Beiträge von Manius Flavius Gracchus

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    Original von Titus Aurelius Ursus
    Das Collegium Pontificum? Die Divinisierung des Imperators. Ja, das war eine sehr wichtige Angelegenheit, das sah der cornicularius sofort ein. Er betrachtete das Siegel und nickte. „Ich kündige Dich an, Decimus. Einen Augenblick.“ Aretas gab er mit einem Nicken zu verstehen, daß alles in Ordnung war und er auf seinen Posten zurückkehren konnte. Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis der cornicularius zurückkehrte. „Du kannst eintreten, Decimus.“ Warum der Legat wohl so erstaunt geguckt hatte bei dem Namen? Hatte der Mann doch keine Ahnung, daß Ursus' Vater Decimus Aurelius Maxentius geheißen hatte.


    Als der Cornicularius sich umwandte, um den Legaten zu benachrichtigen, unterdrückte Gracchus das Emporsteigen eines erleichterten Seufzen aus seiner Kehle, zwang sich zu Ruhe und Besonnenheit - denn selbst wenn er von Aurelius Ursus keinerlei Gefahr erwartete, so war er dennoch sich nicht sicher, wie die Legio I zu all dem Geschehen in Rom würde stehen, ja nicht einmal ob Ursus bereit wäre, für ihre Sache tatsächlich zu kämpfen, anstatt wie ursprünglich geplant nur Imperator Cornelius in seiner Rechtmäßigkeit zu bestätigen. Es dauerte Gracchus nun, dass er nicht mehr mit Tiberius über dessen Erfolge bei den Legionen hatte gesprochen - im Zweifelsfalle würde er vermutlich nicht einmal mehr alle Einheiten aufzählen können, deren Rückhalt sich Durus hatte versichert, denn zu sehr hatte er sich auf die Organisation des Tiberiers verlassen. Indes war es zu spät, nun Bedauern zu zeigen, nurmehr Zeit, sich auf die Gegenwart und die Zukunft zu besinnen. Nachdem der Cornicularius diesen wieder hatte verlassen, betrat Gracchus den Raum des Legaten, Gegenwart und Zukunft der Verschwörung auszuloten.
    "Salve, Aurelius Ursus!"
    grüßte er jenen ohne dessen Rang zu nennen, denn obgleich Gracchus durchaus auch an dem Legaten war interessiert, so waren ihre Zusammentreffen auf diversen Feierlichkeiten ihrer und befreundeter Familien doch stets privater Natur gewesen.
    "Bitte verzeih die Inadäquanz meiner Erscheinung, wiewohl dass ich mir auf diese klandestine Art und Weise Zutritt zu dir habe ver..schafft, doch nach meiner unautorisierten Abreise aus Rom muss ich wohl damit re'hnen, dass Vescularius Salinator seiner Drohung hat Taten folgen lassen und nach mir als Kaisermörder fahndet."
    Ein schmales Lächeln legte sich um Gracchus' Lippen, da schlussendlich dies den Tatsachen entsprach, doch konnte letztlich die Erheiterung darüber nicht seine Augen erreichen.
    "Gestattest du, dass ich Platz nehme? Die Reise war nicht eben kom..fortabel."
    Auf dem Bauch zu liegen war derzeit im Grunde die einzige Pose, in welcher Gracchus der Algesie in seinem Leib ein wenig Linderung konnte verschaffen, doch Sitzen war zweifelsohne noch immer angenehmer als Stehen, wiewohl Stehen bereits angenehmer war als Reiten.

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    Original von Titus Aurelius Ursus
    Der cornicularius rollte die Augen. Schon wieder ein Besucher! Das ging hier ja wie in einem Taubenschlag zu in letzter Zeit. Soviel zu gemütlicher Posten! "Salve, Obsidius", grüßte der cornicalius beiläufig zurück. Er musterte den Boten ein wenig abfällig. "Und wer schickt Dich, Decimus?", fragte er ein wenig ungnädig, denn das war ja sicherlich wichtiger als der Name des Boten. Er war sicher, daß der Legat ihn danach fragen würde.


    Schweigend folgte Gracchus dem Wachsoldaten vom Tor der Legio I bis in die Principia, dabei durchaus interessiert - wenn auch nicht allzu auffällig - das Leben und Treiben um ihn her betrachtend. Es war tatsächlich das erste Mal in seinem Leben, dass er ein Castellum betrat, denn obgleich er zu Beginn seiner politischen Karriere immer wieder einmal darüber hatte nachgedacht, den für seinen Stand freiwilligen Militärdienst abzuleisten, so hatte ihn doch der Stolz gegenüber seinem Vater - welcher zu dieser Zeit längstens nicht mehr bei ihnen war - stets davon abgehalten, wiewohl auch das Wissen darum, dass er kaum wohl lange hätte bestehen können. Ob dieser Gedanken und Abschweifungen abgelenkt wäre er beinahe einen Augenblick lang seiner Rolle verlustig gegangen als er hinter dem Soldaten das Officium des Legaten betrat, war er doch nicht gewohnt, in einem solchen Tonfall Anweisungen entgegen zu nehmen. Gerade noch rechtzeitig indes zwang er sich zum innehalten und stellte sich an den zugewiesenen Platz bis er zu dem Cornicularius gebeten wurde.
    "Das Collegium Pontificum aus Rom sendet mich in Angelegenheiten die Divinisierung des ver..storbenen Imperators betreffend."
    Neuerlich griff Gracchus in seine Tasche und nahm das Schriftstück heraus, welches das Siegel des Collegium Pontificum trug.
    "Dies und eine mündliche Nachri'ht soll ich Legatus Aurelius überbringen."

    "Längere Zeit nicht mehr"
    , antwortete Gracchus ohne weiter darüber nachzudenken, ob diese Aussage auf seine Rolle passte, denn letztlich mochte er sich nicht allzu viele Lügen merken, welche er allfällig noch einmal würde vorbringen müssen. Beinahe ebenso lange wie der letzte ausgedehnte Ausritt schien ihm der Genuss eines entspannenden Bades und einer sanften Massage zurück zu liegen, obgleich dies selbstredend nicht einmal zwei Wochen mochte her sein. Er unterdrückte ein Seufzen, suchte gleichsam die Schmerzen zu ignorieren und ein wenig das Castellum zu begutachten, in dessen Mitte er geführt wurde.

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    Original von Aretas
    Sich straffend, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, empfing der vorgebliche Römer den vorgeblichen Boten. " Salve, Decimus Maxentius. "Erwiderte er seinen Gruß. Collegium Pontificium? Pontifex, war nicht der Tiberer ... Der hier wollte zum Legaten. Merkwürdig, dass alle Reiter seit dem Tode des Kaiser, aussahen wie Wegelagerer. Antias kam seinen Pflichten nach. Er besah sich das Siegel, anfangen konnte er nur wenig damit. "Hast du Waffen bei dir?" Antias tippte mit der Hasta gegen die Tasche des Boten. "Zeig mir die Tasche, dann Arme zur Seite, ich muss dich durchsuchen."


    Im ersten Augenblicke fürchtete Gracchus, der Soldat hätte seine Lüge durchschaut, war allfällig ihm irgendwann einmal in Rom begegnet, schlimmer noch wusste bereits von der Flucht, und grinste, da der ihm bekannte Senator sich als Bote ausgab und der Fliege gleich in das Netz der Spinne tappte. Schlussendlich jedoch hatte Gracchus ohnehin keine Wahl, wiewohl der Wachposten immerhin gewillt schien, ihn einzulassen.
    "Ich trage keine Waffe"
    , gab er wahrheitsgemäß ihm Auskunft, hatte er doch das Gladius, welches er im Haus seines Freundes Scapula an sich genommen, bei Flaccus und Minor zurück gelassen, denn letztlich würde es keinen Unterschied machen, ob er bewaffnet war oder nicht - sofern die Soldaten ihn wollten überwältigen, würden ihnen dies mit oder ohne Gegenwehr gelingen, so dass Gracchus dies auch gleich unterlassen konnte. Er hob die noch immer geöffnete Tasche dem Soldaten entgegen.
    "Brot, ein Wasserschlau'h und einige Münzen, mehr habe ich nicht."
    Bei seinem Aufbruch hatte er sich wenig Gedanken darum gemacht, was außer der Schriftrolle mitzunehmen war, so dass er nur das in die Tasche hatte gepackt, das er tatsächlich auf dem Weg würde benötigen können, doch nun hoffte Gracchus, dass dies in etwa dem entsprach, was ein Bote sonstig mit sich führte - wissen indes konnte er dies nicht, er hatte sich nie für Boten interessiert, stets nur für ihre Nachrichten, wenn überhaupt. Sodann breitete er die Arme aus, um sich durchsuchen zu lassen, denn da ihm nicht viel geblieben war, hatte er auch nichts zu verbergen.

    Sim-Off:

    Um nicht gänzlich von den Entwicklungen überrannt zu werden, findet dieses Ereignis SimOn zeitlich am vorläufigen Ende der Flucht der Flavier durch Italia statt, während diese SimOff noch weiter von uns ausgestaltet wird.


