Beiträge von Claudia Antonia

    „Schwierige Fälle?“, wiederholte Antonia und zog eine Augenbraue nach oben. Was war denn nun ein schwieriger Fall? War das wortwörtlich zu verstehen? Die schwierigen Fälle waren die Damen, die am schwersten waren? Nunja, sie würde es erleben.
    Weiter darauf eingehen konnte sie nicht, denn endlich schien es loszugehen. Die magistra schaffte es tatsächlich dem Murmeln Einhalt zu gebieten und ergriff das Wort. Zunächst herrschte eisiges Schweigen auf ihre Frage, keine wollte wohl den Anfang machen. Schließlich stand eine Frau, die wohl Anfang 30 sein musste auf. Sie war zwar nicht besonders dünn, sie jedoch übergewichtig zu nennen wäre bereits zu viel gesagt.
    „Nachdem ich vor 3 Monaten entbunden habe und den Schwangerschaftsspeck loswerden wollte, bin ich meinem Ziel nun ganz Nahe. In der letzten Woche habe ich 1 Pfund abgenommen und nun fehlen nur noch 4 Pfund mir zu meinem ursprünglichen Gewicht.“, verkündete sie strahlend. Die Magistra nickte lächelnd und notierte eifrig mit.
    Jener Vorstoß schien die anderen Frauen jedoch nicht gerade dazu zu motivieren, auch ihre Fortschritte zu schildern. Eventuell gab es nicht so viel Fortschritte? Ob das hier wirklich funktionierte?
    „Ich war auf die Hochzeit meiner Schwester eingeladen.“, gestand eine weitere Frau schließlich und erhob sich von ihrem Platz. „All die leckeren Sachen.. wer kann da schon nein sagen, nicht wahr? Ich zumindest nicht, daher habe ich ein wenig zugenommen.“
    Mit einem abschließenden Seufzer setzte sie sich wieder. Hierdurch wohl ermutigt standen nach und nach einige weitere Teilnehmerinnen auf, verkündeten Erfolg oder Misserfolg.

    Nun endlich bemerkte auch Antonia, dass ihr Gatte nicht mehr auf der Rostra stand. Stirnrunzelnd nahm sie es zur Kenntnis. In Gedanken legte sie diese Res Gestae als die wohl einzigen ab, in der das Volk von Rom ein einsehen mit einem verdienten Magistraten hatte und diesen nicht mehr als nötig quälen wollte, hatte sie doch keine einzige Frage zu seiner Amtszeit gehört. Nun, vielleicht hatte sie es auch einfach überhört. Recht schnell fand ihre Aufmerksamkeit dann aber wieder ihre Verwandte, schenkte ihr ein gelöstes Lächeln.
    „Ich werde Apollo ein Opfer darbringen, damit er die Sonne am Himmel hält.“, versprach sie. „Oder lieber noch Venus.. und Iuno.. hm.. in zwei Wochen schaffe ich es vielleicht sogar, all unseren Göttern ein Opfer darzubringen. Wobei.. nein, dann habe ich ja für nichts anderes mehr Zeit.“
    Antonias Laune schwang wieder um zu fröhlich-ausgelassen und würde wohl vorerst auch so bleiben.„Ich muss mich ja schließlich auch noch über meine Rolle als Pronuba informieren. Nicht, dass ich am Ende alles falsch mache und das Hauptgesprächsthema in der nächsten Klatschspalte der Acta werde.“
    Schelmisch grinsend zwinkerte Antonia ihrer Cousine zu, wusste sie doch, dass diese die Lectrix in der Staatszeitung war.


    Der gänzlich unpatrizische Gefühlsausbruch, der nun folgte, entlockte der Schwangeren ein nachsichtiges Lächeln. Selbst beim Freuen über die Schwangerschaft stellte Epicharis sie mit ihrer ungebändigten Fröhlichkeit in den Schatten. Wie so oft stellte Antonia fest, dass manche Eigenschaften äußerst ungerecht auf die Menschen verteilt wurden. Ihre Augen folgten der auf- und abhüpfenden Cousine, ehe sie von dieser gedrückt wurde, sodass die Luft aus ihren Lungen entwich. Die freudig-hohe Stimme an ihrem Ohr war scheinbar der Höhepunkt des Freudentaumels.
    „Ja, man stelle sich das nur vor. Ich eine Mama.“, pflichtete sie ebenso wenig intelligent bei. Die folgende Minute füllte Epicharis bereits mit ihren zahllosen Fragen, sodass Antonia sich ordentlich anstrengen musste, um nicht den Faden zu verlieren.
    „Ich.. Gracchus, jaja, er.. wir freuen uns so sehr. Ich hoffe natürlich, dass es ein Junge wird. Ein Stammhalter für meinen Mann, aber eigentlich wäre mir ein Mädchen auch recht.“
    Angesichts der Schwierigkeiten, allein dieses eine Kind zu zeugen wäre ein Sohn wohl weitaus besser, konnte Antonia doch nicht sicher sein, jemals wieder schwanger zu werden.
    „Unsere Kinder.. ja, dann beeile dich mit dem schwanger werden, sonst wird das doch nichts. Du siehst ja, wie lange es bei mir gedauert hat.“
    Innerlich hegte sie freilich nicht den geringsten Zweifel, dass Epicharis es hierbei ungleich leichter haben würde, als sie selbst, wie im Grunde genommen jeder Mensch auf dieser Welt es leichter zu haben schien. Zumindest was diesen Punkt betraf.
    „Ach, stell dir vor, vielleicht werden es ja beides Jungs, dann können sie irgendwann gemeinsam in die Politik.. oder zwei Mädchen, die halb Rom den Kopf verdrehen werden.“

