Seinen Onkel Aetius und großes Glück hätte Gracchus zweifelsohne nicht in einem Satz erwähnt - es sei denn, welches großes Glück es war, dass Aetius nicht in der römischen Villa wohnte -, doch war er selbstredend zu sehr in den Ansichten seiner Welt verwoben als dass er dem Tiberius hätte widersprechen können, ob dessen er schlichtweg darauf schwieg. Weitaus interessanter war ohnehin Lepidus' Ansicht bezüglich der Ehepolitik, welche er ob seines fehlenden Wissens um die Motive der tiberisch-ducci'schen Ehe indes nicht einmal in die Nähe seiner eigenen mochte bringen, wiewohl er auch den kryptischen Worten über Schmuck und Flecke nicht gänzlich konnte folgen. War dies eine Andeutung, dass der hässliche Fleck Vala alsbald wieder aus der tiberischen Familie würde ausradiert werden? In Hinblick auf seine Erfahrungen mit Tiberius Durus traute Gracchus dieser Familie bisweilen durchaus einiges zu. Hinwieder wusste Lepidus nichts von Durus' Machenschaften - vermeintlichen wie tatsächlichen -, dass es Gracchus letzten Endes schlichtweg weiterhin schwer fiel, den Tiberius und seine Intentionen einzuordnen.
"Selbstredend bin ich gewillt die Confarreatio durchzuführen, wiewohl ich der Ansi'ht bin, dass es durchaus adäquat wäre, würde der Pontifex Maximus diese selbst vollziehen. Schlussendlich bist du nicht nur irgendein Traditionalist, Tiberius, sondern ein Mitglied des Collegium Pontificum. Ich werde Palma dies antragen, doch sollte er keine Zeit finden, so soll es daran nicht scheitern."
Ebenso wenig wie wenn er schlichtweg hinwegsterben würde, was zu diesem Zeitpunkt jedoch gänzlich unvorhergesehen war.
"Hast du bereits einen konkreten Termin anvisiert?"
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
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Selbstredend vollführte der Pontifex pro magistro selbst dies Opfer und während er an den kleinen Altartrisch heran trat, welcher im Senat war aufgestellt worden, dachte er einen Augenblick daran, dass es zu dieser Gelegenheit der Testamentsöffnung allfällig nicht das Schlechteste war, eine Schar an Liktoren vor der Curie postiert zu haben. Mit geübter Bewegung zog Gracchus eine Falte der Trauertoga empor, seinen Kopf zu bedecken.
"Favete linguis!"
erhob er sodann seine Stimme über die Senatoren hinweg und erschrak ein wenig, in welcher Lautstärke dies durch die weite Halle schallte. Mit ausladenden Bewegungen vollführte er die rituelle Reinigung über die Anwesenden und streute die alten Formeln kultischer Beschwörung murmelnd einige Körner Weihrauch über die steinerne Schale auf dem Altar, in welcher heiße Kohlen glimmten, so dass der Duft und Rauch alsbald durch dem Raume zog und ein wenig der Eindruck entstand als wäre dies eher ein Tempel als die weltliche Schaltzentrale der imperialen Macht. Ein Kulthelfer trat heran und hielt eine Lamm auf seinen Armen, so dass Gracchus darüber die Weihung des Opfers konnte vollziehen - was in Hinblick auf die Größe des Tieres zweifelsohne weitaus unspezifischer geschah als bei den großen blutigen Opfern eines Ochsen etwa. Nachdem der Flavier die secespita aufgenommen hatte wandte er sich ein wenig der Decke der Curia empor.
"Iovis Optimus Maximus, Hö'hster aller Götter, Vater des Staates und Bewahrer des res publica,
Seit der Gründung Roms beschirmst du das Volk der Quiriten und segnest uns mit Stärke und Weisheit,
Darum nimm diese Gabe und gewähre uns auch in dieser für Rom so schweren Stunde deine Gunst und beschirme Dein Volk!
Genius Appii Cornelii Palmae, Imperator Caesar Augustus, Lenker des Staates und des res publica,
Du hast dein Volk in den Frieden ge..führt und bist uns mit Stärke und Weisheit vorangegangen,
Darum nimm diese Gabe und gewähre uns auch in dieser für Rom so schweren Stunde dein Wohlwollen!
Iovis Optimus Maximus und Genius Appii Cornelii Palmae, in dieser Stunde da sich die Zukunft unseres Staates entscheidet,
Nehmt diese Gabe und gewährt uns Stärke, Weisheit und Frieden!"
