Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Nach einer langen Sitzung des Collegium Pontificum war Gracchus zurück in der Villa Flavia und sah sich nurmehr durch die tägliche Korrespondenz getrennt von einem angenehmen Nachmittag.
    "Nur die wichtigen Angelegenheiten, Sciurus, den Rest verschiebe auf morgen"
    , wies er seinen Vilicus an während er mit einem leichten Gähnen hinter dem massiven, hölzernen Schreibtisch Platz nahm. Ein Glas verdünnter Wein war ihm bereits eingeschenkt, an welchem er nippte, ehedem er sich zurücklehnte und erwartungsvoll den Sklaven betrachtete. "Eine Nachricht von Vinicius Hungaricus aus Germania", begann Sciurus und las den Brief des Hungaricus vor. Bereits mit den ersten Worten hob sich Gracchus' linke Braue deutlich empor, sank sodann wieder herab und machte einer misslaunigen Miene Platz, welche alsbald einer niedergeschlagenen wich und schlussendlich in offenem Erstaunen endete.
    "Mein lieber Freund - das hat er wirklich ge..schrieben?"
    "So steht es hier, Herr."
    "Gibt es ... einen Grund hierfür?"
    fragte Gracchus vorsichtig nach, denn es gab durchaus bisweilen Dinge, welche er schlichtweg vergaß, welchen er sich nicht gänzlich sicher konnte sein, und allfällig war dies eine solche Angelegenheit. Sciurus, der genau wusste, worauf sein Herr abzielte, schüttelte den Kopf. "Keinen ersichtlichen. Der Senat ist deine einzige Gemeinsamkeit mit Consular Vinicius." Gracchus nickte langsam und sog die Unterlippe zwischen die Zähne, während er nachdachte. Hatte Vinicius Lucianus die Konspiration an seinen Bruder verraten? Oder Tiberius Durus an seinen Patron? War dieser Gruß ein Anzeichen dafür, dass Hungaricus genau wusste, was geschehen war, so dass sein Anliegen allfällig nur vordergründig einer Bitte, tatsächlich jedoch einer Bestechung entsprach, allfällig gar einer Drohung?
    Mörder!
    drang es aus den Tiefen seines Selbst, hallte es aus den Ecken des Raumes.
    Mein lieber Freund!
    höhnte die Stimme des Durus hinter seinem Nacken. Gracchus stützte die Ellenbogen auf der Tischplatte ab und begann mit seinen Fingerspitzen die Schläfen sich zu massieren. Kurz schloss er die Augen, öffnete sie indes sogleich, da in der Dunkelheit hinter seinen Lidern nur Blut und Tod zu sehen war.
    "Keine weitere Konspira... ähm… Korrespondenz. Geh und suche mir Phintias, er soll ein wenig Öl mitbringen."
    Obgleich der schöne, junge Sklave die Geister der Vergangenheit nicht konnte vertreiben, so war er doch überaus geschickt darin, sie zurück in den Hintergrund treten zu lassen.

    Mit einem knappen
    "Wir sehen uns"
    , verabschiedete der Flavier sich von den beiden Patriziern und wandte hernach neuerlich sich Duccius Vala zu.
    "Was also ist der Anlass dieses Gesprä'hes?"
    Noch immer war Gracchus' Stimme durchzogen von einer distanzierten Couleur. Es hatte Zeiten gegeben, in welchen er zu Gelegenheiten wie diesen weitaus müheloser seine emotionalen Aufwallungen hinter einer stoischen Maske beinahe unerschütterlichen Gleichmuts zu verbergen hatte gewusst, doch spätestens seit der Konspiration war er beständig von einem Sentiment der Anspannung durchzogen - ein schlechtes Gewissen, verbunden mit der Furcht vor jenem Augenblicke, da die Wahrheit letztendlich doch noch würde entlarvt werden -, welches durch die Erforderlichkeit, sein Innerstes unter Kontrolle zu halten ihm erschwerte, dies mit dem Äußeren ebenso zu tun.

    Salve Vorenus,


    gibt es einen Grund, weshalb es speziell die Flavia sein sollte?
    Da wir bereits recht viele aktive Mitglieder haben, würde ich dir andernfalls gerne eine der anderen patrizischen Familien nahelegen, um die Interaktionsmöglichkeiten zwischen diesen ein wenig zu fördern.


    M.f.G.
    M.F.G.

    Obgleich er den Weg zur Domus Flaviana in zurückliegender Zeit bereits einige Male gegangen war, so hätte Gracchus zweifelsohne in der Weitläufigkeit des Palastes sich verirrt, hätte nicht ein dienstbarer Palastsklave ihn bis in den Besprechungsraum geleitet. Mit einem generellen
    "Salvete"
    , betrat er diesen, nickte Senator Germanicus, der Virgo Vestalis Decima, sowie dem Procurator Iunius - obgleich er dessen Namen sich nicht mehr entsann, so doch dessen Person - gesondert zu, suchte indes von sich aus kein Gespräch vor der eigentlichen Tagung.

    Bisweilen fragte Gracchus sich während der Senatssitzungen, ob manche Angelegenheiten nur um des Diskutierens selbst wurden diskutiert - indes war die Qualität der Rhetorik dabei oftmals ebenfalls eher unzulänglich - oder gar ob dessen, um nicht eingestehen zu müssen, dass der Senat an diesem Tage schlichtweg nichts zu diskutieren hatte. Um so erleichterter war er zum Ende solcher Sitzungen, und da er in diesen zumeist selbst wenig hatte beizutragen - da er üblicherweise es vermied, etwas zu sagen, nur um etwas zu sagen, obgleich er nichts hatte zu sagen -, hatte er im Anschluss durchaus noch den notwendigen Elan den eher belanglosen Plaudereien außerhalb der Curia beizuwohnen, welche er nach intensiveren Sitzungen eher scheute, wenngleich er auch zu diesem Gelegenheiten zumeist nur einen passiven Part innenahm. Senator Lartius elaborierte gerade eine politische Anekdote aus Capua, welche er von einem seiner Klienten hatte erfahren, und da seine Worte just in diesem Augenblicke die Pointe formten und in ein Lachen mündeten, hatte Gracchus' Mundwinkel sich zur Andeutung eines Schmunzelns erhoben. Als von der Seite her sein Name genannt wurde, verstummte jedoch das Lachen und der Ausdruck auf den Gesichtern Lartius' und des weiteren Zuhörers Cornelius Scapula wich einer unbestimmten Miene. Gracchus drehte sich um und bedauerte dies bereits im gleichen Herzschlag, auch von seinen Lippen wich jede Erheiterung.
    "Senator Duccius"
    , gab er den förmlichen Gruß zurück und alles in ihm drängte danach, dessen Bitte schlichtweg abzuweisen, war sein Verhältnis zu ihm nach diversen Geschehnissen im Senat doch mehr als distanziert. Seine Position - extrinsisch wie intrinsisch -, sowie der Anstand indes verbaten solcherlei Gebaren.
    "Gewiss. Hier und jetzt?"
    Allfällig mochte der Duccius auch nur einen späteren Termin vereinbaren, und der Flavier war sich nicht eins, ob er dies würde präferieren - da er somit in diesem Augenblicke von ihm wäre befreit -, oder nicht - da dies gleichsam würde bedingen, dass er nicht würde wissen, was genau Vala von ihm wollte und letztlich das Treffen ohnehin nur würde aufschieben.

