Niemand hatte es bisherig gewagt im Zimmer der verstorbenen Claudia Antonia Dinge zu entfernen oder zu ändern, nur die Sklaven kamen regelmäßig, um das Gemach zu säubern, sonstig jedoch schien es als würde der Raum noch immer der Rückkehr seiner Bewohnerin harren. 'Alles bleibt, wie es ist!' hatte Gracchus nach der Bestattung seiner Gemahlin angeordnet, und niemand im Hause würde sich dem je entgegen stellen.
"Ich vermisse sie"
gestand Gracchus seinem Leibsklaven, nachdem er einige Augenblicke inmitten des Raumes hatte verharrt.
"Stets schien ihr alles so leicht zu fallen - die Kinder, das Vermögen, der Haushalt, selbst alle Widrigkeiten - es schien sie alles nicht zu tangieren und doch gedeihte ihr alles wohl."
Nachdenklich trat er neben das Bett hin und strich mit einem Seufzen über den Hut des steinernen Merkur, welchen er ihr einst zur Hochzeit - oder Verlobung, er wusste es längst nicht mehr - hatte zum Präsent gemacht, sann einen Augenblick darüber nach, weshalb dieser Hut so viel Ähnlichkeit mit einem Huhn besaß.
"Merkur und Apollo - in das Peristyl"
, bestimmte er sodann. Obgleich Gracchus bisweilen das Gefühl beschlich, dass die beiden Götter sein Heim verlassen hatten, so brachte er es nicht über sich, die Statuen, welche so viel Erinnerung an seine verstorbene Gemahlin bargen, fort zu geben. Letztlich schien es beinah als würde alle Erinnerung einzig in diesen steinernen Zeugen ihres Lebens ruhen, denn nichts sonst in diesem Raume war Gracchus vertraut, nichts sonst schien ein Teil der Antonia gewesen zu sein, welche er gekannt hatte. Er wusste nicht, mit welchen Dingen sie sich gern hatte umgeben und beschäftigt, welche nur zufällig in ihrem Cubiculum waren liegen geblieben und welche sie allfällig nur aus Pflichtgefühl hatte besessen.
"Gib mir noch einige Augen..blicke, hernach kann alles andere hinaus."
Sciurus nickte und verließ den Raum, die Türe ein wenig geöffnet lassend, während Gracchus in der Stille verblieb, nach kurzem bereits zum Fenster hin tretend, mit dem Blick hinaus in den Garten flüchtend und mit seinen Gedanken in die Zukunft voraus. Bald würde Aurelia Prisca die Frau an seiner Seite sein, bald würde er ihr in ihrem Cubiculum zur Ehenacht beiliegen - nicht in diesem, in einem anderen -, und hernach? Er würde ihr keine Posse vorspielen müssen, ebenso wenig wie sie ihm. Er bedauerte ein wenig, dass sie nicht fähig war, ihm einen weiteren Sohn zu gebären, denn letztlich war Titus ein wenig schwächlich in seiner Konstitution, dass Gracchus doch stets die Befürchtung hegte, der Knabe könne den Tage seiner Mannwerdung nicht erleben. Hinwieder hatte er mit Minor bereits einen vortrefflichen Erben und jener hatte schlussendlich nicht wenige Vettern, welche seinen Weg konnten geleiten - letztendlich war es in Gracchus' Falle nicht anders gewesen, denn zwar hatte er Brüder, doch auf keinen von diesen war je Verlass gewesen -, so dass er sich nicht grämen brauchte und in keinem Falle je der Aurelia ein Gefühl von Inferiorität würde geben wollen. Diese Ehe würde zweifelsohne gänzlich anders werden als jene mit Antonia.
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
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Ein wenig nachdenklich vernahm Gracchus die Worte des Kaisers bezüglich Belagerungen und Plünderungen, Feldherren und Generationen, und obgleich zweifelsohne Wahrheit darin lag, so schien ihm doch eine empörende Differenz zwischen einer beliebigen römischen Siedlung - allfällig noch am Rande einer fernen Provinz gelegen - und der Wiege des Imperium Romanum, dem Zentrum der Macht, den Grundfesten des Reiches - Rom. Nur wenige römische Feldherren hatten je vor dem Problem gestanden, Roms Plünderung durch ihre eigenen Soldaten verhindern zu müssen, so dass allfällig eine Abbitte eher in der Singularität dieser Gegebenheit zu suchen war als in ihrer militärischen Häufigkeit. Am Ende seiner Erklärungen indes endete der Imperator neuerlich mit einer Frage für Serapio, doch gleichsam hallte sie auch im Geiste des Flaviers wider. Wie auch immer Cornelius sich selbst mochte sehen, wie auch immer die Welt ihn mochte sehen, letztlich gab es nichts zu zweifeln an der Tatsache, dass er auf dem Throne Roms saß, dass er Kaiser über das mächtigste Imperium der ganzen Welt war, und dennoch beschlich Gracchus allmählich das Gefühl, dass Palmas Überzeugung im Inneren nicht gar so ehern war wie er nach außen sich gab, und auch er bisweilen von Zweifel wurde zernagt - doch allfällig war dies auch nur ein leises Sehnen des Flavius, um all den Zweifel, all den Hader und all den Zwiespalt ihres Unterfangens nicht allein tragen zu müssen, jenen Vorbehalten und Gewissensbissen nicht allein ausgeliefert zu sein, welche Serapio neuerlich schürte. Rückblickend betrachtet hätten sie in ihrem Unterfangen zweifelsohne das blutige Chaos einkalkulieren müssen, und Gracchus hatte mehr als einmal zu evaluieren gesucht, weshalb sie es nicht hatten getan, so dass womöglich in einem similären Säumnis die Verhinderung der Plünderungen lag, nachgerade in ihrer aller Säumnis und Verantwortung - und eben aus diesem Grunde musste Cornelius als Kaiser schlichtweg die Sühnung initiieren, musste Cornelius den ersten Schritt gehen, musste Cornelius aus seiner Position heraus Größe beweisen, um ihr Unterfangen zu rechtfertigen - und wären die Konspiranten eine Familie und Gracchus der pater familias dieser, er hätte Palma gepackt und geschüttelt bis dass dieser endlich seinen Fuß vorangesetzt hätte. Doch sie waren keine Familie, Palma der Augustus und Gracchus nur ein bedeutungsloser Mitverschwörer, welcher beständig der Furcht war verfallen, eines Tages als Bauernopfer zu enden - und während sie so in ihrem kleinen Verschwörerkreis verharrten, während sie erstarrt schienen durch den Blick der schrecklichen Medusa, welche sie erschaffen hatten, trat Serapio vor. Zum Wohl des Reiches. Beinahe wäre Gracchus ein Seufzen echappiert, denn obgleich es eben dies war, ob dessen er Faustus zu diesem Gespräch hatte gebeten, so hatte er nach dem Verlauf ihrer letzten Aufeinandertreffen doch viel eher befürchtet, dass der Decimer ihnen einen Dolch zwischen die Rippen würde stoßen. Zum Wohl des Reiches. Nun blieb nurmehr zu hoffen, dass auch Palma das Wohl des Reiches am Herzen lag.
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So beiläufig klangen die Erinnerungen der Aurelia - Gerüchte, Lügen und hetzerische Unwahrheiten -, allenfalls belegt mit einem feinen Hauch der bedrückenden Reminiszenz an Kummer und Entbehrung, garniert mit ein wenig Entrüstung über diese augenscheinlichen Dreistigkeiten, dass wieder einmal in Gracchus die Gewissheit erstarkte, dass Prisca nichts wusste über die Wahrheit, dass Aurelius Lupus die Seinen in ebensolch unschuldiger Unwissenheit hatte belassen wie er selbst den Rest der Flavia. Gleichwohl evozierte diese Empörung und die daraus erwachsene Tatkraft, aber auch das Kalkül, mit welchem Prisca ihr Geschenk und die Präsentation dessen hatte auserwählt, neuerliches Wohlgefallen in Gracchus in Hinblick darauf, nicht nur ob der Gegebenheiten und Verwicklungen zwischen ihren Familien eine überaus adäquate Verbindung ins Auge gefasst zu haben, sondern mit der Aurelia eine wahrhaft für die Familie passionierte Gemahlin erkoren zu haben.
"Es gibt nichts zu verzeihen, Aurelia, denn bisherig sind es doch nur Pläne"
, begütigte er darob ihre Abbitte.
"Es ist zweifelsohne niemandem hier fremd, dass durch den Überschwang einer Idee ein wenig Unbeda'htheit in eben jene sich einzuschleichen vermag."
Insbesondere galt dies für jene Männer, welche in Begeisterung und Eifer des ideologischen Gefechtes gänzlich die Realität übersahen und dabei einen Bürgerkrieg auslösten. Über ein Stückchen Tintenfisch suchte Gracchus die Erinnerung daran zurück in sich hinab zu drängen und über die Problematik der Gefangenen zu sinnieren.
