Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Zitat

    Original von Faustus Decimus Serapio
    "Schrei mich nicht an!" fauchte ich, und suchte mich seinem Griff zu entwinden, seinen Händen die sich wie Geierklauen in meine Schultern gruben.
    ...
    "Aber eines solltest du wissen. Ich habe natürlich Vorkehrungen getroffen, so dass, falls ich ermordet werde, oder falls ihr mich... verschwinden lasst... alles gezielt an die Öffentlichkeit kommt. Und mit allem meine ich: auch deine persönlichen Geheimnisse."
    Nur für den Fall daß.


    Ein Machtspiel, ein Spielchen - wäre es nur so einfach gewesen, könnte Gracchus nur alles, was geschehen war als Spiel betrachten, die Beteiligten als entbehrliche Figuren und den Einsatz als gering - doch weder das eine, noch das andere konnte annähernd in sich fassen, was geschehen war, was durch die Tiradenkaskaden Faustus' längst wieder alle Barrieren, Mauern und Schutzwälle hatte eingerissen, in seiner gräulichen Ungeheuerlichkeit ihn gänzlich zu verschlingen drohte.
    Verbrecher!
    schallte das Echo Serapios Worte aus allen Winkeln des Mauerwerks um ihn her und durchbohrte ihn zahllosen widerhakenbewehrten Klingen gleich, drehte und wand sich, dass der Schmerz tief in jede seiner Fasern sich zog.
    Giftmörder!
    fügte ein Zischen dem sich hinzu als entfeuchte der todbringende Atem des Cerberos aus dessen gieriger Kehle und raubte ihm alle Luft, dass er zu ersticken drohte, jeden Augenblick nur ein wenig, doch jeden Augenblick ein wenig mehr.
    Kaisermörder!
    schnellten scharfe Krallen durch seine Brust hindurch, rissen jeden Fetzen seines Selbst ihm vom Leibe bis nichts mehr übrig war als ein marodes Gerippe, welches haltlos in sich zusammen sank.
    Verräter!
    dröhnte das tosende Gewitter der Vorväter durch seine Sinne, tausender Schläge gleich welche hart auf ihn hernieder fuhren, ihn hinabdrückten in den Sumpf der Verleugnung, aus welchem es kein Entrinnen mehr gab.
    Mörder!
    Mörder!
    Mörder!