Während ein weiterer Kulthelfer herantrat, eine goldfarbene Schüssel für das Blut bereit zu halten, nahm der Pontifex überaus bedächtig den Kopf des kleinen Lammes und hob ihn ein wenig an, durchtrennte sodann die Kehle des Tieres, welches ob all der beruhigenden Kräuter, mit welchen es gestopft worden war, nicht einmal recht realisierte, dass es dem verschiedenen Kaiser nun nachfolgte. Obgleich sie große Sorgfalt walten ließen, war nicht zu vermeiden, dass einige Tropfen des Blutes hinab auf den Boden der Curia fielen. Kleinen Explosionen gleich schlugen sie auf dem steinernen Grunde auf, formten ein Muster des allgegenwärtigen Todes, der so mannigfach mit diesem Ort verbunden war.
Kaisermörder!
, hallte es in Gracchus' Sinnen beim Anblick der rotfarbenen Flecken, und obgleich er suchte dies zu ignorieren, so drängte es doch mehr und mehr in seine Gedanken. Wozu hatten sie all dies Leid über Rom gebracht, wenn der Cornelier sich nun einfach davonstahl und das Imperium erneut der Gefahr eines Bürgerkrieges auslieferte!? Während der Flavier sich noch über diese Launen des Schicksals grämte, war der Bauch des Lammes mit schnellen, geübten Schnitten geöffnet und die vitalia entnommen, dass der Pontifex den Innereien des Tieres sich konnte zuwenden. Flüchtig begutachtete er Herz, Milz und Nieren, nahm schlussendlich die Leber auf und wollte sie bereits zurück legen, zögerte jedoch. Auf den ersten Blick war das Organ similär jenen dutzenden, hunderten allfällig, welche Gracchus im Laufe seines Lebens bereits hatte inspiziert, doch er konnte deutlich unter seinen Fingerspitzen die nodösen Verhärtungen erspüren, welche nicht den natürlichen Gegebenheiten makellosen Gewebes entsprachen. Seine Augen kniffen sich ein wenig zusammen und bei genauer Betrachtung waren auf der Oberfläche des Organes gar dunkle Verfärbungen zu entdecken, zweifelsohne nicht sichtbar aus den Reihen des Senates, doch für den Pontifex nun durchaus augenfällig. Verhalten blickte Gracchus empor und durch die Gesichter der Senatoren, welche erwartungsvoll auf die Öffnung des Testamentes warteten, von welchem die Zukunft Roms abhing, gänzlich unschlüssig, wie mit diesem Ergebnis zu verfahren war. Selbstredend war er es gewohnt, dem Volke Roms in Hinblick auf die Ergebnisse der Opferungen eine angepasste Wahrheit darzubieten - das Resultat wichtiger Opfer wurde schlussendlich an weltlichen Tischen entschieden, nicht an göttlichen. Hier in den heiligen Hallen des Senates indes war dies ein wenig different. Hier saßen nicht die einfachen Bürger, welche geleitet werden wollten, welche um staatstragende Angelegenheiten sich nicht mochten härmen, da ihre eigenen Sorgen über die Alltäglichkeiten des Lebens sie bereits genügend beschwerten. Hier saßen die wichtigsten Männer Roms, die - zumindest in der Theorie - weisesten Männer Roms, Männer die Geschichte und Geschicke eines Reiches lenkten. Gracchus' Blick blieb kurz an dem des Aurelius Lupus hängen, welcher mit ihm dazu hatte beigetragen, durch Hochverrat und Lüge Cornelius Palma erst auf den Thron zu bringen, kurz an jenem des Tiberius Lepidus, der so gänzlich ahnungslos war von den Macheschaften seines großartigen Verwandten Durus, und kurz an jenem des Senators, welcher den Sitz hatte eingenommen, auf welchen zu früheren Zeiten Vinicius Lucianus hatte oftmals Platz gefunden.
Kaisermörder!
Zähflüssig wie Honig rannen die Sekunden an Gracchus vorüber, noch immer hielt er die ungenügende Leber in Händen, noch immer war sein Blick dem Senat zugewandt, zu lange bereits währte sein Zögern, um nicht ersichtlich zu sein. Gleich welche Weisung auch das Testament enthielt, würde es am heutigen Tage nicht verlesen, würde nur die Dauer der Imponderabilität verlängert, würde die Gefahr wachsen, dass mächtige - machthungrige - Männer ihre Geduld verloren oder die günstige Gelegenheit ergriffen, dass die Sicherheit Roms bedroht war. Durch Hochverrat und eine gewaltige Lüge hatte die kaiserliche Karriere Cornelius Palmas begonnen, sie mit einer kleinen Lüge abzuschließen in der Hoffnung auf bessere Zeiten mochten die Götter Gracchus zweifelsohne nachsehen, die Last seiner eigenen Zweifel indes würde sich nurmehr vermehren. Er ließ den Blick sinken, gleichsam seine Hände und legte die Leber zurück.