    Das Gefühl nicht verdrängen könnend, dass ihre Anwesenheit Gracchus’ Zustand eher verschlimmerte als half schüttelte Antonia, wie so oft, innerlich den Kopf über sich selbst. Bereits nachdem sie mitgeteilt hatte, was mitgeteilt werden musste, hätte sie wieder gehen sollen, hätte ihrem Gatten die Ruhe eines Zimmers ohne aufdringliche Ehefrau gönnen sollen. Purer Egoismus war es, der sie hier hielt, der ihre Beine schwer wie Blei sein ließ und nicht gestattete, den Rückzug anzutreten.
    Wie geduldig er doch war. Nun gut, was anderes blieb ihm übrig, konnte er schließlich schlecht seine Gemahlin einfach vor die Türe setzen. Hätte sie auch nur geahnt, was im Flavier vor sich ging, sie wäre vermutlich nicht wieder gegangen, ehe er seine alte Form wieder gefunden hatte. Zum Glück für sie beide, nahm Antonia eher Gegenteiliges an. Der sanfte Druck gegen ihre Hand war es schließlich, der sie selbige langsam zurückziehen ließ. Zu deutlich war sein Zeichen, zu genau glaubte die Claudia zu erkennen, dass er ihre Nähe nicht ertrug. Er schob sie von sich weg, schloss die Augen, um mit Gesten zu sagen, was er durch Worte nicht mehr vermochte.
    Die Hände faltend, jedoch weiterhin auf seinem Krankenbett ruhen lassend, senkte sie den Blick und begann auf den Lippen zu kauen. War dies nicht der Zeitpunkt sich taktvoll zurückzuziehen? Wäre dies nicht der Moment, da sie beide wieder ihr eigenes, getrenntes Leben fortsetzten? Doch nein, die unsichtbaren Fesseln hielten sie noch immer zurück. Jede Faser in Antonia drängte es danach, erneut die Hand auszustrecken, trösten auf seinen Körper zu legen, sacht seine Haut zu streicheln um sich selbst ein wenig der Illusion eines perfekten Lebens hingeben zu können. Es war nur ihr Blick, der schließlich wieder Gracchus’ Gesicht erforschte.
    „Verzeih mir.“, sagte sie, woraufhin eine kurze Pause folgte. Einen Moment lang schien es, als entschuldige sie sich ganz allgemein. Für sich, für ihre Dummheit, ihre Unfähigkeit. Doch der Nachsatz folgte. „Du liegst hier erschöpft und brauchst Ruhe und ich rede und rede und halte dich nur davon ab, dich zu erholen.“
    War jener Ausspruch die übliche Einleitung, sich zu erheben und das Zimmer zu verlassen, machte Antonia diesbezüglich keine Anstalten.

    Sim-Off:

    Kein Problem :)



    Nach und nach fand jede Besucherin einen Platz - nur einige Nachzügler mussten sich an der hinteren Wand mit Stehplätzen begnügen. Sicherlich ohnehin gemeines Volk, daher flaute Antonias Interesse recht schnell ab.
    Noch immer erfüllten unzählige Stimmen den Raum, gaben einem den Eindruck, man befinde sich am Markttag auf den Mercati Traiani inmitten einer Menschenmenge.
    "Wie lange dauert ein solches Treffen denn für gewöhnlich?", wandte sich die Claudia an Celerina. Mehr, um etwas gesagt zu haben und weniger aus wirklichem Interesse. Inzwischen schien die Magistra noch etwas mit der Wiegesklavin besprechen zu müssen, was den Anfang erneut hinauszögerte. Ein wenig unruhig rutschte Antonia auf ihrem Stuhl nach unten.

    Kaum gestellt, bereute Antonia ihre Frage bereits wieder. Denn kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, wurde es scheinbar frostig im Raum. Gracchus schien wie erstarrt, wobei sie sich nicht sicher war, ob es an seinem Zustand oder doch an ihren Worten gelegen hatte, dass er so reagierte. Er wich ihrem Blick aus, was sie selbst die Augen senken ließ, einmal mehr bereute, ein solch ungeschickter Trampel zu sein, den ein Mann wie er wahrlich nicht verdiente. Seine abgehackten Worte ließen sie wieder aufblicken. Bitter war ihre Miene, keine Spur mehr von der Freude, die vor wenigen Augenblicken noch aus ihr gesprudelt war. Es schien einfach niemals etwas perfekt sein zu können. Irgendein Teil ihres Lebens war dazu verdammt immerzu zu scheitern.
    "Das ist gut.", hörte sie sich krächzen, während ihre Lippen erneut ein Lächeln zu formen versuchten, nicht sicher ob er wieder gelogen hatte oder tatsächlich fand, es sei schon besser geworden. Sie sah ihre Hand emporwandern, bis zum Haarschopf ihres Gemahls und andächtig, vorsichtig, ja man konnte durchaus sagen zärtlich, über seine Haare streichen. Sie wollte etwas sagen, ein 'Es tut mir so leid' oder 'Alles wird wieder gut', doch hätte dies alles sicher nur verschlimmert für ihn. Das Mitleid seiner eigenen Frau wollte er gewiss nicht.
    "Du wirst es schaffen.", war schließlich alles, was über ihre Lippen kam. Nur ein einziger Satz, jedoch im Urton der Überzeugung ausgesprochen. In der Tat, sie hegte keinerlei Zweifel daran, dass ihr Gemahl, der bislang alles mühelos zu bewältigen schien, auch diese Krankheit hinter sich lassen würde und schon allzu bald wieder auf eigenen Beinen stehen würde.

    Auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden hin winkte sie nur kurz ab und lächelte. Alles war beileibe nicht in Ordnung, doch welcher Mensch konnte dies schon von sich behaupten? Nichtsdestotrotz wollte sie ihre Cousine nicht beunruhigen.
    Was die Versicherung anging, sie sei gewiss eine wundervolle Pronuba, so wurde Antonias Lächeln bereits wieder unsicher. Sie würde einige Freundinnen befragen, die bereits jene Pflicht übernommen hatten. Abgesehen davon konnte es wohl auch nicht schaden, dem ein oder anderen Gott ein Opfer darzubringen. Ohja, gleich am nächsten Tag würde sie losziehen.
    "In zwei Wochen schon?", platzte es dann ein wenig lauter als beabsichtigt aus ihr heraus. "Habt ihr denn da genug Zeit für die Planung?"
    Gewiss. Dem Flavier, wie auch der Claudia, stand schließlich ein ganzes Heer aus Sklaven und Speichelleckern zur Verfügung, welche nur auf eine solche Gelegenheit warteten, um sich durch besonderes Engagement hervor zu tun.
    "Im Garten.. ja, eine schöne Idee. Wollen wir nur hoffen, dass sich das Wetter hält, es wäre ein Jammer, wenn ein Regenschutz aufgestellt werden müsste und so den Himmel verdeckte."
    Ein schiefes Grinsen verriet im Ansatz den Neid, der in Antonia aufzukeimen begann. Warum schien jeder andere das Leben zu bekommen, dass er sich erhoffte, nur sie nicht? Was machte sie nur immer und immer wieder falsch? Epicharis' Frage erinnerte sie daran, dass in jüngerer Vergangenheit ja nicht alles falsch gelaufen war.
    "Bei mir? Oh, ja. Du wirst es nicht glauben."
    Aller Neid, alle Zweifel, jeder pessimistische Gedanke war im Nu fortgewischt, stattdessen strahlte die Claudia mit der italischen Sonne um die Wette.
    "Nach all der Zeit.. all diesen Jahren hat es endlich geklappt."
    Ihre Hand wanderte zu ihrem Bauch.
    "Ich bekomme ein Kind, stell dir vor."

    Sie beeilte sich den Kopf zu schütteln, als Epicharis zunächst ihr den Vortritt lassen wollte. Nein, ihre Neugier war stärker als ihr Mitteilungsdrang, so lauschte sie mit glänzenden Augen den Worten ihrer Verwandten.
    "Ich? Du möchtest, dass ich.. ?"
    Gänzlich überwältigt von jener Bitte schossen ihr die Tränen in die Augen. Eine vor wenigen Monaten noch unvorstellbare Gefühlsregung mitten auf dem Forum. Es musste doch etwas an dem Gerücht sein, dass schwangere Frauen jene Bereiche ihres Körpers, welche die Emotionen steuerten, kaum noch kontrollieren konnten. Sich mit einer Hand Luft zufächernd kam zuerst nur ein erstickter Laut über ihre Lippen.
    Schnell griff die Claudia jedoch die Hand von Epicharis, eifrig nickend.
    "Gerne, es ist mir eine Ehre."
    In der Tat, das war es. Kaum ausgesprochen jedoch kamen erste Zweifel in Antonia auf. War sie überhaupt geeignet für eine solche Aufgabe? War sie nicht vielmehr die Letzte, die Pronuba sein sollte? Sie war ja kaum fähig, ihre eigene Ehe in die richtigen Wege zu leiten, wie sollte sie das bei jemand anderem vollbringen? Nein, eine Ehe wie die ihre wünschte sie Epicharis wahrlich nicht, wenngleich sich ihre Verwandte recht gut mit Gracchus zu verstehen schien. Das Schicksal spielte bisweilen sonderbare Spiele.
    Ihre Lippen begannen zu zucken. Nein, Epicharis war so gänzlich anders als sie selbst. Und Aristides war anders als Gracchus. Sie würde der ganze Stolz ihres Gatten sein und ihr Gatte würde sie gewiss aufrichtig lieben, so er dies nicht bereits tat. Ein sehnsüchtiger Seufzer entfleuchte Antonias Kehle.
    Jener kurze Anflug von Melancholie war jedoch ebenso schnell abgeschüttelt, wie er aufgetaucht war und wich dem Lächeln, das sich hart seinen Platz an der Sonne erkämpfte und vorerst nicht wieder zu weichen gedachte.
    "Wann soll es denn so weit sein? Noch in diesem Jahr? Sommer? Herbst? Winter? Oh, du willst doch wohl nicht im Winter heiraten, da ist es viel zu ungemütlich."

    Zitat

    Original von Claudia Epicharis


    Es war Antonia seit jeher schleierhaft, wie ein Mensch alleine so viel gute Laune und Unbeschwertheit verbreiten konnte, wie ihre Cousine. Dies allein wäre vielleicht so ungewöhnlich nicht, doch wenn jemand Antonia damit anstecken konnte, galt es durchaus seine Bewunderung auszusprechen. Fröhlich strahlte sie Epicharis an.
    „Ohja, ich war dort hinten.“, erwiderte sie und deutete in eine Richtung. „Hab mich zwischen dem Gemüse versteckt.“
    Aus der Umarmung wieder entlassen, wollte ihr das Grinsen gar nicht wieder aus dem Gesicht verschwinden.
    „Es ging mir nie besser.“ War dies vor wenigen Minuten vielleicht nicht ganz die Wahrheit, so stimmte es doch zumindest in diesem Augenblick. Die Musterung der Verwandten bemerkend, sah auch sie selbst an sich hinab. Sah man etwa schon etwas? Der eigene Blick befand ‚Nein’, doch war Antonias Selbsteinschätzung ohnehin nie die Beste gwesen. So sah sie wieder ihrer Cousine in die Augen.
    „Du wolltest mich besuchen? Oh, das trifft sich hervorragend, ich muss dir ohnehin etwas erzählen. Doch zuerst.. was wolltest du mich denn Wichtiges fragen?“
    Natürlich entging der Claudia nicht, dass Epicharis noch einen deut glücklicher schien als sie dies sonst ohnehin tat. Wie nicht anders zu erwarten war, wurde die Neugier Antonias geweckt. Ohne den Grund hierfür genannt zu haben, würde die Cousine heute nicht mehr nach Hause kommen.