    Obgleich Gracchus letztlich auch Cornelius Scapula niemals die ganze Wahrheit über die Flucht der Flavii aus Rom hatte erzählt, wiewohl seine Beteiligung an den Ereignisse, welche zu dieser Notwendigkeit hatten geführt, so hatte die Freundschaft zwischen den beiden letztlich doch den Bürgerkrieg überdauert. Einige Zeit nach der Machtübernahme Salinaors hatte auch Scapula mit seiner Familie Rom verlassen und sich auf ein Landgut nahe Narbo Martius zurückgezogen, war erst nach Cornelius' Machtübernahme wieder zurückgekehrt. Zwar hatte es auch hernach durchaus einige Zeit gedauert, bis dass Gracchus überhaupt bereit war, sich wieder an öffentlichem Leben - und sei es privater Natur - zu beteiligen, wiewohl ihn auch gegenüber Scapula stets Schuldgefühle plagten, da er die Wahrheit vor jenem verbarg, doch allmählich waren sie zu jener Ebene der Vertrautheit zurückgekehrt, welche zuvor zwischen ihnen hatte bestanden. Zweifelsohne trug auch die geplante Verbindung zwischen Gracchus' Sohn und Scapulas Nichte nicht unwesentlich zu dieser Ebene bei. Die beiden Männer begrüßten sich darob mit einem freundschaftlichen Handschlag und osculum, ehedem der Cornelier sich an Minor wandte.
    "Gracchus Minor, meinen herzlichsten Glückwunsch zu deinem Geburtstag! Das ist ein bedeutendes Alter, in das du nun eintrittst!"
    Ein Sklave reichte ein kleines Präsent an, eine in Stoff eigeschlagene emaillierte Messingfibel, während auch Cornelius' Gemahlin Virginia dem jungen Gracchen ihren Glückwunsch versicherte. Sodann übernahm Scapula wieder das Wort.
    "Dein Vater und ich sind uns einig, dass es ein geeigneter Zeitpunkt ist, dass du Philonica ein wenig näher kennenlernst. Denn nicht mehr allzu lange und wir werden hier den Morgen nach eurer Vermählung feiern."
    Scapulas Worte klangen durchaus herzlich und erfreut, denn schlussendlich war es für beide Seiten nur von Vorteil wenn Flavia und Cornelia zueinander fanden. Ein wenig auffordern schob er das junge Mädchen nach vorn.
    "Meine Nichte, Cornelia Philonica. Philonica, dies ist Manius Flavius Gracchus Minor, dein künftiger Ehemann."
    Gracchus Maior bedachte das Aufeinandertreffen ein wenig in sich versunken. Er hatte die junge Cornelia bereits zu anderer Gelegenheit im Hause ihres Onkels als konziliant und tadellos kennen gelernt, sie dabei selbstredend auch mit einem kleinen Kompliment bedacht wie es die Höflichkeit gebot. Sie mochte - noch - keine Schönheit sein, doch letztlich war dies ohnehin ohne Belang für eine Ehe. Sie würde Minor eine adäquate Gemahlin werden, dies stand außer Zweifel und war alles, was zählte.



    /edit: Name der Cornelia an eine frühere Erwähnung derselben angepasst.

    Nichts anderes hatte Gracchus erwartet als die Akzeptanz seiner Tochter, gleichwohl - durch ihr Lächeln angedeutet - ihr Wohlwollen, schlussendlich würde mit ihm auch die gesamte Familie von dieser Verbindung profitieren. Da es diesbezüglich keiner weiteren Klärung bedurfte, hatte er schlussendlich nichts mehr zu sagen. Er war nicht vorbereitet gewesen auf diese Ankunft, wiewohl er nicht vorbereitet war auf die dauerhafte Präsenz seiner Tochter. Ein wenig fühlte er in ihrer Anwesenheit sich an Antonia erinnert - nicht von ihrem Äußeren her, doch von der Art, wie sie sich gebar und sprach, und ohne dass dies ihm gänzlich gewahr wurde, evozierte dies auch einen Hauch der Beklemmung, welche er der Claudia gegenüber so oft hatte verspürt da er im Angesichte ihrer Perfektion stets seiner eigenen Unzulänglichkeit nur allzu bewusst sich geworden war.
    "Du hast eine lange Reise hinter dir und bist zweifelsohne erschöpft. Dein Zimmer ist selbst..redend noch immer das deine."
    Ein Kinderzimmer, hatte Flamme zwischen der Bestattung Antonias und ihrer Abreise - respektive Abschiebung - nach Baiae doch kaum genügend Zeit und Gelegenheit gefunden, etwas darin zu ändern.
    "Sofern du etwas benötigst, zögere nicht, danach schicken zu lassen. Wir werden uns spätestens bei der morgigen Cena wieder sehen."

    Auch eine flavische Sänfte erreichte den Palasteingang und während Gracchus die bereits anwesenden Wartenden formlos grüßste, überreichte ein Sklave seine Einladung.