"Mit ausreichend Vorbereitungszeit lassen sich zweifelsohne genügend Ver..brecher ausfindig machen, allfällig über Kontakte in den Provinzen nahe der Reichsgrenze, denn dort ist die Kriminalitätsrate generell höher als hier in Rom."
Gleichwohl die Statthalter dort eher geneigt waren, sich lästiger Verbrecher kompromisslos zu entledigen oder Exempel zu statuieren, wiewohl die Anzahl der Advocati, welche dies suchten zu verhindern, und jener, welche diese sich würden leisten können, wesentlich geringer war.
"Mit diesem Anlass unsere Hochzeit anzukündigen ist zweifelsohne eine vorzügli'he Idee, indes jene Domitillas ..."
Eine kurze Pause folgte, doch letztlich entschied Gracchus, dass er in diesem Rahmen seine Bedenken freimütig würde äußern können, gegenüber Prisca zweifelsohne äußern müssen, denn obgleich dies nichts war, was die Gesellschaft Roms vordergründig würde wissen müssen, so gehörten die Aurelier doch bereits praktisch zur Familie, wiewohl Gracchus sicher war, dass seine Gedankengänge auch ihnen nicht fremd waren.
"Ich befürworte diese Ehe nicht. Domitillas Vater hat diese Ver..bindung von Ravenna her dirigiert, in keinster Weise eingedenk, wiewohl uneinsichtig der Gegebenheiten in Rom. Selbstredend akzeptiere ich seine Entscheidung, doch ich bin nicht bereit sie zu akklamieren. Die Tiberii Ahala haben deplorablerweise schon immer ein wenig eigentümli'he Vorstellungen von adäquaten Eheverbindungen, und da wir aus diesem Grunde noch nie familiäre Relationen zu dieser Familie aufgebaut haben, bin ich nicht sicher, ob es schlichtweg ihre Mentalität ist oder ob finanzielle Schwierigkeiten sie zu diesen Verbindungen in die Plebs drängen. Ich hegte die Hoffnung mit Tiberius Lepidus würde sich dieses Gebaren ändern können, denn bisweilen zeigt er doch dur'haus einen viablen Charakter. Indes, nachdem er seine eigene Schwester mit Duccius Vala ver..mählt hat ..."
Gracchus schüttelte den Kopf, ließ diese Angelegenheit ihn doch stets ein wenig sprachlos zurück.
"Duccius Vala!"
Er breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände aus.
"Er hätte sie auch na'hgerade nach Germania verkaufen können!"
Im Grunde war Gracchus überzeugt, dass er genau dies hatte getan.
"Nein, meine Base mit Tiberius Lepidus vermählt zu sehen, dies ist zweifelsohne kein freudiger Anlass. Sofern wir indes bis nach dieser unsägli'hen Hochzeit warten wird es nicht weiter ins Gewicht fallen."
Domitilla und der Tiberier würden in diesem Falle selbstredend als Gäste geladen sein, doch in keinem Falle würde der Duccier mit seiner Anwesenheit den freudigen Anlass verderben. -
Gracchus abhorrierte Diskussionen jener Art, wie der dritte Absatz des vierten Paragraphen der Lex Mercatus sie zu evozieren gereichte, in welchen Positionen und Perspektiven nicht nur auf sachlicher Ebene kommuniziert und kommentiert, sondern augenscheinlich gleichsam auf einer darunterliegenden Ebene be-, aufge- oder entwertet wurden. Diese Art der Disputation lag dem Flavier nicht nur nicht, er durchschaute die zugrundeliegende Mechanik schlichtweg nicht, fühlte sich außerstande vorherzusagen, welchen Effekt eine Äußerung bei den beteiligten Parteien mochte evozieren ganz ohne dies zu intendieren. Üblicherweise trug er darob zu solcherlei Diskussionen noch weniger bei als ohnehin, beschränkte sich nicht nur darauf, das Wort nur dann zu ergreifen, wenn er etwas seiner Ansicht nach Relevantes hatte beizutragen, sonder schwieg bis zu jenem Punkt, an welchem dies weiterhin unmöglich war - welcher zu vielen Gelegenheiten letztlich nicht einmal wurde erreicht. Weiters gereichten auch Diskussionen über die Lex Mercatus und die Wirtschaft im Allgemeinen selten dazu Gracchus eine Wortmeldung zu entlocken, gab es doch zweifelsohne fähigere Männer, welche hierzu etwas zu sagen hatten als einen Patrizier dessen einzige zeitlebende Erfahrung mit Wirtschaft der Ruin eines landwirtschaftlichen Betriebes gewesen war. Deplorablerweise tangierte die heutige Diskussion jedoch den Cultus Deorum und als Pontifex pro magistro fühlte Gracchus sich schlussendlich gedrängt einen Beitrag zu leisten, um sich nicht Pflichtvergessenheit vorwerfen zu müssen.
"Möglicherweise liegt das eigentliche Problem mit diesem Paragraphen schli'htweg im Begriff des Cultus Deorum und der Weitläufigkeit wie Diffusität des Begriffes, denn letztlich steht dieser doch für nichts anderes als für die Verehrung der Götter in ihrer gesamten Vielfalt religiöser Handlung, gänzlich ungeachtet ob es sich um staatliche, vereinsorganisierte oder private Verehrung handel. Zweifelsohne würde kaum jemand soweit gehen, unsere Leges, in welchen stets nur vom Cultus Deorum gespro'hen wird, auf die sacra privata beziehen zu wollen, doch gerade jener Passus, über welchen wir disputieren, scheint darüberhinaus noch weit enger gefasst zu sein. Er zielt wohl kaum ab auf die sacerdotes publici, welche in den Collegien und staatlichen Kultvereinen den Dienst an den Göttern als Ehrenamt aus..führen und ohnehin der gehobenen Gesellschaft angehören, ebenso wenig wie er die Institutionen oder Körperschaften des Cultus Deorum betrifft, welche immerhin keinen Status erlangen können. Mit Blick auf die similär tangierte Gruppe - den Exercitus Romanus - scheint es letztlich doch nur um jene Personen zu gehen, welchen der staatliche Cultus tatsä'hlich den weitgehenden Verzicht auf privates Leben abverlangt, um das Wohl des Staates, respektive der Götter zu gewährleisten, welche fest unter der Ägide des Staatskultes stehen und auch von diesem vergütet und versorgt werden - so wie dies auch bei Angehörigen des Exercitus Romanus der Fall ist."
Für viele Mitglieder dieses angestellten Kultpersonal wiederum galt das Gesetz letztlich nicht einmal, da es nur Sklaven im Besitz des Staates waren.
"Somit könnte der Paragraph schlichtweg nur auf jenes Kultpersonal des Cultus Deorum eingeschränkt werden, welches permanent im Staatskult angestellt ist, denn augenscheinlich wurde er für diese einst erdacht, gleichsam erachte ich ihn in diesem Maße weiterhin ebenso sinnvoll wie für Mitglieder des Exercitus Romanus. Denn - hier muss ich Senator Aurelius widersprechen - ein aedituus des öffentlichen Staatskultes etwa hat nun einmal nicht anderen Arbeiten na'hzugehen, nicht umsonst wohnt er im, zumindest jedoch unweit des templum, ist er doch der erste, welcher jenen für Besucher aufsperrt, wiewohl er der letzte ist, welcher ihn wieder verschließt, welcher den gesamten Tag hindurch ver..antwortlich ist für alles in und um jenen Tempel, nicht nur die Reinigung, sondern ebenso die Rei'htümer. Er kann nicht einfach seine Wache über das Heim der Götter unterlassen, nur weil seine Anwesenheit in einem Betrieb gefordert ist."
Die Modifikation des Begriffes Cultus Deorum generell in allen Gesetzen mochte zweifelsohne irgendwann einmal eine lästige, doch notwendige Initiative sein. Eine kurzfristige Einschränkung des Paragraphen der Lex Mercatus indes würde keines der befürchteten Schreckensszenarien bedingen und auch die kultischen Idealisten wären nicht betroffen, die Obhut der Götter dagegen wäre weiterhin gewährleistet und eine Beschränkung der Märkte beibehalten. Allfällig wäre sogar die Vestalin Decima zufrieden, obgleich es Gracchus für durchaus hanebüchen erachtete, dass eine Vestalin einen Betrieb - gleich welcher Art - führen wollte, doch dies war letztlich Angelegenheit des Pontifex Maximus. -
Auch den Gruß des Tiberius tat der Flavier nur mit einer knappen Replik ab, beschränkte sich weiter darauf passiv im Hintergrund zu verweilen, habituell augenscheinlich ein wenig desinteressiert an den Anwesenden, innerlich jedoch durchaus die Gespräche, Relationen und Gebaren zwischen jenen sondierend und in seine eigenen Gedankenschubladen situierend, bis dass der Procurator sie schlussendlich in einen Besprechungsraum führte. Die Entscheidung über die Kandidaten für das Ulpianum schien ihm bereits in diesem Augenblicke endlos wie die Fertigstellung des Bauwerkes selbst, was zweifelsohne mit der Tatsache zusammenhing, dass Gracchus den Sinn dieses Unterfangens noch nie hatte nachvollziehen können - denn wahrhaft bedeutsame Persönlichkeiten waren schlussendlich im Imperium Romanum noch niemals in Vergessenheit geraten -, schlichtweg im Senat keinen hinlänglich akzeptablen Grund hatte anführen können, welcher gegen eine Nominierung für dieses Gremium hätte sprechen können.
