• Es war zur frühen Nacht an jenem Tage, welchen Gracchus als Anfang vom Ende des Imperium Romanum fürchtete, als die die Familia Flavia Graccha sich in dem engen Flur vor dem Seitenausgang der Villa hatte versammelt, welcher sonst nur von Sklaven und Boten wurde genutzt - Gracchus Maior, Antonia, Gracchus Minor, Titus Gracchus und Flamma, welche ob ihres Antlitzes in diesem Augenblick durchaus mehr Sklaven und Boten glichen als der stolzen, patrizischen Familie, welche sie waren. Der pater familias hatte bisher tunlichst vermieden mit seiner Familie selbst über die Flucht zu sprechen, hatte nur Sklaven zu ihnen geschickt mit der Nachricht, dass sie Rom in der Nacht würden verlassen müssen, dass sie nichts müssten befürchten, nur strikt seinen Anweisungen folgen. Titus und Flamma indes hatte niemand erklärt, was eine Flucht überhaupt bedeutete, nur Kosmas, der Leibmedicus der Flavier, war am Abend bei ihnen gewesen und hatte gemeinsam mit den Ammen ihnen ein bitteres Getränk verabreicht. Nun schliefen die beiden Kinder tief und fest und würden frühestens am nächsten Morgen wieder gesund und munter erwachen - Gracchus hatte dem Medicus gedroht, dass wenn dies nicht wie von ihm auf seine Schlafrezeptur vorhergesagt eintreffen werde, er Kosmas würde mit seinen eigenen Händen erwürgen. Seiner Gemahlin Antonia hatte er mitteilen lassen, dass ob der kritischen politischen Lage, welche auf den Tod des Kaisers gefolgt war - von welcher das Ausgangsverbot nur einen geringen Anteil ausmachte - es unerlässlich war, dass sie und die Kinder Rom verließen, da Gracchus um ihre Sicherheit fürchtete und es wahrlich urgent war, dass sie noch während des Ausgangsverbotes, noch in dieser Nacht die Stadt verließen. Nichts indes wusste sie bis jetzt von seiner Beteiligung an der Ursache dieser Situation, wiewohl Gracchus auch nicht intendierte, ihr dies allzu bald einzugestehen, sich voll und ganz darauf verließ, dass sie wie stets tat, was er von ihr verlangte, dass sie ihm vertraute, dass er das Leben der Seinen nicht würde in Gefahr bringen - ein Vertrauen, welches er letztlich bereits hatte missbraucht, da sie alle längst in höchster Gefahr schwebten.
    "Es wird Zeit, sie werden gleich hier sein", drängte Sciurus und deutete auf die beiden geflochtenen Weidenkörbe.
    Gracchus unterdrückte ein seine Kehle emporsteigendes Seufzen, nickte und trat zu der Amme hin, die seinen Sohn Titus auf den Armen hielt. Er nahm ihr den Jungen ein wenig umständlich ab und küsste das schlafende Kind auf die Stirn.
    "Passe gut auf deine Mutter auf, mein Sohn. Wir werden ... schon bald wieder vereint sein."
    Behutsam beugte er sich über einen der Körbe und legte Titus auf die wollene Decke, die am Grund ausgebreitet war, deckte ihn noch ein wenig zu. Dann erhob er sich wieder und blickte zögernd zu Flamma. Womöglich würde er sie niemals wieder sehen, so trat er schlussendlich auch zu deren Amme, um das ebenfalls schlafende Mädchen auf den Arm zu nehmen. Wie zuvor seinen Sohn, küsste er auch seine Tochter auf die Stirn, ehedem er sie in den zweiten Korb hin ablegte. Schlussendlich drehte er sich zu Antonia, die trotz des schäbigen Kleides, des abgetragenen Mantels um ihre Schultern und des Staubes, den ihre Sklavinnen sorgsam ihr auf ihre Wangen und Stirn hatte aufgetragen, gar in ihr Haar gerieben, dass es nun stumpf und verfilzt erschien, nichts von ihrer Gravitas hatte verloren, nichts von dem Stolz, der ihr zu eigen war, und Gracchus hoffte, sie würde niemandem auf dem Weg in die Augen blicken. Ihm jedoch blickte sie in die Augen und er glaubte darin unzählige Fragen, zahllose stumme Vorwürfe, wie einen Hauch von Furcht zu entdecken.
    "Sorge dich ni'ht."
    Behutsam fasste er ihre Schultern, ganz als wolle er durch den eigenen Griff sich eine Stabilität verschaffen, welche in seiner Stimme kaum mehr vorhanden war.
    "Sobald es möglich ist, werde ich euch zurück..holen oder zu euch kommen."
    Er suchte ein Lächeln um seine Lippen zu legen, doch konnte es nicht seine Augen erreichen, in welchen nur Sorge, Verzweiflung und Furcht sich abzeichneten. Er wollte sie um Verzeihung bitten für alles, was er getan oder nicht getan hatte, wollte ihr danken für alles, was sie je getan hatte, ihr versichern, dass sie die beste aller Gemahlinnen, die beste aller Mütter war, welche er sich überhaupt nur konnte vorstellen, und er nicht im geringsten darum wusste, wie er sie überhaupt je verdient hatte. Er wollte sich gebührend verabschieden für alle Zeiten, denn er fürchtete darum, sie niemals mehr wieder zu sehen. Doch er wollte sie nicht ängstigen, wollte nicht, dass sie um seine Furcht wusste, zog sie darum nur ein wenig an sich - ohne indes, dass sie das fürchterliche Gewand musste berühren, dass er selbst an seinem Leibe trug, hauchte auch ihr einen Kuss auf die Stirn, vorsichtig, um nicht die graue Schicht auf ihrem Antlitz zu zerstören.
    "Halte den Blick gesenkt bis ihr aus der Stadt hinaus seid und spri'h mit niemandem."
    Da er nicht länger ihren Augen konnte Stand halten, wandte er sich zu seinem Ältesten um. Wie auch Gracchus Maior trug der Junge ein schäbiges Gewand, dessen Farbe einmal weiß mochte gewesen sein, das nun indes von einer Melange aus Staubgrau und Uringelb durchzogen war, welches zerschlissen war und schien als hätte es schon mehrere Leben hinter sich gebracht, dem gleichsam ein ungustiöser Geruch anhaftete, dass Gracchus bereits beim Ankleiden war daran verzweifelt und von welchem er sicher war, er würde sich fraglos nicht daran gewöhnen und ihn auch nach Wechseln seiner Kleidung zweifelsohne für Wochen nicht mehr aus seiner Nase bekommen. Als Sciurus ihm den Plan zur Flucht für Flaccus, Minor und ihn selbst hatte unterbreitet, hatte er zuerst geglaubt, der Sklave wäre dem Wahnsinn verfallen und würde sich an einem Scherz versuchen, doch Sciurus war so humorlos wie eh und je, und schlussendlich hatte Gracchus eingesehen, dass es wohl oder übel eine der besten Möglichkeiten für sei war, die Stadt zu verlassen.
    "Ver..abschiede dich von deiner Mutter, Minimus. Der Wagen wird gleich hier sein."
    Den halben Abend lang hatte Gracchus darüber nachgedacht, ob er Minor mit seiner Mutter und seinen Geschwistern sollte mit senden, doch letztlich war er zu dem Schluss gelangt, dass sein Sohn alt genug war, mit ihm zu kommen. Sciurus würde auf Antonia, Titus und Flamma Acht geben und sie sicher zu einem der claudischen Landgüter bringen, so dass Gracchus froh war, zumindest seinen Sohn bei sich zu behalten.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Dieser Morgen war die Klimax einer sich stetig prekärer gestaltender Unrast im Hause Flavia gewesen, deren Veranlassung sich dem älteren der flavischen Knaben ebenso entzog wie dem jüngeren, was bei jenem einen gewissen Unwillen hervorgerufen hatte. Anstelle, dass Manius Maior seinen Erstgeborenen, der nach eigenem Darfürhalten durchaus kein kleiner Knabe mehr war, obschon sein Alter, sein noch immer recht infantiler Habitus und vor allem seine Körpergröße, die deutlich unterhalb des Durchschnittes seiner Alterskohorte lag, dies durchaus nahelegten, eingeweiht hatte, war er kaum in Erscheinung getreten, sondern sich vielmehr stets in seinem Officium aufgehalten, um mit verschiedenen Verwandten zu sprechen, und selbst, wenn er dieses Refugium verließ, fahrig und okkupiert zu wirken.