"Litatio"
, sprach er sodann, weitaus zurückhaltender als er sonstig die Annahme eines Opfers verkündete, den Blick noch immer auf die vitalia gesenkt, ehedem er ihn hob, jedoch keinem der Senatoren direkt in die Augen sah, einen Punkt am anderen Ende des Raumes fokussierend.
"Iovis Optimus Maximus und der Genius des verstorbenen Imperator Caesar Augusts sind uns ge..wogen, dass das Testament des Appius Cornelius Palma geöffnet und verlesen werden kann."
Die Eingeweide würden während dieser Zeit weiterhin auf dem Altar verharren und erst nach der Sitzung verbrannt - und nur dass niemand sie würde mehr berühren und begutachten dürfen da sie bereits in das Eigentum der Göttlichen waren übergegangen, kalmierte Gracchus' aufgewühltes Gewissen ein wenig. Er säuberte seine Hände in einer Schüssel klaren Wassers, trocknete sie an einem rotfarbenen Tuch und schloss die Opferung mit einer rituellen Formel ab, ehedem er den Stoff seiner Toga wieder vom Haupte zog. Sein Anteil an diesem staatstragenden Akt war damit getan, sein Platz wieder der eines gewöhnliches Praetorius, und seine Zahl an Lügen, welche er für Cornelius und das Wohle Roms hatte gesprochen, um eine weitere erhöht, erneut in der zweifelhaften Hoffnung auf eine bessere Zukunft. -
Erzürnt presste Gracchus seine Kiefer aufeinander während sein Nachkomme sich über die Untauglichkeit seiner Entscheidung, wiewohl der Aurelia ereiferte.
"Wahrhaft es war die falsche Entscheidung!"
konzedierte er letztlich mit grimmender Couleur in der Stimme, welche mit jedem folgenden Worte ein wenig lauter wurde.
"Mit dir hätte ich sie augenscheinlich wohl vermählen sollen! Unglück hat sie Piso gebracht, wohl wahr, keinen Na'hkommen, keinen Erben, der seine Blutlinie fortführt! Es wäre folglich genau die rechte Frau an deiner Seite, denn allfällig wäre es besser, auch deine Blutlinie nicht fortzuführen, während ich mit einer anderen Gemahlin einen Stammhalter zeuge, der mehr Scharfsinn und mehr Gespür für eine adäquate Sicht der Dinge besitzt, sowie mehr Sinn für die Ver..bundenheit, welche unsere Familie auch über die agnatische Linie hinaus prägt!"
Er trat einen Schritt zurück und schüttelte enttäuscht den Kopf. Zweifelsohne hätten sie noch lange sich verbal duellieren können hätte Minor nur weiterhin die Aurelia, sowie ihn selbst attackiert, doch dass sein Sohn seinen Vettern bereitwillig die ihm widrige und Unglück bringende Witwe an die Seite wollte stellen, desillusionierte Gracchus gänzlich über dessen Intention.
"Dass du in deiner Naivität meine Entscheidung nicht na'hvollziehen kannst, ist eine Sache, Minor, aber dass du deine Vettern zu deinem eigenen kleingeistigen, imaginierten Nutzen übervorteilen willst, zeugt mir nur von deinem Übermaß an Arroganz und Hochmut!" -
Similär seinem Gaste erhob Gracchus den Becher.
"Auf unsere beiden Häuser."
Er trank einen kleinen Schluck, stellte den Becher ab und lehnte sich zurück, um sogleich auch den sprichwörtlich reinen Wein nachzuschenken.
"Auf die Ver..bindung zwischen unseren Häusern indes möchte ich nicht trinken."
Nach einer kurzen rhetorischen Pause, um diese Worte wirken zu lassen, fuhr er fort.
"Ich möchte ehrlich zu dir sein, Tiberius, diese Eheschließung findet auf Entschluss meines Onkels Cnaeus Aetius hin statt, und ich respektiere diese Entscheidung - doch sie findet nicht meine Zustimmung. Vor einiger Zeit noch hätte sie dies allfällig, denn obgleich deine Familie bereits in der Vergangenheit - selbst unter Durus - bisweilen eigentümli'he Vorstellungen über adäquate Eheschließungen bewiesen hat, so schätzte ich dich doch different ein, hegte die Hoffnung, mit dir würde allfällig gar eine neue Ära diesbezüglich anbrechen. Eine Ehe in plebeische Gentes ist für meine Familie ausgeschlossen, auch dann noch wenn jene gerade in die Nobilitas aufgestiegen sind, doch selbst in den plebeischen Reihen gibt es Nuancierungen und - nun, nicht nur aufgrund seiner Provenienz, sondern ebenso nach seinem Betragen in der Ver..gangenheit ist Duccius Vala zweifelsohne einer der letzten Männer, welchen ich in Relation zu unserer Familie möchte wissen. Domitillas Vater ist weit fort von Rom, er mag sich blenden lassen durch den Senatorentitel und das Consulat, doch sei dir gewiss, Tiberius, - ich persönlich würde meine Tochter niemals einem Manne zur Frau geben, welcher seine Schwester mit einem Emporkömmling dieses Formates verheiratet hat, und ich bedaure, dass Domitilla künftig gezwungen sein wird, den Duccier in ihrem engsten familiären Kreise zu tolerieren."