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Natürlich würde Domitilla dem Willen ihres Vaters Folge leisten, auch wenn es nicht der ihrige war - und obgleich sie dies bekräftigte, so bedurfte es dieser Affirmation nicht, denn die einzige Option, diesem vorgegebenen Schicksal zu entgehen war seit jeher der Tod - der eigene oder der des Vaters. Die beherrschte Ruhe der Flavia, wenn auch gepaart mit ein wenig Indignation, war darob nichts anderes als zu erwarten, gleichwohl wie sie zu den Notwendigkeiten der daraus resultierenden Konsequenz überging - und doch musste Gracchus diese Hehrheit ästimieren und konnte nur suchen, in gleicher Weise über den Widrigkeiten des Lebens zu stehen.
"Ich werde selbstredend mit dem Tiberius sprechen."
Im Versuch, der ganzen Angelegenheit ein wenig die Brisanz zu nehmen fügte er mit dem Hauch eines schiefen Lächelns hinzu:
"Schlussendli'h steht dir eine Hochzeit nach römischem Ausmaße zu, nicht nach der Mediokrität Ravennas."
Gleich wie auch die innerfamiliären Strukturen der Flavia waren, Tiberius Lepidus - welcher künftig noch in Rom wollte vorankommen - würde einem Senator und Pontifex Roms zweifelsohne mehr Respekt entgegen bringen als einem Provinzialpolitiker, dessen Einfluss am Rande seiner Familie und Ländereien endete.
"Du kannst ihm mitteilen, dass er an einem beliebigen Tage in der kommenden Woche nach Beendigung seiner Salutatio in unser Haus kommen kann."
Gracchus selbst würde sodann seine eigene Salutatio schlichtweg vorzeitig beenden, um sich entsprechend ausreichend Zeit für den künftigen Gemahl seiner Base zu nehmen. -
Tatsächlich hatte Gracchus nicht erwartet, dass Vala seine Argumentation würde nachvollzeihen können, denn letztlich folgte das von sich überzeugte Patriziat einer langen Tradition, in welche ein Mensch zweifelsohne musste hineingeboren werden, um dies gänzlich zu durchdringen - und selbst diese Voraussetzung reichte nicht immer aus, wie der ein oder andere Ausreißer immer wieder einmal bewies.
"Bisweilen ist Verständnis nicht einmal vonnöten, Senator Duccius, sondern schli'htweg die Akzeptanz dessen, was den Gesetzmäßigkeiten der Realität folgt. Wir verstehen nicht wie es der Sonne möglich ist jeden Morgen im Osten zu erscheinen, über den Himmel zu wandern und im Westen wieder hinab zu sinken - und doch gibt es wohl kaum jemanden, der daran zweifelt, dass es so und nicht anders jeden Tag auf ein Neues geschieht."
Ob der Flavier sich und seinesgleichen nun mit der Sonne wollte vergleichen oder schlichtweg eine generelle Metapher verwandte, würde dem Duccier wohl verborgen bleiben. Gracchus nickte bestätigend zu Valas Einschätzung der Patronats-Alternativen, denn schlussendlich hatte auch er nicht erwartet, diese nun zu erörtern, sondern lediglich versucht das Thema durch seine Ablehnung nicht gar zu rabiat zu beenden, ehedem Vala auf sein angestrebtes Consulat zu sprechen kam. Selbstredend hatte Gracchus diese ungeheuerliche Neuigkeit bereits vernommen - als Sciurus die Nachricht einige Tage zuvor ihm am Abend hatte mitgeteilt, hatte er wahrlich geglaubt, sein Vilicus würde sich entgegen all seiner Persönlichkeit einen Scherz mit ihm erlauben. Nicht nur dass Gracchus davon überzeugt war, dass der Cursus Honorum trotz seiner Möglichkeit dazu keinem Dauerlauf sollte gleichen - was zum Teil zweifelsohne dem geschuldet war, seine eigene Indifferenz zum Consulat zu rechtfertigen -, so waren seine generellen flavischen Ressentiments gegenüber Emporkömmlingen aus der Provinz, wiewohl seine Indignation ob Valas Verhalten im Senat doch noch immer groß genug, um die Ansicht zu rechtfertigen, dass ein solcher Mann nichts an der höchstmöglichsten Spitze des römischen Staates hatte zu suchen, welche im Falle des Falles schlussendlich ihm gar eine Vertretung des Augustus würde zusprechen können.
"Ich habe davon gehört"
, gab er dennoch recht unbeeindruckt zu, denn letztlich glaubte Gracchus in seiner idealistischen Naivität - welche er sich trotz allem noch immer in Teilen seiner Persönlichkeit hatte bewahrt - nicht daran, dass der Senat die Ungeheuerlichkeit eines Consuls Duccius Vala würde zulassen.
"Und es wird dich wohl kaum verwundern, dass du auf meine Stimme nicht wirst vertrauen können."
Dass er seine Stimme indes auch nicht gegen den Duccier würde einsetzen im festen Glauben, eine Drohung dessen Patrons erhalten zu haben, war zu diesem Zeitpunkt ihm ebenfalls noch gänzlich fern.
"Dennoch würde mich tatsächlich interessieren, welche Taten und Worte es sind, welche deiner Ansicht nach ein Consulat be..dingen, um Rom mitzugestalten? Sofern zu du bereit bist, diese Ansinnen bereits jetzt zu offenbaren und nicht erst in deiner Kandidatur."
Womöglich würde Vala einige Schwachpunkte offenbaren, an denen Gracchus im Senat würde angreifen können. -
"Domitilla"
, begann Gracchus da ein Name stets ein leichter Anfang war, obgleich selbstredend niemand sonst im Raume war, welchen seine Worte hätten adressieren können.
"Bitte setzte dich."
Er wies auf einen der Stühle ihm gegenüber des Schreibtisches und wartete bis seine Base hatte Platz genommen.
"Ich habe deinem Vater eine Nachri'ht gesandt."
Bereits durch die Couleur seiner Stimme würde Domitilla erahnen können, dass dies Unternehmen nicht von Erfolg war gekrönt worden.
"Er lässt sich von deiner Vermählung mit Tiberius nicht abbringen."
Einige Augenblicke suchten Gracchus' Augen auf der Tischplatte nach einem Fixpunkt, doch als keine der hölzernen Fasern dazu zu gereichen schien, hob er seinen Blick zurück empor.
"Es tut mir Leid, Domitilla. Doch Aetius ist nicht nur mein Onkel, sondern mehr noch dein Vater, und sofern er der Ansi'ht ist, dass dies zu deinem besten Wohle geschieht, so muss ich diesen Entschluss res..pektieren."
Letztlich würde auch Gracchus nicht dulden, dass einer seiner Neffen sich gegen die Ehebeschlüsse wandte, welche er für seine Kinder vorsah. Dennoch schmerzte ihn die Machtlosigkeit, welche er gegenüber dieser Entscheidung verspürte - er hatte einen Kaiser ermordet, er hatte einen Bürgerkrieg heraufbeschworen - doch er war nicht dazu fähig sich gegen seinen Onkel zu wenden. Gleichwohl schmerzte ihn zutiefst, dass Aetius entschieden hatte seine Tochter der Schande dieser Ehe preiszugeben, nicht nur da ihr Name schlussendlich stets mit dem seiner Familie war verknüpft, sondern weit mehr ob Domitillas Wohlergehen. Er senkte neuerlich seinen Blick ein wenig.
"Selbst..redend wirst du auch nach der Eheschließung immer in unserem Hause willkommen sein." -
Da die Saturnalien noch nicht gänzlich vom Tisch waren, sah auch Gracchus sich bemüßigt doch noch einige Worte dazu zu verlieren, insbesondere um in Prisca keine falschen Vorstellungen oder gar Bedenken über die flavische Sklavenhaltung aufkommen zu lassen.
"Nun, wir feiern die Saturnalien selbstredend nicht als Inversion der Realität"
, erklärte Gracchus.
"In der Flavia ist es Tradition gemeinsam mit einigen wenigen, ausgewählten Sklaven zu speisen, während die übrigen schli'htweg von ihren Aufgaben befreit sind. Meines Erachtens ist dieses Zugeständnis mehr als ausreichend gegenüber den altehrwürdigen Riten."