    Dazu war indessen an diesem Morgen ein höchst abnormes Verhalten seitens Ammen hinzugekommen, das ihn überaus indignierte. Nicht nur, dass man ihn, soweit er dies beurteilen konnte, inmitten der Nacht aus dem Schlafe gerissen hatte, man hatte ihm überdies anstelle der gewohnten sauberen und behaglichen Tunica ein überaus ungustöses Kleidungsstück zweifelhafter Herkunft, dessen Machart mehr Analogien mit den Getreidesäcken in der Cucina des Hauses denn mit irgendetwas in der Kleidertruhe des Knaben besaß, dargeboten. Nicht geringe Disputationen waren erfolgt, ehe die eindringliche Mahnung, es handle sich um den ausdrücklichen Wunsch seines Vaters, den dieser klarifizieren würde, letztlich Wirkung gezeigt und der junge Flavius das abstoßende Gewand angelegt hatte.


    Voller Groll auf diesen geradezu kabalistisch wirkenden Entschluss war er endlich dem Weg seines Paedagogus gefolgt, durch enge Gänge, die er zuletzt zu besonders adventurophilen Zeiten aufgesucht hatte, welche Jahre zurücklagen. Das bizarre Schauspiel, welches sich ihm an der kleinen Porta aber bot, ließ jedweden Zorn einer Konfusion weichen, welche ob der Tatsache, dass man seine Geschwister in Weidenkörbe legte und seine gesamte Familie mit similer, pöbelartiger Kleidung investiert hatte, durchaus adäquat schien. Er wagte nicht, auch nur einen Laut von sich zu geben während der parentalen Disgression. Als letztlich die Order erging, sich seinerseits von seiner geliebten Mutter zu trennen, da vermochte er keine Träne zurückzuhalten, zumal ihn Atmosphäre jener Situation eine längere Dauer der Separation nahelegte.


