche Wahnsinn der sich in dieser und ähnlicher Form letztlich nicht nur in Weltgeschehen, Politik und Geschäftsleben, sondern zweifelsohne auch in vielen anderen Hobbygruppierungen finden lässt - Forenrollenspiele eingeschlossen, in welchen solche Energien sich allfällig gar noch einfacher, da unpersönlicher ausleben lassen.


    Als negative Entwicklung erachte ich indes viel mehr die zwanghafte SimOff-Konstruktion (daher merkwürdig anmutenden) SimOn-Spieles, welche es schwierig macht, überhaupt noch SimOn unbedarft spielen zu können aus den Bedenken heraus, dass das eigene Spiel beständig SimOff interpretiert wird (allerdings ohne dies durch simples Nachfragen schlichtweg zu verifizieren), anstatt davon ausgehen zu können, dass in einem Rollenspiel Rollenspiel betrieben wird.
    Aber auch das war 'früher' nicht anders ... und wird wohl im IR auch nie anders werden.

    Als die Türe sich öffnete und Faustus eintrat erhob sich Gracchus - beinahe ein wenig erschrocken, dass es tatsächlich Serapio war, welcher dort in den Raum und gleichsam in sein Leben schritt, dass er tatsächlich gekommen war. Der Flavier trug eine Tunika aus edler Wolle in Farngrün, in Wellenform durchwoben und gesäumt von goldfarbenem Garn, darüber ein Pallium gleich edlen Stoffes in passendem, eine Nuance tiefer gefasstem Grün, denn schlussendlich war dies - auf gewisse Weise zumindest - ein gänzlich informelles Aufeinandertreffen.
    "Faustus, ... salve"
    , retardierte er die Begrüßung nicht minder vage und fasste die dargebotene Hand. Serapios Griff war ein wenig kühl, indes noch immer klar und fest, wiewohl in dieser Berührung mehr als eine Reminiszenz an die Sanftheit und Zärtlichkeit mitschwang, zu welchen diese Hände, diese Finger imstande waren, die Gracchus darob einen halb wohligen, halb fröstelnden Schauer über den Rücken gleiten ließen.
    "Ich ... freue mich ebenfalls, dich zu sehen."
    Wo war nur all die Contenance hin, welche seit seiner Kindheit Gracchus war doziert worden, jene sichere Fassade der kühlen Distanz, hinter welcher es sich so trefflich verstecken ließ, jene Farce der eigenen Präsenz, welche alle Emotionalität hinter sich barg? Mochte der Flavier Teile davon zweifellos auch durch die Konspiration und die daraus erwachsenen Ereignisse eingebüßt habe, Serapios nahe Präsenz und der Effekt seiner Berührung führten dazu, dass Gracchus sich fühlte als würde er gänzlich nackt im Raume stehen, verwundbar und intim verbunden zugleich. Dass der Handschlag nicht augenblicklich sich wieder löste realisierte er kaum, kam ihm gegenteilig mehr als zupass, denn obgleich es nur eine gebührende Geste war, eine Konvention zwischen alten Freunden, so war es doch eine Berührung - das Zusammentreffen zweier Körper ohne jegliche Barriere, das Verdrängen jeglicher Distanz, das kurze Verschmelzen zweier Leben, und da nur die Parzen wussten, ob und wann es jemals wieder eine solche Gelegenheit würde geben, schien dies beinahe wie ein kleines Zugeständnis an Gracchus' tiefstes Sehnen.
    "Bitte"
    , rang er sich schlussendlich dennoch durch, löste den Händedruck und wies auf die Klinen um den kleinen Tisch. Er nahm Platz - ein wenig hölzern in seinen Bewegungen - und blickte hernach in Faustus' Antlitz. Die spröde Auszehrung war daraus gewichen und obgleich die Spuren der Vergangenheit noch immer sichtbar waren, so verliehen sie dem Decimer doch mehr einen Hauch der Verwegenheit als der schattigen Tristesse. Selbst der Ansatz einiger grauer Strähnen im dunklen Haar an den Schläfen konnten seine Attraktivität nicht mindern, welche ob ihrer gemeinsamen Vergangenheit - und allfällig auch wegen der augenblicklichen Unerreichbarkeit - Gracchus nur noch adorabler schien als bei ihrer ersten Begegnung. Damals noch hatte er geglaubt der jugendlichen Ästhetik und athletischen Kraft eines Leibes verfallen zu sein, doch wusste er längst, dass er weitaus mehr in Faustus hatte gefunden, dass dort auf der Kline neben ihm - und doch unendlich fern - der verlorene Teil seiner eigenen Seele lag. Anmutig und edel schimmerten noch immer die blaufarbenen Augen, ruhig und ungestüm zugleich, similär dem endlosen Oceanos, und das Wissen, dass dies der Oceanos war, welcher nicht nur trügerische Sicherheit ihm vorgaukelte, sondern in welchem er tatsächlich sich konnte verlieren, schmerzte Gracchus so sehr, dass er seinen Blick abwandte und nach einer Antwort auf Serapios Frage suchte.