Letztlich stellte bereits diese Praxis Gracchus jedes Jahr wieder vor überaus enorme Herausforderungen - begonnen damit, dass er sich selbst musste ankleiden -, auch wenn die meisten Aufgaben im Haus von bezahlten Freigelassenen erledigt wurden und er demnach von jenen Angelegenheiten, welche ihn unmittelbar betrafen abgesehen auch während der Saturnalien keinen Einblick hatte, welche Tätigkeiten tatsächlich alle in diesem Hause jeden Tag wurden durch die Sklavenschaft erledigt.
"Darüber hinaus wissen auch unsere Sklaven die Saturnalien angemessen zu feiern, denn der Großteil unseres Haushaltes stammt aus flavischer Zucht und hat eine ent..sprechende Ausbildung genossen."
Kein Sklave dieses Hauses würde sich darob jemals erlauben während der Saturnalien aufmüpfig oder gar anmaßend gegenüber seinem Herrn zu sein - uns falls doch, so war er sich zweifelsohne bewusst, dass es seine letzten Saturnalien waren. Um jene Sklaven indes, welche dem Haushalt neu hinzugekauft worden waren, scherte Gracchus sich nicht, war doch jeder Flavier selbst verantwortlich, wenn er sich mit einer solchen Bürde belastete.
"In Hinblick auf diese Spiele ..."
, fuhr Gracchus sodann nachdenklich fort und pickte sich ein Stückchen Kapaun von seinem Teller, um es ausgiebig zu kauen.
"Dies ist beileibe ein überaus großzügiges Geschenk."
Tatsächlich wusste Gracchus nicht wie er diese Geste sollte einordnen. Spiele kosteten den Ausrichter ein kleines Vermögen, dies wusste selbst er, der sich um Geld noch nie hatte gekümmert, und wurden darob überaus gezielt platziert. Spiele zur Feier eines Wahlsieges mochten einem Consul angemessen sein, einem Praetor allfällig oder einem Aedil - welcher sie ohnehin hatte auszurichten - doch einem Vigintivir? Ein wenig hatte dies den Beigeschmack als wäre es notwendig, Scatos Erfolg derart ausgiebig zu feiern, ganz so als wäre es eine exzeptionelle Außerordentlichkeit, dass er überhaupt war gewählt worden, als hätte der duccische Parvenü mit seiner Tirade im Senat die Wahrheit gesprochen und nun musste man dankbar sein, dass die Senatoren Scato aus großzügiger Güte eine Chance hatte eingeräumt. War es derart, dass die Aurelier die flavische Familien mit diesen Spielen wollten beschämen? Oder aber hatte Scato etwas über die Konspiration - oder allfällig ein anderes überaus gefährliches Wissen über die Aurelia - herausgefunden und erpresste Lupus? All diese Gedanken begleiteten das überaus köstliche Stück des kastrierten Hahnes Gracchus' Kehle hinab.
"Ein wenig zu großzügig allfällig, in Anbetra'ht des Anlasses"
, erwiderte er sodann Priscas Lächeln. Sie indes schien in der ganzen Angelegenheit gänzlich unschuldig und er bewunderte ihren Elan bezüglich der Planungen. Obgleich er sich durchaus ein wenig mehr Partizipation von seiner Gemahlin hatte erhofft, hatte Antonia sich stets aus allen öffentlichen Angelegenheiten herausgehalten, hatte zwar ihn ab und an zu gesellschaftlichen Anlässen geleitet, seine staatlichen Pflichten doch oftmals gemieden, geschweige denn selbst Initiative oder Partei ergriffen. Allfällig würde dies mit Prisca an seiner Seite sich ändern.
"Versteht mich nicht falsch, die Spiele an sich sind eine wunderbare Idee, um die Verbundenheit unserer Familien zu demonstrieren, und Scato zu ein wenig mehr Bekanntheit zu verhelfen ist ebenfalls ein überaus hehres Ansinnen"
, wenn auch Gracchus die Notwendigkeit dieser Bekanntheit eher in den Officia und Triclinia der Senatoren sah und weniger in den Stuben des gemeinen Pöbels, welcher durch Spiele sich beeindrucken ließ,
"doch diese Spiele zu Ehren seines Wahlsieges auszurufen, era'hte ich als ein falsches Signal. Dass Scato letztendlich gewählt wurde, war schlichtweg eine unausweichliche Folge seiner Person und Herkunft, und um dies zu feiern wäre zweifelsohne ein bescheidenes Opfer an die Götter mehr als suffizient."
Gracchus' Lächeln wurde auf eine überaus sublime Art ein wenig maliziös.
"Indes wäre es dagegen eine gute Gelegenheit zu diesen Spielen seine erneute Kandidatur anzukündigen."
Obgleich Spiele als Wahlwerbung für eine Quaestur ebenfalls ein wenig zu pompös waren, so würde dies seinen jungen Verwandten womöglich ein wenig anspornen, den nächsten Schritt zu gehen.
"Deine Idee, Aurelia, zur Devastation Karthagos wiederum scheint mir agreabel - ein klassisches Motiv. Indes ist mir nicht gänzlich plausibel, weshalb die Sklaven hernach freigelassen werden sollen. Allfällig wäre es für das Publikum spannungsrei'her wenn geschulte, populäre Gladiatoren den Part Roms übernehmen würden. Das Spektakel wäre in diesem Falle bereits groß genug, als dass am Ende der Staat mit Freigelassenen würde belastet werden müssen, welche ohnehin niemals von Wert für die Gesellschaft werden sein, da sie weder der einen, noch der anderen Welt zugehören."
In dieser Angelegenheit war Gracchus' Ansicht über die Welt, wie sie sein sollte, zweifellos ebenso starr wie Priscas Meinung über die Saturnalien. Die Freilassung von Sklaven war in seinen Augen nur ein Mittel, um defizitäre Sklaven zur Arbeit anzuspornen und letztendlich auf Kosten der Gesellschaft wieder loszuwerden. -
Gracchus votierte für Iulius Dives zum Quaestor Urbanus und Tiberius Lepidus zum Triumvir Capitalis.
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Auf vergoldeten Schalen wurden die vitalia dem Pontifex vorgelegt und jener erhob einen Augenblick die linke Braue empor, denn auf der Leber obenauf saß eine dicke, schwarze Schmeißfliege, vermutlich nicht einmal ihrer Dreistigkeit sich bewusst. Gracchus scheuchte sie mit einem Wink seiner Hand hinfort, ehedem er begann die Eingeweide genauer zu betrachten, sie zu drehen und zu wenden, zu befühlen und zu begutachten. Die Fliege indes ließ noch nicht ab von ihrer fetten Beute, versuchte mehrmals auf den Fleischteilen zu landen und gereichte dazu, Gracchus ein wenig zu sekkieren, wenn auch er seine Irritation ob der Störung hinter einer undurchdringlichen Maske der kultischen Contenance verbarg, um den Ablauf des Opfers nicht in Gefahr zu bringen. Er suchte darob nicht allzu lange nach Makeln an den vitalia - letztendlich war es für das Volk ohnehin belanglos, in welchem Zustand die Eingeweide tatsächlich waren - hob alsbald den Blick und verkündete laut:
"Litatio! Neptunus aeternus ist uns gewogen und wird uns auch weiterhin mit seiner Fülle erquicken!"