    Ad
    Senator M. Flavius Gracchus
    Villa Flavia Felix, Roma, Italia



    Geschätzter Senator,


    der Kaiser hat dich in das Consilium Ulpianum berufen, welches über die Aufnahme verdienter Römer in die Ehrenhalle des Ulpoanums entscheiden soll. Die erste Sitzung des Consilium tagt am ANTE DIEM VIII ID NOV DCCCLXIV A.U.C. (6.11.2014/111 n.Chr.) zur dreizehnten Stunde im Domus Flaviana. Du und die anderen Consiliumsmitglieder werden dort von mir in Empfang genommen und in die Besprechungsräume des Kaisers geleitet.


    Vale bene,


    LUCIUS IUNIUS SILANUS
    ~~Procurator a libellis - Administratio Imperatoris~~



    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Einige Zeilen später legte Aetius seiner Badenixe grinsend den Arm um die Schulter.
    "Gib das Scatos Schoßhund mit. Spart mir die Kosten für einen eigenen Boten."
    Ohne weiter auf Philon zu achten, wandte er sich der Sklavin zu und das Grinsen auf seinem Antlitz nahm lüsterne Züge an.
    "So, und du kümmerst dich jetzt erstmal um mein Wohl."



    Philon machte sich mit dem Brief auf, um Angus zu finden, der am nächsten Tag wieder gen Rom aufbrechen wollte.


    Ad Manius Flavius Gracchus
    Villa Flavia Felix
    Roma


    Salve Manius Gracchus,


    du magst protestieren soviel du willst, die Ehe zwischen Domitilla und Tiberius Lepidus ist beschlossene Sache.


    Ich erwarte von dir, dass du dich um die Formalitäten mit dem Tiberier kümmerst. Falls du wie für die Suche nach einem passenden Ehemann für meine Tochter dafür keine Zeit findest, kann ich auch Caius Scato damit beauftragen. Dessen Urteilsvermögen vertraue ich übrigens voll und ganz, er scheint viel von Felix geerbt zu haben.


    Bezüglich des Namens der Flavia muss ich dich sicherlich nicht darauf hinweisen, dass der einzige, der jemals eine meiner Töchter in Verruf gebracht hat, kein geringerer als du selbst bist. Was hätte aus meiner geliebten Leontia nicht alles werden können!


    Solltest du vorhaben, nun auch noch das Wohl Domitillas und ihr Ansehen in Rom zu gefährden, garantiere ich dir, dass es das letzte Leben ist, das du ruinieren wirst.



    Gezeichnet Cnaeus Flavius Aetius

    Etwa zwei Tage nach Angus traf ein weiterer Bote aus Rom ein - ein bezahlter Dienstleister, welcher schlichtweg seine Nachricht übergab.


    Ad Cnaeus Flavius Aetius, Villa Flavia, Ravenna



    Werter Onkel Aetius,


    auf ein Heftigstes muss ich protestieren gegen eine Ehe zwischen Domitilla und Lucius Tiberius Lepidus. Es mag sein, dass unser Neffe Lucius Scato diese Verbindung für opportun hält, und zweifellos wäre Tiberius an sich als aufstrebender junger Patrizier, Pontifex und baldiger Senator eine akzeptable Wahl, hätte er nicht just seine eigene Schwester mit dem germanischen Homo Novus Senator Duccius Vala vermählt. Es ist somit schlichtweg unmöglich, Aetius, dass unsere Familien ein Bündnis miteinander eingehen, denn ich werde nicht tolerieren, dass der Name unserer Gens mit dem des insolenten Duccius in Verbindung kommt. Ich muss daher insistieren, dass diese Ehe nicht zustande kommt, und du den Namen der Flavia damit nicht in Verruf bringst!


    Mögen die Götter dich und deine Familie stets schützen!




    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Aetius saß in einem Becken mit heißem Wasser, das im hinteren Teil des großzügigen Gartens in den Boden eingelassen war - natürlich nicht allein, sondern in Begleitung von drei wohlproportionierten Sklavinnen - seinen Badenixen, wie er selbst zu sagen pflegte.
    “Was, was, was?!“ empörte er sich theatralisch als Philon den Brief heranbrachte. “Keine Amtsgeschäfte habe ich gesagt!“
    „Es ist eine Nachricht aus Rom, Herr“, entschuldigte sich der Sklave unterwürfig. „Von deinem Neffen Manius Gracchus“.
    Der Flavier verzog angewidert das Gesicht. “Bah! Dieser Nichtsnutz kann einem aber auch jede Freude verderben! Lies vor!“
    Philon tat wie geheißen. „Werter Onkel Aetius …“
    “Bah! Heuchler!“
    „… auf ein Heftigstes muss ich protestieren gegen eine Ehe zwischen Domitilla und Lucius Tiberius Lepidus.“
    “Ja, ja, protestier du nur! Dir passt doch nur nicht, dass dir jemand das Zepter aus der Hand genommen hat, haha! “ Aetius legte die Hand auf das Hinterteil einer seiner Nixen, die sich an ihn schmiegte, und massierte genüsslich ihre Pobacken.
    „ Es mag sein, dass unser Neffe Lucius Scato diese Verbindung für opportun hält, …“
    “Haha, wer ist da der größere Heuchler!?“ Genüsslich räkelte sich der Flavier im Wasser und streckte einen Fuß zu einer der Sklavinnen, dass sie ihn massierte.
    „ … und zweifellos wäre Tiberius an sich als aufstrebender junger Patrizier, Pontifex und baldiger Senator eine akzeptable Wahl, hätte er nicht just seine eigene Schwester mit dem germanischen Homo Novus Senator Duccius Vala vermählt.“
    “Sieh einer an, diese Information hat der junge Scato glatt unterschlagen. Aber was schert mich der Duccius, Hauptsache der Tiberius taugt! Kein Wunder dass Gracchus niemanden unter die Haube bringt!“ Er grinste weiter vor sich hin.
    „Es ist somit schlichtweg unmöglich, Aetius, dass unsere Familien ein Bündnis miteinander eingehen, denn ich werde nicht tolerieren, dass der Name unserer Gens mit dem des insolenten Duccius in Verbindung kommt.“
    “Pah! Dieser elende kleine Heuchler! Der Name UNSERER Gens! Das sagt genau der Richtige!“ Abscheu breitete sich nun über Aetius‘ Antlitz aus, sein Griff wurde etwas fester.
    “Ich muss daher insistieren, dass diese Ehe nicht zustande kommt, und du den Namen der Flavia damit nicht in Verruf bringst!“
    “WAS?! Dieser … ARRR! Was bildet der sich ein!? Meinen Name in Verruf bringen, meinen Namen, dieser elende Lüstling! Wenn hier jemals jemand diesen Namen in Verruf gebracht hat dann doch er!“
    Aetius‘ Finger krallten sich nun in das Fleisch der Sklavin, die ein wenig unruhig wurde.
    “Äh … Cnaei, du tust mir weh“, meldete sie sich mit leiser, larmoyanter Piepsstimme.
    Aetius wütende Fratze blickte auf das schöne Gesicht, dann schüttelte er den Kopf. “Du hast Recht, meine Perle, er ist nicht einmal die Aufregung wert. Los, Philon! Nimm dir eine Tafel und schreib meine Antwort auf!“ dirigierte er den Sklaven und tauchte erst einmal unter die Wasseroberfläche, um seine Gedanken kurz zu sortieren.