    rüttelten, zerrten hunderte rastloser Larven an seinem Geist, bleiche, trübe Augen, ausgemergelte Gesichter, deformierte Gestalten, von Qual und Schrecken eines Krieges überzogen, dass Gracchus' Leib einen Augenblick unter dem gewaltigen Ansturm seiner Schuld zusammenfuhr, dass sein Verstand den fernen Worten Faustus in ein infames Blutbad hin folgte, darin versank einem Ertrinkenden im Oceanos gleich.
    Blut.
    Überall Blut.
    Mord.
    Überall Mord.
    Blut.
    An seinen Händen.
    Mord.
    An seinen Händen.
    Fern drangen die weiteren Worte Serapios an sein Ohr, als hallten sie herüber aus einer anderen Welt, als wären sie bestimmt für eine andere Welt. Für Manius' Welt - diese zerrüttete, zerstörte Welt aus Blut und Mord, die doch nicht die seine konnte sein. Dies war der Augenblick da der Malefikant gebrochen war, er musste ihn nurmehr hinab stoßen in die Tiefen des Carcers, die Klappe schließen, das Schloss verriegeln und den Mörder dort festsetzen, dass die Welt wieder in Ordnung kam. Er würde schlichtweg zurückkehren an den Ursprung seiner Existenz, in diese Erinnerung eines niemals gelebten Lebens voller Einfachheit, voller Belanglosigkeit, unter der strahlenden Sonne eines fernen Landes, in den unschuldigen Armen eines glanzvollen Heroen, in der wogenden Barke goldener Götter. Fahrig zitterten Gracchus' Hände, im Innen wie im Außen, als ein marginaler Teil seines Selbst sich anschickte die Majorität zu tilgen, klandestin und leise, im verzweifelten Ansinnen sich selbst zu retten.
    Ich hätte dich gebraucht, ich hätte dich wirklich gebraucht ...
    , erschütterte jedoch Faustus die Grundfeste der inhärenten Machtübernahme, denn damals, als er ihn wirklich hätte gebraucht, war der Nachhall dieses kurzen Daseins lange Zeit allzu präsent, allzu verlockend gewesen. Er durfte nicht tolerieren, dass dies erneut geschah, er musste fort, schlichtweg fort, die Flucht antreten vor dem Monster, das sich seiner wollte bemächtigen, ihn seiner Existenz berauben, er musste die Flucht antreten vor sich selbst, vor den Fluten aus Blut, welche dem verführerischen, rotfarbenen Schein der Sonne nur allzu similär waren, ehedem er darin ertrank, er musste fort. Nurmehr fort.
    "Ja"
    , bestätigte Gracchus alles, was gesagt worden war, ballte seine Hände zu Fäusten um den tobenden Kampf in seinem Inneren zu verbergen und suchte in einem Aufbäumen seiner detachierten Vergangenheit an die banalen Fakten des Vorhabens sich zu klammern, dessentwegen er gekommen war.
    "Am ... fünf..zehnten Tag vor den Kalenden des Septembers ... findet die nä'hste Contio des Collegium Pontificum statt. Sciurus ... wird dich am Seiteneingang des Gebäudes, ... jener nach Süden zum Atium Vestae hin, zur hora septima einlassen, und Cornelius und ich werden nach Be..endigung der Sitzung zu dir stoßen."
    Rastlos suchten Gracchus' Augen Halt an Serapio, der ihm so vertraut und doch so fremd war, der noch immer gleich und doch gänzlich anders schien, doch es gab keinen Anker und keinen Rettungsring, es gab nur die Verlockung dem Strahlen der Sonne zu erliegen.
    "Niemand soll ver..schwinden. Niemand."
    Er wollte nicht verschwinden, nicht auf diese Art und Weise, dahingerafft von einer Laune seines Geistes, versunken im morbiden Blut seiner Familie, einen Scherbenhaufen zurücklassend, ein devastiertes Land voller Obliegenheiten, sein Lebensfaden zerfasert in tausende loser Enden.
    "Ich ... ich muss nun gehen. Ich muss ..."
    Zögernd sah er sich um. Er brauchte einen Fixpunkt, etwas, das sein Leben bestimmte, seine Existenz bedingte, denn um ihn her war nichts, das ihn seiner entsann, war nur die Reminiszenz einer Liebe, welche er zu oft schon hatte in ihrer Realität angezweifelt ihrer Exzeptionalität wegen, war nur das Blut, das schlichtweg nicht an seine Hände gehörte, war nur der Tempel eines ägyptischen Gottes, welcher ihn nur an jenen anderen entsann, der suchte sich seiner zu bemächtigen.
    "Bis dann, Faustus ... vale ..."
    Gracchus wandte sich um, trat zwischen den Säulen hervor und ging einige Schritte dem Tempel entgegen, ehedem er realisierte, dass dieser Weg ins Unbekannte ihm nicht die Stabilität konnte bieten, welcher er bedurfte, dass gegenteilig nur mehr Fährnis noch dort lauerte, dass er von einem anderen Ort war gekommen, musste gekommen sein. Zögerlich blieb er stehen, einem Kind im Trubel des Lebens gleich verloren, als endlich Sciurus zu ihm trat und zumindest aus der offenkundigen Misere errettete, noch einmal an Serapio vorbei ihn zurück zum Eingang des Tempelareals führte.



    edit: Link

    "Ich würde vorschlagen, den Fokus zunächst schli'htweg zurück auf die Trias zu legen. Während des Bürgerkrieges war zweifelsohne die Gunst des Mars begehrt, doch der Krieg sollte in Rom wieder jede Bedeutung verlieren, zumindest sofern er sich nicht wider ferne Aggressoren gegen unsere Grenzen richtet. Auch die Zeit der Concorida ist vorüber, denn es darf kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Rom wieder geeint ist, dass es nur einen einzigen re'htmäßigen Kaiser gibt. Iuppiter und Iuno - die Hinwendung zu Staat und Gesetz, wiewohl zu Heim und Familie zeigen, dass die Normalität wieder Alltag ist, und das Augenmerk auf Minerva pointiert die Blüte der Kultur - denn nur eine gesunde Gesellschaft kann sich die Be..schäftigung mit Künsten und Wissenschaft leisten. "
    Mit einer solch bewährten Ausrichtung konnte ein Kaiser zumindest kaum etwas falsch machen - es sei denn, er exorbitierte den Kult wie es etwa Domitianus in Hinblick auf Minerva hatte getan.
    "Sofern du zu gegebener Zeit den Fokus verlagern möchtest, können wir schlussendlich jederzeit außerkalendarische Opferungen an..beraumen."