    Sein Brummen vernehmend, wartete Antonia einen kurzen Augenblick, ob jener Ton vielleicht nur der Beginn eines Wortes war. Da jedoch ihr Gatte keine Anstalten machte, weiterzusprechen, verstand sie jenen Laut als Unmutsbekundung und lächelte schief in eben jenem Moment, da sein Lächeln erstarb. Oh, wie sie es hasste. Hasste, dass jede noch so kleine Veränderung in seiner Mimik, jedes noch so leise gesagte Wort, jeder Ton, der ihm entfleuchte sie in tiefste Unsicherheit stürzte, sie sich ständig fragen lies ‚Was habe ich nun falsch gemacht?’.
    Die scheinbar gute Laune kehrte unversehens in sein Gesicht zurück, doch blieb das ungute Gefühl, den Gatten verstimmt zu haben. Ob er doch dachte.. nein, gewiss nicht. Doch die Zweifel wurden verdrängt, überschattet von seiner Stimme.
    „Manius Flavius Gracchus Minor oder Flavia Leontia.“, wiederholte sie. Zum Einen, um den Klang zu hören, zum Anderen, um eine Bestätigung Gracchus’ zu erhalten, welcher für das ungeübte Ohr bisweilen nicht allzu leicht verständlich war. „Gut.“ Dass ein Junge seinen Namen fortführen wurde war ohnehin fast klar gewesen. Eine letzte Bestätigung für Antonia, dass er keinerlei Zweifel ob des Vaters hegte. Leontia sollte das Kind heißen, wenn es ein Mädchen würde. Der Name seiner Lieblingscousine, welche auf so unglückliche Art ums Leben gekommen war. Ohnehin hatte Antonia den Eindruck gewonnen, den weiblichen Familienmitgliedern war kein langes Leben gegönnt. Nicht allein aus diesem Grund hoffte sie selbstredend, das Kind möge ein Junge werden.
    Es hatte nun also einen Namen, was auch immer da in ihr heranwuchs. Sich dabei ertappend, die Hand auf den nur leicht gewölbten Bauch gelegt zu haben, senkte sie fast verschämt den Blick, während sie etwas rötlich um die Nasenspitze wurde.
    „Was hat der Arzt gesagt?“, fragte sie plötzlich unvermittelt und hob den Kopf. „Ich meine.. dein Arzt. Wie lange.. wird es dauern, bis du wieder völlig gesund bist?“

    Zitat

    Original von Claudia Epicharis


    Auch Antonia hatte es sich nicht nehmen lassen, an diesem Tag den Res Gestae ihres Gatten zu lauschen. Zu gut wusste sie, dass er gesundheitlich alles andere als auf der Höhe war und ebenso gut, dass er einen solchen Grund niemals vorschieben würde, um sich vor jener Pflicht zu drücken.
    Nicht allzu weit vorne hatte sie ihren Posten bezogen, wollte sie doch nicht durch ihre Anwesenheit Gracchus aus dem Konzept bringen. Zwar nahm sie nicht an, dass sie alleine dies auslösen würde, doch alle Eventualitäten mussten abgesichert sein.
    Es brach ihr das Herz, als der Flavier schließlich leise und fast zögerlich seine Stimme erhob. Als stünde ein anderer Mensch auf der Rostra, als hätte man Manius Flavius Gracchus ausgetauscht und einen anderen Geist in seinen Körper gezwängt, so wirkte er in jenem Moment auf die Claudia. Noch immer stammelte er mehr, als das er sprach, kämpfte er sich durch Sätze und Worte. Bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, holte sie tief Luft, um anschließend den Kopf ein wenig einzuziehen. Nichtsdestotrotz blieb ihr Blick fest auf dem Redner hängen. Das leise Murmeln, das um sie herum einzusetzen begann, hörte sie kaum, es interessierte sie nicht. In einem Jahr, dessen war sie sich sicher, wäre er wieder ganz der Alte. Früher, gewiss bereits früher schon. Aesculap würde dafür sorgen, hatte sie ihm doch im Laufe der letzten Wochen wieder und wieder Opfer dargebracht.
    Keine Fragen. Bisher hatte niemand aus dem Zuschauerraum Fragen gestellt. Fortuna schien ihrem Gatten hold zu sein und so wagte Antonia bereits ein leichtes Lächeln. Sollten die Wölfe Roms einen anderen zerfleischen.
    "Herrin?", hörte sie ihren Sklaven Pallas flüstern.
    "Hm?"
    "Deine.. äh.. Verwandte. Dort drüben. Claudia Epicharis."
    Antonia reckte den Kopf, konnte jedoch nur von hinten sehen, wen der Kelte meinte.
    "Epicharis? Sicher?", hakte sie nach, verspürte sie doch keine allzu große Lust, einer Fremden in die Arme zu laufen, um sich anschließend für den Irrtum entschuldigen zu müssen.
    "Ganz sicher."
    Jene Auskunft genügte ihr. Sie nickte kurz, bedeutete dem Sklaven voranzugehen und den Weg frei zu machen. Und tatsächlich, als sie sich von der Seite näherten erkannte Antonia ihre Cousine.
    "Epicharis!", richtete Antonia das Wort an sie, als der kleine Trupp bei ihr angekommen war. "Wie schön, dich hier zu sehen."