    "Nun ..."
    Zweifelsohne war die Frage nach seinem Befinden nicht gänzlich unvorhersehbar, wenn auch trotz allem ein wenig unerwartet, gleichsam war ihre Verbindung doch zu stark als dass Gracchus sie als Zeichen der Höflichkeit würde abwiegeln können. Keine Lügen mehr, dies hatte er sich fest vorgenommen.
    "Um ehrlich zu sein ist die gegenwärtige Situation für mich überaus … abominabel."
    Nun suchte er doch wieder den trauten Blick.
    "Neuerlich steht Rom am Rande des Abgrundes und noch immer ist dies … eine Konsequenz meines Handelns. Ich verstehe schli'htweg nicht, wie Palma derart … unbesonnen konnte sein. Es geht hierbei doch nicht etwa um die widerspenstige Zurückweisung eines Begehrs aus ver..letztem Stolz oder gekränkter Eitelkeit - es geht um Rom, um das Schicksal tausender Menschen! Einmal diesen Fehler zu begehen … war doch bereits mehr als gräulich, doch ein weiteres Mal dies … mutwillig zu riskieren … ! Wenn dies … erneut zu einem Bürgerkrieg führen wird …"
    Er schüttelte den Kopf als versuche er damit dies Schicksal abzuschütteln. Noch einmal das Blut tausender Römer an seinen Händen würde Gracchus nicht überleben, würde er nicht überleben wollen, nicht überleben können. Er hatte bereits die Grenzen dessen überschritten, was einem Menschen an Irrtum und Schuld konnte zugestanden werden, balancierte beständig am Abgrund und würde er noch einmal die Augen verschließen müssen vor dem, was er hatte verursacht, würde sein nächster Schritt ihn endgültig in die endlose Leere führen.
    "Zudem … nun, du weißt selbst, dass ich jede Wahrheit eingebüßt habe. Einige Male mag ich ihr Antlitz schlichtweg supprimiert haben, doch … doch die Abkunft aller späteren Ent..scheidungen basierte auf einer Überzeugung, welche … welche wahrhaftiger, welche veritabler und wahrer mir nicht hätte sein können, und ... welche doch am Ende schlechterdings … als gänzlich falsch sich erwies."
    Einige Augenblicke presste Gracchus seine Lippen fest aufeinander, ehedem er offen eingestand:
    "Zum einen drängt es mich, diese Verantwortung für Roms Schicksal nicht von mir zu weisen, den wie ich überzeugt bin unheilvollen Vorgängen, welche sich augenblickli'h offenbaren, Einhalt zu gebieten, doch gleichsam … wie könnte ich je wieder mir anmaßen, eine gewichtige Entscheidung für Rom treffen zu wollen, wie könnte ich je wieder meiner Überzeugung Ver..trauen schenken? Ich habe nicht nur jede Wahrheit eingebüßt, Faustus, ich habe mit ihr auch jede Ermä'htigung, mit ihr jede Sicherheit meiner selbst verloren."
    Und darüber hinaus jedes Anrecht, dies entgegengebracht zu bekommen. Mit einem schwachen Lächeln suchte Gracchus dies von sich zu weisen, realisierte er doch, dass das sonderbare atmosphärische Gemisch aus alter Familiarität und Unsicherheit über den Status quo ihn dazu verleiteten, sich in übermäßige Wortkaskaden zu flüchten. Keine Lügen mehr, doch gleichsam wollte er nicht die kostbare Zeit mit Faustus mit Lamentieren vertändeln, war dies doch zweifelsohne kaum, weshalb Serapio gekommen war.
    "Verzeih ... ich ... habe nicht das geringste Recht, mich zu beklagen. Umso erfreuli'her ist es, dass du aus diesen Konsequenzen meines Handelns endlich entlassen bist, zumindest in primärer Hinsicht. Ich bin deinem Vater zu tiefem Dank verpflichtet."
    Obgleich Gracchus' politische Achtung des Decimus Livianus zweifelsohne derzeit an einem Tiefpunkt war angelangt, so änderte dies doch nichts daran, dass jener es geschafft hatte, Serapio zurück auf eine veritable Position in die Gesellschaft zu integrieren - wenn auch dies politisch zweifelsohne neuerlich nicht gänzlich ohne Brisanz war.
    "Ich hoffe, du konntest dich wieder etablieren in der Garde … und auch sonstig?"