    "Mutter, vale bene!"
    äußerte der Knabe endlich artig, stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, der Antonia einen Kuss auf die Wange zu geben, wie es sich für einen Sohn geziemte. Zugleich brachen in ihm abertausende von Vermutungen auf, welchen Anlass jene mysteriösen Handlungen, deren er hier teilhaftig zu werden schien, hatten und zu welchem Zeitpunkt oder ob er überhaupt seine Familie jemals wiedersehen mochte. Seine Konklusionen zu verifizieren wagte er indessen vorerst nicht, da dies zu einem späteren Zeitpunkt durch Manius Maior erfolgen mochte und er die Szenerie nicht durch prätentiöse Interjektionen zu disturbieren wünschte.

  • Etwas abseits der innigen Szene des Voneinanderscheidens der familia Flavia Graccha lehnte die hagere Gestalt eines weiteren Flaviers etwas nachlässig an der schmucklosen Wand im Halbdunkel jenes engen Ganges, welcher offenbar geradewegs zum Seitenausgang des flavischen Anwesens führen musste, ebenso grässlich gekleidet wie die Übrigen, und betrachtete nachdenklich das triste Bild. Einen kurzen Moment lang erfasste ihn der etwas wehmütige Wunsch, er hätte selbst nun Gelegenheit, sich so vertraut von jemandem zu trennen, einen geliebten Menschen leidenschaftlich in die Arme zu schließen, bevor die ungewisse Zukunft ihn endgültig mit ihren unbarmherzigen Klauen würde umschlingen. Doch da war niemand gekommen, um sich von ihm zu verabschieden, er stand völlig alleine in diesem Gang und nun erst packte ihn mit kaltem Grauen die Erkenntnis, dass er möglicherweise nie wieder würde zurückkehren, dass er viele Menschen würde nie mehr sehen, dass er die Möglichkeit einer solchen Trennung schon lange hatte vertan. In verworrenen Bildern sah er mit einem Male Menschen, denen er sich nahe fühlte, glaubte Flora in der Düsternis zu erkennen, wähnte auch Axilla, ganz die Nymphe ihrer ersten Begegnung, im Halbdunkel zu erspähen, ja sah schließlich selbst seine Mutter unter den Schatten - wann hatte er sie zum letzten Mal gesehen? Wie lange weilte er nun schon in Rom, vielleicht zwei Jahre? Oder waren es gar schon drei oder vier? Ob sie sich nach dem Tod des Vaters sehr verändert hatte? Ob ihre jugendliche Gestalt wohl noch so anziehend wirkte wie früher? Ein stechender Schmerz fuhr Flaccus gleich einem Schwertstoß durch die Brust - wie gerne hätte er sie in diesem Moment gesehen, sie ein letztes Mal geküsst, in seine Arme geschlossen. Seltsamerweise schien ihm mit einem Male auch das bleiche Antlitz Pisos vor Augen, kalt und reglos. Der erste, welcher sein Blut hatte gelassen für die gute Sache, wie es nun wohl allen bevorstand, deren Gesinnung edel und deren Wesen rechtschaffen war. Zu der starren Miene seines Onkels gesellten sich die friedlich schlafenden Züge seines Mentors Nikodemos', wie schließlich selbst das Antlitz seines Vaters, auf unheimliche Weise versöhnlich im Tod. Die Augen geschlossen, versuchte Flaccus diese Bilder aus seinem Kopfe zu bannen, versuchte sie im pechschwarzen Dunkel zu ertränken, den Geist nicht auf die Zeichen der Vergangenheit, sondern der Zukunft zu richten, die Vernunft Herr seiner Wahrnehung werden zu lassen, auf dass schließlich die Hoffnung emporkeime, dass sein und seiner Verwandten Leben noch nicht war verwirkt, dass vielmehr noch die Aussicht bestand, alles zum Guten zu wenden.