    Tief sog Gracchus den Duft der Räucherung durch seine Nase, die süßliche Leichtigkeit goutierend, welche dies evozierte, eine Reminiszenz an dutzende, hunderte vergangene Tage, an karge und extensiven Opfern, private und öffentliche Gelegenheiten, eigene oder fremde Opferherrschaft - ein Spiegel seines eigenen Lebens, seiner eigenen Existenz, die bisweilen nur auf dieses eine Ziel ausgelegt zu sein schien und doch beständig weitab dieser Bahn verlief.
    "Neptunus aeternus, gewähre uns Deine Bea'htung!"
    Ein wenig Stolz durchzog ihn als nach Minor nun Titus hervortrat, eine Schale mit Speltkeksen seinem Vater entgegen hebend und erwartungsvoll mit großen, runden Augen anblickend. Gracchus quittierte dies mit einem marginalen Lächeln und Nicken, gleichermaßen in wehmütiger Art und Weise an seine Gemahlin erinnert, deren Augen stets ebenso tief und dunkel gewesen waren wie die ihres Sohnes und die gleichsam Teil jener vordefinierten Bahn gewesen war, welche er nicht zu halten im Stande schien. Während all dies durch Gracchus' Sinne zog, wurde sein Tun indes nicht bestimmt von Gedanken, seine Hände griffen wie in den Riten determiniert nach dem Gebäck und brachten die Gaben unter dem faszinierten Blicke Titus' der gewaltigen Götterstatue zu Füßen dar.
    "Neptunus aeternus, Dir geben wir unsere Gaben zum Tag Deiner Ehren, dass Du uns deine Aufmerksamkeit gewährst!"

    Recht unspektakulär fand die Contio ihr Ende - einige Beschlüsse waren getätigt worden, einige Aufgaben verteilt - und die Mitglieder des Collegium Pontificum strebten mehr oder minder eilig ihren nächsten Zielen entgegen. Gänzlich unspektakulär trat auch der Pontifex pro magistro an den Pontifex maximus heran - ganz so, wie sie dies hatten vereinbart - und bat um einige Augenblicke dessen Zeit, um noch einige Details der Beschlüsse ein wenig genauer zu beleuchten. Während Gracchus - obgleich man annehmen mochte ein versierter Konspirant - innerlich beständig unter großer Anspannung stand, so profitierte er nach außen hin von jahrzehntelang konditionierter patrizischer und senatorischer Contenance, ob deren an dieser der Contio nachgelagerten Besprechung in einem beliebigen, unscheinbaren Officium zweifelsohne von außen betrachtet nicht das geringste als sonderbar zu erachten war - ausgenommen ein Beobachter mochte observiert haben, welcher Besucher zuvor in eben dieses Officium war geführt worden, denn schlussendlich war alles genau derart geschehen, wie es geplant worden war: der Imperator Augustus Appius Cornelius Palma traf auf den ehemaligen Praefectus Praetorio Faustus Decimus Serapio, während Manius Flavius Gracchus irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden stand - auf einem schmalen, seidenen Faden balancierend, welcher unter dem Gewicht der Unwägbarkeiten jeden Augenblick zu zerreißen drohte und bereits mit dem Beginn des Gespräches einen Spannungshöhepunkt erreichte, da es Gracchus unbezweifelt ungebührlich erschien vor dem Augustus das Wort zu ergreifen - insbesondere, da die Parteien sich bereits kannten -, er gleichsam jedoch größte Nervosität hegte ob der Ungewissheit, was eben jener würde tun.