Begeisterte Rufe und Klatschen tönten über den Tempelplatz, denn es gab wohl kaum schlimmeres im sommerlichen Rom als eine ausgeprägte Dürre, welche Quellen und Wasserströme versiegen ließ. Gleichwohl kündete die Annahme des Opfers selbstredend auch von dem angenehmen Feste, welches nun würde folgen - den freien Speisen - darunter Stücke des Opfertieres -, welche der Staat seinen Bürgern spendierte, der Musik, Schaustellern und Gauklern zwischen den Laubhütten, und den Massen von Wein, welche würden verköstigt werden. Nachdem die vitalia dem Neptunus im Feuer waren überantwortet und das Opfer somit sein Ende hatte gefunden, flüchtete Gracchus zu seinen Söhnen und seinem Neffen unter einen schattigen Baldachin. Er hatte ihnen versprochen, das anschließende Fest mit ihnen zu besuchen - insbesondere Titus, welcher unbedingt zu Ehren des Neptunus noch seine eigene Laubhütte wollte errichten -, so dass die Flavier sich alsbald unter das feiernde Volk mischten. -
Wie stets ohne die geringste Ahnung, was tatsächlich in den Gedanken seines Sohnes vorging, war Gracchus überaus zufrieden mit der Konversation, mit welcher Minor und die Cornelia sich miteinander vertraut machten, denn da sein Sohn zu öffentlichen Anlässen stets recht schweigsam war - was der Vater selbstredend dem Charakter des Sohnes zuschrieb -, hatte er die Befürchtung gehegt, Minor könne im Anblick seiner künftigen Gemahlin in Schüchternheit verfallen und seine Rolle als Gastgeber vernachlässigen. Ein sublimes Lächeln zu Cornelius quittierte den Erfolg ihres Unterfangens, welches dieser mit einem leichten Nicken bestätigte und sodann die Worte seiner Nichte bestärkte, dass die beiden schlussendlich an diesem Abend zweifelsohne noch genügend Gelegenheit zu weiterer Konversation würden finden können. Nach den Corneliern folgte nurmehr ein weiterer Gast - Papirius Carbo aus der Nachbarschaft, der nur unwesentlich älter war als Minor. Seine Mutter, Quinctilia Petina, war eine gute Bekannte Antonias gewesen und da die beiden Abkömmlinge in gleichem Alter waren, hatten sie als Knaben zwangsweise die Nachmittage miteinander verbringen müssen, welche ihre Mütter gemeinsam verbrachten - gänzlich nebensächlich dabei, dass Carbo und Minor sich von Beginn an nicht hatten leiden können, stets nur um Spielzeuge oder Naschereien hatten gezankt und die Besuche nicht selten in Rangeleien und in Folge dessen Tränen eines der Jungen hatten geendet. Und auch die Tatsache, dass die beiden sich seit der Flucht der Flavier aus Rom zu keinerlei anderen Gelegenheiten sahen, dass sie auch mittlerweile außer ihrem Alter nicht das geringste miteinander hatten gemein, so wurden beide von den Familien doch wechselseitig stets zu den Feierlichkeiten des anderen geladen eingedenk der wundervollen, zugewandten Kindheit, welche Carbo und Minor miteinander hatten verbracht. Selbstredend hatte der junge Papirius zu Minors Geburtstag nicht viel beizutragen als einen formellen Glückwunsch und ein unpersönliches Geschenk - eine Schriftrolle -, ehedem er von einem Sklaven zu den Klinen wurde geleitet, womit das Ende der Gratulanten erreicht war.
"Nun denn"
, wandte Gracchus sich seinem Sohn zu.
"Lasse uns ebenfalls hinüber gehen und deine Gäste nicht allzu lange warten." -
Es war das erste Dämmerlicht des Morgens, in welchem eine unscheinbare Sänfte die Straße zur Kuppe des capitolinischen Hügels sich emporwand, getragen von muskulösen, cyrenaeischen Sklaven mit ebenmäßigem Antlitz und goldener Haut, gefolgt von einer kleinen Sklavenschaft aus ebenso schön anzusehenden Männern, in deren Mitte drei Widder trotteten, deren Fell von derart heller Couleur war, dass alle Schatten und Schemen der schwindenden Nacht von ihnen abzuperlen schienen Regentropfen von der Hülle bronzener Statuen gleich, deren Hufe und Hörner gleichsam einen goldfarbenen Glanz reflektierten. Vor dem gewaltigen Tempel der capitolinischen Trias kam der kleine Zug zum stehen und der Pontifex pro magistro Flavius Gracchus entstieg der Sänfte, an diesem Tage indes nicht in seiner offiziellen kultischen Funktion, sondern schlichtweg als gänzlich unbedeutender Privatmann, der er war. Welchen Gott galt es Dank zu schulden, welchen Gott galt es zu besänftigen und welchen Gott um Nachsicht zu bitten, wenn nichts Geringeres als das gesamte Imperium Romanum in der Waagschale lag? Der Herrscher aller Götter, der Bewahrer des Staates und der Wahrheit schien Gracchus die adäquateste Wahl, ob dessen er früh am Morgen - weit früher als sonstig üblich, wollte er doch allzu viel Publikum vermeiden - bereits aufgestanden war und sich zum Capitol hatte aufgemacht. Selbst nach so vielen Jahren da er nun bereits im Dienste des Cultus Deorum stand, nach all den zahllosen Tempeln, welche er in Achaia und Rom hatte aufgesucht, nach all den Jahren, welche er in Rom zwischen monumentalen Bauwerken wandelte, gereichte der Eintritt in den Tempel der capitolinischen Trias, respektive die cella des Iuppiters noch immer dazu, Gracchus in ehrfürchtiges Schweigen zu versetzten, derart gewaltig war dieses Bauwerk, derart majestätisch die gigantische Statue des Göttervaters, gleichwohl überkam ihn mit der vertrauten Atmosphäre aus Licht, Rauch, Knistern und Wärme eine Ruhe, welche nur die Nähe zu den Göttern zu evozieren im Stande war. Gracchus glaubte nicht an menschenähnliche Götter, die emotionalen Schwankungen waren unterlegen wie jene des griechischen Pantheons, er glaubte nicht einmal daran, dass die Götter sich um die Belange der Menschen übermäßig scherten, doch er war überzeugt von den göttlichen Prinzipien und davon, dass wenn jene aus dem Gleichgewicht gerieten, sich dies auf die Sphäre der Menschen auswirkte. Das Leben war eine Welt des Ausgleiches, der immerwährenden Balance - und wo Disharmonie entstand, musste diese kompensiert werden, denn andernfalls sorgte das Leben selbst auf die ein oder andere - zumeist überaus unangenehme Weise - für diesen Ausgleich. Iuppiter war der Name des Prinzips des Herrschens, des Staates, das Urprinzip Roms und aller Römer, und Gracchus hatte dazu beigetragen, dieses Prinzip massiv aus seiner Bahn zu werfen. Das Gros des Ausgleiches hatte sich alsbald von selbst eingestellt - in Form eines Usurpators, eines Bürgerkrieges, in Form von Tod und Chaos -, doch es war nie zu spät, den Göttern zu opfern. Bedächtig wusch sich Gracchus die Hände in der Schale mit eiskalten Wasser, welche neben dem Eingang der cella auf einer steinernen Säule ruhte, zog sich sodann eine Falte seiner Toga praetexta über den Kopf und trat ein in das Haus des Iovis. Honiggolden flackerten die Flammen der Öllampen und Kerzen, ließen Schatten und Schemen über die Mauern des Gebäudes tanzen, ließen den flirrenden Rauch sich in die Höhe emporwinden gefräßigen Schlangen gleich und warfen ein Spiel auf das Antlitz der bunt bemalten Statue Iuppiters als würde dieser bereits seinen prüfenden Blick werfen auf den kleinen Sterblichen zu seinen Füßen.
"Iovis Optimus Maximus, Höchster aller Götter, Vater des Staates, Schirmherr von Recht, Treue und Wahrheit, gewähre mir Deine Aufmerksamkeit, denn hier stehe ich, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Vespasianus, vor Dir, um Dir zu geben, was längst Dir zusteht."
Sciurus, sein ewiger Schatten, stand bereits ein wenig zur Seite mit einem Korb voll Opfergaben, aus welchem Gracchus eine Schale mit fein geraspeltem Aloeholz nahm. Süßlich stieg der Duft empor als die Späne auf den glimmenden Räucherkohlen landeten, und in einem marginalen Augenblicke von rationaler Überlegung stellte der Flavier weit hinten in seinen Gedanken sich die Frage, ob er jenen Duft, welchen er selbst durch seine Nase einzog, dem Göttervater gleichsam vorenthielt. Aus einer silbernen Kanne goss er sodann rotfarben perlenden Wein in den Opferstein zu Iuppiters Füßen - ein vorzüglicher Tropfen von den Westhängen des Vesuvius, welcher bei jedem Staatsopfer vergeudet gewesen wäre den Göttern zu verkosten.
"Iovis Optimus Maximus, es war niemals meine Intention, was letztlich aus meinen unbeda'hten Handlungen geworden ist, ich war überzeugt, dass all dies zum Wohle Roms geschieht und doch - ich habe Dein Recht gebrochen, ich habe Deine Treue geschändet, ich habe Deine Wahrheit destruiert, nicht weniger ist meine Schuld als ein Bürgerkrieg, welchen ich über Dein Imperium gebracht habe, nicht weniger als Chaos, Ver..wüstung und Tod."
Einige kleine Opferkuchen platzierte der Flavier vor dem bronzenen Adler des Iuppiter, ehedem er seinen Blick empor wandte.
"Iovis Optimus Maximus, hier stehe ich, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Vespasianus, und frage Dich, wie es sein kann, dass ich noch immer hier stehe? Wo waren Deine zornigen Blitze, die mich aus dieser Welt tilgten, wo war Dein aufgebra'hter Adler, der mir das Herz aus dem Leibe riss, wo war Dein erzürnter Donnerkeil, der mich zwischen seinem Grollen zermalmte?"
Tiefe Furchen zeichneten sich auf Gracchus' Stirne ab als er mit all seinen Fragen die steinerne Statue belangte, welche ihm doch keine Antwort gab.
"Iovis Optimus Maximus, Du hast Dir längst von Rom genommen, was ich, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Vespasianus, Dir schuldig war, Du hast Dir von Rom genommen, was Dir zustand. Ich bitte Dich, Iovis Optimus Maximus, fordere nicht mehr noch von Rom ein, sondern nehme meine Gaben als Ausgleich für meine unbedachte Ver..fehlung."