  • Während sein Ältester sich von seiner Mutter verabschiedete, suchte Gracchus einen Augenblick lang den Schatten zu vertreiben, welcher über dem Korb mit seinem Jüngsten zu schweben schien, ehedem Sciurus die Deckel auf die Körbe legte.
    "Gib auf sie Acht, Sciurus, und bringe sie dorthin, wo sie in Si'herheit sind. Bedenke, dass meine Familie das wichtigste ist, das ich habe"
    , wies er sodann seinen Vilicus mit ernsthafter Couleur in der Stimme an, mühsam auch dessen durch Dreck geradezu entstelltes Antlitz zu ignorieren suchend, sich an den vertrauten, hellen blaufarbenen Augen festhaltend. Sciurus nickte, versuchte indes nicht vorzugeben, als wäre all dies nicht sonderlich gefahrvoll - wie Gracchus es gegenüber Antonia tat. "Ich werde sie mit meinem Leben schützen, Herr."
    "Gut, und ver..lasse sie nur, wenn die Lage dir wirklich sicher erscheint. Ich hinterlasse dir eine Nachri'ht bei Cassius sobald wir in Mantua sind."
    Mantua und Aurelius Ursus schienen Gracchus das beste Ziel für ihre Flucht, andererseits indes war er nicht gänzlich dessen sich sicher, ob der Legat noch immer auf ihrer Seite stand. Soweit er wusste, hatte bisherig nur Tiberius Durus den Kontakt zu Ursus hergestellt, welcher zugesagt hatte, mit der Legio I hinter Cornelius Palma zu stehen, wenn dieser als Erbe des Ulpiers den Kaiserthron bestieg. Ob er jedoch bereit war, mit der Legion offen gegen Vescularius Salinator zu agieren - und sei es nur insoweit, die Verschwörer zu schützen -, dies wusste Gracchus nicht, ebenso wenig, ob allfällig auch Aurelius Avianus oder Lupus mit ihrem Verwandten hatten gesprochen. Doch um sich mit den Aureliern zu koordinieren, blieb keine Zeit, keine Gelegenheit, wenn auch Gracchus einen Boten zur Villa Aurelia würde senden mit der Nachricht, dass sie Rom verlassen hatten. Falls Aurelius Ursus sie nicht würde empfangen, so blieb hernach nurmehr die Möglichkeit weiter nach Germania zu Annaeus Modestus zu ziehen und von dort aus die Entwicklung im Imperium Romanum zu beobachten, denn obgleich Gracchus dem Legatus durchaus nicht gänzlich traute, so sah er wenig Alternativen. In diesem Augenblicke indes wurden seine - ohnehin derzeit überflüssigen - Gedanken unterbrochen von dem Rumpeln eines Wagens, welcher von dem rückwärtigen Anwesen her in die Seitenstraße einbog. Zur beinahe gleichen Zeit ertönte von der Straße vor der Villa Flavia ein Scheppern und Krachen durch die Nacht, auf das hin das Rumpeln verebbte. Ohne dass Gracchus dies wusste, geschah in etwa folgendes: ein Ochsenkarren, auf dessen Ladefläche einige leere Weidenkörbe sich stapelten und welcher zuvor Mehl zum Capitolium Vetus hatte gebracht - dort wurden in den Tempelküchen täglich Opferkuchen, Opferbrote und Opferkekse gebacken, welche vor den Tempeln verkauft wurden -, war in die Seitenstraße eingebogen. Vor der Villa hatte im geeigneten Augenblick ein anderer Wagen einige Kisten verloren und war daraufhin zum Stehen gekommen, so dass er die Ausfahrt aus der Seitenstraße blockierte und so den leeren Getreidewagen dazu zwang, ebenfalls einige Zeit stehen zu bleiben - zufälligerweise recht nah an der Mauer, respektive am Seiteneingang des flavischen Anwesens.
    "Es ist soweit", flüsterte Sciurus, welcher aus der Türe schaute und auf das Zeichen von draußen wartete. Dann hob er mit einem weiteren Sklaven hastig die beiden Körbe in die Dunkelheit der Ladefläche des Wagens vor dem Haus und half Antonia vorne neben dem Wagenlenker aufzusitzen. Gracchus wollte ihr noch einmal einige Worte zuzuraunen, doch im Anblick ihres geisterhaften Gesichtes im fahlen Schimmer einer Fackel, welche fremdartige Schatten und Furchen auf ihr Antlitz legte, brachte er kein Wort mehr aus seiner Kehle, dass er nur - selbst im Schatten des Flures verborgen - ihr flüchtig zuwinkte, was sie vermutlich nicht einmal mehr sah. Stumm legte er seine Hand auf Minors Schulter und beobachtete, wie auch Sciurus nach einem letzten Nicken auf die Straße hinaus trat, in der einen eine Fackel haltend, mit der anderen das Geschirr des Ochsen fasste und wenige Augenblicke später - als der Wagen vor der Villa sich wieder in Bewegung setzte, die Tiere langsam fort führte. Während das fahle Flackern der Fackeln noch nicht gänzlich in der Dunkelheit war verschwunden, wurde die Türe des Seiteneingangs wieder geschlossen und Gracchus starrte einige Augenblicke auf das massive Holz. Fort. Der Großteil seiner Familie. Fort. Seine Gemahlin. Fort. Sein Sohn. Fort. Seine Tochter. Fort. Sein geliebter Sciurus. Fort. Ebenso wie seine Hoffnung. Er sog tief die Luft ein, blickte den Flur hinab und entdeckte dort bereits seinen Neffen Flaccus im Schatten. Auch diesem hatten die Sklaven eines der bleichen Gewänder gebracht, ihn auf Weisung hin zudem ein wenig verdreckt, dass er dem Pöbel der Straße ähnlicher war als dem jungen, aufstrebenden Politiker. Weshalb nur hatte Tiberius ihn in die Konspiration einweihen, weshalb nur hatte er dieses Leben auch noch in Gefahr bringen müssen? Und weshalb war dies alles an ihm vorbei geschehen, weshalb hatte er dies nicht verhindern können? Bedauernd blickte Gracchus auf seinen Sohn, seinen Sohn, den niemand hatte eingeweiht in die Verschwörung, und welcher doch nun inmitten dieser gefangen war, in nicht geringerer Gefahr schwebte als er selbst. Mit einem leises Seufzen widerstand Gracchus dem Drängen, Minor durch das Haar zu fahren, um es zu glätten, wusste er doch um die ungustiöse, klebrige Mischung, welche die Sklaven darin hatten eingearbeitet wie auch in sein Haar, wischte stattdessen nur die Tränen von den Wangen seines Sohnes und verteilte dabei ein wenig den graufarbenen Ruß, der darauf war aufgetragen worden.
    "Dein Onkel Flaccus und wir beide, wir ... "
    , begann Gracchus schlussendlich leise zu Minor gewandt, wusste doch sodann nicht, welches Ende dieser Satz würde finden müssen. Würde er Minor nun bereits die gesamte Wahrheit berichten, so würde der Junge womöglich aus Furcht panisch werden, was für sie alle auf dem Weg aus der Stadt mochte zur Gefahr werden. Am liebsten hätte er ihn ebenfalls in einen Weidenkorb gepackt, doch obgleich sein Sohn für sein Alter nicht eben groß gewachsen war, so war er doch recht proper und bereits zu schwer dafür gewesen.
    "Wir müssen die Stadt ebenfalls auf sehr un..konventionelle Art und Weise verlassen, Minimus. Der Kaiser ist tot und der Praefectus Urbi hat ob dessen eine Ausgangssperre ver..hängt, so dass wir nicht einfach mit einer Sänfte oder zu Fuß durch die Tore hinausmarschieren können. Denno'h ist es von eminenter Wichtigkeit, dass wir Rom verlassen, da wir ... da wir ein Art Geheimauftrag im Dienste des Imperium Romanum er..füllen müssen, von welchem niemand etwas wissen darf, nicht einmal, dass wir nicht mehr in der Stadt sind. Wenn es also gleich an der Porta klopfen wird, dann gehen wir dort hinaus auf die Straße und reihen uns um den Karren als wäre dies das natürli'hste der Welt, als würden wir nichts anders tun schon unser Leben lang. Auf dem Weg werden wir nicht mit..einander sprechen und wenn uns Soldaten ent..gegen kommen oder wir diese passieren, so hältst du deinen Blick gesenkt, Minimus, und bea'htest sie nicht weiter. Alles weitere werde ich dir erklären, sobald wir weit genug von Rom ent..fernt sind."