    Obgleich bisweilen einige Teile der Vergangenheit in den Windungen seines Geistes auf der Strecke blieben, so war die genannte Lex doch allein ob ihres Namens Gracchus durchaus präsent, wiewohl er tatsächlich davon ausgegangen war, dass sie im Zuge der damaligen Aufarbeitung war annulliert worden, weshalb er in diesem Augenblicke nun nicht gänzlich eins war, um welche Tatsache er sich mehr sollte härmen - dass die Lex nicht abgeschafft worden war oder dass er Gegenteiliges hatte angenommen. Zumindest dass dies Versäumnis nun sollte nachgeholt werden, dem konnte er bereits mit einem Nicken zustimmen - selbst in Anbetracht dessen, dass dieser Antrag durch Senator Duccius eingebracht worden war.

    Da es üblich war, dass die Pontifices und Flamines im Falle kultischer Unklarheiten in ihren eigenen Casae und Villae wurden aufgesucht, gab es in der Regia neben den festen Officien der Scribae und Kulthelfer nur einige unpersönlich möblierte Räumlichkeiten, welche bei Bedarf genutzt werden konnten. Während im großen Versammlungssaal die allmonatliche Contio des Collegium Pontificum abgehalten wurde und sich bereits allmählich ihrem Ende näherte, wurde in einen dieser Räume durch den Vilicus des Pontifex Flavius ein Besucher geführt, um dort auf eben jenen zu warten.

    Nachdem sich in den letzten Tagen meine literarisch-kreativen Ergüsse ob anderweitiger Obliegenheiten in Grenzen gehalten haben, bin ich nun bis zum 19ten wieder gänzlich absent, hernach zwei Tage zuhause ehedem ich beruflich bis Ende des Monats außer Landes bin - und noch nicht weiß, ob ich dann sonderlich viel Zeit aufbringen kann, wiewohl ich versuchen werde, das ein oder andere zu posten. Ab September wird es dann vermutlich wieder besser mit meiner (schreiberischen) Anwesenheit.

    Einen kurzen Augenblick war Gracchus' Aufmerksamkeit irritiert durch Minors Reaktion auf die erhitzte accera - denn obgleich sein Sohn offiziell kein Kind mehr war, so trieb insbesondere nach dem Tode Antonias den Vater doch beständig die Furcht um, den beiden jüngeren Gracchen könne ebenso ein Unglück oder Leid widerfahren -, doch nachdem der ältere der beiden Brüder seine Bereitschaft hatte versichert, nickte der Pontifex, um sodann aus dem Schatten vor den Tempel hin zu treten, einem der Herolde dabei das Zeichen gebend, dass die Opferung konnte beginnen. Drei kurze Fanfarenstöße zogen die Aufmerksamkeit aller Zuschauer zum Opferplatz, ehedem die fidicines ihre Saiten zupften und die tibicines mit ihrem gleichtönenden Flötenspiel begannen, welches den Beteiligten dabei sollte helfen, sich auf ihr Wirken zu konzentrieren. Doch obgleich Konzentration zweifelsohne ein Teil Gracchus' Wirken war, so bestand es größtenteils doch mehr aus der monotonen Gewohnheit langjähriger Erfahrung, war der Handlungsablauf der meisten Zeremonien doch stets similär - so auch die kleine Prozession aus Pontifex, ministri und weiteren Kulthelfern, welche sich nun anschickte die Stufen empor, das Tempelgebäude zu be- und vor die steinerne Statue des Neptunus hinzutreten. Angenehm schlug die durch die dicken Mauern gekühlte Luft ihnen entgegen als sie die cella betraten, durchzogen von dem süßlichen Duft nach Räucherung und dem herben Rauch der Öllampen und Kerzen, wiewohl Gracchus kurz inne hielt, seine Augen nach der grellen Sonne an das Halbdunkel des Raumes zu gewöhnen. Er selbst hatte ein durchaus zwiespältiges Verhältnis zu Neptunus - mochte er die Notwendigkeit fließenden Gewässers zwar durchaus anerkennen, wiewohl frisches Wasser im Allgemeinen überaus schätzen, indes war ihm das endlose Meer weit mehr als suspekt, überaus missliebig geradezu - doch persönliche Präferenzen oder Aversionen hatten ohnehin keinen Platz im öffentlichen Opfer.
    "Neptunus aeternus, Herr allen Wassers, Herrscher über Ozeane und Flüsse, Gebieter aller Quellen und fließenden Gewässer, Dir geben wir unsere Gaben zum Tag Deiner Ehren!"