    So mit sich selbst beschäftigt, registrierte Antonia sowohl Wiegesklavin als auch dD (dicke Dame) nur am Rande. Die Sklavin stutzte nach Celerinas Ansprache sichtlich, nickte zögerlich und deutete dann auf einen freien Platz.
    "Wenn du dann Platz nehmen möchtest, Herrin?"
    Die Herrin mochte. Und so folgte ihr Blick dem Arm der jungen Frau, um sich anschließend - nicht ohne einen weiteren Blick mit der Flavia gewechselt zu haben - auf dem zugewiesenen Korbsessel niederzulassen.
    In den Sitzreihen war der Geräuschpegel vornehmlich durch Murmeln, Getuschel und den Austausch von allerlei Informationen geprägt. Manche Frauen schienen sich nur zu diesen Anlässen zu sehen, dementsprechend viel Gesprächsbedarf gab es wohl. Die Augen wieder zur Warteschlange wendend, erkannte Antonia, dass es wohl noch eine ganze Zeit dauern würde, bis das Treffen losging.

    Die Berührung seiner Hand auf ihrer Wange spürend, wünschte sie sich einmal mehr, so sein zu können, wie er es erwartete. Wie er es verdiente. Tag für Tag war er mit ihr in einer Ehe gefangen, die weder er noch sie zu einer Glücklichen machen konnten. Ein kurzer, fast fiepender Laut entwich ihrer Kehle, hatte er es doch perfektioniert, sie mit den richtigen Worten im falschen Moment zu einem gefühlsempfindlichen Häufchen Elend zu machen.
    Noch ehe sie etwas erwidern konnte, auf sein Liebesgeständnis, von dem sie, natürlich, kein Wort glaubte, spürte sie den leichten Druck im Nacken, der sie stetig zu ihrem Gatten zog. Sie gab ihm nach, richtete sich langsam auf, Gracchus nicht aus den Augen lassend. Selbst als ihre Nasenspitze kurz vor der seinen angelangt war, suchte sie nach dem Schalk in seinen Augen, wartete darauf, dass er sie wieder zurückstoßen und sich abwenden würde. Erst als Antonia seine weichen warmen Lippen auf ihren eigenen spürte gestattete sie sich, einen Teil der Kontrolle aufzugeben und ebenfalls die Augen zu schließen.
    „Lügner.“, flüsterte sie leise, als sich ihre Lippen wieder voneinander lösten. Keinesfalls im verärgerten Tonfall, er glich mehr dem eines Kindes, das seinen Spielkameraden neckt, begleitet von einem nachsichtigen Lächeln.
    Oder meinte er es gar ernst? Konnte er sich nun, da sie endlich ihre Aufgabe erfüllte, doch für sie erwärmen? Würde er sie nicht länger als unnützes Anhängsel, sondern als Partner, als Stütze in seinem Leben betrachten? Für den Bruchteil einer Sekunde gab sie sich jener Hoffnung hin.
    „Sollte dich die Langeweile übermannen, kannst du dir ja schon Gedanken über einen Namen machen.“, schlug Antonia schließlich schmunzelnd vor. Daran, dass es ihm an Kurzweil mangelte, solange er ans Bett gefesselt war, zweifelte die Claudia indes nicht.

    'Ich kann, ich will, ich werde', hallten Celerinas Worte noch in Antonias Geist wieder, als die Sklavin ihr ihre Aufmerksamkeit schenkte. Wie immer, wenn die Claudia auf etwas unvorbereitet war, trat eine kurze Stille ein, in der sie nicht recht wusste, wie sie reagieren oder was sie antworten sollte.
    "Nun.", setzte sie schließlich an. "Ich bin zum ersten Mal hier.. "
    Ihrer Meinung nach war damit alles gesagt, daher ließ sie den Satz unvollendet. Ein Blick nach hinten versicherte ihr, dass Celerina noch immer hinter ihr stand. Desweiteren blickte sie in ein Augenpaar, welches in einem recht rundlichen Gesicht seine Heimat gefunden hatte. Die dicke Dame war scheinbar noch immer interessiert an der vor ihr versammelten High Society. Antonia verkniff sich ein 'Wasn?', lächelte säuerlich und wandte sich wieder um.