Somit war Gracchus' Position hinlänglich erläutert.
"Dies ist nichts, was von meiner Seite aus zwischen uns stehen muss - Ehepolitik und Politik müssen nicht immer koinzidieren, wiewohl es zweifels..ohne selbst innerhalb großer Familienbunde stets differente Ansichten diesbezüglich gibt -, doch es sollte dir gewahr sein, dass diese Verbindung der Familia Flavia Aetia gilt, nicht jedoch der Flavia Graccha." -
Gracchus hatte am Morgen bereits ein ausgiebiges Opfer in der Villa Flavia zelebriert - ein Hahn hatte sein Leben lassen müssen -, nicht jedoch für den Genius des verstorbenen Kaisers, sondern zu Ehren der Schutzgeister der flavischen Villa. Alle Eingänge des Hauses waren mit Balken gesichert, die Sklaven hatten Order niemanden außer den Bewohnern einzulassen, und die Bewohner die Order das Anwesen nicht zu verlassen. Palma hatte weder einen Sohn hinterlassen, noch öffentlich einen Caesar bestimmt, und in Anbetracht der Ereignisse des letzten Kaiserwechsels schien es Gracchus nur allzu denkbar, dass erneut ein Bürgerkrieg über Rom würde einbrechen. Ein wenig Konsternierung zeigte sich darob auch auf dem Antlitz des Flaviers, nicht aus Trauer über den Verlust Palmas, sondern aus Bangen vor der Zukunft Roms.
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Sukzessive hob sich Gracchus' linke Braue - stets ein kleines Stück auf die Eröffnung der Decima hin, die Erläuterung des Iuliers, den Kommentar des Germanicus, sowie den Wortwechsel zwischen Tiberius und Iulius - bis dass es beinahe so aussah als wolle sie ein Antlitz verlassen. Tatsächlich jedoch waren es nicht die Worte der Teilnehmer am Consilium, sondern schlichtweg die Tatsache, dass der Cornelier das Urteil über Vinicius Lucianus noch nicht hatte aufgehoben. Groll stieg in Gracchus empor, entfacht durch das Desinteresse des Augustus an seinem persönlichen Desideratum, geschürt nun durch die Vergegenwärtigung, dass Palma augenscheinlich nicht einmal daran dachte, die Ehre seines Mitkonspiranten wiederherzustellen, der schlussendlich sein Leben hatte dafür gegeben, dass der Cornelier heute auf dem Thron saß.
"Ich stimme Iulius zu, es ist an Cornelius, Vinicius Lucianus zu rehabilitieren. Ho'hverrat ist keinesfalls eine Lappalie, und wird es wohl kaum für den Augustus sein"
, sprach der Hochverräter über den Hochverrat des Hochverräters, über welchen der Hochverräter würde entscheiden sollen. -
Sim-Off: Da Elysiums-IDs bekanntermaßen nicht mehr schreiben können, gehe ich davon aus, dass Palma nach seinen Worten den Raum verlassen hat, um somit mit Abschluss dieses Threads auch anderweitig auf das Ableben des Kaisers reagieren zu können …
Durchaus konnte Gracchus ein Stück weit die Argumentation des Cornelius nachvollziehen, dass er Serapio nicht vertraute und ihm darob sein Leben nicht wollte anvertrauen, doch als er schlussendlich jedes weitere Wort unterband und ohne den geringsten digitus des Entgegenkommens den Raum verließ, blickte der Flavier einige Augenblicke mit offenem Munde die hinter dem Kaiser wieder geschlossene Türe an. Mochte es auch Serapios Schicksal sein, ob dessen sie sich ursprünglich hier hatten eingefunden, so war dies in diesen Augenblicken Gracchus gänzlich unbedeutend, glich der Abgang des Imperators doch einem Schlag ins flavische Gesicht, glich die Überheblichkeit Palmas doch einem offenen Affront. Nicht nur an diesem Tage, auch bereits zuvor bei seiner ersten, wie zweiten kaiserlichen Audienz hatte Gracchus mehr als eindringlich diesem deutlich gemacht, wie viel ihm an Faustus' Schicksal lag, hatte ihn nachdrücklich ersucht, in seiner Macht die Widrigkeit der verzerrten Wahrheit zu tilgen, doch Palma - obgleich er sich verständnisvoll und gönnerhaft gebar - rührte nicht einmal den kleinen imperialen Finger, überging das Ansuchen des Flaviers als wäre er nur eine lästige Fliege auf den kaiserlichen Edikten. Wut stieg in Gracchus empor, Zorn und Ingrimm - denn ohne sein Zutun hätte der Cornelier nicht einmal von der Konspiration Kenntnis erlangt, wäre nach dem gescheiterten Attentat auf Salinator ebenso nur Zuschauer der Ereignisse gewesen wie viele andere Senatoren auch.