    Der Gedanke, dass ein durch den Senat gewählter Princeps diese Ehre würde ausschlagen können, erschien Gracchus überaus abwegig, da befremdlich - denn letztendlich war er doch davon überzeugt, dass der Senat den besten aller Männer würde wählen - würde wählen müssen - und dieser würde aus den Reihen jener tugendhaften Männer stammen - stammen müssen - welche dazu geschaffen waren, das Reich zu führen, den Staat zu bewahren und erhalten, den Staat voranzubringen. Kein solcher Mann würde die Pflicht, welche Rom ihm antrug, ablehnen, gleich welche persönlichen Präferenzen ihn umtrieben!
    "Ich era'hte den Vorschlag Consular Purgitius' ebenfalls als adäquat, wiewohl überaus praktikabel und zielführend"
    , konsentierte er alsdann, denn entgegen der ein oder anderen Auffassung ließ Gracchus sich nicht schlichtweg in einem Lager verorten, sondern pflichtete dem bei, was ihm zum größten Nutzen und Vorteile Roms erschien.

    Nichts anderes als dessen Zustimmung hatte Gracchus von Scato erwartet - wusste er doch nichts von dessen Unmut -, doch Domitillas Emotionalität gereichte dazu, ihn einen Augenblick zu derangieren, wie er stets von weiblicher Emotionalität überrascht war.
    "Nun, es ist trotz allem wohl eher unwahrscheinli'h, dennoch müssen wir auf alles vorbereitet sein"
    , suchte er sie ein wenig zu kalmieren, lag es ihm doch fern die Familie in Panik zu versetzen, gegenteilig wollte er schlichtweg jeder unangenehmen Überraschung - similär jener nach dem Tode Ulpius' - vorbeugen. Furianus nickte er ob dessen Zusicherung des Beistandes im Senat zwar zu, vermied indes detaillierter darauf einzugehen, da letztlich weniger Sorge ihn umtrieb, jemand könne über die Flavier herfallen wollen - es sei denn, irgendjemand würde letztlich doch noch Anklage gegen die Konspiranten erheben, doch selbst dann war die Wahrscheinlichkeit für ernsthafte Belege und somit Konsequenzen allfällig gering -, sondern mehr, dass er selbst sich zu einer unvernünftigen, unüberlegten Tat gegen den Duccius würde hinreißen lassen. Durch Furianus' weitere Worte allerdings fühlte er sich bemüßigt, das Schicksal seiner eigenen Tochter ebenfalls anzusprechen. In facto wusste er schlichtweg nicht, was er mit ihr machen sollte, doch letztlich gab es kaum eine Alternative als sie in Rom bei sich zu behalten - was letztlich eine zusätzliche Last darstellte. Doch während es für einen jungen Mann durchaus vertretbar würde sein, eine Reise anzutreten, so stellte dies für eine junge Frau doch eine Gewisse Gefahr dar - insbesondere unter diesen Umständen - welche der Vater nicht bereit war einzugehen.
    "Flamma, du wirst das Haus vorerst nicht mehr ver..lassen. Sofern du als notwendig erachtest, dies zu tun, wirst du dies vorherig mit mir absprechen."
    Er mied es allzu lange ihrem Blick zu begegnen, wandte sich wieder der Allgemeinheit zu.
    "Für den Fall, dass die Konsuln beileibe derart einfältig sind und die Tore über die Maße hinaus ge..schlossen halten, dass es zu Unruhen in der Stadt kommen wird, sind wir zumindest hier in unserem Heim gut gerüstet."
    Die Keller der Villa waren stets gefüllt und in den letzten Tagen zudem noch zu horrenden Preisen - was indes die Bewohner kaum tangierte - weiter aufgefüllt worden, so dass bei gänzlicher Abschottung sie vermutlich länger würden ausharren können als die meisten Familien Roms.
    "Gibt es noch Fragen, bezügli'h der Vorbereitungen oder dem aktuellen Geschehen?"