    Er hatte die Träne bemerkt. Natürlich hatte er, nichts entging ihm, selbst in diesem Zustand nicht. Sein Versuch, durch ein paar Worte jenen Impuls in ihr aufzuhalten hatte lediglich den Effekt, dass sie, ob seiner Schwierigkeiten das Wort auszusprechen, nur noch mehr gegen den Drang zu weinen ankämpfen musste. Es ging, irgendwie.
    Und einmal mehr musste sie feststellen, dass sie ihren Gatten völlig falsch eingeschätzt hatte. Im Grunde keine Überraschung, tat sie dies doch jeden Tag und jede Stunde, seit sie verheiratet, wenn nicht seit sie einander versprochen waren. Sie versuchte in seinem Gesicht zu lesen, zu ergründen, wie seine Reaktion ausfallen würde. Bereits vorab hatte sie über allerlei Szenarien und ihre geplante Antwort darauf sinniert. Und schien es ihr zu Beginn, als würde Gracchus nicht einmal annähernd verstehen, was sie sagte, war seine Augenbraue, welche so unaufhaltsam in die Höhe sich zog ein untrügliches Indiz dafür, dass er bereits seine Schlüsse zog. Antonias Augen weiteten sich, unbewusst zog sie ein wenig den Kopf ein, machte sich schon bereit zu beteuern, vor Iuppiter zu schwören, es sei sein Kind.
    Sie hatte sich getäuscht. Wie stets. Wie immer hatte sie ihm Unrecht getan, hatte das Schlechteste von ihm und sich selbst angenommen, nur um von ihm vorgeführt zu werden. Die Schamesröte stieg ihr ins Gesicht ob solcher Perfektion. Keinen Gedanken schien er daran verschwendet zu haben, dass er ursprünglich angenommen hatte unfruchtbar zu sein. Seine eigene Vollkommenheit ließ ihn nicht sehen, welche anderen Möglichkeiten es gegeben hätte für Antonia, um schwanger zu werden. Nichts dergleichen nahm er an, geschweigedenn dass er es ihr vorwarf. Wieder wurde ihr durch ihren Gatten vor Augen geführt, wie wenig sie ihn doch verdient hatte. Sie, die stets nur das Negative erwartete, die im umgekehrten Falle sicher völlig gegensätzlich reagiert hätte.
    Ganz offensichtlich freute er sich, was die Claudia nur noch mehr in ein inneres Chaos stürzte. Hatte sie sich auf Wutausbrüche und Vorwürfe vorbereitet, so traf sie sein Lächeln gänzlich unvorbereitet. Fast glaubte sie zu träumen, war der festen Überzeugung, so einfach könne all dies nicht vonstatten gehen. All die Ängste und all das Bangen sollten umsonst gewesen sein? Ihre eigene Unsicherheit wischte er mit einem Satz, mit einer Regung beiseite, führte ihr wie so oft vor Augen, wie unzulänglich sie doch war.
    „Das werden wir.“, bestätigte sie nach einer langen Zeit des stillen Blickwechsels seine Worte. Sich von seinem Lächeln anstecken lassend, begann die Claudia übers ganze Gesicht zu strahlen.
    Worte konnten das Felsmassiv, welches ihr in diesen Sekunden vom Herzen gefallen war, nicht umfassen. Und endlich, endlich hatte diese Ehe, ja ihr Leben, einen Sinn. Endlich würde sie tun können, wozu sie bestimmt war.
    "Ausnahmsweise scheinen die Götter uns einmal wohlgesonnen.", fügte sie hinzu, bereits das Vorhaben im Kopf, die nächsten Tage in diversen Tempeln zu verbringen.

    Bei allen Göttern, nicht einmal einen zusammenhängenden Satz, ganz zu schweigen von einem vollständigen Wort brachte er hervor. So verblüfft, ja bestürzt, war Antonia, dass sie ihren Gemahl nur einige Sekunden lang stumm anstarren konnte. Sich dessen bewusst werdend, durchging sie ein Zucken, welches ein mehr als gequältes Lächeln zur Folge hatte.
    Umgehend bereute sie, dass sie ihn aufgesucht hatte. Er hatte andere Sorgen, musste zunächst einmal zusehen, wieder gesund zu werden. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Wie sollte sie ihm sagen, was sie zu sagen gedachte? Andererseits, konnte sie dadurch seinen Zustand noch verschlimmern? Wohl kaum. Innerlich mit sich ringend, brachte Gracchus schließlich das nächste Wort hervor. Gut ginge es ihm. Sie glaubte es ebenso wenig, wie er annehmen musste, dass irgendjemand dies würde glauben.
    „Das freut mich.“, erwiderte die Claudia, aus demselben Grund, aus dem er jene Unwahrheit kundgetan hatte. Keinesfalls wollte sie zu seinen körperlichen Beschwerden nun auch noch die Tortur einer klagenden und weinenden Ehefrau hinzufügen. Sofern ihm dies überhaupt etwas ausmachte. Dass er sich schließlich noch nach ihrem eigenen Wohlbefinden erkundigte, überzeugte die Patrizierin schließlich davon, dass tatsächlich ihr Gatte in jenem Körper steckte. Keinen anderen Menschen kannte sie, der sich, stets höflich, nach anderen erkundigte, wenn er selbst mehr tot als lebendig zu sein schien.
    „Oh, ich.. “
    Eigentlich die perfekte Vorlage. ‚Es geht uns hervorragend.’ Nein, viel zu plump. ‚Wie es mir geht? Schwanger.’ Bei Iuno, das war ja noch viel schlimmer. So in ihre Überlegungen versunken, zog sie erst eine schwache Berührung an ihrer Hand wieder in die Gegenwart. Ein seltenes Ereignis durften die Menschen, welche sich im Raum befanden an dieser Stelle miterleben: Antonia hatte mit den Tränen zu kämpfen. Ob aus Rührung, oder aufgrund der Hormone war hierbei wohl nebensächlich. Wie beiläufig hob sie die freie Hand, um sich eine Träne aus dem Augenwinkel zu wischen, in der stillen Hoffnung, Gracchus möge es nicht bemerkt haben. Jene Hand fand schließlich ebenfalls ihren Platz auf der des Kranken. Fast schien es, als klammerte Antonia sich fest.
    Kaum wagte sie, ihren Blick wieder zu heben, fürchtete, was sie ihm Gesicht ihres Mannes lesen würde, sobald sie ausgesprochen hatte, was sie früher oder später doch aussprechen musste.
    „Es geht mir.. recht gut. Den Umständen entsprechend.“, begann sie stockend. „Allerdings gibt es da einen Umstand, über den ich dich informieren sollte.“
    Niemals würde er ihr glauben. Gerade jetzt nicht, wo er geraume Zeit außer Gefecht gesetzt gewesen war. Natürlich, es musste ja so wirken, als habe sie nur auf eine solche Gelegenheit gewartet. Doch die Worte sprudelten unaufhaltsam weiter.
    „Du weißt noch, worüber wir vor einiger Zeit gesprochen hatten? Über.. nun.. unseren.. ausbleibenden Nachwuchs?“
    Sie riss den Blick nach oben, zwang sich, den Kopf nicht zu senken, wie eine Sünderin, die um Gnade flehte. Nichts Falsches hatte sie getan. Zumindest sie selbst wusste das.
    „Es scheint, als hättest du dich geirrt, Manius. Ich bin guter Hoffnung.“
    Zumindest ein Gutes hatte sein Zustand in diesem Augenblick. Eine lange Tirade angereihter Vorwürfe und Beschimpfungen würde er kaum hervor bringen.