"Dieser ho'hmütige Blender … "
, knurrte Gracchus.
"Möge er im Schlaf an seinen verlogenen Worten er..sticken!"
Abrupt stand er auf, Serapios beinahe nicht mehr gegenwärtig. Obgleich er nicht genau wusste, was er zu tun gedachte - ganz zu schweigen davon, dass seine Feigheit und Furcht ohnehin ihm jegliche fanatische Tat würden zu verhindern wissen -, mochte der aufwallende flavische Furor in ihm nicht akzeptieren, dass er letztlich nur dazu hatte beigetragen, den einen Ignoranten gegen den nächsten auszutauschen. Zu viel hatten sie in Bewegung gebracht, zu viel Blut vergossen und zu viel Schrecken über das Imperium Romanum gezogen, als dass Gracchus sich in dieser Causa mit ein paar überheblichen Worten mochte abspeisen lassen.
"Diese Angelegenheit ist noch nicht beendet!"
fuhr er Serapio an als wäre es der Decimer gewesen, welcher ihn hatte diskreditiert, ehedem er sich zur Türe wandte und ungehalten den Raum verließ. Hätte Gracchus in diesem Augenblicke bereits geahnt, dass die unergründlichen Launen der Götter den Kaiser nur wenig später bereits im Schlaf tatsächlich an seinen Worten ersticken ließen und so dem Flavier jede Gelegenheit raubten, diese Angelegenheit zu einem Ende zu bringen - allfällig wäre er schlichtweg mit seinem Kopf gegen die verschlossene Türe gelaufen. -
Während die nächste Invektive eher noch dazu gereichte, Gracchus' Furor weiter anzuheizen - denn obgleich er beständig von seiner Feigheit geleitet und dieser sich allzu oft auch schmerzlich bewusst war, so konnte er doch unmöglich diesen Vorwurf aus extrinsischer Quelle zulassen -, so trafen ihn die nachfolgenden Hass-Bekundungen seines Sohnes stärker als jedes Geschoss es hätte vermocht. Einerseits stellte für ihn selbst Hass eine der stärksten Emotionen überhaupt dar - immerhin Ursache für die schrecklichsten Gräueltaten der menschlichen Geschichte -, so dass er dieses Wort kaum je überhaupt gebrauchte in Bezug auf eigene Empfindungen, andererseits war es auch eben jene Emotion gewesen, welche er zuletzt seinem eigenen Vater hatte entgegen gebracht, respektive in seiner jugendlichen Wahrnehmung zu empfinden hatte geglaubt.
Alles wiederholt sich
, konnte er seinen Vater in Gedanken vernehmen, gefolgt von einem lauten, spöttischen Lachen.
"Minor!"
versuchte er gleichsam seinen eigenen Sohn zurück zu halten und just in jenem Augenblicke, da der Name dessen gesprochen war, schien es beinahe als hätte er tatsächlich eine Macht über ihn, da Minor über die Schwelle der Türe stolperte und zu Boden fiel. Mit wenigen Schritten war Gracchus bei ihm, kniete sich hinab und fasste seinen Sohn, um ihm aufzuhelfen. Obgleich der Leib des Jungen durchaus eine nicht geringe Fülle aufwies, so waren seine Züge doch noch immer recht kindlich, schien er beständig auf schmalem Grade zu wandeln zwischen Jugend und Erwachsenensein.
"So einfa'h ist das nicht, Minor"
, redete Gracchus angelegentlich auf seinen Sohn ein und fasste ihn an den Schultern, um vor einer neuerlichen Flucht ihn abzuhalten.