    Seit die flavische Familie Rom hatte verlassen waren Tage vergangen, viel zu viele Tage waren es gewesen, welche die Männer der Familie für den Weg nach Mantua hatten benötigt - weit mehr als ein halbwegs geübter Reiter mit regelmäßigem Wechsel seiner Pferde in den Stationen des Cursus Publicus hätte benötigt. Nicht nur Minor hatte sie aufgehalten - schlichtweg dadurch, dass er entgegen der Ansicht seines Vaters noch immer ein Kind war und sein Leib nicht mit jenen der Erwachsenen konnte mithalten, so dass sie des Öfteren seinetwegen Pausen einlegten, welche selbstredend auch den beiden älteren Flaviern in ihrer gewohnten Bequemlichkeit keineswegs unangenehm waren, wenn auch Gracchus im Angesicht der dräuenden Gefahren darauf hätte verzichten wollen, hätte sein Sohn ihn nicht begleitet -, sie alle waren die Strapazen einer solchen Reise nicht gewöhnt, waren durchaus, was manch einfacher Bürger abfällig als verweichlichte Patrizier bezeichnete, denn in ihrem bisherigen Leben hatte es niemals die Not gegeben, etwas anderes zu sein. Ob der durchdringenden Kälte und spärlichen Bekleidung in der Nacht ihrer Flucht aus Rom hatten sie alle sich zudem mehr oder minder stark erkältet, dass sie nahe der kleinen Stadt Perusia zusätzlich Rast hatten eingelegt, um sich ein wenig zu schonen, da Gracchus fürchtete, einer von ihnen mochte sonstig noch den Tod finden können. Zudem waren sie es nicht gewohnt, mehrere Tage in Folge auf dem Rücken eines Pferdes zu verbringen, so dass auch diese Anstrengung in einem jeden von ihnen zu spüren war. Jeden Abend hatte Gracchus alsbald die Befürchtung, am nächsten Morgen seinen Leib nicht mehr in Bewegung setzen zu können, und von Tag zu Tag wurde der Schmerz in seinen Knochen und Muskeln unerträglicher. Irgendwann jedoch waren sie trotz aller Widrigkeiten nach Mantua gelangt, wiewohl Gracchus nicht mehr konnte sagen, wie viele Tage sie unterwegs waren gewesen - für solcherlei Belanglosigkeiten hatte er sonstig seinen Vilicus Sciurus, welchen er beinahe mehr misste als allen anderen Komfort, zweifelsohne jedoch mehr als seine Gemahlin und die beiden Kinder in ihrer Obhut. Sie hatten es vermieden, allzu viel mit Fremden zu sprechen, hatten nur aus Gesprächen an den Nachbartischen in manch einer Taberna erfahren, dass der Praefectus Urbi in Rom für alle Belange Sorge trug, dass der Kaiser ermordet worden war, doch die Schuldigen mit aller Härte bestraft werden würden - nichts jedoch davon, ob es auch nur den geringsten Widerstand gegen den Praefectus gab. Und auch davon, dass Gracchus' Name auf der Proscriptionsliste des Vescularius stand, dass seine gesamte Existenz, alles was er je gewesen war und erreicht hatte, die gesamte Zukunft seiner Familie durch ein Wort des Praefectus war liquidiert worden, wussten sie nichts. Ob dies von Vorteil oder Nachteil war, dies würde sich wohl erst noch zeigen, doch andernfalles wäre wohl zweifelhaft gewesen, ob Gracchus noch den Mut hätte besessen, sich dem Tor der Legio I auch nur zu nähern. Sein Sohn Minor und sein Neffe Flaccus warteten in einer schäbigen Unterkunft einige Meilen von Mantua entfernt - würde er nicht bis zum nächsten Morgen zurück kommen, so sollten sie rasch nach Norden aufbrechen -, während er selbst suchte mit Aurelius Ursus in Kontakt zu treten. Allfällig wäre es geschickter gewesen, erst einen Boten zu senden, doch Gracchus hatte keine Erfahrung in solchen Dingen, wiewohl er niemandem vertraute und darüber hinaus fest entschlossen war, niemanden mehr in Gefahr zu bringen als sich selbst. So ritt er zum Lager der Legio I hin, stieg jedoch bereits in einigen Fuß Entfernung vom Pferd - nicht etwa, da dies weniger bedrohlich wirkte, sondern schlichtweg da er dabei ob seiner Schmerzen in Kreuz und Steiß ein recht unrühmliches Bild abgab, welches kaum dem eines Boten entsprach - und führte das Tier am Zügel bis vor das Tor. Obgleich jede Faser seines Leibes schmerzte, obgleich sein Geist beständig von Desperation umfangen war und die Furcht vor der Zukunft ihm im Nacken saß, trat er erhobenen Hauptes - wenn auch ein wenig hinkend ob seiner Schmerzen in Hüfte und Rücken - der Torwache entgegen mit jener professionellen Routine, mit welcher er so oft als Pontifex ohne alle Anzeichen der Unsicherheit vor dem versammelten Volke das Ergebnis eines Opfers hatte verkündet, welches die Götter so nicht hatten bestimmt. Und letztlich existierte trotz aller Schmach, welche er in den letzten Tagen hatte über sich ergehen lassen müssen, trotz aller Entbehrung und Mühe noch immer ein Funke Stolz in ihm, ein Funke Zorn, wie auch ein Funke des Wahnsinns, welcher die Mitglieder seiner Familie im Innersten antrieb - denn er war und blieb Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Flavius Vespasianus!
    "Salve, mein Name ist Decimus Maxentius, ich bringe eine Na'hricht des Collegium Pontificum aus Rom für den Legatus Legionis Aurelius Ursus."
    Er hatte bewusst jenen Namen ausgewählt, in der Hoffnung, dass Ursus dies würde auffallen müssen. Da sie davon musste ausgehen, dass ihre Absenz aus Rom nicht unbemerkt geblieben war, jeder Bote des Praefectus zweifelsohne schneller unterwegs war als sie selbst und sie zudem nicht wussten, wie die Legio I nach dem Fehlschlag ihrer Verschwörung zu dem Geschehen stand, war es zu riskant, ganz offen in das Castellum hinein zu marschieren. Irgendwie jedoch musste Gracchus es bewerkstelligen, direkt zu Aurelius vorgelassen zu werden.
    "Sie ist von höchster Brisanz in Hinblick auf die Divinisierung des ver..storbenen Imperator Caesar Augustus Ulpius Valerianus."
    Auf den ersten Blick mochte Gracchus tatsächlich wenig von einem Boten unterscheiden, den das Collegium Pontificum durch das Imperium sandte. Er trug eine einfache, warme Tunika in dunklem Blau, dazu ein beigefarbenes Halstuch und einen braunfarbenen, wollenen Umhang, sowie ein Paar ordentliche Reiseschuhe - dass jene nicht auf das Maß seiner Füße waren angefertigt worden wie das Schuhwerk, welches er sonstig in seinem gesamten Leben hatte getragen, konnte schlussendlich niemand sehen. Auch die Spuren, welche die Strapazen auf seinem Antlitz hatten hinterlassen - Schatten unter den Augen, trockene, spröde Haut ob der beständig kalten Luft und ein nicht eben spärlicher Bartwuchs -, mochten seine Herkunft verbergen. Um Gracchus' Schulter hing zudem eine lederne Tasche, welche er nun öffnete und eine Schriftrolle herauszog, welche mit dem Siegel des Collegium Pontificum war gesiegelt, um sich zu legitimieren.