    "Du hättest einen Eilantrag stellen müssen, Senator Iulius, solche werden durch die Consuln direkt zur Abstimmung gebra'ht ohne noch weitere Diskussionen zuzulassen"
    , wies Gracchus den Auguren vollkommen ernsthaft auf seinen Formfehler hin, ehedem er weiter zur Diskussion beitrug.
    "Indes erachte ich die Explikation Iulius' als überaus relevant. Ein Mann, dessen Namen nicht von mindestens einem der hier Anwesenden bereits genannt wird, wird wohl kaum geeignet sein der nächste Princeps Roms zu werden, wiewohl es zweifels..ohne ebenso außer Frage steht, dass ein Mann, welchen wir als den Besten erachten dieser Princeps zu werden, wohl kaum erst zwei Monate lang zu Brotspenden und Verspre'hungen greifen muss, dass wir ihn wählen! Selbst wenn der Senat der Ansicht wäre, dass ein Wahlkampf vonnöten sollte sein, so sollte es doch vollkommen ausreichen, wenn ein jeder Kandidat hier in der Curia Iulia uns Rede und Antwort steht. Denn hätte Cornelius Palma gewollt, dass das Volk über seinen Na'hfolger bestimmt, so hätte er in seinem Testament zweifelsohne verfügt, dass das Volk den Princeps direkt wählt."
    Ein Gedanke, der dem Senator geradezu lächerlich anmutete.
    "Was die Gefahr verletzter Gefühle ob unre'hter Behandlung anbelangt, so erachte ich es ebenfalls als weitaus wahrscheinlicher, dass ein Legat das vorherrschende Machtvakuum missbraucht und den Senat letztlich gewaltsam zwingt, ihn durch eine Wahl zu legitimieren - was im Sinne des Testamentes schlussendlich nicht ausgeschlossen ist -, als dass ein Legat herna'h sich gegen die Entscheidung des Senates - und somit den Rest der militärischen Stärke Roms, sowie offen gegen das Testament des Augustus Cornelius stellt."
    Gracchus war durchaus der Ansicht, dass die Diskussion über die Kandidaten innerhalb des Senates wohlüberlegt durchgeführt werden sollten, was solange brauchen würde, solange es halt braucht, was aber schlussendlich nicht bedeuten musste, dass es unnötig länger brauchte als es halt braucht.