"Niemand kann deine Mutter je ersetzen, niemand kann je die Mutter meiner Kinder ersetzen und niemand kann je Antonia er..setzen! Und aus eben diesem Grunde ist dies auch nicht das Ziel einer neuerlichen Ehe. Ich muss an unsere Familie denken, an dich und deine Geschwister, und ohne eine Gemahlin an meiner Seite gibt es nun einmal kein Vorankommen! Darüber hinaus gibt es zwischen der Familie des Aurelius Lupus und der unseren eine gewisse Interdependenz, ob derer es von eminenter Wi'htigkeit ist, unsere beiden Familien aneinander zu binden, gleichwohl es aus anderweitigen Gründen obligat ist, Aurelia Prisca selbst an die Flavia zu binden."
Er blickte Minor fest an.
"Mehercule! Es gab keine Wahl, Minor, und es gibt keine Wahl, es besteht schli'htweg eine Notwendigkeit und ich erwarte von dir, dass du die Verantwortung meines Stammhalters übernimmst und diese Notwendigkeit akzeptierst!" -
Den zweiten Absatz der Richtlinie hatte Gracchus tatsächlich nicht weiter für bemerkenswert erachtet, schlussendlich mochte wohl kaum jemand auf die Idee kommen, einen Straftäter auf die Kandidatenliste für das Ulpianum zu setzen. Darüber hinaus war ihm gleichwohl nicht nachvollziehbar, auf welche Person der Iulier abzielte. Die Verurteilung und Hinrichtung des Vinicius Lucianus hatte Gracchus selbst nicht miterlebt, hatte erst spät überhaupt davon bewusste Kenntnis erlangt und diese tief - sehr, sehr tief - in seinem Bewusstsein vergraben. Vinicius Lucianus Tod' gehörte zu einer Realität, welche der Flavier schlichtweg noch immer - mehr oder minder erfolgreich - suchte hinweg zu ignorieren.
"Von welcher Person sprichst du?"
fragte er darob gänzlich arglos. -
Nach dem Empfang der wichtigsten Klienten hatte Gracchus an diesem Tage die Salutatio recht bald beendet, denn schlussendlich war der Besuch des Tiberius Lepidus für diesen angesetzt und ob der gegebenen Tatsachen - die Heiratspolitik der Tiberier, aber insbesondere auch Cnaeus Aetius - versetzten die Gedanken an die anvisierte Ehe Gracchus noch immer beständig in Rage - eine Befindlichkeit, welche er selbstredend nicht unbedingt vor Tiberius Lepidus wollte preisgeben. Als der Tiberier durch den Sklaven angekündigt wurde, saß der Flavier darob einem Fels in der Brandung gleich hinter seinem massiven, hölzernen Schreibtisch - ein zusätzliches Bollwerk jeglicher Indignation - und suchte sein Gemüt hinter einer Fassade professioneller Freundlichkeit zu verbergen.
"Salve Tiberius Lepidus"
, begrüßte er jenen nach dem Eintreten, um nach nur einer marginalen Pause mit der Andeutung eines Lächelns hinzuzufügen:
"Verzeih - Senator Tiberius selbstredend! Gratulation hierzu."
Er wies auf einen der Stühle ihm gegenüber am Schreibtisch und schenkte dem Gast persönlich aus der Kanne mit verdünntem Wein ein. -
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Gänzlich unvorbereitet traf Gracchus der Ingrimm und Jähzorn, denn mitnichten hatte er angenommen, Minor könne sich gegen die Wahl der Aurelia aussprechen, wiewohl die aggressive Emotionalität selbst ihm gänzlich fremd war an seinem Sohne, welcher sonstig doch eher beinahe scheu, in jedem Falle jedoch überaus besonnen agierte, so dass mit den ersten Anfeindungen ihm schlichtweg vor Erstaunen die Worte fehlten. Mit jeder weiteren Frage, jeder zornegefärbten Anklage indes regte sich die Gegenwehr in dem Vater, begann auch in ihm ein Ingrimm zu erwachen über den Angriff seiner selbst, sowie die Impertinenz, welche Minor ihm entgegen schleuderte, dass Gracchus' Kiefer aufeinander zu mahlen begannen, seine Augen sich verengten, zum Klimax der infantilen Anklage schlussendlich wütend und lautstark aus ihm hervorbrach:
"Halte deine Zunge im Zaum, Manius Minor!""
Mit wenigen Schritten war er vor seinem Sohne und packte diesen am Kragen seiner Tunika.
"Was glaubst du, welches Re'ht du hast, dich derart despektierlich zu gebaren? Du verstehst augenscheinlich nichts von dieser Angelegenheit, nicht das geringste!"
knurrte er und fixierte Minors Blick, der letztlich ob dessen Fehlsichtigkeit ihn doch nur zu durchdringen schien, was Gracchus nur mehr noch echauffierte.