    Obgleich Gracchus die Argumentation ob der Versorgung nicht konnte nachvollziehen - schlussendlich gab es für solcherlei Bedarf Sklaven, welche bezüglich bürgerlicher Gesetze als geschlechtsneutral waren anzusehen -, so war ihm die generelle Problematik durchaus verständlich, wiewohl er ebenso nicht gänzlich sicher war, weshalb diese Regelung unter Iulianus war eingeführt worden. Indes hatte es bisweilen in dieser Zeit so manch merkwürdiges Gesetz und Brauchtum gegeben - man mochte sich nur an die weibliche Senatorenschaft oder Pontificae entsinnen -, weshalb die ursprüngliche Intention zweifelsohne als hinfällig konnte angesehen werden, so sie in den gegenwärtigen Zeiten nicht mehr als sinnvoll mochte erachtet werden.
    "Dieses Ansinnen findet meine vollste Zustimmung, nicht nur in Hinblick auf die Wiederherstellung einer ehrwürdigen Tradition, sondern auch darauf, eine praktikable Ordnung zu ge..währleisten, welche ohnehin bereits derart gelebt wird. Gibt es andere Meinungen oder gar Einwände?"

    Sim-Off:

    Hast du zufällig eine Quelle für den originalen Gesetzestext, welchen wir dem überlieferten Recht hinzufügen können?

    Ob der Vorbereitungen zum Drachenfest habe ich in den letzten Tagen leider keine Zeit für die ausstehenden Antworten gefunden, und da ich in dieser Nacht aufbreche, wird sich dies auch bis mindestens Montag, 4.8., nicht ändern.

    Auch Gracchus enthielt sich ob seiner Bedenken zu der allumfassenden Thematik, denn begann der Senat nun wieder einen einzelnen Mann auszuzeichnen, so implizierte dies schlussendlich, dass all jene vor ihm, welche in einer nicht so begünstigenden Zeit ihr Amt hatten verrichtet, keine besonders guten Leistungen hatten erbracht. Dem Tiberius selbst indes würde seine Stimme zu anderen Gelegenheiten mehr nutzen.

    Seit Tagen hielt sich die Hitze über Rom, brachten auch die schwülen Nächte keine Abkühlung mehr, dass wer immer es sich konnte leisten, die meiste Zeit im Inneren der kühlenden Mauern eines Hauses blieb, höchstens noch einmal am Abend nach einem lauen Luftzug heischend an die frische Luft hinaus trat - welche indes zumeist nur schwer und drückend zwischen den Gebäuden der Stadt hing und selbst in den Gärten auf den sieben Hügeln kaum zu einer Bewegung bereit war. Deplorablerweise zwang die Pflicht bisweilen selbst jene, welche sich dies konnten leisten, ihr Haus zu verlassen, und manches mal zwang sie jene gar dazu sich der prallen Sonne und Hitze des Tages auszusetzen - und auch der Sklave, welcher hinter Gracchus stand und unermüdlich mit einem Fächer diesem zumindest ein wenig Kühlung zu verschaffen, konnte nicht verhindern, dass dem Pontifex bereits Schweißtropfen auf der Stirne standen.
    "Gut"
    , befand er nach kurzer Begutachtung des weißfarbenen Stieres, welcher vor dem Tempel auf seinen Tod harrte - dabei von Sonne und Hitze gänzlich unbeeindruckt schien -, und wischte sich mit einem seidenen Tuch über das Gesicht, ehedem er die Flucht zurück unter ein Sonnensegel antrat, welches neben dem aedes aufgebaut war. Obgleich dort bereits ein Sklave mit den Stoffmassen seiner toga praetexta auf ihn wartete - selbst wenn die Sonne jeden Grashalm würde versengen, ein Pontifex hatte sich an den Kultritus zu halten, welcher unabhängig von den Jahreszeiten seine Tracht bestimmte -, rang Gracchus sich ein schmales Lächeln ab im Anblick seiner beiden Söhne und seines Neffen Fusus, welcher bei den Gracchen stand - allesamt bereit ihre Pflicht als Sprösslinge einer patrizischen Familie zu erfüllen. Denn wie Minor bereits seit Jahren immer wieder bei den großen öffentlichen Opfern, welche sein Vater im Dienste des Cultus Deorum vollzog, als minister fungierte, so würde auch Titus Gracchus an diesem Tage in diese Pflicht initiiert, gleichwohl wie Fusus zum ersten Male bei einem Staatsopfer in Rom würde assistieren.
    "Der Stier ist von erstklassiger Güte, selbst die Hitze scheint ihn nicht zu tangieren."
    Ganz im Gegenteil zu dem Pontifex pro magistro, welcher in diesem Augenblicke, da die Toga um seinen Leib wurde gelegt, bereits sich die Frage stellte, ob es in der Geschichte Roms jemals ein Opfer hatte gegeben, welches daran gescheitert war, dass der Opferherr der Hitze wegen schlichtweg die Besinnung hatte verloren. Noch einmal tupfte er mit dem Seidentuch über seine Stirn, ehedem er sich wieder seinen Anverwandten zuwandte.
    "Sofern ihr bereit seid, können wir beginnen."
    Es war nicht üblich, dass der Pontifex sich nach den Opferhelfern hatte zu richten - doch in diesem Falle verschwammen die offizellen Kultrollen mit den Beziehungen innerhalb der flavischen Familie.