Noch immer kräuselten sich feine Rauchkringel in die schwindelerregende Höhe der cella empor, noch immer tanzten und knisterten die Flammen der Kerzen und Öllampen leise - und noch immer schwieg der gewaltige Iuppiter vor ihm. Und doch war diese Atmosphäre - gewichtig und bedeutsam, dabei gleichsam friedlich und gelöst von allem Profanen - etwas, nach dem Gracchus sich so sehr sehnte, denn wenn er niemals auch nur ein Wort von den Göttern würde vernehmen, so barg doch bereits ihr Schweigen mehr Antwort als alles Wort, das jemals von einem Menschen gesprochen worden war. Dennoch - denn deplorablerweise war der Tempel Eigentum eines gesamten Imperiums - wandte der Flavier sich schlussendlich um, die cella zu verlassen, verharrte jedoch als er durch die große Türe hinaus auf das Podest des Tempels trat. Ein wenig öffnete sich Gracchus' Mund während seine Züge sich glätteten und er überwältig vom Anblick der Schönheit keinen Gedanken mehr konnte fassen. Im Osten, hinter Palatin und Cealimontium, hatte die Sonne sich ein Stück weit über den Horizont geschoben und tauchte die Hügel Roms in einen orangegoldfarbenen Schein, während im Tal des Tibers noch ein Schleier aus Nebel hing, während die tiefblaufarbene Dunkelheit der Nacht vom Firmamente wich und einen hellen, von feinen, pudrigen Wolken überzogenen Himmel zurückließ. Sie war so wunderschön, diese Stadt, dass es Gracchus schmerzte, dass sein Herz zerspringen wollte im Gedanken daran, dass er sie beinahe der Zerstörung hatte preisgegeben.
"Hier vor Deinem Tempel stehend, Iovis Optimus Maximus, will ich Dir geloben, dass mein Streben immer Rom gelten soll, mehr als je zuvor, und was immer die Götter mir zum Wohle Roms be..stimmen, ich werde es annehmen."
Die kühle Luft des Morgens konnte Gracchus nichts anhaben als er die Treppenstufen hinabstieg zum steinernen Opferaltar, vor welchem bereits die Widder angekettet waren. Routiniert durch die langjährige Praxis seines Amtes bereitete er das blutige Opfer vor, reinigte die Teilnehmenden - letztlich nur seine Sklaven und eine Hand voll Tempelbediensteter -, wusch noch einmal seine Hände, weihte die Tiere dem Iuppiter mit einigen Tropfen Wein über ihre Köpfe und überantwortete sie ihm durch die rituelle Entkleidung mit der Klinge seines kultischen Amtes.
"Iovis Optimus Maximus, Höchster aller Götter, Vater des Staates, Schirmherr von Recht, Treue und Wahrheit, hier stehe ich, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Vespasianus, um Dir zu geben, was längst Dir zusteht. Diese drei Widder für Dich, Höchster und Größter, für Deine Na'hsicht, für Deine Gunst!"
Er trat zu dem ersten der Widder und fasste diesen am Horn, stach ohne Zögern mit der eisernen Klinge seiner secespita in dessen Kehle, hielt das Tier in seinem Griff bis dass es aufhörte sich zu regen, ehedem er den noch immer blutenden Leib zu Boden sinken ließ. Während die Sonne gänzlich vom Horizont sich löste folgte die Konsekration des zweiten Widders, und auch das dritte Tier selbst in die Gefilde der Götter zu überführen ließ Gracchus sich nicht nehmen, obgleich es ihm kein leichtes mehr war, das mittlerweile unruhige Tier am Horn fest zu packen. Seine Toga war längst mit blutigen Flecken versehen, doch was war der Wert einer Toga im Vergleich mit der Gunst der Götter - abgesehen davon, dass Gracchus ohnehin keine Vorstellung vom Wert einer Toga besaß. Ein victimarius des Tempels stand bereit, um die Tiere auszunehmen und schlussendlich dem Flavius zur Begutachtung vorzulegen. Es waren drei gesunde, kräftige Widder von einem Hof vor den Toren der Stadt gewesen, in der Blüte ihres kurzen Lebens stehend, ob dessen auch ihre Eingeweide makellos waren, der Flavier keine Anomalitäten an den vitalia finden konnte.
"Litatio"
, flüsterte er ein wenig erleichtert mehr zu sich selbst, ehedem er sich dem victimarius zuwandte.
"Die vitalia für Iuppiter, der Rest für den Tempel."
Während die Tempeldiener sich daran schafften, die Tiere zu erlegen, trat Gracchus ein Stück weiter auf den Tempelvorplatz hinaus und blicke der Sonne entgegen. Iuppiter war der Schirmherr der Gerechtigkeit, der Wahrheit und der Treue, und doch hatte er davon abgesehen, Gracchus allzu tief in den Schlund seines eigenen Chaos' stürzen zu lassen. Allfällig war sein Vergehen nicht einmal der Anfang allen Übels gewesen, hatte es lange vor ihm begonnen, allfällig hatte Rom all dies heraufbeschworen, weshalb letztendlich auch Rom dafür hatte bezahlten müssen. Es war ein merkwürdiger Gedanke, ein wenig beruhigend, doch gleichsam ebenso verstörend. -
Auf ein Nicken Gracchus' hin verkündeten die Herolde das "favete linguis!" bis dass auch das letzte Gemurmel auf dem Tempelvorplatz erstarb oder von den eintönigen Klängen der tibicenes übertönt wurde, den Pontifex nicht mehr störte in seiner Konzentration auf die uralte, rituelle Opferformel in der alten Sprache der Latiner, deren wortgetreue Bedeutung seit langem bereits vergessen war. Minor war es, welcher hernach ihm eine Schüssel mit Wasser zur Handwaschung, wiewohl das mallium latum reichte, mit welchem Gracchus sich zweifelsohne am liebsten nicht nur die Hände, sondern ebenso den Schweiß aus dem Nacken hätte getrocknet. Ohne indes dies auf seinem Antlitz auch nur anzudeuten, wandte er sich dem Opferstier zu, welcher nun ebenfalls Anzeichen zeigte, dass die pralle Sonne ihm nicht gänzlich bekam. Aus der Nase des Tieres perlten feine Schweißtropfen und auch das gekalte Fell glänzte nicht ganz so schimmernd im Lichte der Sonne, da Schweiß sich darin hatte abgesetzt. Titus reichte seinem Vater die mola salsa an, mit welcher dieser über die Stirne des Tieres strich und es somit dem Neptun überantwortete, sodann übergab Fusus ihm das Opfermesser, womit der flavische Priester die rituelle Entkleidung durchführte und den Stier somit zumindest von der wollenen dorsule befreite, welche auf seinem Rücken lag, ehedem er sich dem heißen Sommerhimmel zuwandte, um das Opfergebet zu sprechen.
"Neptunus aeternus, Herr allen Wassers,
Herrscher über Ozeane und Flüsse,
König über das blaue Gold,
Gebieter aller Quellen und fließenden Gewässer!
Dir weihen wir unsere heiligen Riten,
Unsere Gebete und Entsühnungen, erhabenster Ursprung allen Flusses,
Für Deinen lebenspendenden Segen, der durch unsere Stadt fließt,
Mannigfaltiger, der Du uns erquickest uns mit endloser Fülle im Übermaß!
Denn Dein quellendes Nass ist unser Anfang,
Dein endloser Fluss ist unser Leben,
Dein tiefes Reich ist unser Rei'htum!
Mannigfaltiger, nimm Du unsere Gabe,
Glückverheißender, hör unser Gebet, und gib uns schuldloses Heil,
Mit Frieden, divus Neptunus, und dem notwendigen Wohlstand!"