    Das Deversorium Delectationum war ein kleines, aber überaus feines Gasthaus an der Alta Semita am Hang des Collis Quirinalis gelegen. Der Inhaber, ein Peregrinus aus Silicia stammend, kochte keinen Monat die gleichen Gerichte, kreierte beständig neue deliziöse Köstlichkeiten und ergötzliche Geschmacksexplosionen - was selbstredend auch seinen Preis hatte, so dass die Kundschaft durchaus exklusiv war, eine Mischung aus neureichen Emporkömmlingen und altem Geldadel. Vor der Türe wachte ein Thraker und sortierte jene Gäste aus, welche das exklusive Ambiente des Deversorium Delectationum nur würden stören, so dass nur jene Eintritt fanden, die im Gasthaus oder in Rom allgemein bekannt waren oder aber in Begleitung einer solchen Person eintrafen. Zwar hielt seit dem Tode des Augustus die Besucherzahl sich deutlich in Grenzen, doch gab es durchaus noch einige Gäste, welche auch hier weiterhin die Ruhe vor dem möglichen Sturme hartnäckig genossen. Die Mitglieder der Flavia Romula gehörten nicht eben den regelmäßigen Gästen des Gasthauses, doch sie waren zweifelsohne bekannt - und solvent - genug, um ohne Schwierigkeiten auch einen der kleinen, separaten Nebenräume einfordern zu können, so dass Gracchus zum vereinbarten Termin eben dorthin wurde geführt, während Sciurus vor der Türe sich neben dem Thraker postierte, um dafür Sorge zu tragen, dass auch Serapio Einlass würde finden. Gracchus indes war viel zu früh - doch hatte er den Zeitpunkt des Treffens schlichtweg nicht abwarten können, war gleichsam in Sorge er könne es am Ende gar verpassen und zu spät kommen, dass Faustus längst wieder fort wäre. Er wusste nicht genau, was er von diesem Treffen konnte und sollte erwarten, war derart nervös wie seit seiner ersten Rede vor dem Senat zur Kandidatur um das Vigintivirat nicht mehr, schwankte zwischen bangender Furcht und klandestiner Vorfreude darauf, Faustus auch nur zu sehen, ihm gar näher als einige Schritt zu kommen. Ruhelos nahm er auf einer der Klinen Platz und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Das kleine Hinterzimmer war durchaus stilvoll eingerichtet - eine großflächige Wandbemalung zeigte eine Szene aus der Titanomachie des Hesiod - der Aufmarsch der olympischen Götter um Zeus gegen Kronos und seine Titanen, beide Seiten überaus heroisch stilisiert, schön und edel, tapfer und verwegen zugleich, und Gracchus ertappte sich dabei wie er Serapio als Hephaistion zwischen die übermenschlichen Götter einreihte. Um sich ein wenig abzulenken nahm er einen Schluck von dem Wein, der bereits auf dem Tisch bereit stand, blickte empor zur Decke und suchte seine Gedanken zu leeren und den hehren Hephaistion daraus zu verbannen, der doch längst nurmehr der Vergangenheit angehörte, respektive mit den Göttern des Olymp gegen die Titanen hatte gefochten, zu welchen - wenn auch kulturell nicht ganz korrekt - Aton sich hatte eingereiht und mit ihnen war untergegangen.

    Tribunus Cohortis Praetoria Faustus Decimus Serapio, Casa Decima


    Salve Faustus,


    so dies dir agreabel ist können wir am kommenden dies lunae zur hora nona im Deversorium Delectationum an der Alta Semita nahe des Templum Salutis zusammenkommen. So ich nichts Gegenteiliges von dir vernehme, werde ich dich dort erwarten.


    Vale bene!