    Mit einem Mal war Faustus ihm nahe - viel zu nahe -, dass Gracchus beinahe glaubte seinen Atem auf seiner Haut spüren zu können und obgleich Serapio nichts wollte hören, obgleich er kein Wort von ihm wollte annehmen, ließ er all diese Fragen auf ihn einprasseln, all diese Fragen, welche den Zorn der Verzweiflung in Gracchus emporsteigen ließen, da eben dies all die Fragen waren, auf welche generell niemand eine Antwort wollte hören, welche unter der Decke des Schweigens ihn sukzessive erdrückten.
    "Ob ich es nicht sehe?"
    fragte er ob all der Vorwürfe wütend, seine Stimme erhoben, und packte Serapios Schultern.
    "Ob ich es nicht sehe?! Glaubst du etwa, ich trage Scheuklappen?! Glaubst du etwa, ich würde mit ver..schlossenen Augen durch die Welt wandeln?! ÜBERALL! Ich sehe über..all die Späne! Dabei war es nie meine Intention zu hobeln!"
    Er rüttelte nun an Faustus, so als könne er nur so dafür Sorge tragen, dass seine Worte Eingang in ihn fanden, dass er endlich verstehen würde. Längst hatte Gracchus sein Contenance verloren, es war irrelevant wo sie waren und wer sie würde hören können, denn in diesem Augenblick gab es nur noch Serapio und ihn.
    "Ich wollte einen rostigen Nagel aus der Wand ziehen und einen neuen einschlagen - nicht mehr und nicht weniger! Doch wir wurden ver..raten, von Beginn an, der Nagel wurde gewaltsam abgebro'hen und mit einem male wurden die Hobel aus..gepackt und auf einmal flogen die Späne und am Ende stand nicht einmal mehr die Wand! Ich habe diese Wand geliebt! GELIEBT! Kannst du das nicht ver..stehen!? Ein Bürgerkrieg! EIN BÜRGERKRIEG!"
    Gracchus Finger krallten sich fester in Serapios Schultern und in seinen Augen leuchtete ein Funkeln von Hysterie.
    "EIN BÜRGERKRIEG VER..DAMMT NOCHEINMAL! WIE KANNST DU NUR GLAUBEN, ICH HÄTTE ROM IN EINEN BÜRGERKRIEG STÜRZEN WOLLEN?! Kein noch so hehres Ziel würde dies re'htfertigen! Ich hätte niemals auch nur einen Finger an diesen Nagel ge..legt, hätte ich diese Wendungen absehen können!"
    Als würde er sich an der Hitze seines eigenen Zornes verbrennen, ließ Gracchus Serapio abrupt los, sein Atem ging schwer, sein ganzer Leib war erhitzt und er presste einen Augenblick seine Kiefer aufeinander, um seine Beherrschung wiederherzustellen, ehedem er etwas gemäßigter, doch noch immer aufgebracht fortfuhr.
    "Als ich zu dir kam, zurück nach Rom, habe ich gehofft, du könntest das Imperium noch retten. Der Nagel war abgebro'hen und die Hobel standen bereit. Vescularius hatte die Macht an sich gerissen, hatte wahllos Männer ver..haften lassen, schlichtweg alle, welche zuvor ihm unleidlich geworden waren, doch beinahe niemanden, der tatsächli'h involviert war! Ich habe meine Familie in Sicherheit gebracht und ich hätte ebenfalls dort bleiben können, hätte mich in eine bequeme, ab..geschiedene Villa zurückziehen können oder am taktischen Tisch kleine Figuren um..herschieben und Truppen aufeinander hetzen und in den Tod schicken können, denn der Bürgerkrieg war längst unausweichli'h! Aber das war nicht, was ich wollte, Faustus, das war nie was ich wollte, ob du mir dies nun glaubst oder nicht, nie ging es darum mit Gewalt die Ma'htverhältnisse zu verschieben, es ging niemals darum, auf Kosten hunderter unschuldiger und un..tadeliger Römer irgendein Ziel zu erreichen! Es ging nur darum, diesen ver..dammten, rostigen Nagel zu entfernen, dass die Wand nicht an Stabilität verliert, dass ein neues Gemälde hätte auf..getragen werden können, welches weitaus schöner sollte sein als zuvor!"