    Der Bärtige betrachtete das sich abspielende kleine Drama eines jeden einzelnen Beteiligten mit mürrischem Gesicht. Dies alles kümmerte ihn nicht, er hatte seine eigenen Dramen, welche ihn bewegten, so dass er sich behände auf den Bock setzte als alle, die augenscheinlich würden mitfahren, auf seinem Wagen waren und ein wenig sich zu Flaccus hinbeugte, dass sein Gesicht dicht vor dem des Patriziers hing, sein miefiger Atem dem jungen Mann ins Gesicht schlug.
    "Kein Wort von euch, ich will überhaupt nicht wissen, wer ihr seid, wo ihr herkommt und wo ihr hin wollt! Und kein Gejammer!". Dann zog er an den Zügeln und schnalzte mit der Zunge, dass die Pferde sich in Bewegung setzten. Verkrampft hielt sich Gracchus an der niedrigen Seitenwand des Karrens fest, weniger aus Furcht er könne über die Ladefläche nach hinten hinausfallen, sondern mehr da er fürchtete, er könne bei einem Ruck oder einer Bodenunebenheit weiter zur Mitte des Gefährtes hin fallen, den Leichen entgegen, deren tote Körper mit jeder Bewegung des Wagens mit schaukelten, einem treibenden Boot auf den Wogen des Meeres gleich, suchte gleichsam das Rumoren zu bezwingen, welches auch in seinem Magen wütete. Nur wenige Augenblicke vergingen, dann war der Brandplatz nurmehr eine Ahnung, der zurückgelassene Luka kaum mehr als eine Reminiszenz, ebenso wie der Libitinarius, der sie aus der Stadt hatte hinaus gebracht. Endlos mutete Gracchus der Weg bis zur Via Tiberina an, welcher ihm sonstig stets nur so kurz erschienen war, endlos schien gleichsam gnädigerweise die Nacht, welche ihre Flucht noch immer umhüllte. Er konnte nicht hören, ob und was vorn auf dem Bock gesprochen wurde, denn das Rumpeln der Räder unter seinem Gesäß surrte alsbald ihm in den Ohren, wiegte ihn beinah in einen gefälligen Dämmerzustand, in welchem alles Geschehen nichtig war. Erst als der Wagen mit einem Ruck zu stehen kam, er bedrohlich nah den Leichen zufiel, wagte Gracchus einen Blick um sich her, respektive aus seiner Sicht nach vorn, auf jenen Weg, welchen sie hatten zurückgelegt.
    "Wir sind da, hier biegt die Tiberina ab", drang dröhnend die Stimme des Bärtigen vom Bock, dass Gracchus fürchtete, man würde ihn noch in Rom hören können. Mühsam schaffte er seinen Leib von der Ladefläche des Wagens, schwankte einige Augenblicke als seine Füße den Boden berührten und schloss die Augen, bis dass er sich seiner Balance wieder halbwegs sicher war.
    "Hier, nehmt die mit." Der Bärtige nahm eine Fackel, entzündete sie an der Flamme, die noch immer vorn am Wagen steckte und drückte sie Flaccus in die Hand, nachdem Minor und er den Bock hatten verlassen. Dann schnalzte er und zog an den Zügeln. "Viel Glück", wünschte er ihnen mit einem leisen, kehligen Lachen, ehedem der Wagen mit seinem einsamen Licht langsam in der Nacht verschwand. Gracchus versuchte seinen Sohn und seinen Neffen nicht allzu genau zu mustern, die wie verschreckte Larven ihm gegenüber standen, entschied sich etwa im gleichen Augenblicke, nun auch endlich dem Drängen in seinem Innersten nachzugeben.
    "Wartet einen Augenblick."
    Mit großen Schritten verließ er den Kreis des Lichtscheines, stolperte in ein Feld hinein und ließ sich kraftlos auf seine Knie fallen als er glaubte im Dunkel der Nacht verborgen zu sein. Augenblicklich drängte die Feuchtigkeit des Bodens durch den dünnen Stoff des Gewandes auf seine Haut, doch Gracchus spürte dies nicht mehr, presste nurmehr die Hände auf seinen Bauch während sein Leib suchte sich all der Scheußlichkeit der letzten Stunden zu entledigen. Es war nicht viel, das seinen Magen durch die Kehle hin verließ, denn ob der Aufregung hatte Gracchus am Abend zuvor kaum nur etwas zu sich genommen, dass er alsbald nur mehr würgte, sein Leib sich krampfte unter der sinnlosen Anstrengung. Ein paar Mal sog er schlussendlich tief die kalte Luft in seine Lungen, wischte mit dem Ärmel sich über den Mund, ehedem er sich mit der Linken auf dem matschigen Boden abstützte und umständlich wieder in die Höhe hob. Einige Schritte noch tolerierte er das schwächliche Taumeln seines Körpers, dann rief er sich die Empörung und den Zorn in Erinnerung, welche ihn hatten in diese Situation geführt, und straffte seinen Leib als er in den Feuerschein der Fackel trat, seiner Stimme ein Hauch der Kälte anhaftete, welche um sie her vorherrschte.
    "Was auch immer geschieht, was auch immer noch vor uns liegen mag, niemals darf bekannt werden, wie wir Rom in dieser Nacht ver..lassen haben! Nicht ein Wort darüber darf über eure Lippen dringen, hört ihr? Ni'ht einmal der Anschein einer Andeutung!"
    Gracchus' Blick und die Couleur seiner Stimme wurden milder und er suchte ein Lächeln um seine Lippen zu legen, was jedoch ihm nicht gänzlich wollte gelingen.
    "Das schlimmste liegt nun hinter uns. Seht ihr das Licht dort oben? Dort liegt der Landsitz eines Freundes, dort können wir uns waschen, umziehen und ein wenig ausruhen, ehedem wir mit Pferden und ausrei'hend Verpflegung weiter reisen."
    Die Villa Rustica Cornelia lag etwa ein Stadium von der Straße entfernt auf einer kleinen Anhöhe, welche über einen gepflasterten Weg zu erreichen war. Trotz ihrer Verfassung erreichten sie die umsäumende Mauer wenig später und Gracchus pochte an das gewaltige Tor, über welches der Schein von Fackeln in den Himmel sich empor hob. Es waren einige Geräusche zu hören - eine Leiter wurde an die Mauer neben dem Tor postiert, sodann kletterte jemand diese empor -, ehedem ein ovaler Umriss - der Kopf eines Mannes, der über die Mauer blickte - gegen das Licht sich abhob.
    "Verschwindet!" rief er hinab, nachdem er sie mit wenigen Blicken hatte gemustert. Durch ihre eigene Fackel waren sie zweifelsohne gut zu erkennen. "Oder wir lassen die Hunde nach draußen!"
    Selbstredend hatte Gracchus nicht erwartet, dass man sie ohne Fragen würde einlassen, doch hatte er auch nicht vorausgesehen, welchen Anblick sie bieten mussten, so dass er alle noch in ihm vorhandene Kraft in seine Stimme legte, um ihr die notwendige Auctoritas zu verleihen.
    "Ich bin Manius Flavius Gracchus, Senator und Pontifex der Stadt Rom, und zudem ein guter Freund deines Herrn Cornelius Scapula. Ich ... wir sind in einer überaus wi'htigen Angelegenheit unterwegs. Lasse Tiboetes an die Pforte kommen, er wird meine Person be..stätigen!"
    Der Mann auf der Leiter zögerte, dann verschwand er ohne ein weiteres Wort wieder hinter der steinernen Umfassung. Beinahe glaubte Gracchus bereits, man hätte sie vergessen, doch irgendwann wurde neuerlich die Silhouette eines Kopfes über der Mauer sichtbar.
    "Zeigt euch im Licht!"
    "Tiboetes?"
    Gracchus trat an die Fackel in Flaccus' Hand, dass sein Gesicht beleuchtet wurde.
    "Ich bin es, Flavius Gracchus. Du musst uns einlassen, wir brauchen die Unter..stützung deines Herrn."
    "Ich kann dich nicht richtig erkennen, Herr, und du siehst nicht gerade aus wie ein ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft."
    "Dies ist der Grund, weshalb wir hier sind, Tiboetes."
    Gracchus sann kurz nach, ehedem er fortfuhr.
    "Erinnerst du dich an das Armilustrium im letzten Jahr? Dein Herr und ich kamen nach dem Zug der Salier hierher, und Scapula präsentierte mir ein Lied, wel'hes er für seine Geliebte hatte verfasst - du hieltest ihm dabei die Tabula. Nachdem ich ihn davon überzeugte, seinen Text noch einmal zu überarbeiten, musste ich ihm verspre'hen, dies gegenüber niemandem zu erwähnen. Außer uns kann also niemand davon wissen."
    Wieder verschwand der Kopf hinter der Mauer, doch gleich darauf wurde das Tor ein Stück weit geöffnet. Der Verwalter der Villa, Tiboetes, trat mit einer Fackel heraus, und als er nun Gracchus musterte weiteten seine Augen sich in deutlichem Erstaunen. "Mehercule! Du bist es wirklich, Herr! Kommt herein! Kommt ihr aus Rom? Wir hörten vom Tod des Kaisers und dass der Praefectus Urbi die Stadt hat abriegeln lassen."
    Gracchus nickte, so als müsse er auch sich selbst damit bestätigen.
    "Dies sind mein Sohn und mein Neffe. Wir benötigen ein kurzes Bad, neue Kleidung und Schuhe. Hernach brau'hen wir Mäntel, Decken, einige Lebensmittel, Gladii und drei Pferde. Scapula weiß nichts von all dem und ich bitte dich, auch in den nächsten Tagen ihm darüber keine Botschaft zu senden. Falls bekannt wird, dass wir hier waren, so ist es besser, wenn er nicht unterri'htet ist, denn obgleich unbezweifelt ist, dass er mir auch in Gefahr seines eigenen Lebens seine Hilfe nicht würde verwehren, so dient es seinem eigenen Schutz, so wenig darüber zu wissen wie möglich."
    Hinter ihnen schloss ein Sklave das Tor, während Tiboetes sie in die Villa führte, in der eine angenehme Wärme vorherrschte - selbst wenn in Absenz des Hausherrn nicht oder nur selten geheizt wurde, so achteten die Sklaven darauf, dass das Haus nicht auskühlte, da er schlussendlich jederzeit vor der Türe konnte stehen. Schon oft war Gracchus mit Scapula hier gewesen, wiewohl der Verwalter um ihre Freundschaft wusste, dass Tiboetes einige Sklaven anwies, den Flaviern zukommen zu lassen, was immer sie benötigten.