    Obgleich die Angelegenheit Gracchus selbstredend noch eine Weile gedanklich verfolgte, so fand sich doch auch am nächsten Tage keine Gelegenheit für einen Brief - da noch keine Termine vereinbart waren, war schlussendlich die Dringlichkeit auch nicht außerordentlich - so dass seine Nachricht an Aetius, auf das notwendigste komprimiert, erst zwei Tage später ihren Weg gen Ravenna sollte finden.

    Neuerlich schlich in Gracchus' Blick sich eine Nuance aus unschlüssigem Nachsinnen - eine würdige Tochter, dies barg durchaus einen Anklang von Zuversicht in sich, und letztendlich war zweifellos ohnehin jeder Zweifel inadäquat, wäre dies doch gleichbedeutend mit Vorbehalten gegen Antonias Erziehung. Aus den Händen der Sklavin nahm Gracchus das schwere Präsent in Empfang, schlug den samtigen Stoff beiseite, in welchen die marmorne Büste war eingeschlagen und hob das Antlitz des Flavius Domitianus empor, welches jedoch nicht ein realitätsgetreues Abbild zeigte, sondern ein wenig kantiger, flächiger interpretiert war. Ein amüsiertes Lächeln umspielte Gracchus' Lippen.
    "Überaus … originell. Serenus war schon immer einer dieser Freigeister."
    Er übergab die Büste an einen Sklaven.
    "Finde einen Platz im oberen Stockwerk."
    Im Obergeschoss der Villa waren die Cubicula, Gästezimmer und einige weitere private Räumlichkeiten lokalisiert, so dass Fremde oder politische Besucher kaum je dorthin würden gelangen. Zwar gab es im hinteren Bereich des Untergeschosses ebenfalls eine Statue des der Damnatio Memoriae anheimgefallenen Kaisers, doch man musste die Konnivenz der Gäste schlussendlich nicht überstrapazieren. Im Gedanken an Gäste und Gastmähler wandte der Vater sich wiederum seiner Tochter zu. Er würde sie einführen müssen in die Gesellschaft, indes würde er sie nicht mit allen Domänen des facettenreichen Alltages in Rom vertraut machen können. Allfällig würde Domitilla ihm ein wenig aushelfen können oder aber - ein wenig später - Aurelia Prisca. Ein leises Seufzen echappierte seiner Kehle.
    "Es gibt gewi'htige Neuigkeiten hier in Rom, welche auch dich in gewisser Hinsicht tangieren"
    , begann er in ernsthafter Couleur.
    "Ich werde mich erneut vermählen. Eine Ehe mit Aurelia Prisca ist bereits ver..einbart. Der genaue Termin steht noch nicht endgültig fest, doch die Rahmenbedingungen sind bereits von beiden Seiten definiert."

    Die beiden jüngeren Verwandten verließen sein Officium und Gracchus gestattete sich ein tiefes Seufzen.
    "Sciurus, ein Brief an Aetius!"
    Der Sklave nahm eine Tabula, um die Gedanken seines Herrn zu notieren, Gracchus erhob sich, ging durch den Raum und ergoss seinen Ärger gegenüber dem Onkel in Worte. Mehrmals verwarf er Phrase um Phrase, pointierte die Essenz auf ein neues, korrigierte den Aufbau seiner Strategie, reduzierte oder erhöhte die Vehemenz seiner Absicht, bis dass aller Furor dieses Tages aus ihm hinaus geflossen war. Als Sciurus das vorläufige Endergebnis verlas - von Schärfe, Drohung und Forderungen durchdrungen - schüttelte Gracchus den Kopf.
    "Nein, so ist es schlichtweg nicht akzeptabel."
    Letztenendes war Aetius noch immer sein Onkel und Gracchus war zu tief in den Grundfesten seiner Familie verwurzelt, als dass er einen älteren Verwandten derart würde angreifen können, allfällig wie stets auch ein wenig zu feige vor solcher Kühnheit - denn letztendlich war es seit langem nicht nur Echauffieren und Indignation, welche sein Verhältnis zu Domitillas Vater kennzeichneten, sondern gleichsam Furcht vor einem Mann, welcher ohne jede Skrupel seine Ziele - mochten diese aus Rom betrachtet auch eher unbedeutend sein - verfolgte. Gleichwohl neigte Gracchus dazu, stets das Beste annehmen zu wollen, und so mochte Aetius' Entscheidung letztlich doch nur auf falschen Annahmen sich gründen, auf einem Trug des Tiberius, so dass er über die Tatsachen in Kenntnis gesetzt zweifelsohne dieser Verbindung nicht mehr würde zustimmen. In diesem Falle jedoch würde ein gänzlich neutraler Brief ausreichen - musste die Nachricht gar gemäßigt ausfallen, um nicht ungerechtfertigt den Zorn des Aetius auf sich zu ziehen.
    "Lösche die Tabula"
    , wies Gracchus seinen Vilicus an.
    "Es ist besser, diese Nachricht nicht heute noch zu ver..fassen und erst eine Nacht vergehen zu lassen."

    Ein wenig derangiert über die augenscheinliche Ataraxie seiner Tochter nahm Gracchus das Schriftstück entgegen, zögerte einen Augenblick und reichte es dann an den nächsten herumstehenden Sklaven.
    "Lies vor!"
    Pflichteifrig tat der Sklave wie ihm geheißen, öffnete und verlas den Brief.


    An Manius Flavius Gracchus



    Salve Onkel Gracchus!