"Du magst Dinge erlebt haben, die kein Kind erleben sollte und weil du ob dessen vor dem Gesetz nun als erwa'hsen giltst glaubst du allfällig zu verstehen, wie das Leben vonstattengeht, und da du in deiner ganzen Existenz noch keine Wahl ge..troffen hast, hängst du dem Glauben an, dass es eine Wahl gäbe!"
Zornig stieß Gracchus seinen Sohn ein wenig zurück, seine Stimme nun lauter werdend.
"Doch dies ist ein Irrglaube, mein Sohn, ebenso wie der Glaube, dass irgend..jemand dir je deine Mutter ersetzten könnte! Deine Mutter ist tot, Minor, tot! Du wirst nie wieder eine Mutter haben, gleich wie viele Ge..mahlinnen noch an meiner Seite werden stehen!" -
Da er nicht davon ausging, mit Vala in diesem Punkt zu einem einvernehmlichen Konsens zu gelangen, nickte Gracchus nur.
"Ich denke auch, dass wir die Bedeutung der Brot- und Essensspenden schli'htweg unterschiedlich bemessen, Consul Duccius, sowohl in Hinblick auf den Wahlkampf, als auch auf Feiertage. Sofern indes meine Auffassung gänzlich von jener des Senates abweicht, werde ich selbstredend ein ent..sprechendes Abstimmungsergebnis nicht in Zweifel ziehen." -
Da Gracchus' wirtschaftliche Kompetenz mehr als begrenzt war und es zweifellos mindestens 100 Senatoren gab, welche dies besser konnten beurteilen als er, war die Reaktion des Flaviers auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Überarbeitung der Lex Mercatus in ihrer Gänze nur ein recht indifferentes Schulterzucken in Kombination mit konsequentem Schweigen.
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Gracchus wollte bereits auf die fehlerhaften Annahmen hinweisen, als Senator Germanicus zumindest eines der Missverständnisse thematisierte, so dass er nurmehr die Decima hinsichtlich des Consuls korrigierte.
"Praetorius, Sacerdos Decima, nicht mehr."
Nachdem schlussendlich der Procurator die Gelegenheit hatte genutzt, seinen Fauxpas gegenüber Sedulus abzugelten, wandte Gracchus sich der Gruppe zu, um den Vorschlag der Decima aufzugreifen.
"Allfällig können wir tatsä'hlich zumindest schon einmal die Intention, sowie Richtlinien zum Ulpianum uns in Erinnerung rufen, gleichwohl wir für die eigentliche Begutachtung potentieller Kandidaten auf das Eintreffen des Augustus warten sollten."
Schlussendlich hatte jener eine nicht geringe Autorität hinsichtlich der Aufnahmen und Ablehnungen und sollte darob auch die Diskussion über das Für und Wider der Kandidaten verfolgen können.
"Der Sinn und Zweck des Ulpianums also ist es verdienten Bürgern - und das Gesetzt spricht hier explizit von Bürgern, nicht nur von Männern - eine posthume Ehrung zuteilwerden zu lassen, und ob der Tatsa'he, dass das Imperium Romanum groß und die Zeit fließend, das Ulpianum in seinem Raume jedoch begrenzt ist, scheint bereits definiert, dass dieser Verdienst durchaus außergewöhnlich sein sollte. Der einzig fixe Garant, welchen das Gesetz vorgibt, um Aufnahme zu finden, ist ein durch den Senat bewilligter Triumphzug, darüber hinaus gibt es nur vage Empfehlungen, etwa Politiker, welche in Aus..übung ihres Amtes sich in besonderem Maße für das Volk eingesetzt und entscheidende Impulse in der Geschichte des Imperium gesetzt haben, oder Bürger welche einen nachhaltigen Beitrag zu Kultur und Geschichte des römischen Volkes beitragen haben - gänzlich ohne jedoch diese Größenmaße des Besonderen, Entscheidenden oder Na'hhaltigen genauer zu definieren, was somit unsere Aufgabe sein wird."
Aus Sicht des Flaviers würde die Halle bereits zur Genüge gefüllt sein nachdem allen Triumphatoren seit Numa Pompilius darin eine Büste errichtet war.
"Die Notwendigkeit Triumphatoren näher zu betrachten ist somit zumindest nicht gegeben, ich gehe davon aus, die Administratio hat über diese bereits eine Auflistung?"
wandte er sich fragend Silanus zu. -
"Nun, ich sehe schlichtweg nicht die Notwendigkeit die Wahlen zum Cursus Honoroum durch ver..längerte Brotspenden aufzuwerten. Sofern ein Kandidat sich dieses Mittels bedienen möchte, so ist eine Woche bereits eine recht lange Zeit. Jeder Festtag, welcher Volksspeisungen inkludiert, kommt mit weniger Tagen aus."