    Ein wenig derangiert ließ Gracchus seine Hände hinabsinken.
    “Angriffe?“
    Zähem Honig gleich tropfte die Erkenntnis über die Gedankengänge des Sklaven nur langsam in seinen Verstand.
    “Aber nein, Sciurus, dies ist ... belanglos“
    Ein wenig mitleidig schüttelte Gracchus den Kopf, ein wenig betrübt, dass Sciurus niemals würde nachvollziehen können, von was er sprach, niemals auch nur den Hauch einer Ahnung von dem Konzept der Liebe zwischen zwei Menschen würde verspüren können, denn letztendlich war er doch nur ein Sklave, gleich wie gefällig er sich bisweilen gab.
    “Was ich zerstörte ist fern aller profanen Politik, ist fern allen profanen Rivalitäten um Ma'ht und Einfluss. Ich habe ... ich habe das kostbarste Gut destruiert, das mir je zuteil wurde. Ich habe die Sonne vom Himmel meiner Welt ge..rissen, dass sie in finsterer Düsternis versinkt, habe mein Land ausgedörrt, dass nurmehr karge Wüste zurückbleibt, habe alle Vegetation entflammt, dass die Luft von ätzendem Rauche erfüllt und das Atem zur Qual wird, habe meine Flüsse des Wassers, meine Ozeane ihrer Wogen beraubt, dass bleiche Täler das Land dur'hziehen und endlose Leere es umschließt.“
    Nein, niemals würde Sciurus auch nur annähernd seinen Schmerz ermessen können.
    “Wie sollte ich dies vergessen, da ich jeden Tag erneut in diese abominable Welt hinein erwa'he?“
    Einige Augenblicke lag eine schwere Stille zwischen ihnen, aus der Ferne drang der Ruf des Käuzchens und noch ein wenig weiter hinfort das Rattern beschlagener Räder auf dem Straßenpflaster der Stadt. Mit einem Male verspürte Gracchus eine Kälte in sich aufsteigen, welche nicht nur aus seinem Inneren erwachsen war, welche vom taunassen Gras seine baren Füße in seinen Leib empor stieg. In dieser Nacht würde es kein Entkommen mehr geben aus seiner Pein. Sanft, doch bestimmt befreite der Flavier sich aus den Armen seines Leibsklaven.
    “Mir ist kalt.“
    Ohne einen weiteren Blick wandte er sich um, zurück in das Haus sich zu begeben, wohl wissen, dass Sciurus ihm würde folgen. Nicht einmal die gütige Insania wollte ihn noch aufnehmen, nicht einmal das Vergessen war ihm vergönnt. Auf dem Wege zurück in die trügerische Idylle der heimischen Villa glaubte Gracchus das leise Lachen der Parzen zu vernehmen, das leise Lachen der drei Frauen, die letztendlich nur eine war - die eine, die über sein Schicksal bestimmte, die ihn niemals so einfach würde ziehen lassen.

    Zwar schob sich Gracchus' linke Braue ein wenig empor, dies war jedoch alles, mit dem er die namentliche Nennung des Konsuls quittierte, da dieser schlussendlich sich wieder den relevanten Problemen zuwandte.
    "Diese Fristen muten mir allgemein viel zu lange an. Wer garantiert derweil die Si'herheit Roms? Wer verhindert, dass sich - wie schon so oft in der Geschichte geschehen - Kommandeure in den Provinzen zu Kaisern ausrufen und mit ihren Legionen nach Rom marschieren? Ein Machtvakuum hat stets Begehrli'hkeiten geweckt, und ein angekündigtes halbes Jahr ohne Augustus, dies ist zweifelsohne ein überaus verlockendes Machtvakuum. Nach Dom...
    Gerade im rechten Augenblicke entsann sich Gracchus der Tatsache, dass der Name des Flavius Domitianus in diesen Hallen nicht derart freimütig ausgesprochen werden konnte wie in der Villa Flavia.
    "Nach dem Tode des letzten flavischen Kaisers wurde Nerva stante pede durch den Senat zum Augustus bestimmt. Allfällig war nicht jedermann in den Provinzen damit einver..standen, doch letztlich wagte niemand, sich gegen den gewählten Kaiser - und mit ihm den Rest der römischen Legionen - zu stellen."
    Dass er darüber hinaus eine Frist für die Annahme der Nominierung als gänzlich inadäquat ansah erwähnte Gracchus vorerst nicht weiter, würde dies doch nur auf einen persönlichen Affront des Konsuls selbst hinauslaufen - denn zweifelsohne würde kein wahrer Römer jemals auch nur auf die Idee kommen, die ihm angetragene Kaiserwürde abzulehnen.

    Die geplante Gästeliste, wenn auch noch sehr vage, sagte Gracchus durchaus zu. Obgleich eine Hochzeit zweifelsohne Gelegenheit für die Pflege der ein oder andere favorable Beziehung bot, so hielt auch er nichts von Massenveranstaltungen, bei welchen das Paar nicht einmal die Hälfte der Gäste persönlich kannte.
    "Gut. Gibt es von deiner Seite aus noch Punkte, welche zuvor zu klären wären?"