    Gracchus war kein Tischler, kein Innenarchitekt und kein Maler, so dass dieser bildliche Vergleich zweifelsohne immer abstruser wurde.
    "Ich habe gehofft, du würdest erkennen, dass auch Vescularius auf einer schwarzen Seite stand, dass es in dem be..vorstehenden Bürgerkrieg keine weiße Seite würde geben - denn wer sonst hätte dies besser sehen können als ein Präfekt der Preatorianer. Ich wollte nicht, dass du auf unsere Seite kommst, ich hatte schli'htweg gehofft, du würdest dich für Rom entscheiden! Hättest du zu diesem Zeitpunkt als Praefectus Praetorio den Vescularier entmachtet, hättest du dem Senat die Mögli'hkeit gegeben, einen Kaiser einzusetzen ... Cornelius hätte keinerlei Basis mehr gehabt nach Rom zu marschieren. Er hätte den Beschluss des Senates anerkennen müssen, ebenso wie seine Legionen, von welchen viele nur deswegen gegen Rom zogen da der Ves..cularier dort die Macht an sich hatte gerissen."
    Traurig schüttelte er den Kopf.
    "Und ich habe nie deinen Namen in den Schutz getreten, Faustus, niemals. Nachdem du die Casa Decima ver..lassen hattest wusste ich nicht einmal mehr, was in Rom vor sich ging."
    Dass dieses Nichtwissen noch weitaus tiefer gegangen war, wollte er indes nicht eingestehen.
    "Es ist nur ein Teil all der Dinge, welche du mir, welche ich selbst mir vorwerfen kann - dass ich ein Feigling bin, es immer war und vermutli'h bis zum Ende dieses Lebens sein werde, dass ich mich zu diese Zeit allem verschlossen habe, um nicht mitansehen zu müssen, wie dieser Bürgerkrieg über das Imperium hinweg rollt. Hernach warst du ver..schollen, niemand wusste wo du abgeblieben bist, ich glaubte dich tot, und es hat lange gedauert bis die Nachricht mich erreichte, dass du in der Castra Praetoria inhaftiert worden warst, denn ich war nie militärisch in die Geschehnisse involviert, genau genommen war ich seit meiner Flucht aus Rom in nichts mehr in..volviert. Ich habe versucht eine Audienz bei Cornelius zu erhalten und auch wenn dir dies allfällig sonderbar erscheinen mag, er hat mich hingehalten, viel zu lange. Als ich endlich meine Gelegenheit erhielt, als ich für dich vorspra'h, als ich deine Taten und Entscheidungen im Sinne des Imperium rechtfertigte und gar einmal in meinem Leben genügend Mut aufbrachte, alles in die Waagschale zu werfen, um dich aus diesem Carcer zu befreien ... er speiste mich nur ab, dass er dich bereits als freien Mann hätte entlassen, und kehrte zu amtli'hen Aufgaben zurück."
    Bisweilen hatte Gracchus das Gefühl, dass das Schicksal sich wahrlich mehr als einmal gegen sie hatte verschworen.
    "Ich war in der Casa Decima, doch du warst nicht bei Bewusstsein und deine Schwester wollte mich nicht zu dir lassen - welches Recht hätte ich gehabt, ihre Entscheidung in Frage zu stellen? Ich habe auf ihre Na'hricht gewartet, dass es dir besser geht, doch alsbald gab es nur noch die Nachricht, dass du die Casa verlassen hattest, dass du für niemanden mehr zu finden warst. Ich habe nach dir suchen lassen, doch bis zur Nacht der Saturnalien - und auch hernach wieder - gab es keinerlei Spur von dir, nicht ob du in Rom bist, nicht einmal ob du überhaupt noch am Leben bist."