    Wie geht es euch in Rom? Hier in Baiae ist alles bestens. Titus hat sich ganz gut bei uns eingelebt, vor allem die vielen Spielzeuge seiner Vettern haben es ihm angetan. Natürlich habe ich ihm auch gleich einen von meinen Hunden überlassen, denn jeder Junge sollte einen Hund haben. Für die Gladiatoren ist er noch etwas zu jung.


    Flamma geht es auch gut, aber das siehst du vermutlich gerade selbst. Sie ist in meiner Familie zu einer jungen Frau herangewachsen und nun bereit, in die Gesellschaft Roms eingeführt zu werden. Und ich warne dich, mein lieber Onkel, gib gut auf sie Acht, hier in Baiae hat sie schon so manchem Mann den Kopf verdreht! Ich hätte sie schon ein Dutzend Mal verheiraten können, aber vermutlich willst du das in Rom selbst übernehmen. Falls nicht, schick sie im Frühjahr einfach zurück, Baiae ist zwar nicht der Nabel der Welt aber das Paradies für jeden Freigeist.


    Grüße auch von meinem Vater! Er lässt anfragen ob du dich nicht doch mal für ein paar Monate von Rom loseisen und uns besuchen willst. Ich habe meine Sammlung von "Sklave Gaius ist der Beste" extrem erweitern können und würde sie dir natürlich zum Lesen überlassen. Wir würden uns alle freuen, dich zu sehen, ich natürlich ganz besonders!


    Dein Lieblingsneffe Serenus


    P.S. In Flammas Gepäck befindet sich noch ein Geschenk für euer Atrium, ein Abbild des großen ungenannten Kaisers, von meinen eigenen Händen erschaffen.


    Während der Sklave die Worte vorlas, ruhte Gracchus' Blick in der Ferne, huschte der Anflug eines Lächelns über seine Lippen in Hinblick auf Titus, während der Absatz über Flamma ihn kurz mit nachdenklicher Miene seine Tochter in Augenschein ließ nehmen. Als das Postskriptum verlesen war und der Sklave den Brief sinken ließ, atmete der Flavier einmal tief durch die Nase und nahm auf einer Bank platz, welche im rechten Winkel zu jener stand, auf welcher Flamma sich hatte niedergelassen. Er betrachtete seine Tochter und obgleich sein Blick von Skepsis erfüllt war, kam er nicht umhin, festzustellen, dass an ihrer Fraulichkeit kein Zweifel mehr bestand, dass Serenus unbestreitbar den richtigen Augenblick hatte gewählt, sie nach Rom zurück zu senden. Gleichwohl vereinfachte dies die Angelegenheit für ihn selbst nicht im Mindesten, denn während Minors Zukunft längst feststand, während Titus' Zukunft gerade im Entstehen begriffen war, war Flammas Zukunft ihrem Vater ein undurchdringlicher Nebel.
    "So"
    , sagte er schlussendlich nicht sonderlich eloquent, nur um nach den Augenblicken des eingetretenen Schweigens irgendetwas zu sagen.
    "Auf dich a'htgeben muss ich also."
    Gracchus nickte ein wenig, seine Miene noch immer ohne jede Spur von Begeisterung. Zweifelsohne mochte Flamma als schön gelten, außergewöhnlich gar, war doch ihr rotblondes Haar und die grünfarbenne Augen nicht eben gängig unter römischen Frauen. Bisweilen hegte Gracchus ernsthafte Zweifel, Flammas leiblicher Vater zu sein, zeigte sie äußerlich doch so wenig Similarität mit ihm selbst, kam gleichsam auch nicht nach der flavischen Linie, in welcher bisweilen blaufarbene Augen und hellbraunes Haar die größte Aberration zu dunklen Augen und Haarfarben darstellten, so dass letztlich beinahe nur ein germanischer Sklave als Erzeuger blieb, was er indes Antonia keinesfalls würde unterstellen können. Im Grunde jedoch waren diese Überlegungen ohnehin ohne Bedeutung - er hatte das Kind emporgenommen und anerkannt, und Antonia hatte ihre Tochter nach Sitte der Flavia erzogen, dass Flamma nun unbestreitbar eine solche war.
    "Wir werden sehen. Es ist auf jeden Fall … schön, dass du nun hier bist. Minor wird sich zweifelsohne sehr freuen."

    "Gut."
    Gracchus nickte, denn nichts anderes hatte er erwartet.
    "Ich werde Aetius schreiben und dich über seine Antwort in Kenntnis setzen."
    Tiberius Lepidus würde ebenfalls solange warten müssen.
    "Weiters sollten wir uns nach einem anderen, adäquaten Ehemann für dich um..sehen, wir sollten dies morgen oder übermorgen beim Essen thematisieren."
    Damit war die Angelegenheit für Gracchus vorerst soweit erledigt, während er in Gedanken bereits die Nachricht an seinen Onkel bedachte.