Ein Schluck Flüssigkeit, dies war es tatsächlich nach was Gracchus nun dürstete, doch noch war der Pflicht nicht genüge getan. Der Schlächter forderte das "Agone?", was der Flavier mit dem
"Age!"
beantwortete, woraufhin ein Opferhelfer den Stier mit einem Schlag des bronzenen Opferhammers auf den Hinterkopf betäubte, während beinahe im gleichen Augenblicke noch der cultrarius das Opferbeil in die Kehle des Tieres schlug. Nicht das Wasser des Neptunus war es, welches auf den ausgedörrten Boden spritzte, sondern rotfarbenes Blut, welches sich über die Steine verteilte und ob der großen Hitze bereits nach wenigen Augenblicken zu gerinnen begann. Nicht nur ob dessen eilten sich die Opferhelfer mehr als sonstig, das Tier auszunehmen, denn der Geruch toten Fleisches zog in dieser Jahreszeit nur allzu schnell Mücken und Ungeziefer an. Gracchus wartete derweil am steinernen Opferaltar auf die vitalia und er glaubte die Luft über dem massigen Stier flimmern zu sehen, fragte sich einen Augenblick, ob dies nur die Hitze war oder ein göttliches Zeichen. -
Gracchus war ein wenig erleichtert, dass Cornelius ohneweiters zustimmte, dass dies nicht gewesen war, was sie hatten erreichen wollen, gleichwohl dass er den versäumten Obliegenschaften wollte nachkommen und nicht darauf vertraute, dass die Wellen der Zeit alle Wunden, allen Gram, allen Zorn und alles Unrecht würden hinweg spülen. Denn die Zeit heilte nichts von selbst - dies war Gracchus nur allzu bewusst -, und sofern man geneigt war zu lange in Lethargie zu verharren, kappten die Parzen letztlich nur den ein oder anderen der verworrenen Schicksalsfäden, so dass auf ewig die Möglichkeit genommen war, jene zu entwirren, dass Wunden, Gram, Zorn und Unrecht sich in das Selbst einfraßen für alle Ewigkeit. Ein wenig verlegen realisierte der Flavier, dass er aus Scham vor die Götter zu treten selbst ebenfalls diesen noch einiges schuldig war, insbesondere als Serapio neuerlich die Fakten präsentierte, neuerlich die Auswirkungen seiner Taten - Tyrannei, Krieg, Gemetzel - elaborierte. Doch auch die Worte über Verantwortung trafen ihn zielsicher, erinnerten ihn an den Zweck dieses Treffens, an seinen kläglichen Versuch, ein wenig seiner Verantwortung zu tragen, auch nur ein winziges, marginales Aufglimmen von Versöhnung zu erringen.
"Um jene Gerechtigkeit einzufordern, diese Untaten zu ermitteln und präzise zu recherchieren bedarf es eines Mannes, welcher zu dieser Zeit nicht unter deinem Befehl stand, Cornelius, welcher nicht am Einmarsch beteiligt war und auch sonstig keine Ver..bindungen zu deinen Truppen hatte. Gleichwohl ist die Gefahr groß, dass bei einer solchen Ermittlung Dinge aufgewühlt werden, welche wir unter dem Staub des Krieges verborgen wissen möchten, welche die Wahrheit, die wir geschaffen haben, in Gefahr könnten bringen - denn diese Gefahr ist längst nicht ver..gangen. Es bedarf darob eines Mannes, welcher zu separieren weiß, wann eine Ermittlung zu tief vordringt, wann sie schlafende Hunde zu wecken imstande ist und wann eine Information gefahrenträ'htig ist für den Status quo, denn letztendlich ist es noch immer ein schmaler Grat den wir gehen zwischen der Einigkeit und Eintracht des Reiches und einem neuerlichen Sturz ins Chaos."
Gracchus ließ offen, ob das Imperium in diesem Falle mit ihnen würde stürzen - doch Cornelius und er würden es zweifelsohne.
"Von den Männern, die mit uns begonnen haben, kommt niemand für eine solche Untersuchung in Frage."
Letztendlich waren ohnehin nicht viele von ihnen übrig.
"Und selbst den Vertrauensvollsten aller Männer in all die Details der Vergangenheit einzuweihen, um die notwendige Entscheidungsgrundlage ihm zu bieten, halte ich für überaus riskant."
Kurz blickte Gracchus zu Serapio, um sogleich wieder Palma zu fixieren. Obgleich er zu Beginn des Gespräches durchaus noch Zweifel hatte gehegt, dass Faustus ihnen nicht allfällig doch schlichtweg nur die Kehlen würde durchtrennen wollen, so zweifelte er doch längst nicht mehr an Serapios Worten, war überzeugt davon, dass jener seinen Eid nicht leichtfertig würde versprechen.
"Decimus Serapio aber kennt alle Details, ist sich der Brisanz jeder einzelnen Information zweifels..ohne mehr als bewusst, stand während des Bürgerkrieges nie unter deinem Kommando und hat den Einmarsch nach Rom auch nicht mehr als Soldat miterlebt. Weiters hat er während seiner Zeit bei den Praetorianern bewiesen, für solche Ermittlungen mehr als tauglich zu sein - gerade in Anbetra'ht dessen, was er über uns hat herausgefunden -, und wer könnte besser geeignet sein, deinen unvoreingenommenen Willen zu Gerechtigkeit in dieser Angelegenheit zu verdeutlichen als jener Mann, der nach dem Bürgerkrieg zu Unre'ht zum Feinde Roms stilisiert wurde nur weil er für das Rom kämpfte, an welches wir alle glauben? Wer könnte besser geeignet sein als er, der alle Details deiner - unserer - Ver..gangenheit kennt und dennoch bereit ist, dem Kaiser des Imperiums, dir Cornelius, zum Wohle Roms zu dienen?" -
Gracchus erster Gedanke einer Replik war es zu kommentieren: Es ist so, da es schon immer so war - jedoch wäre dies vermutlich nicht sonderlich zielführend gewesen, ob dessen er nach kurzer Reflexion ein wenig länger ausführte:
"Nun, obgleich kaum wohl jemand über die ursprüngliche Intention der damaligen, das Gesetz erlassenden Staatsmänner Kenntnis hat, so handelt es doch augenscheinlich sich schlichtweg um eine Gewi'htung der Priorität, der Couleur einer Aufgabe, sowie persönlichem Besitzstand. Zweifellos ist dir geläufig, dass diese Restriktion der Lex Mercatus nicht nur Angehörige des Cultus Deorum tangiert, sondern ebenso Mitglieder des Exercitus Romanus. Sofern du jenen Personenkreis und deren Aufgaben nun mit den von dir exemplarisch erwähnten kaiserli'hen Beamten in Relation setzt, mag dir allfällig bereits das Spezifikum jener Professionen augenfällig werden: während der kaiserliche Beamte am Nachmittage sein Amt verlässt und erst am nächsten Morgen wieder antritt, während er an Feiertagen gar von diesem Amt befreit ist und während er jederzeit aus einer Laune heraus diese Stellung aufkündigen, res..pektive sie ihm genommen werden kann, hört weder ein Aedituus oder eine Vestalin, noch ein Miles oder Optio zu irgendeiner Zeit des Tages oder Jahres auf, jene Rolle auszufüllen. Während also der kaiserliche Beamte durchaus eine geregelte Zeit finden mag, zu welcher er für die Belange seines Betriebes Sorge trägt, ist dies weder für Angehörige des Cultus Deorum, noch des Exercitus Romanus gewährleistet, respektive würde die Notwendigkeit solcherlei Betätigung darin resultieren können, die Angehörigen jener Professionen von ihren eigentlichen gewichtigen Pfli'hten abzuhalten. Der Ordo Equester hinwieder ist ein Garant für Besitz, und Besitz gewährleistet die obligaten Mittel, andere mit der Verwaltung der Betriebe zu betrauen, so dass gleichermaßen die Ausführung des eigenen Amtes nicht gefährdet wird."
Nach einer kurzen Pause, in welcher er durch das Anheben seiner Linken unterstich, dass er noch nicht fertig war, fuhr Gracchus fort.
"Die oberste Pflicht der Vestalinnen Rom gegenüber ist doch un..bezweifelt das heilige Feuer zu hüten und der göttlichen Vesta zu dienen, und dies sollte unbehelligt geschehen von jeder profanen Sorge um Gedeih und Verderb eines Betriebes, um Gewinn und Verlust profaner Einkünfte."
In diesem Augenblicke kam dem Flavier der Gedanke, dass dieser Causa allfällig ein gänzlich profaner Anstoß mochte zugrunde liegen.
"Sofern deine Empörung über jenes Gesetz indes ihren Ursprung darin sollte haben, dass es den Sacerdotes an irgendetwas mangelt und ihr ob dessen nach Opportunitäten zusätzli'her Einkünfte sucht, so zögere nicht, dies anzusprechen, denn dies wäre zweifelsohne eine Angelegenheit, welche es unverzüglichst zu lösen gilt." -
Tatsächlich gereichte die Saturnalien-Nachfrage einige Augenblicke dazu, Gracchus von seinem Gram abzulenken, wenn auch die Frage nach den Plänen ihm nicht gänzlich erschließbar war, denn die Flavier selbst kümmerten sich nicht selbst um diese Planung, sondern beteiligten sich schlichtweg an dem, was der Maior Domus und der Vilicus vorbereiteten - was zwar stets dem Grundgedanken der Saturnalien entsprach, dabei jedoch selbstredend nicht außer Acht ließ, dass nach den Saturnalien alle zu dem gewohnten Verhältnis zurückkehrten. Er wollte bereits einen solchen Gedanken äußern als Prisca das Gespräch zurück auf die Hochzeits-Planung brachte, im gleichen Atemzug dabei jedoch eine Angelegenheit ansprechend, die Gracchus gänzlich neu war und dazu gereichten, dass seine linke Braue ein wenig empor wanderte. Es war ihm nie ein leichtes, die Stimmung einer Gesellschaft zu erfassen, doch sofern seine eigenen Affekte zudem sich in den Vordergrund drängten war ihm dies beinahe unmöglich. So entging ihm in seiner Verwunderung nicht nur das Ausmaß Priscas Zorn auf ihren Vetter, sondern gleichsam der Hauch trotzigen Aufbegehrens in Minors Replik.