    Es hatte mitnichten in Gracchus' Absicht gelegen, den Freigelassenen Luka durch seine Titulatur zu erniedrigen, ihm seine jüngst erlangte Freiheit abzusprechen - schlichtweg lagen Standeswechsel solcher Art außerhalb der Verständlichkeit seines patrizischen Weltbildes, und obgleich ihm durchaus war bewusst, dass selbst Seinesgleichen - bisweilen gar Mitglieder seiner eigenen Gens -, sich ab und an aus ihm gänzlich unerfindlichen Beweggründen dazu ließen hinreißen, zu ihren Lebzeiten noch einen Sklaven in bester Blüte in Freiheit zu entlassen, so war dieses Konzept für ihn derart unverständlich und unlogisch, dass die Tatsache, dass Luka, welchen er all die Zeit zuvor - wenn überhaupt - nur als Sklaven um seinen Herrn Flaccus herum hatte wahrgenommen, ihm in diesem surrealen Augenblicke nicht mehr und nicht weniger als dies konnte erscheinen. Gleichwohl war er nicht darauf vorbereitet, dass ein ihm als Sklave Erscheinender nun ebenfalls noch gegen seine Autorität sich auflehnte, selbst als Freigelassener augenscheinlich danach trachtete, ihn zu belehren oder gar zu drohen. Sichtbar, selbst im schemenhaften Dunkel der Nacht, hob sich seine Augenbraue, suchte beinahe über seine Stirne hinaus sich zu erheben, begann in seinem Inneren neuerlich der Vulkan seines Zornes zu brodeln. Keinen Deut scherte er sich um diesen Freigelassenen, hatte ihn nicht gebeten, sie zu begleiten - gegenteilig, Sciurus hatte diese Passage für die drei Flavier organisiert, und hätte nicht Flaccus den Vertrauten mit sich nehmen wollen, so hätte nun zweifelsohne einer der Männer des Libitinarius den Karren geschoben, Minor allfällig von Beginn an die Fackel tragen dürfen. Ein leises Grollen drang aus Gracchus' Kehle empor, doch nicht mehr, denn der Libitinarius setzte bereits den Weg fort, dass sie sich ebenfalls mussten in Bewegung setzten, wollten sie nicht den Anschluss an das Licht verlieren. Tatsächlich dauerte es nicht mehr allzu lange, bis dass sie endlich den Brandplatz neben der Via Flaminia erreichten. Im trüben Schein mehrerer Fackeln war ein Scheiterhaufen aufgerichtet, neben welchem ein schmaler Bursche in einem hellen, weißfarbenen Gewand stand.
    "Da bist du ja endlich! Ich dachte schon, du kommst nicht mehr. Hoffentlich hat sich das Warten wenigstens gelohnt! Was hast du für mich?" drang eine dunkle Stimme durch die Nacht hindurch, welche zweifellos nicht von dem Mann neben dem Scheiterhaufen stammte, sondern einem, welcher noch im Schatten der Nacht war verborgen.
    "Die Stadt ist voller Soldaten, es ist nicht so einfach, den Geschäften nachzugehen, selbst für einen ehrlichen Leichenbestatter wie mich." Der Libitinarius lachte heißer. "Ich habe zwei für dich. Außerdem habe ich noch vier Lebende. Wenn du sie ein Stück mitnimmst, bekommst du die zwei Toten umsonst."
    Eine Gestalt löste sich aus der Dunkelheit, trat in den Kreis der Flammen und kam auf die Gruppe um den Libitinarius zu, so dass in ihrem Feuerschein ein bärtiger Mann sichtbar wurde, dessen Augen von tiefen Schatten waren umrahmt, von welchen Gracchus nicht genau konnte bestimmen, ob diese durch das Licht geworfen wurden oder zu seiner Haut gehörten.
    "Was für Leute sind das?"
    "Das ist nicht wichtig. Sie sind anstelle meiner Sklaven aus der Stadt hinaus, weil niemand ohne Grund nach draußen darf. Nimm sie nur bis zur Via Tiberina mit."
    "Hm. Na gut. Zwei können vorne sitzen, aber zwei müssen nach hinten."
    "Das ist sicher kein Problem. Secundus!" bellte der Libitinarius zu der schmalen Gestalt neben dem Scheiterhaufen. "Hilf mir beim umladen, die hier taugen als Arbeiter nichts!" Wieder lachte der Libitinarius kehlig, während der bärtige Mann nur missbilligend grunzte, sich dann aber in Bewegung setzte. Er befestigte seine Fackel in einer Halterung an einem Wagen, vor welchem im fahlen Schein zwei Pferde sichtbar wurden, und schaute dem Libitinarius und seinem Sklaven zu, wie sie zwei der drei Toten von dem Leichenkarren auf die Ladefläche seines eigenen Wagens luden. Dann winkte er den Flaviern zu.
    "Los, zwei vorne auf den Bock und zwei hinten auf den Karren. Ich hab schon genug Zeit mit Warten verloren."
    Unschlüssig blickte Gracchus auf die Umrisse des Wagens, auf welchem die Leichen verschwunden waren. Hinten auf dem Karren musste zweifelsohne bedeuten, direkt neben diesen Toten zu sitzen. Er schluckte einen Kloß seine Kehle hinab, welcher beinahe ihm den Atem raubte, trat dann zu Minor und Flaccus.
    "Ihr beide geht nach vorne"
    , sprach er leise ohne ihnen allzu lange in die Augen zu blicken, drehte sodann sich zu Luka um.
    "Du, Freigelassener, kannst entweder mit mir nach hinten, oder du gehst deiner eigenen Wege. Ich habe dich nicht ge..beten, mit uns zu kommen, und weder mein Sohn, noch ich bedürfen deiner Hilfe, ebensowenig wie mein Neffe. Wenn du den Wert nicht hast erkannt, welchen dir Flaccus hat zu..kommen lassen, wenn du ohnehin nicht hast durchdrungen, was es bedeutet ein Teil der römischen Gesellschaft zu sein, glei'hwohl du nicht begreifst oder aber dir gänzlich einerlei ist, was hier geschieht und weshalb wir dies tun, so ist es allfällig besser, du nimmst deine Freiheit und ver..geudest sie anderswo, ehedem du noch unserer Familie Schaden bereitest."
    Selbstredend war es ein Risiko in diesen Zeiten, dem Mann derart vor den Kopfe zu stoßen, doch dies war in keinem Augenblicke Gracchus bewusst. Selbst am untersten Bodensatz der Tatsachen angelangt, in den tiefsten, schlammigen Rinnen des Lebens stehend, wie sie tiefer nicht konnten sein, erniedrigt bis auf die bloße Haut konnte er nicht den Grenzen seiner eigenen Welt entkommen, konnte er nicht die - zweifelsohne limitierten - Gefilde seiner Gedankendimensionen verlassen. Er wartete keine Antwort ab, trat hinter den Wagen, um dort seinen Platz zu finden für den nächsten Abschnitt der Reise. Als er dort angelangte, leuchtete der schmächtige Sklave des Libitinarius ihm mit der Fackel, doch Gracchus wünschte sich, er hätte dies nicht getan, denn in dem goldfarbenen Schimmer waren nicht nur die Umrisse jener beiden Leichname zu entdecken, welche sie selbst den gesamten Weg aus Rom bis hierher hatten gezogen, sondern noch einige weitere Korpora , die starr und reglos auf den Brettern lagen. Kurz schloss er einige Herzschläge lang die Augen, mühte sich nicht allzu tief einzuatmen und dennoch irgendwie seinen Verstand zu klären, hielt sich fest an dem, an was er Luka das Interesse hatte abgesprochen, daran, was hier geschah und weshalb sie dies taten. Hernach fasste er den Rand des Wagens und mühte sich umständlich mit Unterstützung des Sklaven hinauf auf die Ladefläche zu kommen. Wie weit würde er sich noch von sich selbst entfernen, wie weit sich noch erniedrigen lassen müssen, bis dass diese Odyssee, welche gerade erst hatte begonnen, endlich ein Ende würde finden? Er wurde nicht müßig, beständig seine Gedanken um diese Frage kreisen zu lassen, und hoffe darauf, dass das anvisierte Ende dieser ersten Etappe ein wenig mehr Hoffnung auf Zuversicht mochte bieten können.

    Kein Wort echappierte Flaccus' Kehle als es Gracchus schien, dass sein Großneffe aus dem starren Entsetzen der Szenerie sich löste, beinahe wie aus einem Traume, doch ohne das gnädige Erwachen, auf welches hin die Realität den flüchtenden Träumer seines Schreckens wieder beraubte. Kein Laut drang weiter über seine Lippen als er der Realität entfloh, ein zaghaftes Nicken nur, ob dessen Gracchus nicht konnte bestimmen, welchen Teil des Inhaltes seiner eigenen Worte der junge Verwandte in sich hatte aufgenommen, doch ohnehin war es von Belanglosigkeit, dass Gracchus nach einem Seufzen sich ebenfalls der Szenerie abwandte. Sciurus würde Sorge tragen für alle Notwendigkeiten, dass er selbst sich wollte zurückziehen, seiner eigenen Trauer, seinem Zorne und seiner Verzweiflung ob des Geschehens Raum wollte gewähren im zwielichtigen Schatten seiner privaten Gefilde, um alsbald auch seiner Gemahlin und seinem Sohn Minor Kunde zu bringen über den großen Verlust, welchen die Gens Flavia an diesem Tage hatte erlitten. Später dann würden sie gemeinsam um den Leichnam herum die notwendigen Riten vollführen, sowie einige Tage hernach Aulus Flavius Piso zu Grabe tragen.


    ~~~ finis ~~~

    Die Nacht außerhalb der römischen Siedlung war noch weitaus bedrückender als in den durch die Ausgangssperre geleerten Straßen der Hauptstadt, denn hier war die Dunkelheit beinahe vollkommen - wenn auch die Absenz von Helligkeit nicht groß genug war, alle Schatten zu verschlingen -, waren die Sterne über ihnen gleißende Punkte am tiefschwarzen Himmel, und nurmehr selten begegneten sie einem entgegenkommenden Händler, der jetzt noch wollte versuchen, seine Waren in die Stadt zu bringen - selbst wenn, dann suchte dieser durch die Gebete des Libitinarius gewarnt den größtmöglichen Abstand zwischen sich und den Leichenkarren zu bringen. Obgleich Gracchus sich nicht an den Schmerz und das Unwohlsein in seinem gesamten Leibe hatte gewöhnt, so war es doch nurmehr eine einzige, diffuse Wolke, welche samt und sonders ihn umhüllte, das Denken erschwerte und in eine rechte Trance ihn versetzte, in welcher er dumpf und bar jeden eigenen Willens nurmehr dem Signal folgte, welches die Flamme und das Gemurmel voraus ihm sandten, denn sein Vilicus hatte ihm zugesichert, dass der Libitinarius bis zur Abzweigung der Via Tiberina sie würde bringen. Erst der Schrei seines Sohnes löste die Starre aus Gracchus' Gliedern wie aus seinem Geiste, dass das Blut ihm in Wallung geriet wie kaum je wäre sein eigenes Leben in Gefahr. Die Litanei des Libitinarius verstummte im gleichen Augenblicke wie der kleine Tross zum Stehen kam, als Gracchus bereits die Handdeichsel hatte losgelassen und um den Wagen herum zu Minor eilte, welcher weinend am Boden kauerte. Keinen Augenblick verschwendete Gracchus einen Gedanken an die Möglichkeit ihrer Entdeckung durch dieses Geräusch, denn obgleich er bisherig in der Erziehung des Jungen selten dafür hatte Sorge getragen, Trost zu spenden oder Hinwendung zu gewähren, so ließ das Gebaren seines Sohnes doch alle väterlichen Saiten in ihm anklingen, mehr noch da ihm ohnehin bereits alle Nerven blank lagen.
    "Minimus"
    , suchte er den Jungen zu beschwichtigen, kniete sich nieder und umfasste den Oberkörper seines Sohnes mit den Armen, zog ihn an sich heran, dass Minors Kopf an seiner Brust ruhte.
    "Ich weiß, dies alles zehrt an deinen Kräften."
    Augenscheinlich wäre es doch besser gewesen, seinen Ältesten mit seiner Mutter fort zu schicken, denn obgleich auch deren Reise nicht sonderlich kommod mochte sein, so war ein klappriger Wagen doch besser als jene qualvolle Tortur, welche sie zu durchwandern hatten.
    "Doch wir dürfen nicht auf..geben, Minimus, wir müssen uns dem stellen, was die Götter für uns bereithalten."
    Sorgsam strich er Minor über das strohige Haar, suchte jene väterliche Stärke vorzugeben, welche seinem Sohn würde Kraft geben, welche er doch nicht in sich verspürte.
    "Es ist nicht mehr weit bis zum Brandplatz, keine halbe Meile mehr. Dort könnt ihr auf einem Wagen weiter fahren"
    , schalt sich der Libitinarius ein, dessen Stimme schwankte zwischen Unmut und Mitleid. Er streckte seine Hand zu Luka.
    "Gib mir die Fackel und nimm den Platz des Jungen ein. Dann muss er nur sich selbst bewegen, das wird er wohl noch schaffen."
    Mit einem Ruck schob Gracchus seinen Sohn von sich, stabilisierte ihn nur insoweit, dass er nicht würde umfallen, erhob sich und trat nah auf den Bestatter zu, dass sein Gesicht zur Hälfte wurde beleuchtet vom Schein der Fackel, die andere Hälfte im Dunkeln lag. In seiner tiefen Stimme schwang ein Hauch der Kälte mit, die seinen Leib umfasst hielt, denn so tief sie auch mochten in dieser Stunde gesunken sein, sie waren noch immer Flavier und niemand hatte das Recht, in derart despektierlichem Tonfalle über seinen Sohn zu sprechen!
    "Es wird nicht lange dauern bis dass der Tag kommt, an welchem wir wieder an jenem Platze stehen, der uns an..gemessen ist, der uns zusteht. An diesem Tage wirst du es bedauern, dass du uns heute nicht mehr Respekt hast zukommen lassen, ob dessen du allmähli'h damit beginnen solltest, dies zu tun, so dass ich womöglich geneigt sein werde, dein belangloses Leben in seiner Be..deutungslosigkeit unbehelligt zu lassen."
    "Ich habe keine Angst vor dir oder deinen Drohungen, Senator. Denn heute ist euer Leben anscheinend nichts wert - oder aber eine großzügige Belohnung, ganz wie man es betrachtet. Wenn ihr zu verweichlicht seid, Rom zu Fuß zu verlassen, dann hättet ihr in eurer prächtigen Villa darauf warten sollen, dass euch die Praetorianer abholen, vielleicht wären die mit einem Wagen gekommen!"
    Voller Zorn biss Gracchus seine Zähne aufeinander, dass ihm die Kiefer schmerzten, doch er drängte jede Erwiderung in sich hinab. Sie brauchten den Wagen, den der Libitinarius in Aussicht hatte gestellt, denn zu Fuß würden sie nicht vor Morgengrauen bis zur Via Tiberina gelangen. Ohne ein Wort drehte er sich um, trat um den Karren herum und kniete sich noch einmal zu Minor hinab.
    "Komm, Minimus, stehe auf, es ist nicht mehr weit bis zu einem Wagen. Flaccus' Sklave wird den Karren schieben, du kannst neben mir gehen."
    Behutsam fasste er seinen Sohn an den Schultern, um ihm empor zu helfen.