    Ein leises Schnauben war die letzte Spur Gracchus' Aufgebrachtheit - er wusste nicht einmal mehr weshalb er all diese Worte noch sprach, er wollte nur, dass Serapio endlich mit seinen falschen Vorhaltungen inne hielt, da doch bereits genügend wahre Vorhaltungen über ihn ausgebreitet lagen.
    "Ich will nichts von dir. Es mag sein, dass auch die Furcht vor der Zukunft mich hierher ge..trieben hat, doch letztlich bist du der Grund. Ich will nicht, dass Rom deiner spottet, ich will nicht, dass Rom dich ächtet! Du warst nie mein Feind, Faustus, du bist es nicht und du wirst dich wahrli'h anstrengen müssen, es zu werden. Ich kann nicht mehr rückgängig machen, dass du gefallen bist, ich kann nicht rückgängig machen, was geschehen ist - doch kannst du nicht verstehen, dass ich allfällig dazu beitragen kann, dass diese Ungere'htigkeit nivelliert wird, dass ich dazu beitragen muss, wenn du mich lässt, so wie ich es für jeden würde tun müssen, der mir etwas be..deutet? Du sollst nicht gutheißen, was ich getan haben, du musst es nicht verstehen, musst mir nicht ver..zeihen und du musst mich auch nicht mögen, doch allfällig kannst du den Status quo akzeptieren."
    Schon als seine Worte die Freiheit erlangten war Gracchus dessen sich sicher, dass sie Serapio nicht würden erreichen können, dass dieser wieder nichts würde von all dem wissen wollen, sich auf seine festgefahrene Position versteifen, doch was sonst sollte er tun? Er konnte nur versuchen, Faustus von seinen Absichten zu überzeugen, nicht mehr und nicht weniger.
    "Dieser inkludiert, dass Cornelius Augustus ist, darob habe ich ihn neuerli'h aufgesucht und obgleich er nicht sonderlich begeistert schien, so musste er eingestehen, dass es auch seine Pflicht ist, dir eine Lösung für diese Situation an..zubieten - und er ist dazu bereit."
    Er verschwieg, dass er gegenüber Cornelius ganz bewusst nicht ehrlich gewesen war, der Lügenbasis seiner Existenz weitere Unwahrheiten hatte hinzugefügt, um den Imperator zu diesem Gespräch zu drängen.
    "Im Übrigen bin ich nicht stolz auf das, was ich getan habe, ich war es nicht einmal in jenem Augenblicke als ich meine Ent..scheidung getroffen habe - im Gegenteil, der Preis war schon damals zu hoch. Es war zu dieser Zeit indes schlichtweg eine Notwendigkeit - keine unglückli'he kleine Notwendigkeit, sondern eine ungeheuerliche, große Notwendigkeit. Etwas musste geschehen und als der Anstoss kam ... ich habe wahrhaftig geglaubt, es wäre das beste für Rom, für Roms Zukunft. Denn auch wenn dies sich nicht in das Bild deines schwarzen Mannes einpassen mag, ich bin nicht ohne Gewissen."
    Letztlich hätte er es wissen müssen, dass es so würde enden, denn sein Fluch war nun einmal, dass er alles, was er liebte, früher oder später ins Verderben stürzte - das Imperium und Faustus blieben dabei keine Ausnahme.

    Meine Anreise steht für Montag fest, vermutlich werde ich aus nostalgischen Gründen dann ohnehin am Abend im LKL vorbeisehen.


    Für einen weiteren Termin bin ich vermutlich ebenfalls recht flexibel, ich bin diesbezüglich recht entspannt und (mache mich) frei von allen Zwängen, indes wäre mir der Nachmittag angenehmer als der späte Abend.