    In den Augenblicken, da sein Desideratum ausgesprochen über dem Raume schwebte und einer Antwort harrte, regten sich erste Zweifel in Gracchus. Letztlich wusste Prisca nichts von dem verfänglichen Konnex, welcher Lupus und ihn band, wusste darob nichts über die Notwendigkeit, ihre beiden Familien aneinander zu binden, wusste gegenteilig nur um seine Prädilektion, welche zweifelsohne ihn kaum zu einem favorablen Gatten erhob. Ein wenig wehmütig entsann er sich der Fügung seiner ersten Ehe mit Antonia, welche durch seinen Vetter Felix war arrangiert worden gänzlich ohne sein Zutun, und ohne dass dies ihm bewusst war, hielt er seinen Atem an. Als die Aurelia schlussendlich einer Verbindung zustimmte, hob sich sein Mundwinkel zu einem leichten - erleichterten - Lächeln, und einen Augenblick wandte sein Blick sich zu seinem Sohn, für welchen dieses Einverständnis schlussendlich nicht weniger bedeutsam war - denn letztlich bestimmte der Weg des Vaters noch immer das Fundament des Sohnes. Das Lächeln verschwand von Gracchus' Miene als er Minors entsetztes Antlitz erblickte, evozierte dies Gebaren seines Sproß' doch höchste Konfusion in ihm. Doch noch ehe seine Gedanken jene seines Sohnes zu ergründen suchen konnten, war es an Aurelius, seine Zustimmung zu gewähren, so dass Gracchus' Aufmerksamkeit eben jenem sich zuwandte - obgleich er von dieser Seite keinerlei Ablehnung erwartete, da schlussendlich Lupus ebenso im Geflecht römischer Politik verankert war wie er selbst, hinwieder hatte er nicht jenen Überschwang erwartet, welchen sein Gegenüber an den Tag legte, und ihm eine gänzlich neue Seite an Aurelius Lupus präsentierte.
    "Eine confarreatische Eheschließung ist obligat"
    , beantwortete Gracchus die Frage nach eben jener und ließ somit keinen Zweifel an seinen künftigen kultischen Absichten, respektive daran, dass er seine Hoffnung noch nicht hatte aufgegeben.
    "Die Höhe der dos indes ist für mich na'hrangig, doch ich bestehe auf einen angemessenen Wert, dass Prisca im Falle meines Ablebens bestens versorgt ist. Zu diesem Zwecke werde ich ebenso eine donatio zusteuern."
    Vermögen wurde im flavischen Hause wenig Beachtung geschenkt, es war schlichtweg da und es vermehrte sich, darob ging Gracchus stets davon aus, dass dies in anderen patrizischen Familien nicht anders war. Dennoch wollte er versichert sein, dass seine einstige Witwe nicht Not würde leiden müssen, schlussendlich würde auch dies auf die flavische Familie zurückfallen. Als Lupus die bevorstehende Ehe zwischen Tiberius und Domitilla erwähnte, entglitt Gracchus die Erleichterung, welche er Sekunden zuvor noch über das geglückte Bündnis hatte verspürt, und einen Augenblick biss er seine Kiefer aufeinander, ehedem er ein wenig unterkühlt antwortete:
    "In der Tat werden Tiberius und Domitilla eine eheliche Ver..bindung eingehen. Dies wurde durch Cnaeus Aetius forciert."*
    Zweifelsohne wusste Lupus als dessen einstiger Schwiegersohn davon, wie viel Aetius von Gracchus hielt – nichts, um genau zu sein - und dass das Verhältnis zwischen beiden mehr als angespannt war, gleichwohl würde er ob der Familienkonstellation zweifelsohne auch nachvollziehen können, dass Gracchus auf diese Ehe wenig Einfluss hatte. Nicht minder groß indes war der Einfluss dieser Entscheidung auf Gracchus, so dass auch diesem nun ein wenig der Appetit war vergangen.
    "Der konkrete Termin steht noch nicht fest, wird jedoch in unsere Planungen mit ein..bezogen."




    Sim-Off:

    * SimOn ist dies zu diesem Zeitpunkt bereits determiniert, SimOff befindet es sich parallel in der Ausgestaltung.

    Nach dem Essen mit der Familie hatte Gracchus sich zurückgezogen in sein Cubiculum, saß an dem kleinen Tisch nahe des Fensters und blickte in die Flamme einer Öllampe. Von außen betrachtet mochte es beinahe aussehen als wäre er mit offenen Augen längst eingeschlafen, doch ab und an senkten und hoben seine Wimpern sich im Lidschlag, und in seinem Geiste war er hellwach. Seit einiger Zeit suchte Gracchus sein Gedankengebäude, welches seit dem Bürgerkrieg gänzlich devastiert war, welches kaum noch Struktur und Ordnung bot, zu rekonstruieren, die Fundamente seines Selbst freizulegen, Fragmente und Bruchstücke zu sichten, analysieren und sortieren, die Grundmauern zu festigen, Rahmen und Konstruktion zu definieren und mit Substanz zu füllen. Als der Sklave von der Porta her an seiner Türe klopfte, war Gracchus zu weit fort als dass er diese Störung hätte perzipiert, und erst als Sciurus zu ihm trat und die Hand ihm auf seine Schulter legte, schreckte der Flavier empor.
    "Was?!"
    fuhr er den Sklaven an, weniger erzürnt über die Störung an sich, als die Tatsache, dass dem Chaos in seinem Inneren nicht beizukommen zu sein schien.
    "Deine Tochter ist eben angekommen, Herr, sie wartet im Atrium."
    Es dauerte einige Augenblicke bis Gracchus gewahr wurde, von welcher Tochter Sciurus sprach, denn weder war jene sonderlich präsent in seinen Gedanken, noch gab es einen Grund, dass sie im Atrium wartete.
    "Weshalb?"
    fragte er darob ein wenig derangiert und als der Sklave nur marginal den Kopf schief legte - ein Zeichen, dass auch er den Grund nicht kannte, dass also Flammas Ankunft nicht etwa geplant und von ihrem Vater schlichtweg vergessen worden war -, legte eine eiskalte Hand sich um Gracchus' Herz.
    "Serenus … Aristides ..."
    , flüsterte er und erhob sich. Zweifelsohne waren sein Vetter oder sein Neffe der Grund Flammas Anwesenheit, und zweifelsohne war dies kein guter Grund. Ohne noch einen der Sklaven zu beachten hastete er aus dem Raum, durch den Flur, an dessen Wände die goldfarbenen Flammen bereits schattige Silhouetten ließen tanzen, über die Stufen hinab und bis in das Atrium. Dort saß sie, jenes Kind, welches von all seinen Nachkommen ihm stets am fremdesten war, jene Tochter, welche er am Tage ihrer Geburt nur allzu bereitwillig der Göttin Vesta hatte versprochen, am Tage seines Verrates an Rom sie ihr wieder hatte entrissen.
    "Flamma!"
    Gracchus trat auf sie zu, verharrte einen Schritt vor ihr.
    "Was … ist geschehen?"
    Nichts anderes nahm er wahr an ihr als ihre bloße Anwesenheit, denn zu groß war die Sorge um seinen Vetter und dessen Sohn.