    Nachdem sie die Stadt inmitten der Nacht als Sklaven eines Libitinarius durch die Porta Quirinalis hatten verlassen, marschierten die Flavier - respektive Manius Flavius Gracchus Minor, ältester Spross, Erbe und Hoffnungsträger der Familia Flavia Graccha, Quintus Flavius Flaccus, idealistischer, aufstrebender Nachwuchspolitiker von edler Gesinnung, und Manius Flavius Gracchus, mehr oder minder angesehener Senator, Praetorier und Pontifex Roms - den Karren voll Leichen ziehend und schiebend weiter schweigend hinter dem Bestatter und dem Freigelassenen Quintus Flavianus Luka, welcher die Fackel trug und ihr einziges Licht in der Dunkelheit war. So gut wie nichts trugen sie an ihrem Leibe - ein Paar Schuhe aus dünnem Ziegenleder, deren Untergrund der Bezeichnung Schuhsohle spottete, dazu ein dünnes Hemd aus bleichem Tuch, das stank als hätte es tagelang in den Gossen der Subura gelegen -, ihre körperliche Kraft und Ausdauer waren ob der gänzlich ungewohnten Anstrengung bereits in Mitleidenschaft gezogen, doch immerhin war die Flucht aus der Stadt geglückt. Deplorablerweise jedoch war die Flucht aus Rom nur ein kleiner Bestandteil der geplanten Reise, nur ein kurzer Abschnitt des langen Weges, welcher ihnen bis nach Mantua noch bevorstand.


    Sie waren verloren, dies war unabdingbar, schoss es Gracchus durch seine Gedanken, woraufhin sein Herz aussetzte zu schlagen, nurmehr still stand in der Unendlichkeit eines letzten, ewigen Augenblickes. Auf diese Weise also sollte er sein Ende finden - erschlagen von Urbanern einem räudigen Hunde gleich bei dem verzweifelten, selbstmörderischen Versuche, alle Ablenkung auf sich zu ziehen, dass sein Sohn und sein Neffe unbehelligt durch das Tor hinaus würden hasten können. Doch selbst dieses Ende schien ihm noch akzeptabel im Gegensatz zu all dem, was auf eine Festnahme mochte folgen, erschien ihm dies doch noch weitaus grauenvoller als das ruhmlose Schicksal, welches sein Vater ihm früher schon stets hatte vorhergesagt. Der Libitinarius indes stimmte belustigt in das Lachen des Soldaten ein, war hernach jedoch froh, dass sie endlich weiter ziehen durften. Im Gegensatz zu den Flaviern, welche man bei ihrer Entdeckung nach Ansicht des einfachen Mannes vermutlich in ein heimeliges Quartier unter Arrest hätte gestellt, wo sie auf eine Gerichtsverhandlung über was auch immer hätten gewartet, so wäre er zweifelsohne direkt den Löwen zum Fraße vorgeworfen worden ohne dass man ihn überhaupt auch nur hätte der Fluchthilfe angeklagt.
    "Danke, und eine ruhige Nacht!" nickte der Bestatter den Urbanern zu, dann schlug er Luka leicht auf die Schulter. "Los, Primus, setz' dich in Bewegung!" Im gleichen Atemzug verfiel er wieder in seinen monotonen Singsang, mit welchem er die umherziehenden Seelen der Toten zu besänftigen suchte, und marschierte augenscheinlich wieder vollkommen in sein Tun vertieft durch die Porta Quirinalis. Mit einem Ruck setzte auch der Karren sich in Bewegung, begann gleichsam Gracchus' Herz wieder zu schlagen als er Schritt um Schritt wie in Trance vor sich setzte, nicht ganz begreifend, was genau geschehen war. Doch ohnehin war dies letztlich womöglich nicht mehr von Bedeutung, denn wenige Augenblicke später hatten sie den Kern der Stadt verlassen, war die Fackel in Lukas Hand ein einsamer Lichtpunkt in der Dunkelheit der sich an ihren Rändern langsam zerfasernden Straßen, welchem nur ab und an ein Widerpart von gleichem Schein noch begegnete. Während sie zuerst noch dem Weg zur Via Flaminia hin folgten, bog der Libitinarius schon bald in eine ein wenig engere Straße nach Norden hin ab. Gracchus konnte sich nicht erinnern, jemals in diesem Randbezirk Roms gewesen zu sein, doch es dünkte ihn, dass dies nicht der letzte ihm fremde Ort auf dieser ihnen vom Schicksale aufoktroyierten Reise würde werden.


    edit: Link

    Allmählich wurde der Libitinarius die Fragerei Leid - Fluchthilfe oder nicht, es hielt ihn in seiner Arbeit auf, die er schlussendlich noch immer zu tun hatte.
    "Meine Sklaven heißen Primus, Tertius, Quartus und Quintus", erklärte er dennoch mehr oder minder geduldig. "Die Seuchenschleuder ist Primus, der da ist Tertius." Er deutete auf Flaccus, danach auf Gracchus und Minor. "Und der Alte und sein Filius sind Quartus und Quintus. Secuduns wartet am Brandplatz und bereitet den Scheiterhaufen vor. Weißt du, im Leichengewerbe ist die Lebenserwartung nicht besonders hoch, wenn man nicht gerade unter dem Schutz der Götter steht. Deswegen nummeriere ich sie nur durch."
    Er zuckte mit den Schultern. "Können wir dann weiter? Ich wäre bis zum Morgengrauen gern wieder zu Hause und so ein Körper braucht seine Zeit bis er verbrannt ist."

    Die Hoffnung, die Soldaten würden sie auf die Erklärung des Libitinarius hin ziehen lassen, bewahrheitete sich nicht, und obgleich Gracchus nicht den geringsten Schimmer auch nur der leisesten Ahnung hatte, wie in jeder anderen - in jeder gewöhnlichen - Nacht an den Stadttoren kontrolliert wurde, so schienen die Soldaten ihm doch besonders aufmerksam. Ob Vescularius bereits Beweise hatte, aussagekräftige Indizien allfällig, womöglich im Hause der Tiberier gefunden, und nun gezielt nach den Konspiranten suchte? Er wagte nicht, den Schritten des Soldaten, welcher den Karren umrundete, auch nur mit dem Blicke zu folgen, wagte nicht einmal zu seinem Sohn sich umzusehen, als der Urbaner gezielt auf diesen zu sprechen kam, wiewohl ihn in diesem Augenblicke das Gefühl überkam, jeden Moment den Boden unter den Füßen zu verlieren und in sich zusammen zu stürzen.
    "Der Junge ist mein Sklave. Ebenso wie sein Vater"
    , erklärte der Libitinarius, der durchaus keinen Sinn darin entdeckte, die verwandtschaftliche Beziehung der beiden Flavier zu leugnen, da Minor zwar ein wenig rundlich war, dennoch seine Abstammung kaum verleugnen konnte.
    "Ich habe die beiden erst vor zwei Wochen gekauft, sie waren Haussklaven im Haus des Tantasius vom unteren Aventin. Man munkelt, Tantasius wäre am Ziegenfieber gestorben, deswegen wollte sie keiner haben und ich habe sie zu einem wahren Spottpreis bekommen. Bisher konnte ich noch keine Krankheitsanzeichen an ihnen entdecken und obwohl die Ausbruchszeit durchaus drei bis vier Wochen betragen kann, bin ich ganz zuversichtlich, dass sie mir nicht abkratzen. Nur an die Arbeit müssen sie sich noch gewöhnen - Essen auftischen ist halt doch etwas anderes, als Leichen karren!"
    Der Libitinarius lachte dreckig und laut, dass es durch die finstere Nacht hallte, und auf Gracchus' Nacken sich alle Härchen aufrichteten. Obgleich der Bestatter ihre Hoffnung auf Flucht war, so war er froh, dass er nicht allein mit ihm musste ziehen.