    /edit: Folge-Link nachgetragen

  • Nachdem seine geliebte Mutter sich mit einem ermunternden Lächeln herzerwärmender Zuneigung abgewandt hatte, wurde sich der Knabe gewahr, dass auch sein Onkel Flaccus sich hinter jener unkenntlichen, in ebenso großem Maße wie er selbst und auch sein Vater detestierlichen Gestalt verbarg, die in dem engen Gang hinter ihnen lehnte.


    Doch fand er keine Zeit, dieses neuerliche Faktum in das Theoriegebäude jener verwunderlichen Inzidenzien, das zu errichten er vergeblich versuchte, zu integrieren, denn schon wandten sich, oder vielmehr lediglich seine Mutter, während seine Geschwister in ihrer kuriosen Wiege aufgehoben wurden, zum Gehen, wobei sie ihm zum Abschied ein sanftes Lächeln schenkte, das sie trotz ihrer Aufmachung inkonfundabel machte. Nunmehr vermochte der verbliebene junge Flavius seine Tränen nicht einmal mehr zu zügeln und sie rannen ohne Schranken, bis Manius Maior sie hinfortwischte und endlich zu einer Explikation ansetzte.


    Mitnichten konnte diese indessen die Konfusion im Geiste des Knaben vermindern, denn wie mochte der Tod des Kaisers im Konnex mit einer Ausgangssperre, die augenscheinlich auch der Grund war, warum der junge Flavius in den vergangenen Tagen den Grammaticus nicht frequentieren hatte müssen, kausal mit einem irgendwie gearteten Geheimauftrag, an dem gar ein Jüngling unverhofft partizipierte, und schließlich einer derartig ordinären Aufmachung verbunden sein?
    "Aber wohin gehen wir? Und wohin geht Mama?"
    begehrte sein infantiler Verstand nun endlich eine Replik, die ihm all dies plausibe zul machen vermochte.

  • Es ging auf einmal entsetzlich schnell alles. Diese Flucht, die Planung, in die er durch Flaccus griechischen Sklaven und auch Vertrauten Kleobulos dann doch noch eingeweiht wurde. Wie sie aus der Stadt kommen würden. Und Flaccus selber hatte Luka vor die Wahl gestellt, wie er sich entscheiden wolle, jetzt wo er ja frei war. Doch für Luka gab es nur eine Entscheidung: Er würde NATÜRLICH seinem ehemaligen Dominus, wie versprochen, zur Seite stehen und somit auch seiner Familie. Da gab es für Luka kein Überlegen. Sein Platz war an Flaccus Seite. Denn etwas anderes gab es nicht mehr. Seine Frau, seine Kinder waren tot und seine Heimat eingenommen.
    Auch wenn es seine Heimat war und er sich manchmal nichts sehnlichster wünschte, dorthin zurückzukehren, so wusste Luka auch, dass es keinen Sinn machte. Das Leben ging weiter. Und er war nun ein Libertus, ein freier Mann, wenn auch nicht ganz frei, weil er einen Namen trug, bei dem jeder erkannte, dass er ein ehemaliger Sklave war. Aber das war Luka egal.
    Seine Treue galt seinem Patron, seinem Freund Flaccus. Der da in eine ganz un schöne Geschichte reingerasselt war ... aber auch das war Luka egal. Es war nicht so, dass er alles hinnahm. Aber er traute seinem Patron.