    Ein schiefes Grinsen war die erste Antwort, die Celerina erhielt. Da Antonia dies jedoch nicht für ausreichend befand, antwortete sie:
    „Aufgeregt beschreibt es nicht annähernd. Ich fühle mich fast wie ein kleines Kind, auf der Suche nach einem Abenteuer.“
    Natürlich hatte sie keine Ahnung, wie ein Kind auf der Suche nach einem Abenteuer sich fühlte, war sie selbst doch keines jener Kinder gewesen, die, kaum ließ man sie unbeaufsichtigt, in die erste Schlammpfütze sprangen, die sie sahen. Nichtsdestotrotz, für ihre Verhältnisse war sie im Moment äußerst euphorisch.
    „Wie lange dauern diese Treffen denn eigentlich?“, sprudelte schon die nächste Frage aus ihr heraus. Zugleich trat sie wieder einen Schritt nach vorne, wo nun lediglich eine Frau sie von Magistra und Wiegesklavin trennten.
    Indes hörte sie bereits die Stimme der rundlichen Dame hinter sich, die nun allerdings ein neues Opfer gefunden zu haben schien, dem sie ihre Anekdoten aufdrücken konnte.

    Feine Schweissperlen rannen die claudische Stirn hinab, als sie, samt den anderen Körperteilen, an diesem Tag durch die Gänge der Villa Flavia wandelte. Zum einen war hierfür das warme Wetter verantwortlich, zum anderen die Tatsache, dass das Ziel ihres Ausflugs das Gemach Antonias Gatten Gracchus war. Ihren Sklaven Pallas hatte sie vorgeschickt, um zu erfahren, ob Gracchus denn überhaupt in der Verfassung war, mit ihr zu sprechen. Fast hatte sie gehofft, die Antwort wäre nein, doch jenen Gefallen wollten die Parzen ihr heute wohl nicht tun. Es weiter hinauszuschieben hatte vermutlich ohnehin keinen Sinn, würde jene Nachricht, die zu überbringen sie gedachte, doch schon bald im ganzen Haus, wenn nicht in halb Rom bekannt sein. Besser er hörte es von ihr selbst, als einem dahergelaufenen Sklaven oder gar der Acta.
    Zwei Seelen trug sie mit sich herum. Die eine drohte bald zu explodieren vor Freude, die andere wollte sich in einem tiefen Loch verkriechen, aus Angst vor Gracchus’ Reaktion. Niemals würde er glauben, das Kind sei von ihm. Nicht nachdem er sich so sicher war, unfruchtbar zu sein. Und beweisen konnte Antonia nicht, dass es keinen anderen Mann in ihrem Leben, beziehungsweise in ihrem Bett, gegeben hatte.
    Nur allzu schnell war sie vor der Tür ihres Ehemannes angelangt und stand nun zögerlich davor, wie er selbst so oft zögerlich vor ihrer Tür gestanden hatte. Ihr Herz schien in einen zu engen Mantel gesperrt zu werden, ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie die Hand hob, um zu klopfen. Als sie glaubte eine Reaktion aus dem Inneren des Raumes zu hören, schob sie die Tür auf und trat ein. Der Anblick ihres noch immer geschwächten Gatten indes ließ sie gleich am Eingang verharren. Nie hatte sie ihn so gesehen, noch sehen wollen. Krank, matt, geradezu hilflos. Nichtsdestotrotz kämpfte sie das aufkeimende Unwohlsein nieder und trat mit langsamen Schritten näher, irgendwie noch ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubernd.
    „Manius.“, grüßte sie ihren Mann, wie schon so oft. „Manius, wie geht es dir? Ich war so in Sorge.“
    Dies war nicht einmal gelogen, denn obwohl sie nicht ein einziges Mal seit seinem Anfall sein Cubiculum aufgesucht hatte, war kaum eine Stunde vergangen, in der sie sich nicht gefragt hatte, ob er wieder auf die Beine kommen würde. Nur selbst einen einfachen Krankenbesuch, wie ihn wohl jede treusorgende Gattin absolviert hätte, hatte sie nicht über sich gebracht. Zu sehr hatte sie jenen Anblick gefürchtet, den sie nun vor Augen hatte. Ihr Bild vom stets vor Energie und Kraft strotzenden, unverwüstlichen Manius Flavius Gracchus war dahin.
    Um Fassung bemüht wartete sie nicht erst, bis ein Stuhl für sie gefunden war, sondern ließ sich, gänzlich untypisch für sie, auf dem Boden neben dem Krankenbett nieder, ergriff sogar die Hand ihres Gemahls. Um Trost zu spenden oder um Sicherheit zu suchen? Wer vermochte dies schon zu sagen.