    ~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~

    Dumpf tönten die Schritte auf der Straße, genagelte Schuhe auf steinernem Grund, hunderte Füße, tausende Füße, welche sich auf sein Heim zubewegten nur aus einem einzigen Grund, angezogen wie die Ratten vom Aas, angezogen wie die Motten vom Licht, die larven vom Verderben. Lauthals skandierten sie seinen nomen gentile, den Namen dieser Familie, welche er in den Untergang hatte gestürzt, den Namen dieser Familie, welcher einst ehrwürdig war, doch nunmehr nurmehr gleichbedeutend mit Verrat. Das dröhnende Pochen der Hände, welche an die Porta hämmerten, erschütterte das gesamte Haus, ließ Mauern erzittern, ließ ihn empor schrecken aus seinem unruhigen Schlaf. Hastig warf er die Decke zurück und stand auf, stolperte durch das dunkle Zimmer hindurch zur Türe. Seine baren Füße fanden allein ihren Weg in das Zimmer seiner Gemahlin.
    "Antonia, erwache! Sie sind hier!"
    Er fasste den dunklen Schemen, welcher unter ihrer Decke lag, um sie zu wecken.
    "Antonia, ich muss die Familie retten!"
    Miteins drehte sie sich um, ihr Antlitz zu einer Fratze des Schreckens verformt, die Augen weit aufgerissen und gelbfarben glühend, ihre Zähne spitz aus ihrem Maul herausblitzend, die Haare der Medusa gleich tausende grünfarbene Schlangen, welche nach ihm zischten.
    "Es ist zu spät, Manius!"
    Die Couleur ihrer Stimme war jene Antonias und doch so voller Gift triefend, dass das Blut ihm in den Adern gefror. Abrupt streckte sie ihre Hand nach ihm aus, klauenbewehrte Krallen, umfasste seinen Hals und drückte zu.
    "Viel zu spät!"

    ~~~


    Keuchend fuhr Gracchus in das Dunkel seines Zimmers empor, fasste an seinen Hals an dem weder eine Klaue, noch Blut zu finden war.
    "Antonia ..."
    , rang er nach Atem und schmerzlich wurde ihm bewusst, dass alles nur ein Alb gewesen war. Antonia war nicht hier, schon lange nicht mehr. Sie war fort, weiter fort als der Mond, als die Sonne und alle Sterne am Firmament. Und niemals würde sie zurück kehren, niemals mehr. Ohne sein Zutun drängten Tränen sich in die Winkel seiner Augen, dass Gracchus diese einen Augenblick schloss und zusammenkniff, um den Zähren keine Gelegenheit zu geben, aus ihm hinaus in die Realität zu gelangen.
    "Viel zu spät ..."
    , flüsterte er und einsamen Perlen gleich rollte das schimmernde Nass über seine Wangen, denn letztlich war Gracchus machtlos gegen sich selbst, dass er sich umwandte, und seine Tränen in seinem Kopfkissen verbarg. Er hatte seine Familie längst verloren, hatte sein Rom verloren, hatte Hephaistion verloren - wen kümmerte noch, dass er sich selbst verlor?

    "Nein, Domitilla"
    , schüttelte Gracchus den Kopf.
    "Es geht hier nicht um Aetius und seine Provinzpolitik, es geht hier um das Ansehen unserer gesamten Familie in Rom! Eine Ehe unter Unseresglei'hen ist nicht einfach nur eine Ehe, hier in Rom ist eine Ehe eine Aussage, ein Bündnis das weit über Politik hinaus geht, ein Ein..vernehmen von Ethos und Werten, welche Gegenwart und Zukunft unserer Familie definieren."
    Dies mochte sich durchaus ein wenig pathetisch anhören, doch in Hinblick auf ihre Historie, auf ihren Stand und ihre Zukunft waren die Flavier stets ein wenig dünkelhaft.
    "Nachdem seine Familie beinahe der Devastation wäre anheimgefallen, nachdem nur noch das glanzvollen Erbe des Tiberius Durus nachhallte wäre Tiberius Lepidus zweifels..ohne befähigt gewesen durch den Pflichteifer, welchen er zeigt, und als Klient eines Kaiserklienten seine Familie endgültig von den Ressentiments der Vergangenheit zu befreien und somit auch der Verbindung zwischen Flavia und Tiberia eine neue Dimension zu ermögli'hen. Indes hat er nicht nur sich gegen diesen Schritt nach vorn entschieden, sondern sich und seine Familie von einer solchen Perspektive gänzlich entfernt."
    Eine kurze Pause folgte, um das anschließende zu akzentuieren.
    "Tiberius Lepidus hat seine Schwester mit Duccius Vala vermählt."
    Obgleich Gracchus über den üblichen Klatsch und Tratsch der Stadt selten im Detail informiert war, so ging er als Pontifex pro magistro doch in der Regia ein und aus, und da dort auch das Eheofficium lokalisiert war, war es unvermeidlich dass letztlich selbst er von Eheschließungen solcher Brisanz erfuhr. Da Gracchus davon ausging, dass Domitilla diese Brisanz allfällig nicht gänzlich einsichtig war, führte er seine Empörung über diese Eheschließung weiter aus.
    "Mit Duccius Vala, jenem germanischen Emporkömmling, der einem wilden Eber similär durch Rom wütet, jenem Duccius Vala, welcher unseren Neffen Quintus Flaccus - den Klienten eines Klienten seines eigenen Patrones - einer Ni'htigkeit wegen vor Gericht hat gezerrt statt diese Causa seinem Patron zu überlassen, nur um seinen Namen auf irgendeine Weise bekannt zu machen, der Duccius Vala, welcher unseren Neffen Scato hier - und mit ihm unsere gesamte Familie - während seiner Kandidatur zum Vigintivirat vor dem Senat gänzlich abge..feimt insultierte, der glaubte dem Senat von Rom diktieren zu können wie Politik in Rom zu funktionieren hat, der Duccius Vala, welcher es wagte den amtierenden Consul Roms öffentli'h im Senat zu diffamieren! Mit genau diesem Duccius Vala hat Tiberius Lepidus seine eigene Schwester ver..mählt, was kaum wohl davon zeugt, dass die Gesinnung der Tiberier sich der unseren hat approximiert, ganz abgesehen davon, dass ich nicht tolerieren werde, dass unsere Familie auch nur ange..heiratet mit diesem germanischen Parvenü in Verbindung kommt!"
    Den unerträglichen Gedanken, dass eine Flavia sich regelmäßig mit ihrem Schwippschwager Duccius Vala würde auseinandersetzen, gar nur an einem Tisch mit diesem speisen müssen, wollte er in diese Überlegungen nicht einmal mit einfließen lassen - denn letztlich würde eine Flavia zweifelsohne jeder Weisung ihres Vaters folgen, sofern diese nutzbringend war.
    "Wenn also dein Vater auf diese Verbindung tatsächlich besteht - und in Aetius' Sinne möchte ich annehmen, dass Tiberius diese Tatsa'he während der Verhandlungen schlichtweg unterschlagen hat -, so wird er dies ohne die Flavia in Rom durchführen müssen, wiewohl seine Ver..wandtschaft zur Flavia Graccha in diesem Falle nicht mehr fortbestehen wird."
    Während die Gesellschaft Roms nur das Andenken an Flavius Domitianus hatte negiert, war die flavische Familie selbst wenig zögerlich darin, ihre eigenen Verwandten, selbst ganze Familienzweige aus ihrem Stammbaum zu negieren - Gracchus selbst hatte dies von Kindheit an bei seinem eigenen Bruder miterlebt und es würde ihm zweifelsohne weitaus einfacher noch fallen, jegliche Verbindung zu Sentor Duccius aus der Familie zu tilgen.