    Und nun mussten die Mitglieder einer so angesehenden Familie fliehen, sich wie kleine Ratten aus der Stadt schleichen. Da sah Luka schon seine Chance, allen zu helfen. War er doch so etwas ähnliches gewohnt. Er war selbst einst ein Rebell und Kämpfer gewesen und da gab es oft genug Verkleidungen, um sich durch die feindlichen Stellungen "durch zumogeln" ...


    Luka war also angekommen bei jenen, die fliehen mussten und einen Teil der Familie seines ehemaligen Dominus waren. Er kam etwas unangebracht, weil doch leicht aufgeregt in diesen Raum. Hoffte, dass Manius Flavius Gracchus inzwischen wusste, wer Luka war. Und Luka sah nicht nur diesen Mann, sondern auch einen Jüngling, leicht verunsichert und doch stark irgendwie im Inneren, so glaubte Luka.


    Und er sah Flaccus, etwas bleich, niedergeschlagen und nachdenkend ... kein Wunder. Sie alle mussten ihr feines Leben aufgeben. Aber Luka kannte so etwas, dennoch verspürte er Mitleid, nein, kein Mitleid, er konnte sich einfach vorstellen, wie es ihnen gehen musste und da war es ihm egal, wer welchen Stand hatte.


    Luka trat kurz neben Flaccus, der so fürchterlich unglücklich aussah, wie er ihn zuvor niemals erlebt hatte. Luka legte nur sanft seine Hand auf dessen Schulter, lächelte ihn an und flüsterte: »Auch wenn es schwer wird, aber Hauptsache du überlebst, denk daran. Da ist es egal, wie oder warum. «
    Und dann versuchte er seinen ehemaligen Herrn aufzumuntern: »Du siehst in deiner Kleidung ungefähr so beschissen aus, wie ich, als ich als Sklave nach Rom kam .. Aber es wird dir dein Leben hoffentlich retten!!« Er zwinkerte dann Flaccus zu. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er ihn und irgendwie alle aufmuntern musste. Denn für sie alle war so eine Situation total ungewohnt. Luka aber hatte so etwas ähnliches und schlimmeres hinter sich.


    Dann wandte er sich an alle, nachdem er noch die letzten Worte von Gracchus und dessen Sohn gehört hatte, dessen Frage er natürlich nicht beantworten konnte, ohne sich wichtig zu machen, trat er hervor und sprach:
    »Ich bin Luka, Quintuis Flavianus Luka , Flaccus Leibwächter. Wohin wir auch gehen, ich werde euch alle, so gut es in meiner Macht steht, mit dem Leben beschützen.« sprach er auf griechisch, in der Hoffnung, dass ihn jeder verstand und dann zog er einen Gladius hervor. Diesen hatte er in der Zwischenzeit heimlich erworben. Es war ihm egal, ob das legal war. Ihm war einfach nur wichtig, diese Menschen sicher wegzubringen. Dennoch nickte er dann Manius Flavius Gracchus Minor und dessem Vater zuversichtlich zu und dann auch Flaccus. In der Hoffnung, dass dieser aus seiner leichten Abwesenheit erwachte und notfalls für Luka einsprang, falls Gracchus nicht wusste, was Sache war ....


    ---
    Lukas Freilassung
    Luka heisst nun Quintus Flavianus Luka (mit K statt C)
    Signatur für Luka's Sprache in Posts: Luka spricht griechisch | Luka spricht gebrochen Latein