    Sim-Off:

    Ich gehe davon aus, dass Minor und darauf folgend auch Aemilius die Porta Quirinalis meinen, da wir zu dieser aufgebrochen sind und auch dort die Stadt verlassen wollen.


    Obgleich es im Grunde nicht sonderlich weit war, so schien es Gracchus doch eine Ewigkeit bis dass endlich die sehnsüchtig erwartete Porta in Sicht kam, ihre Schemen erleuchtet im Schein der Fackeln der Soldaten rundumher, hinter ihr in undurchdringlicher Dunkelheit liegend der Hauch von Freiheit, welchen die Flucht aus Rom den Flaviern versprach. Auf der anderen Seite, außerhalb der Mauer, diskutierten einige Händler mit ausladenden Gesten über die Weiterfahrt in die Stadt hinein, doch Gracchus hatte kaum nur Acht auf diese, suchte mit seinen Augen einen Kompromiss einzugehen zwischen der aufmerksamen Sicht nach vorne zum Tor und dem gesenkten Blicke auf die Straße hin. Immer wieder repetierte er geleitet von dem Gemurmel des Libitinarius, über die Schmerzen in seinen Händen und über die eisige Kälte in seinem Leib hinweg die Erinnerung an die Worte seines Vilicus, dass niemand sich für Leichen interessierte, dass er beinahe schon gewillt war, dies jedem freiheraus in sein Gesicht zu sagen. Indes, als ein gestrenger Tonfall den Sermon des Bestatters unterbrach, sie zum stehen aufforderte, gefror Gracchus jeder noch nicht in Kälte erstarrte Bluttropfen in seinem Körper, erfasste ein leises Zittern seinen Leib, dass er die Zähne in Panik aufeinander biss, die Finger um die Deichsel krallte als treibe er hilflos im kalten Oceanos und dies wäre sein einziger Anker der Rettung.
    "Wir schaffen die Toten aus der Stadt. Ich arbeite im Auftrag des collegium funeraticium requiescat in pace, das mich über den Tod ihres Mitgliedes Pedarius Restio informiert hat. Die Sterbenden halten sich leider nicht an Ausgangssperren. Die beiden anderen haben wir unten im Velabrum gefunden, sie sind erfroren oder verhungert. Wir nehmen sie mit raus, dass sie keine Aasfresser in die Stadt locken. Das machen wir immer so"
    , erklärte der Libitinarius freimütig, denn schlussendlich war es genau das, was er immer tat, was er auch in dieser Nacht tat, mit dem Unterschied, dass anstatt seiner Leute - ein Freigelassener und zwei Sklaven -, ein paar Flüchtlinge den Wagen zogen. Gracchus bemerkte, wie er trotz der winterlichen Kälte begann ein wenig zu schwitzen, und er war dankbar, dass die Schemen der Nacht allfällig den Großteil seiner Anspannung würden verbergen.

    But all I know is I'm not ready yet for the light to dim,
    Got a suitcase, got regrets, but I'm hopeful yet.
    Tom McRae


    Noch ein wenig später suchte eine weitere Gruppe römischer Bürger sich über die Anweisung des Praefectus Urbi hinweg zu setzen und die Stadt durch eines der Tore zu verlassen. Obgleich es mitnichten still war inmitten der ewigen Stadt, so schien Gracchus doch eine erdrückende Grabesruhe über den Straßen zu liegen, durchbrochen nur von dem ihm weithin schallenden Singsang, mit welchem der Libitinarius vor ihm seine rituellen Formeln murmelte, welche nicht nur zur Besänftigung der Toten dienten, sondern gleichsam auch dazu, den Lebenden sein Herannahen zu verkünden, geleitet von dem unrhythmischen, unendlich quälend lauten Rumpeln der beschlagenen Räder des Leichenkarrens hinter ihm auf dem steinernen Pflaster, welches im Gesamten höchsten noch mochte übertönt werden durch den Paukenschlag seines Herzens, von welchem er sich nicht konnte vorstellen, dass irgendwer in Rom ihn nicht würde vernehmen müssen, selbst jene in tiefstem Schlafe zumindest die Erschütterung würden spüren müssen, mit welcher er durch alle Materie sich bebend brach. Die kühle Luft des Winters überwand die dünnen Sohlen seiner schäbigen Schuhe bereits als sie noch keine hundert Schritt von der Villa Flavia waren entfernt, kroch die nackten Beine ihm empor unter den dünnen Stoff der ausgebleichten Tunika und ergriff Besitz von seinem gesamten Leib, dass er beinahe froh war in diesem Augenblicke festzustellen, dass nach all den Jahren noch immer die rechte Seite seines Körpers ihm ihren vollen sensorischen Dienst versagte, dass dort nur eine dumpfe Kälte sich ausbreitete, während die Linke ihm fest im frostigen Griff der Jahreszeit gefangen schien. In den Händen indes spürte er nicht die Kälte, sondern alsbald ein zerrendes Stechen, das von der verkrampften Art und Weise herrührte, wie er die hölzerne Deichsel festhielt, da er solcherlei Arbeit nicht im geringsten war gewöhnt, sein gesamtes Leben lang nie auch nur eine ähnliche Handlung hatte verrichtet. In ihm tobte zudem mit jedem Schritte ein gewaltiger Kampf, ein Kampf zwischen zwei Seelen in seiner Brust - der Feigherzigkeit und dem Ingrimm. Der furchtsame, panisch, angsterfüllte Teil in ihm wollte nurmehr greinend in die nächste dunkle Ecke sich flüchten und dort durch einen Schlag der Götter augenblicklich tot umfallen, wollte zusammenbrechen an Ort und Stelle, sich auflösen in ein unbedeutendes Häuflein Elend, das der Wind im nächsten Augenblicke schon durch die Straßen würde verwehen, wollte sich aus diesem Leben stehlen und sich in die tröstende Leere aus Nichtwissen und Nichtexistenz ergießen, gleich was dies für die Welt, für die Familie, für irgendwen würde bedeuten. Der Ingrimm indes wollte mit seinen bloßen Händen mehr als nur eine Kehle würgen, doch in Ermangelung jener des Ulpius Valerianus insbesondere jene des Potititus Vescularius Salinator, denn zweifelsohne war allein ihm anzurechnen, dass drei Söhne einer der stolzesten, ehrenhaftesten, patrizischen Familien, dass ein Senator, gewesener Praetor und Pontifex, dass er - Manius Gracchus von den Flaviern - und die seinen wie Ratten in der Dunkelheit sich aus der Stadt mussten schleichen, schlimmer noch im Dunstkreis der Larven und Lemuren, als Substitut der elendigsten und verlottertesten Gestalten, welche Gracchus sich überhaupt nur konnte vorstellen! In aller Deutlichkeit traumwandlerischer Realität konnte er sich imaginieren wie seine Finger - kraftvoll und stark wie die des jugendlichen Mannes, welcher er einst gewesen war -, sich um den feisten, fleischigen Hals des Vesculariers legten, wie er allmählich zudrückte, dass von dem kaum vorhandenen Halsansatz über das Doppelkinn hinweg die Haut des Praefectus rotfarben anschwoll, dass er seine Augen in Entsetzen aufriss, mit flehendem Blicke, dem Gracchus doch nur mit vernichtendem Urteil würde begegnen, mit stolzem Hohn und gieriger Rachsucht, wie der Emporkömmling begann zu glühen, zu brodeln bis dass letztlich sein Kopf platzte einer mit Blut gefüllten Schweineblase gleich. Über diese ihn ein wenig zufriedenstellende Vision hätte Gracchus beinahe nicht bemerkt, dass der Libitinarius vor ihm alsbald ein wenig langsamer ausschritt, doch als er seinen Blick hob schwand alle Courage dahin, wandelte sich in blankes Entsetzen als er die Praetorianer ausmachte, welche vorne sich ihnen näherten. Der Leichenwagen bewegte sich mit unendlicher Langsamkeit auf die Soldaten zu, diese wiederum mit unendlicher Langsamkeit auf den Libitinarius und seine Begleiter, gleichsam erschien über Gracchus eine gewaltige Flamme, welche um ihn herum sich ausbreitete, ein lodernder Schriftzug, welcher als Kaisermörder ihn brandmarkte, während Tubicines und Paukenschläger um ihn her wanderten, um auf ihn aufmerksam zu machen. Doch niemand außer Gracchus konnte dies sehen und hören, und wie Sciurus dies hatte prophezeit schritten die Praetorianer nach einem kurzen, angewiderten Blick auf den Leichenhaufen völlig desinteressiert an ihnen vorbei. Niemand befasste sich gern mit dem Tod, doch noch weniger wollte irgendwer mit dem Tod der untersten Schicht Menschen in Rom in Berührung kommen - nicht des Todes an sich wegen, doch weit mehr, da bei diesen kaum je sicher war, was genau sie hatte dahingerafft - ansteckende Krankheiten inbegriffen. Ein Schaudern durchfuhr Gracchus' Leib, dass er glaubte, das Schlottern seiner Knochen hören zu können, wiewohl ihm beinahe übel wurde bei dem Gedanken daran, an was die drei Toten hinter ihm mochten gestorben sein und welches Dahinsiechen seinen Sohn, seinen Neffen und ihn mochte in den nächsten Tagen ereilen. Mühsam biss er die Zähne aufeinander, suchte die Wut zurück in seinen Geist rufen, um nicht der Frucht zu verfallen, in sich zusammen zu sinken, nicht einen Sturzbach aus Tränen in das Meer der Hoffnungslosigkeit und Desperation zu vergießen. Immerhin zogen sie erhobenen Hauptes aus der Stadt, ohnedies hatten sie noch ein Haupt, es zu tragen - in Rom jedoch würde der Tod sie in jedem Falle ereilen, Tiberius Durus und seiner Familie gleich würde der Vescularier sie einfach abschlachten lassen, dass es besser war, heute zurückzuweichen, um morgen um so bestimmter zurückzuschlagen.