-
Zwar glaubte Gracchus, dass der Bettler schlussendlich zur Strafarbeit würde herangezogen werden können, wiewohl sich auch für einen Einbeinigen stets eine solche würde finden lassen, doch er war kein Kleingeist und konnte darob durchaus nachvollziehen, worauf der Consul abzielte, ob dessen er bedächtig nickte.
"Nun, in diesem Falle scheint die Prügelstrafe durchaus ein ge..eignete Alternative zu sein"
, konsentierte er darob und nahm wieder Platz, da er nichts weiter zu sagen hatte. -
"Die Zeiten, in welchen Wahlen in den Comitia und damit durch Spenden an das Volk entschieden wurden, gehören wohl in die Ver..gangenheit, Consul Duccius. Ich möchte doch bezweifeln, dass die hier Anwesenden durch Brotspenden auf den Foren und in den Gassen dieser Stadt sich maßgeblich beeindrucken lassen."
Aus Gracchus' Sicht war diese Tatsache zweifelsohne ein Gewinn für Rom, wiewohl übermäßiger Wahlkampf durch Spenden an das Volk ihm eindeutig jene Männer kennzeichnete, welche sonstig in Rom nichts hatten vorzuweisen - und deren Position zu stärken, lag dem Flavier fern.
"Den Wahlkampf als Anlass heranzuziehen, den erlaubten Zeitraum kostenloser Spenden zu verlängern, erscheint mir darob kaum schlüssig, wiewohl eine Woche durchaus hinrei'hend für eben diesen Anlass." -
"Umfasst die Sanktionierung durch Strafarbeit nicht bereits eine überaus große Spanne an Strafmaß?"
warf Gracchus ein wenig zögerlich ein. Im Grunde tangierte die angestrebte Änderung ihn nicht sonderlich, doch unnötige Aufblähung von Gesetzen waren ihm ebenfalls ein Graus.
"Letztlich spricht das Gesetz doch nur von einer der Schwere der Tat ange..messenen Arbeit, was immerhin mit einigen Tagen Dienst im Tempel bis hin zu der von Senator Germanicus erwähnten Arbeit über längeren Zeitraum in einem Steinbruch angesetzt werden kann."
Am Ende hatte Gracchus weder eine konkrete Vorstellung der Pein durch die Tortur in einem Steinbruch, noch jener evoziert durch die Prügelstrafe - indes schien erstere ihm allein ob der Dauer bereits weitaus widriger, so dass er die Prügelstrafe nicht zweifelsfrei als schlimmere Strafe als die Strafarbeit mochte ansehen.
"Die von dir angespro'hene Lücke, Consul Duccius, wäre somit allfällig bereits durch das Maß der Strafarbeit geschlossen." -
Erschrocken fuhr Gracchus herum als hätte man ihn bei einem gräulichen Unrecht ertappt, denn der Tonfall jener Frage gemahnte ihn an Antonia, seinen Vater und jeden strengen Lehrer, welcher ihn je hatte gelehrt, gleichermaßen. Erleichtert indes wurde er seines Sohnes gewahr.
"Minimus"
titulierte er jenen mit dessen Kosenamen, welcher dem Vater über Jahre hin derart war verinnerlicht, dass er nicht einmal darüber nachdachte, dass der Kleinste nicht nur nicht mehr zutreffend, sondern letztlich auch inadäquat, allfällig gar ein wenig kompromittierend war. Sodann umschloss er das Cubiculum mit einem umfassenden Wink seiner Linken.
"Es ist ... an der Zeit, diesen Raum ... freizugeben."
Er wagte nicht vor seinem Sohn seine törichten Hoffnungen auszusprechen, dass würde ihr Heim nur ihrer harren, Antonia schlichtweg irgendwann würde zurückkehren können - denn letztlich würde Minor ihn nur für einen tumben Narren halten müssen.
"Es gab schlichtweg bisher ... keine ... nun, es schien schli'htweg keine Notwendigkeit zu bestehen, dies zu tun"
, fügte Gracchus hinzu, da er glaubte ob dieses Versäumnisses eine Apologie schuldig zu sein. Sodann straffte er ein wenig seine Gestalt.
"Doch nun ... es ist zwar noch ein wenig hin bis zum Einzug der Aurelia, jedoch wäre es über..aus unbotmäßig, würde sie nach all der Zeit noch immer Antonias Gemach hier vorfinden."
Ein Raum immerhin, welcher seit Jahren zu einem Stillleben war verkommen, ob dessen der Vater auch nicht den geringsten Zweifel daran hegte, dass Minor diese Notwendigkeit konsentierte, den Verzug ihm gar bereits ein wenig mochte verargen.