  • Woher kommen wir? Was ist der Sinn dieses Daseins? Wohin gehen wir? Was folgt danach? - wie eben eine jener existenziellen, doch niemals auf eine befriedigende Art und Weise beantwortbaren Fragen schienen Gracchus auch die Fragen seines Sohnes, war er gleichsam dessen sich gewahr, dass er sie nicht würde auf eine befriedigende Art und Weise beantworten können, denn letztlich konnte er dies selbst nicht mit Bestimmtheit sagen. Es war darob unausweichlich, dass er ob dessen in eine philosophische Betrachtung der Fragen würde sich ergehen müssen und dies tatsächlich auch bereits im Begriffe war zu tun, da es schlechterdings seinem Naturell entsprach, als dies vorerst wurde verhindert durch einen Mann, welcher von der Seite her an sie heran trat und sich mit Worten der griechischen Sprache vorstellte. An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit, in einer anderen Situation hätte Gracchus diesen Mann entweder derangiert über die Impertinenz des Freigelassenen angeblickt, welcher sich in dieses weltumfassende Zwiegespräch zwischen Vater und Sohn drängte, oder allfällig ihn harsch angefahren, zu schweigen, wenn er seinem Sohn die universellen Weisheiten der Existenz zu vermitteln suchte - doch der Ort, die Zeit und Situation waren derart abstrus, ihm derart fremd und unvertraut, dass Gracchus sich seiner selbst nicht mehr gänzlich sicher war, wiewohl nurmehr auf den Gedanken fixiert, diese Stadt so schnell als nur möglich zu verlassen und das Überleben der Seinen zu sichern.
    "Später, mein Sohn"
    , sprach er darob zu Minor, ehedem er sich Luka zuwandte, diesem auf Griechisch antwortete, dabei auf das Gladius deutend.
    "Keine Waffen bis wir aus Rom hinaus sind. Und keinen Mantel."
    Obgleich Gracchus nichts sehnlicher sich hätte gewünscht als einen bewaffneten Leibwächter, so zählte es doch zu den Voraussetzung, um die Stadt zu verlassen, dass sie nichts bei sich trugen als nur die schäbigen Leibhemden.
    "Und kein Wort von dir, sofern du kein Latein be..herrschst."
    Kurz zögerte Gracchus, ehedem er fortfuhr, diesmalig nicht nur an Luka, sondern auch seinen Sohn und Flaccus gewandt.
    "Nein, kein Wort in irgendeiner Sprache, nicht ein einziges bis wir Rom ver..lassen haben. Es wird auch nicht notwendig sein, denn ..."
    In diesem Augenblicke ertönte ein dumpfes Pochen an der Türe und der Patrizier verstummte. Der Sklave hinter der Türe öffnete und vier Gestalten schoben sich rasch von draußen in den Gang hinein, ehedem die Pforte wieder geschlossen wurde. Der erste von ihnen trug deutlich die Zeichen eines Libitinarius, allerdings nicht eines solchen, welcher im bedauerlichen Todesfalle etwa zur Villa Flavia würde gerufen werden, um die Bestattungsriten durchzuführen, sondern eines derjenigen, welche den Pöbel der Stadt auf seiner letzten Reise begleiteten, welche um deren Bestattungen sich kümmerten, die sonst niemanden hatten, den dies interessierte und allfällig ob dessen allmonatlich in einer Societas eine Spende entrichteten, dass jene am Ende für dieses letzte Geleit aufkam, welche indes ebenso die Leichname in den Straßengräben aufluden, welche nicht einmal hierfür Geld hatten, um sie draußen vor der Stadt an jene zu verschachern, die mit der Herstellung von Knochenleim ihren Unterhalt verdienten - wovon Gracchus jedoch glücklicherweise nicht das geringste ahnte oder gar wusste. Die anderen drei Männer, welche ihn begleiteten, trugen ganz ähnliche Gewänder wie die wartenden Flavier - verschlissene, knöchellange Tuniken in einer indefiniblen Melange aus verschiedenen Weiß-, Grau- und Beigetönen, ihre Gesichter waren bleich, da sie des Nachts ihre Arbeit verrichteten, wiewohl ihnen ein undefinierbarer Odeur nach dem Unrat der Straße und den Düften der Leichenentsorgung anhaftete.
    "Wer hat hier das Sagen?"
    wandte der Libitinarius sich an die Wartenden. Niemand sprach ein Wort, dass einen Augenblick die unheilvolle Stimme der Planlosigkeit über ihnen schwebte, bis dass endlich Gracchus dessen sich bewusst wurde, dass er wohl derjenige war, dass gleichsam sein Vilicus nicht mehr bei ihm war, diese unangenehmen Aufgaben zu übernehmen. Er räusperte sich.
    "Ich. Mein Name ist ..."
    "Ist mir egal. Wer sind die drei, die mitkommen? Wir müssen uns beeilen. Der Wagen steht zwar im Dunkeln, aber es kann jeden Moment eine Patrouille vorbeikommen, überall treiben sich Soldaten in der Stadt herum."
    "Vier, wir sind vier. Der Junge, mein Neffe, ich und unser Leibwä'hter."
    Reihum deutete Gracchus auf Minor, Flaccus, sich selbst und Luka.
    "Vier? Das Eichhörnchen hat für drei bezahlt. Na gut, er läuft mir ja nicht weg. Dann muss einer die Fackel tragen, und es müssen alle meine Männer hier bleiben und versorgt werden."
    "Es wird ihnen an ni'hts mangeln."
    Der Libitinarius musterte kurz die Gestalten, die seinen Karren geleiten sollten und deutete sodann auf Luka.
    "Du trägst die Fackel und gehst neben mir."
    Flaccus und Gracchus waren die nächsten in seinem Blick.
    "Ihr beide zieht den Karren. Der Junge schiebt."
    Einen kurzen Augenblick fixierte Gracchus seinen Sohn, schüttelte den Kopf.
    "Nein, ... er soll nicht schieben. Er kann die Fackel tragen."
    Obgleich Gracchus keinerlei Vorstellung von der tatsächlichen Realität hatte, so hatte er doch eine diesbezüglich rege Phantasie und wollte Minor diesen Anblick ersparen.
    "Ich brauche das Licht in Augenhöhe, nicht unter meiner Nase. Er schiebt, oder ihr bleibt alle hier. Der da nimmt die Fackel, und jetzt folgt mir."
    Gracchus' Leib versteifte sich und seine Kiefer spannten sich an, doch er schluckte mühsam eine harsche Erwiderung die Kehle hinab, drängte doch die Zeit, wiewohl die Gefahr ihnen im Nacken saß, sie ohnehin keine andere Möglichkeit hatten, als zu tun, was der Libitinarius sagte. Einer der bleichen Männer drückte Luka die Fackel in die Hand, dann öffnete der Bestatter die Porta und trat hinaus auf den Weg. Im trüben Licht der goldfarbenen Flamme konnte Gracchus augenblicklich die düsteren Schatten und Schemen ausmachen, welche um die Leichname herum auf dem Handkarren schwebten, dass er einen Augenblick starr auf ihre Gesichter blickte. Zwei Männer und eine Frau lagen dort lieblos aufgeladen, schäbig ihr Äußeres und fahl ihre Gesichter, die Münder stumm geöffnet, die Augen geschlossen - und doch konnte Gracchus ihren stechenden Blick auf sich fühlen. Ohne ihn anzusehen schob er Minor hinter den Karren, die Kiefer fest aufeinander gepresst - nun um das Zittern darin zu verbergen -, ehedem er starren Blickes sich zur einen Seite der Handdeichsel begab, um den Karren zu ziehen. Ohne sich zu vergewissern, dass die Flavier ihm folgten, gab der Libitinarius Luka mit einem kleinen Schubs zu verstehen, dass er losgehen sollte, und trat seine rituellen Gebetsformeln rezitierend den Weg zur Porta Quirinalis an.