    Woher kommen wir? Was ist der Sinn dieses Daseins? Wohin gehen wir? Was folgt danach? - wie eben eine jener existenziellen, doch niemals auf eine befriedigende Art und Weise beantwortbaren Fragen schienen Gracchus auch die Fragen seines Sohnes, war er gleichsam dessen sich gewahr, dass er sie nicht würde auf eine befriedigende Art und Weise beantworten können, denn letztlich konnte er dies selbst nicht mit Bestimmtheit sagen. Es war darob unausweichlich, dass er ob dessen in eine philosophische Betrachtung der Fragen würde sich ergehen müssen und dies tatsächlich auch bereits im Begriffe war zu tun, da es schlechterdings seinem Naturell entsprach, als dies vorerst wurde verhindert durch einen Mann, welcher von der Seite her an sie heran trat und sich mit Worten der griechischen Sprache vorstellte. An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit, in einer anderen Situation hätte Gracchus diesen Mann entweder derangiert über die Impertinenz des Freigelassenen angeblickt, welcher sich in dieses weltumfassende Zwiegespräch zwischen Vater und Sohn drängte, oder allfällig ihn harsch angefahren, zu schweigen, wenn er seinem Sohn die universellen Weisheiten der Existenz zu vermitteln suchte - doch der Ort, die Zeit und Situation waren derart abstrus, ihm derart fremd und unvertraut, dass Gracchus sich seiner selbst nicht mehr gänzlich sicher war, wiewohl nurmehr auf den Gedanken fixiert, diese Stadt so schnell als nur möglich zu verlassen und das Überleben der Seinen zu sichern.
    "Später, mein Sohn"
    , sprach er darob zu Minor, ehedem er sich Luka zuwandte, diesem auf Griechisch antwortete, dabei auf das Gladius deutend.
    "Keine Waffen bis wir aus Rom hinaus sind. Und keinen Mantel."
    Obgleich Gracchus nichts sehnlicher sich hätte gewünscht als einen bewaffneten Leibwächter, so zählte es doch zu den Voraussetzung, um die Stadt zu verlassen, dass sie nichts bei sich trugen als nur die schäbigen Leibhemden.
    "Und kein Wort von dir, sofern du kein Latein be..herrschst."
    Kurz zögerte Gracchus, ehedem er fortfuhr, diesmalig nicht nur an Luka, sondern auch seinen Sohn und Flaccus gewandt.
    "Nein, kein Wort in irgendeiner Sprache, nicht ein einziges bis wir Rom ver..lassen haben. Es wird auch nicht notwendig sein, denn ..."
    In diesem Augenblicke ertönte ein dumpfes Pochen an der Türe und der Patrizier verstummte. Der Sklave hinter der Türe öffnete und vier Gestalten schoben sich rasch von draußen in den Gang hinein, ehedem die Pforte wieder geschlossen wurde. Der erste von ihnen trug deutlich die Zeichen eines Libitinarius, allerdings nicht eines solchen, welcher im bedauerlichen Todesfalle etwa zur Villa Flavia würde gerufen werden, um die Bestattungsriten durchzuführen, sondern eines derjenigen, welche den Pöbel der Stadt auf seiner letzten Reise begleiteten, welche um deren Bestattungen sich kümmerten, die sonst niemanden hatten, den dies interessierte und allfällig ob dessen allmonatlich in einer Societas eine Spende entrichteten, dass jene am Ende für dieses letzte Geleit aufkam, welche indes ebenso die Leichname in den Straßengräben aufluden, welche nicht einmal hierfür Geld hatten, um sie draußen vor der Stadt an jene zu verschachern, die mit der Herstellung von Knochenleim ihren Unterhalt verdienten - wovon Gracchus jedoch glücklicherweise nicht das geringste ahnte oder gar wusste. Die anderen drei Männer, welche ihn begleiteten, trugen ganz ähnliche Gewänder wie die wartenden Flavier - verschlissene, knöchellange Tuniken in einer indefiniblen Melange aus verschiedenen Weiß-, Grau- und Beigetönen, ihre Gesichter waren bleich, da sie des Nachts ihre Arbeit verrichteten, wiewohl ihnen ein undefinierbarer Odeur nach dem Unrat der Straße und den Düften der Leichenentsorgung anhaftete.
    "Wer hat hier das Sagen?"
    wandte der Libitinarius sich an die Wartenden. Niemand sprach ein Wort, dass einen Augenblick die unheilvolle Stimme der Planlosigkeit über ihnen schwebte, bis dass endlich Gracchus dessen sich bewusst wurde, dass er wohl derjenige war, dass gleichsam sein Vilicus nicht mehr bei ihm war, diese unangenehmen Aufgaben zu übernehmen. Er räusperte sich.
    "Ich. Mein Name ist ..."
    "Ist mir egal. Wer sind die drei, die mitkommen? Wir müssen uns beeilen. Der Wagen steht zwar im Dunkeln, aber es kann jeden Moment eine Patrouille vorbeikommen, überall treiben sich Soldaten in der Stadt herum."
    "Vier, wir sind vier. Der Junge, mein Neffe, ich und unser Leibwä'hter."
    Reihum deutete Gracchus auf Minor, Flaccus, sich selbst und Luka.
    "Vier? Das Eichhörnchen hat für drei bezahlt. Na gut, er läuft mir ja nicht weg. Dann muss einer die Fackel tragen, und es müssen alle meine Männer hier bleiben und versorgt werden."
    "Es wird ihnen an ni'hts mangeln."
    Der Libitinarius musterte kurz die Gestalten, die seinen Karren geleiten sollten und deutete sodann auf Luka.
    "Du trägst die Fackel und gehst neben mir."
    Flaccus und Gracchus waren die nächsten in seinem Blick.
    "Ihr beide zieht den Karren. Der Junge schiebt."
    Einen kurzen Augenblick fixierte Gracchus seinen Sohn, schüttelte den Kopf.
    "Nein, ... er soll nicht schieben. Er kann die Fackel tragen."
    Obgleich Gracchus keinerlei Vorstellung von der tatsächlichen Realität hatte, so hatte er doch eine diesbezüglich rege Phantasie und wollte Minor diesen Anblick ersparen.
    "Ich brauche das Licht in Augenhöhe, nicht unter meiner Nase. Er schiebt, oder ihr bleibt alle hier. Der da nimmt die Fackel, und jetzt folgt mir."
    Gracchus' Leib versteifte sich und seine Kiefer spannten sich an, doch er schluckte mühsam eine harsche Erwiderung die Kehle hinab, drängte doch die Zeit, wiewohl die Gefahr ihnen im Nacken saß, sie ohnehin keine andere Möglichkeit hatten, als zu tun, was der Libitinarius sagte. Einer der bleichen Männer drückte Luka die Fackel in die Hand, dann öffnete der Bestatter die Porta und trat hinaus auf den Weg. Im trüben Licht der goldfarbenen Flamme konnte Gracchus augenblicklich die düsteren Schatten und Schemen ausmachen, welche um die Leichname herum auf dem Handkarren schwebten, dass er einen Augenblick starr auf ihre Gesichter blickte. Zwei Männer und eine Frau lagen dort lieblos aufgeladen, schäbig ihr Äußeres und fahl ihre Gesichter, die Münder stumm geöffnet, die Augen geschlossen - und doch konnte Gracchus ihren stechenden Blick auf sich fühlen. Ohne ihn anzusehen schob er Minor hinter den Karren, die Kiefer fest aufeinander gepresst - nun um das Zittern darin zu verbergen -, ehedem er starren Blickes sich zur einen Seite der Handdeichsel begab, um den Karren zu ziehen. Ohne sich zu vergewissern, dass die Flavier ihm folgten, gab der Libitinarius Luka mit einem kleinen Schubs zu verstehen, dass er losgehen sollte, und trat seine rituellen Gebetsformeln rezitierend den Weg zur Porta Quirinalis an.