"Die Spiele zu Ehren des Flavius Scato?"
fragte er verwundert nach und überging dabei gänzlich die Äußerung seines Sohnes. Erst als die Frage offen im Raume schwebte wurde Gracchus bewusst, dass dies allfällig etwas war, über das er eigentlich sollte informiert sein. Kurz suchte er den Blick Sciurus', welcher jedoch gänzlich nichtssagend war, ehedem er eilig fortfuhr, so als wären seine Worte keine Frage gewesen, sondern schlichtweg eine Einleitung.
"Es entfacht durchaus meine Neugier, Aurelia, was du uns dazu beri'hten kannst. Gibt es denn bereits einen angedachten Termin?"
Zweifelsohne hatte Prisca sich nur ein wenig unglücklich ausgedrückt, denn wer würde Spiele zu Ehren Scatos veranstalten und aus welchem Grunde, so dass wohl eher sein Neffe jene Spiele wollte ausrichten - zu wessen Ehren auch immer. -
Zitat
Original von Flavius Serenus
... Manius Flavius Gracchus liegt seit Dienstag im Krankenhaus. Es wird weder im IR mitgelesen noch getippt. Antworten können dauern. ...
Letztendlich war der Blinddarm der Übeltäter. Ich bin nun wieder zuhause und werde mich allmählich einlesen, Beiträge folgen vermutlich im Laufe der Woche. -
Weiterhin überaus distanziert vernahm Gracchus die Worte von Übermut und Gedankenlosigkeit, konnte nicht ganz aus diesen erkennen, ob dies eine Art Abbitte sollte sein, da Vala letztlich davon sprach, dass er noch immer von der Ursache, respektive scheinbar also von der Richtigkeit des Anstoßes, war überzeugt, nur nicht von seiner eigenen forschen Art. Doch noch ehedem der Flavier dies konnte zu verifizieren suchen, schwenkte der Duccier von sich selbst fort zu seiner Familie hin und was er letztlich am Ende seiner kleinen Rede vorschlug, um was er bat, ließ Gracchus einige Augenblicke gänzlich ohne Worte. Seine linke Braue wanderte ein wenig empor, marginal nur und doch sichtbar, was zweifelsohne leicht als ein Ausdruck aristokratischer Überheblichkeit mochte missdeutet werden können - denn diese Bitte war zweifelsohne nichts, was er auch nur im Entferntesten von diesem Gespräch hatte erwartet, gleichwohl war er sich nicht sicher, ob dies nun Naivität, Impertinenz, Verzweiflung oder Mut war, was sein Gegenüber antrieb.
"Du hast Recht, Senator"
, erwiderte Gracchus nach einigen Augenblicken, in welchen das Schweigen zwischen ihnen die Lautstärke des Forum Romanum überdeckte.
"Dein Handeln beeinflusst die Reputation deiner Familie, wie unser aller Handeln die Reputationen unser Familien be..einflussen, doch in deinem Falle bist du in Rom deine Familie, so dass um dieser deiner Familie willen es zu hoffen steht, dass deine Taten deinen Worten in Zukunft tatsä'hlich folgen werden. Gleichwohl gibt es zweifelsohne im Lichte jeder Familie dunkle Flecken, wiewohl ich nicht zu jenen Menschen gehöre, welche danach trachten ein Licht auszulöschen, um die Dunkelheit dahinter zu dekuvrieren. Sofern dein junger Ver..wandter sich in den Dienste Roms stellen möchte, wird er von meiner Seite aus keinen Groll zu fürchten haben, gesetzt den Fall, dass er nicht selbst einen Anlass hierfür bietet."
Nach einer kurzen rhetorischen Pause zur Pointierung des nachfolgenden fügte er hinzu:
"Ihn jedoch als meinen Klienten und Tiro anzunehmen, dies ist schli'htweg ausgeschlossen."
Da Vala die Gründe dessen vermutlich nicht ganz einsichtig mochten sein - sonstig hätte er diese Bitte kaum ausgesprochen -, führte Gracchus dies weiter aus.
"Es ist mir nicht daran gelegen, an den Verwerfungen zwischen unseren Familien festzuhalten, doch das, was geschehen ist, war nicht nur eine kleine Kontroverse, Duccius, es war eine öffentli'he Invektive gegen die Flavia, welche einen solche offizielle Verbindung - die auch auf Ver..trauen basiert - unterbindet."
In Hinblick auf Beleidigungen ihrer Familie waren die Flavier seit jeher überaus nachtragend, doch selbst so dies nicht der Fall wäre gewesen, hätte Gracchus durchaus gezögert. Er fand keinen großen Gefallen an der Politik, widmete sich weitaus lieber seinen kultischen Pflichten - schob diese bisweilen gar den politischen als Vorwand vor -, ob dessen er sich nicht eben sonderlich prädestiniert dafür sah, einen Tiro an seiner Seite auf ein Leben der politischen Praxis vorzubereiten.
"Ich würde dir empfehlen, dies Ansuchen an die Consulare Purgitius oder Decimus anzutragen, schlussendlich haben jene vorzüglich bewiesen, dass auch Männer ohne lange Ahnenreihe bis an die Spitze des Imperiums vordringen können ohne dabei allzu viel zu wüten und zu poltern, im Gegenteil dabei dur'haus den Respekt des Senates - den meinen im Übrigen eingeschlossen - genießen." -
Sciurus nahm eben jenen Brief an der Türe entgegen, brach hernach das Siegel und verkündete seinem Herrn: "Ein Brief deines Onkels Aetius."
"Ah, wunderbar, lies vor!"
wies der Flavier den Sklaven an, voller Zuversicht, dass Aetius in Hinblick auf die Verbindung zwischen seiner Tochter und Tiberius Lepidus informiert über alle Fakten zweifelsohne einsichtig gewesen war. Doch bereits der erste Satz des Schriftstückes belehrte ihn eines Besseren, während die weiteren Worte eine unterschwellige Wut in Gracchus evozierten, ein Aufwühlen seines Innersten, ein Hauch von Aufbegehren gegenüber seinem Onkel, gleichwohl eine gewisse Ohnmacht ob der Unmöglichkeit dieses Begehrs, dass er seine Kiefer fest aufeinander presste und seine Hände sich zu Fäusten ballten. Wie konnte Aetius nur derart blind sein für die Belange der Flavia in Rom, derart egoistisch über das Wohl der Familie hinweg entscheiden, sich derart verschließen vor den Auswirkungen dieser Ehe! Indes, als Sciurus zu Aetius' Worten bezüglich des Verrufes gelangte, sackte aller Furor in sich zusammen, traf der Dolch seines Onkels mitten in Gracchus' Herz.
"Leontia …"
, echappierte ein Seufzen seinen Lippen und das Wohl und Ansehen Domitillas war nurmehr eine ferne Erinnerung. Selbstredend konnte Gracchus niemals seine geliebte Base vergessen, doch aus reinem Selbstschutz heraus schwelgte er dabei nur in Gedanken an sorglose Tage, an Leontias hehre Leichtigkeit und Esprit, an die Augenblicke unbeschwerten Vergnügens, welcher er im Laufe der Jahre scheinbar gänzlich war verlustig gegangen. Regungslos starrte er nun auf die hölzerne Platte seines Schreibtisches, sein Blick trübe und sein Antlitz blass. Obgleich Aetius ihm weit mehr zürnte des vermeintlichen amourösen Abenteuers wegen, so kam Gracchus doch nicht umhin, sich einzugestehen, dass er es gewesen war, der leichtfertig Leontias Leben hatte gefährdet und letztendlich für ihren Tod verantwortlich war. Und nicht nur Leontia lastete auf seinem Gewissen - hatte er nicht am Ende noch jeden ins Unglück gestürzt, welchen er suchte zu beschirmen? Eine Weile lang senkte sich Stille über den Raum, Sciurus verharrte reglos abwartend an seinem Platz, während Gracchus im Inneren seine Kämpfe ausfocht - und dabei verlor, gegen Aetius, gegen die Vergangenheit, gegen sich selbst. Domitilla hatte ein gutes Leben verdient und womöglich hatte Aetius Recht - es würde einen besseren Verlauf nehmen, wenn Gracchus nicht versuchte, für ihr Wohl Sorge zu tragen.
"Sieh nach, ob Domitilla im Hause ist."
Während Sciurus sich entfernte, suchte Gracchus sich adäquate Worte zurechtzulegen, scheiterte jedoch beständig bereits am ersten Satz.