    edit: Link eingefügt

  • Deplorablerweise versagte Manius Maior Manius Minor weitergehende Informationen, sondern wandte sich jenem Luka zu, welcher, wie der Knabe wusste, bis vor einiger Zeit der persönliche Sklave von Onkel Flaccus, nun aber eine freier Mann in Diensten des Hauses Flavia und dennoch augenscheinlich auch in jener dunklen Stunde ihnen beizustehen gewillt war. Die Tension seines Vaters war überaus deutlich vernehmbar, weshalb er die väterliche Affirmation postwendend in die Tat umsetzte und die Äußerung weiterer Fragen unterließ.
    Diesem Vorsatz blieb er gar weiter verpflichtet, als ein neuerlicher Fremder mit einem Karren erschien, welcher offenbar nun ihnen den Weg aus der Urbs bahnen sollte. Schon erstellte der junge Flavius die Hypothese, dass nun er gleich seinen Geschwistern einen Platz auf dem Wagen einzunehmen genötigt werden würde und begann bereits zu spintisieren, ob er dieser Order Folge leisten wollte, als sich indessen ein völliger Wandel der Situation darbot.


    Dem väterlichen Willen gemäß sollte er die Fackel des schauerlichen Schemen führen, was in ihm Remineszenzien an heiterere Gelegenheiten weckte, als er die Hochzeitsfackel vor dem Consular Tiberius und seiner Braut hergetragen hatte, doch rasch zerbrach dieser Gedankenfetzen einem Tonbecher gleich, als man ihn zum Schieben einteilte. Bar jedweden Verständnisses blickte er auf den Karren, welchen zu bewegen man ihm, einem Sprössling aus edelstem Hause, designiert zum Cursus Honorum und höchsten Ehren und dessen Hände nie ermattenderes als das Tragen eines Opfergerätes während einer Prozession getan hatten, auftrug, gemeinsam mit seinem geliebten Vater, dem Praetorier und Pontifex, dessen jedwede Handarbeit gänzlich unwürdig war. Aufbegehren erschien dennoch vergebens, denn mit gänzlich unfamiliärer Bestimmtheit schob der Vater seinen Sohn an den Platz, welcher ihm indessen nur eine neuerliche Schauerlichkeit darbot, vor deren Identifikation den Knaben bisher ausschließlich die sonst verabscheute Fehlsichtigkeit bewahrt hatte: Vor seinen Augen nahmen die Umrisse eines bleichen, schmutzigen und zweifelsohne leblosen Fußes Gestalt an. Pures Entsetzen schien sich einer Würgeschlange gleich um seinen Leib zu schlingen, während er die Situation erfasste und ihm lediglich eine mechanische Bewegung seiner Hand in den Mund die Möglichkeit offerierte, einen furchtsamen Aufschrei zu unterdrücken. Erst ein Stoß, dessen Urheber er nicht zu identifizieren vermochte, riss ihn aus seiner Thanatose, woraufhin der Karren sich in Bewegung setzte und eine Stimme ihn mit den rüden Worten
    "Schlag keine Wurzeln, Junge! Schieb!"
    mahnte, tunlichst seine Hände an das hintere Ende des Gefährts zu legen, wobei er selbstredend peinlichst bemüht war, die erkalteten Körper mit keinem Glied zu berühren.

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