    Innerlich atmete Antonia auf. Also doch kein Wiegezwang. Zumindest würde das heute für sie gelten, wollte sie sich das Gesamte Prozedere doch erst einmal in Ruhe ansehen. Umentscheiden konnte sie sich später schließlich immer noch. Den Hinweis, dass zu Republikzeiten die Ergebnisse lauthals verkündet wurden, quittierte sie mit einem Stirnrunzeln. Früher war eben doch nicht alles besser gewesen.
    Celerinas verblüfften Blick erwiderte sie schließlich nicht minder verwirrt, zog jedoch schließlich eine Grimasse und wandte sich an die etwas beleibtere Dame.
    „Gestatte mir, dass ich dir sage: Für dein Alter hast du dich hervorragend gehalten.“
    Mit süffisantem Lächeln wandte sie sich wieder nach vorne, das freudige Gesicht der Angesprochenen über das vermeintliche Kompliment nahm sie daher nur am Rande wahr. Sie war ohnehin zu sehr damit beschäftigt, sich das Lachen zu verkneifen.


    Die Flavia klärte sie letztlich noch über jene andere Frau auf, die neben der Wiegesklavin stand. Neugierig ihren Worten lauschend, nickte Antonia ab und an.
    „Faszinierend.“, murmelte sie halblaut. Nach der Höhe jener Gebühr zu Fragen wagte die Claudia an dieser Stelle nicht, spielte es doch ohnehin keine große Rolle. Zumindest nicht, wenn man das Vermögen seines Gatten verwaltete, so wie sie es tat.
    Und wieder ging es einige Schritt voran. Mit jedem einzelnen begann Antonias Herz schneller zu klopfen. Ein äußerst spannendes Unterfangen, all diese Geheimnistuerei, die vielen Menschen.. wie es wohl weitergehen würde?

    Der Arzt kam, sah und.. diagnostizierte. Mit dem Hinweis, er sei unfähig wurde er allerdings auch ebenso schnell, wie er gekommen war, wieder fortgeschickt. Nicht viel besser erging es dem zweiten Arzt, den der Sklave anschleifte. Schwanger. Sie sollte schwanger sein? Was für ein Unsinn. Auch die mittlerweile recht nachdrücklichen Einwände Pallas’ tat Antonia mit einem Kopfschütteln ab. Es war völlig unmöglich. Von Gracchus konnte sie, laut seinem eigenen Eingeständnis nicht schwanger sein und einen anderen Mann hatte es nicht gegeben. Oder hatte ihr Gatte sich am Ende geirrt? Ein dritter Medicus sollte die Angelegenheit klären.
    „Und? Was ist es?“, fragte sie, als dieser die Untersuchung beendet hatte.
    „Das zu sagen wäre es im Moment noch zu früh.“
    „Bitte?“
    „In sieben bis acht Monaten werden wir denke ich mehr darüber wissen, was es ist. Junge oder Mädchen.“
    „Schwanger?“
    „Ich gratuliere herzlich, Claudia.“
    Antonias Blick musste in etwa dem des Theseus ähneln, als dieser zum ersten Mal den Minotaurus sah. Spätere Generationen würden ihn mit „Wtf?“ betiteln.
    „Das ist unmöglich.“, murmelte sie, sacht den Kopf schüttelnd.
    „Wie meinen?“
    Der stumme Schatten an der Wand, auch als Pallas bekannt, war es, der den leicht verwirrten Medicus nach draußen bugsierte. Seine Herrin schien im Moment nicht wirklich ansprechbar, starrte sie doch lediglich mit großen Augen an die ihr gegenüberliegende Wand, immer und immer wieder den Kopf schüttelnd. Offenbar hatte Gracchus sich geirrt. Nur... würde er das glauben? Nachdem er sich so sicher gewesen war, dass er unfruchtbar war?
    Sie schlug beide Hände vor den Mund. Sicher würde er glauben, sie hatte bei einem anderen gelegen. Natürlich, was schien nahe liegender? Niemals würde er dieses Kind anerkennen, würde sie verstoßen.
    „Oh Iuno... “, seufzte sie.

    Es war ein furchtbarer Morgen, der auf eine furchtbare Nacht folgte. Kaum ein Auge hatte Antonia zu getan, wie bereits seit Tagen nicht. Unerträglich war diese Hitze. Erschwerend hinzu kam nun, dass sich die Claudia gänzlich undamenhaft immer öfter übergeben musste. Unerklärlich schien ihr dies, aß sie doch kaum etwas. Und wenn sie etwas aß, war es nichts, was derlei Beschwerden verursachen könnte. Vielleicht würde sie doch demnächst einen Medicus konsultieren müssen.
    Im Moment jedoch saß sie leicht vornübergebeugt in ihrem Nachtgewand und mit aufgelösten Haaren auf ihrer Bettkante und starrte auf den Boden vor sich. Nur nicht zu viel bewegen, sonst würde ihr mit Sicherheit erneut übel werden.
    „Was habe ich nur verbrochen.“, murmelte sie leise. Der einzige Sklave im Raum, Pallas, zuckte mit den Schultern.
    Mit ihrer zittrigen Hand fuhr sie sich über die Stirn.
    „Kein Fieber. Denke ich. Zumindest etwas.“
    Der Wink, den sie dem Kelten gab, sagte ihm unmissverständlich, dass auch er sich davon überzeugen sollte. Nicht, dass Antonia auf sein Urteil viel Wert gelegt hätte, doch war eine zweite Meinung – und sei es nur die eines Sklaven – in solchen Fällen nie verkehrt.
    Ein gebrummtes „Mhm“ bestätigte ihre eigene Diagnose.
    „Vielleicht ein Sonnenstich.“, mutmaßte sie schließlich.
    Jene Vermutung war jedoch ebenso unsinnig wie die Annahme, sie hätte zu viel gegessen. Die Claudia hielt sich tunlichst von zu viel Sonnenlicht fern, hätte dieses doch nur eine unangenehme Bräune zur Folge. Als er diesen Einwand äußerte, erhielt Pallas zum Dank ein Kissen. An den Kopf. Geworfen von seiner Herrin. Unnötig zu erwähnen, dass sie missgestimmt war.