    edit: Link eingefügt

    Während sein Ältester sich von seiner Mutter verabschiedete, suchte Gracchus einen Augenblick lang den Schatten zu vertreiben, welcher über dem Korb mit seinem Jüngsten zu schweben schien, ehedem Sciurus die Deckel auf die Körbe legte.
    "Gib auf sie Acht, Sciurus, und bringe sie dorthin, wo sie in Si'herheit sind. Bedenke, dass meine Familie das wichtigste ist, das ich habe"
    , wies er sodann seinen Vilicus mit ernsthafter Couleur in der Stimme an, mühsam auch dessen durch Dreck geradezu entstelltes Antlitz zu ignorieren suchend, sich an den vertrauten, hellen blaufarbenen Augen festhaltend. Sciurus nickte, versuchte indes nicht vorzugeben, als wäre all dies nicht sonderlich gefahrvoll - wie Gracchus es gegenüber Antonia tat. "Ich werde sie mit meinem Leben schützen, Herr."
    "Gut, und ver..lasse sie nur, wenn die Lage dir wirklich sicher erscheint. Ich hinterlasse dir eine Nachri'ht bei Cassius sobald wir in Mantua sind."
    Mantua und Aurelius Ursus schienen Gracchus das beste Ziel für ihre Flucht, andererseits indes war er nicht gänzlich dessen sich sicher, ob der Legat noch immer auf ihrer Seite stand. Soweit er wusste, hatte bisherig nur Tiberius Durus den Kontakt zu Ursus hergestellt, welcher zugesagt hatte, mit der Legio I hinter Cornelius Palma zu stehen, wenn dieser als Erbe des Ulpiers den Kaiserthron bestieg. Ob er jedoch bereit war, mit der Legion offen gegen Vescularius Salinator zu agieren - und sei es nur insoweit, die Verschwörer zu schützen -, dies wusste Gracchus nicht, ebenso wenig, ob allfällig auch Aurelius Avianus oder Lupus mit ihrem Verwandten hatten gesprochen. Doch um sich mit den Aureliern zu koordinieren, blieb keine Zeit, keine Gelegenheit, wenn auch Gracchus einen Boten zur Villa Aurelia würde senden mit der Nachricht, dass sie Rom verlassen hatten. Falls Aurelius Ursus sie nicht würde empfangen, so blieb hernach nurmehr die Möglichkeit weiter nach Germania zu Annaeus Modestus zu ziehen und von dort aus die Entwicklung im Imperium Romanum zu beobachten, denn obgleich Gracchus dem Legatus durchaus nicht gänzlich traute, so sah er wenig Alternativen. In diesem Augenblicke indes wurden seine - ohnehin derzeit überflüssigen - Gedanken unterbrochen von dem Rumpeln eines Wagens, welcher von dem rückwärtigen Anwesen her in die Seitenstraße einbog. Zur beinahe gleichen Zeit ertönte von der Straße vor der Villa Flavia ein Scheppern und Krachen durch die Nacht, auf das hin das Rumpeln verebbte. Ohne dass Gracchus dies wusste, geschah in etwa folgendes: ein Ochsenkarren, auf dessen Ladefläche einige leere Weidenkörbe sich stapelten und welcher zuvor Mehl zum Capitolium Vetus hatte gebracht - dort wurden in den Tempelküchen täglich Opferkuchen, Opferbrote und Opferkekse gebacken, welche vor den Tempeln verkauft wurden -, war in die Seitenstraße eingebogen. Vor der Villa hatte im geeigneten Augenblick ein anderer Wagen einige Kisten verloren und war daraufhin zum Stehen gekommen, so dass er die Ausfahrt aus der Seitenstraße blockierte und so den leeren Getreidewagen dazu zwang, ebenfalls einige Zeit stehen zu bleiben - zufälligerweise recht nah an der Mauer, respektive am Seiteneingang des flavischen Anwesens.
    "Es ist soweit", flüsterte Sciurus, welcher aus der Türe schaute und auf das Zeichen von draußen wartete. Dann hob er mit einem weiteren Sklaven hastig die beiden Körbe in die Dunkelheit der Ladefläche des Wagens vor dem Haus und half Antonia vorne neben dem Wagenlenker aufzusitzen. Gracchus wollte ihr noch einmal einige Worte zuzuraunen, doch im Anblick ihres geisterhaften Gesichtes im fahlen Schimmer einer Fackel, welche fremdartige Schatten und Furchen auf ihr Antlitz legte, brachte er kein Wort mehr aus seiner Kehle, dass er nur - selbst im Schatten des Flures verborgen - ihr flüchtig zuwinkte, was sie vermutlich nicht einmal mehr sah. Stumm legte er seine Hand auf Minors Schulter und beobachtete, wie auch Sciurus nach einem letzten Nicken auf die Straße hinaus trat, in der einen eine Fackel haltend, mit der anderen das Geschirr des Ochsen fasste und wenige Augenblicke später - als der Wagen vor der Villa sich wieder in Bewegung setzte, die Tiere langsam fort führte. Während das fahle Flackern der Fackeln noch nicht gänzlich in der Dunkelheit war verschwunden, wurde die Türe des Seiteneingangs wieder geschlossen und Gracchus starrte einige Augenblicke auf das massive Holz. Fort. Der Großteil seiner Familie. Fort. Seine Gemahlin. Fort. Sein Sohn. Fort. Seine Tochter. Fort. Sein geliebter Sciurus. Fort. Ebenso wie seine Hoffnung. Er sog tief die Luft ein, blickte den Flur hinab und entdeckte dort bereits seinen Neffen Flaccus im Schatten. Auch diesem hatten die Sklaven eines der bleichen Gewänder gebracht, ihn auf Weisung hin zudem ein wenig verdreckt, dass er dem Pöbel der Straße ähnlicher war als dem jungen, aufstrebenden Politiker. Weshalb nur hatte Tiberius ihn in die Konspiration einweihen, weshalb nur hatte er dieses Leben auch noch in Gefahr bringen müssen? Und weshalb war dies alles an ihm vorbei geschehen, weshalb hatte er dies nicht verhindern können? Bedauernd blickte Gracchus auf seinen Sohn, seinen Sohn, den niemand hatte eingeweiht in die Verschwörung, und welcher doch nun inmitten dieser gefangen war, in nicht geringerer Gefahr schwebte als er selbst. Mit einem leises Seufzen widerstand Gracchus dem Drängen, Minor durch das Haar zu fahren, um es zu glätten, wusste er doch um die ungustiöse, klebrige Mischung, welche die Sklaven darin hatten eingearbeitet wie auch in sein Haar, wischte stattdessen nur die Tränen von den Wangen seines Sohnes und verteilte dabei ein wenig den graufarbenen Ruß, der darauf war aufgetragen worden.
    "Dein Onkel Flaccus und wir beide, wir ... "
    , begann Gracchus schlussendlich leise zu Minor gewandt, wusste doch sodann nicht, welches Ende dieser Satz würde finden müssen. Würde er Minor nun bereits die gesamte Wahrheit berichten, so würde der Junge womöglich aus Furcht panisch werden, was für sie alle auf dem Weg aus der Stadt mochte zur Gefahr werden. Am liebsten hätte er ihn ebenfalls in einen Weidenkorb gepackt, doch obgleich sein Sohn für sein Alter nicht eben groß gewachsen war, so war er doch recht proper und bereits zu schwer dafür gewesen.
    "Wir müssen die Stadt ebenfalls auf sehr un..konventionelle Art und Weise verlassen, Minimus. Der Kaiser ist tot und der Praefectus Urbi hat ob dessen eine Ausgangssperre ver..hängt, so dass wir nicht einfach mit einer Sänfte oder zu Fuß durch die Tore hinausmarschieren können. Denno'h ist es von eminenter Wichtigkeit, dass wir Rom verlassen, da wir ... da wir ein Art Geheimauftrag im Dienste des Imperium Romanum er..füllen müssen, von welchem niemand etwas wissen darf, nicht einmal, dass wir nicht mehr in der Stadt sind. Wenn es also gleich an der Porta klopfen wird, dann gehen wir dort hinaus auf die Straße und reihen uns um den Karren als wäre dies das natürli'hste der Welt, als würden wir nichts anders tun schon unser Leben lang. Auf dem Weg werden wir nicht mit..einander sprechen und wenn uns Soldaten ent..gegen kommen oder wir diese passieren, so hältst du deinen Blick gesenkt, Minimus, und bea'htest sie nicht weiter. Alles weitere werde ich dir erklären, sobald wir weit genug von Rom ent..fernt sind."


    /edit: Folge-Link nachgetragen

    Obgleich Nigrina bereits eine geraume Zeit in der Villa Aurelia lebte, so sah Gracchus sie dennoch nicht nur als Teil der Familie, sondern ebenso als Teil der Hausgemeinschaft an, dass es selbstverständlich war, dass ihr alle ihre Wünsche sollten erfüllt werden.
    "Natürli'h, nimm dir alles, was du benötigst."
    Suchend blickte Gracchus sich um und orderte mit einer beinahe unmerklichen Kopfbewegung einen Sklaven herbei, welcher um alles weitere sich würde kümmern. Mit dem freundlosen Versuch eines Lächelns um seine Lippen nickte er sodann seiner Base noch einmal zu, um sie vorerst alleine zu lassen, und blickte sich nach Flaccus um. Sein Großneffe war noch immer an die Säule gelehnt, an welcher er Halt hatte gesucht, und starrte in eine desperate Leere, welche Gracchus grenzenlos schien, welche er gleichsam selbst nur allzu gut zu kennen glaubte. Die Vorgänge des Libitinarius gänzlich aus seiner Realität ausblendend, trat Gracchus durch das Atrium, und während die wischenden, schwingenden Bewegungen seiner Hände vor seinem Leib jedem Außenstehenden ein wenig seltsam mochten anmuten, so suchte er damit die Schatten der Manen und Penaten, Larven und Lemuren der Familie zu zerteilen, welche im gesamten Raum zahllos sich hatten angesammelt, durch welche es durchaus ihm war möglich hindurch zu gehen, was indes ein abscheuliches Gefühl starrer Kälte in ihm evozierte, ein eisiges Grausen, welchem er suchte zu entgehen, indem er sie Beiseite scheuchte.
    "Flaccus"
    , sprach er beruhigend den Namen dessen als er vor ihm stand, fasste ihn mit beiden Händen an den Schultern und suchte mit seinem Blick denjenigen seines Neffen zu erreichen.
    "Ruhe dich ein wenig aus und lasse den Libitinarius nun hier seine Arbeit tun. Wir können mit den Riten beginnen, sobald er sie be..endet hat."
    Obgleich Flaccus vermutlich wie alle, die seit der Ankunft der Überreste Pisos im Atrium waren gewesen, diesen Anblick niemals mehr würden vergessen können, so war es schlussendlich nicht notwendig, sich dem länger noch auszusetzen.
    "Wenn es dir nichts ausma'ht, so würde ich bitten, dich in deiner Eigenschaft als litibus iudicandis persönlich um die Bearbeitung Pisos Testmentes zu kümmern - da er noch keine Nachkommen hat, wird er zweifels..ohne ein Testament bei den Sacerdotes Vestales hinterlegt haben."
    Im Grunde war es Gracchus in diesem Augenblick gänzlich gleich, ob Piso ein Testament hatte hinterlassen, noch weitaus mehr, was darin geregelt war, doch intendierte er Flaccus auf andere Gedanken zu bringen, und die Beschäftigung mit seinen Pflichten mochte den jungen Mann allfällig ein wenig ablenken.