    "Durchaus"
    , konsentierte Gracchus den Vorschlag des Haruspex Primus.
    "Ich werde den Magister Quindecimvirorum kontaktieren und nachsu'hen, wie sein Collegium die gegenwärtige Situation beurteilt."
    Mit einem unscheinbaren Nicken forderte er sodann den Fortgang des Mahles ein. Sogleich sorgte Sciurus dafür, dass die Hauptspeisen aufgetragen wurden - drei silberne Platten, eine belegt mit scharf angebratener Brust vom Kapaun, die Stücke angerichtet in sternförmigem Muster, garniert mit in Honig gebratenen Apfelscheiben, akkurat in Sternform geschnitten, eine weitere mit Schulterstücken von Hasen, ebenfalls sternförmig angerichtet, garniert mit Scheiben der Sternfrucht, die dritte belegt mit kleinen, geschmorten Tintenfischen, deren Tentakeln zu allen Seiten hin waren ausgebreitet, so dass auch diese von oben betrachtet Sternen glichen. Dazu gereicht wurden Körbe mit kleinen Fladenbroten in Sternform gebacken und mit Sternanis dekoriert, sowie dreierlei verschieden gewürztes Garum, selbstredend in sternförmigen Schalen aus Terra Sigillata. Am Motiv des Mahles konnte kaum noch Zweifel bestehen.
    "Per aspera ad astra"
    , wies Gracchus auf die angerichteten Speisen, um dieses Motiv zu erläutern.
    "Über raue Pfade hin zu den Sternen."
    Er hielt kurz inne, seinen Blick einen Herzschlag lang in die Unendlichkeit gerichtet, ein wenig betrübt zurück blickend.
    "In den ver..gangenen Jahren haben wir zur Genüge raue Pfade beschritten, nicht nur mitsamt dem Imperium Romanum, auch innerhalb der Flavia Graccha. Es ist darob Zeit, wieder empor zu blicken, hinauf zu den Sternen."
    Sein Blick hob sich und blieb auf Aurelia Prisca liegen.
    "Unsere beiden Familien teilen weit mehr als nur eine Freundschaft"
    , womit sein Blick zu Lupus ging, denn obgleich Gracchus mit beiden Aureliern ein mehr oder minder spinöses Geheimnis teilte, so war jenes um die Konspiration zweifellos das delikatere.
    "Darob erscheint es mir nur gedeihli'h, diese Verbindung durch eine Ehe zu festigen."
    Respektive ihre Geheimnisse für immer aneinander zu binden. Noch ehedem irgendjemand würde einhaken können, fuhr er fort, den Blick wieder zu Prisca gewandt.
    "Bereits seit den Anfängen des Bürgerkrieges bist du, Aurelia, zurück in der Villa deiner Familie und obglei'h dies wohl eines der besten Häuser ist, in welchen eine Frau leben kann, so gebührt es dir doch, an der Seite eines Mannes zu stehen und für einen eigenen Haushalt Sorge zu tragen."
    Respektive war es gesellschaftlich durchaus ein kleiner Skandal, dass Prisca nicht längst wieder hatte geheiratet, schlussendlich hatte sie ob ihrer Herkunft nicht eben wenig zu bieten. Der Grund dieses Versäumnisses war zweifelsohne, dass sie augenscheinlich einem aufstrebenden Manne das wichtigste nicht konnte entbieten - ihm einen Nachkommen zu gebären, was Gracchus selbstredend in dieser Deutlichkeit niemals würde aussprechen.
    "Gleichsam kann ein Mann in meiner Position es sich nicht erlauben, allzu lange ohne Gemahlin zu ver..weilen, denn obgleich meine Nachkommen sich prächtig entwickeln, unterbindet die Absenz einer Ehefrau mir jeden weiteren Schritt voran."
    Obzwar es dieser Tage einige unverheiratete Senatoren gab, es in den vergangenen Jahren gar unverheiratete Konsuln hatte gegeben, so war dies für Gracchus schlichtweg ausgeschlossen, gleichwohl würde er unbeweibt auf Dauer auch das Pontificat pro magistro nicht fortsetzen können, geschweige denn andere kultische Ämter einnehmen.
    "Es wäre mir dabei überaus erfreulich, eine Gattin an meiner Seite zu wissen, welcher ich in allen Belangen mein Vertrauen kann schenken."
    Respektive welcher er gewisse Sachverhalte nicht würde verhehlen müssen, da sie ohnehin die Wahrheit kannte.
    "Und es gibt in ganz Rom nach dem Tode meiner Gemahlin zweifelsohne keine Frau, welcher ich mehr könnte ver..trauen als dir, Aurelia Prisca."
    Zwar mochte es in seiner Position durchaus ein wenig obsolet sein, sich selbst anzupreisen - wer würde aus der Sicht eines Flaviers schon einen solchen, dazu einen Senator et Pontifex pro magistro, ablehnen -, doch Gracchus war nie besonders von seinen Vorzügen überzeugt gewesen.
    "Gleichsam bin ich bereit, dir alle Möglichkeiten zu gewähren, welche einer Frau deiner Herkunft zustehen."
    Er bedachte Prisca mit einem eingehenden Blick und hoffte, sie würde ob ihres Vorwissens durchaus die rechten Schlüsse ziehen wie weit diese Möglichkeiten würden reichen können.
    "Wiewohl ich selbst..redend stets für dein umfassendes Wohl würde Sorge tragen."