Beiträge von Claudia Antonia

    Zitat

    Original von einem Gemisch aus Flaviern und Aurelien


    „Oh, gewiss. Nur Gutes.“, erwiderte Antonia schmunzelnd. Jenes Schmunzeln wuchs noch ein wenig, als sie von Prisca an die Meditrinalia in der Villa Aurelia erinnert wurde. Wie unnachahmlich war dort doch ihr Gatte porträtiert worden.
    Allerdings gab es wichtigere Themen als Theaterstücke: Kleidung. Offenbar hatten sich hier zwei Frauen gesucht und gefunden – und Aquilius hatte das Glück, live dabei zu sein. Keine Frage, das war die absolut richtige Frau für ihren Verwandten und an einem anderen Tag würde Antonia ihm das sicherlich auch unmissverständlich klar machen. Eine angenehme Gesellschaft, die einen auf Einkaufszügen begleiten konnte fand man schließlich nicht alle Tage.
    „Eine wundervolle Idee.“, stimmte die Claudia daher fröhlich dem Vorschlag nach einem gemeinsamen Einkaufsbummel zu. „Aquilius, diese Bitte kannst du uns nicht abschlagen.“
    Es klang freundlich, doch bestand kaum ein Zweifel, dass hier kein Widerspruch geduldet werden würde. Er saß in der Falle.


    Just als dies beschlossen war, kamen auch schon zwei weitere Personen – eine davon ein Verwandter, wie Antonia überrascht feststellte, hatte sie den jungen Mann bislang doch für einen der Sklaven gehalten. Wie peinlich. Glücklicherweise hatte sie dies nie laut geäußert. Als Lucanus sie jedoch ‚Tante’ nannte erstarrte ihre freundliche Miene. Tante. Tante! Tante eines fast Erwachsenen. Es war eine Sache, von einem kleinen Jungen wie Serenus so genannt zu werden, doch er.. Mit einem Schlag fühlte sie sich unsagbar alt. So starrte sie den Flavius einige Sekunden lang an, ehe sie sich wieder besann und ein schnelles „Io Saturnalia“ hervorbrachte.
    Ursus’ Kerze nahm sie mit einem Lächeln entgegen und betrachtete interessiert die Form des Wachses. „Ich danke dir.“
    Sie überwand schließlich auch das unangenehme Gefühl, das sich in ihr ausgebreitet hatte, seit sie das Wort ‚Tante’ gehört hatte und richtete ihren prüfenden Blick auf Lucanus. Von einem neuen Flavier im Haus hatte sie gehört, dass er dieser Verwandte war überraschte sie jedoch. Dennoch, kaum machte er den Mund auf, war klar, dass er zur Familie gehörte. Nur ein Flavier konnte Schmeicheleien auf diese Art aussprechen. Sogar eine kurze Verbeugung.. So unterdrückte sie den aufkeimenden Impuls ihre Schläfen zu massieren.
    „Es freut mich“, setzte sie also an, „dich endlich einmal kennen zu lernen.. Neffe. Du hast dich bereits gut eingelebt, ja?“


    Erneut war es Prisca, die sie aus ihren Grübeleien riss. Die Blicke der beiden Frauen trafen sich. Keine Worte waren nötig, diabolische Planungen dieser Art verstand die Claudia sofort. Für den Bruchteil einer Sekunde zuckten ihre Mundwinkel nach oben, gerade lang genug, um den Zweifel zu lassen ob da überhaupt etwas gewesen war.

    „Nicht perfekt? Gracchus und nicht perfekt?“
    Ein bitteres Auflachen folgte. Konnte nicht auch ein perfekter Mensch Sorgen und Nöte haben und trotzdem perfekt sein?
    „Du denkst, ihr wärt gestraft mit eurer Familie? Sei froh, dass du noch eine Familie hast. Ich habe niemanden mehr. Entfernte Vettern und Basen, die ich kaum besser kenne als einen Stoffhändler, den ich zweimal im Jahr sehe.
    Und Gracchus.. er ist ja nicht immer schweigsam. Er ist es nur mir gegenüber. Bei jedem anderen findet er ein Thema und sei es noch so nichtig. Nur bei mir.. nichts scheint ihn mehr zu erleichtern, als möglichst viel Abstand zwischen uns zu bringen.“

    Sie hob die freie Hand.
    „Doch ich will heute nicht darüber sprechen. Heute nicht. Der Tag war bisher so schön.“
    Damit war das Thema für sie abgeschlossen – vorerst.
    Nun waren sie nur noch ein, zwei Schritt vom Laden entfernt. Lediglich genug Zeit für einen Satz.
    „Es sollten Träume bleiben.“
    Mit dem letzten Wort waren sie an der geöffneten Türe angekommen. Hätte sie auch nur geahnt, dass wenige Tage später eben jene Feststellung, die ihr in diesem Moment Sicherheit geben sollte, nichtig sein und der Bedeutungslosigkeit anheim fallen würde.. doch sie wusste es nicht und gestattete sich noch nicht, mehr als nur untreue Gedanken zu haben.
    Antonia blieb stehen, hob den Kopf, um Aquilius in die Augen zu sehen, um zu sehen, ob sein Gesicht, sein Blick sich verändert hatten. Doch ihre eigene Unsicherheit suchte sie in seinen Augen vergebens. Vielleicht gab es sie, doch die Claudia wusste sie nicht zu deuten.
    „Wir sind da.“, stellte sie schließlich fest, wandte den Blick ab und betrat den Laden. Als gäbe es einen Preis für den schnellsten Verkäufer, stand umgehend ein solcher neben ihr und begann sie und Aquilius wortreich und blumig zu begrüßen. Sie hörte es kaum.

    Zu viele Bilder drängten sich in ihr Bewusstsein. Zu viele Bilder, die sich nicht sehen wollte, die ihr so gänzlich falsch schienen.
    „Er würde mich verachten, da bin ich mir sicher.“
    Noch mehr verachten, lag ihr auf der Zunge, doch versicherte ihr Aquilius immer wieder, dass ihr Gatte keineswegs so war, wie sie selbst annahm. Glauben konnte sie ihm jedoch nie, wenngleich sie es zu gern getan hätte.
    „Er ist so… er ist perfekt, über jeden Zweifel erhaben. Ich muss wenigstens versuchen, annähernd so zu sein, auch wenn ich es nie sein werde.“
    Als Ehefrau sei sie ihm wichtig. Als Ehefrau, die ihm keinen Erben schenken konnte. Sie glaubte ihm nicht, wie schon so oft. Konnte nicht glauben, was er sagte.
    Gracchus als Teil jener Filme zu sehen, die vor ihrem inneren Auge abliefen fiel Antonia ebenfalls äußerst schwer. Er war nicht wie Aquilius, ihm fehlte die Fähigkeit, ihr wie sein Vetter mit einer kleinen Berührung das Adrenalin durch die Adern zu jagen. Oder er benutzte sie nicht.


    „Wünsche ich es mir?“, wiederholte sie leise murmelnd die Worte des Flaviers.
    Die Antwort war einfach, doch stellte sich umgehend die nächste Frage. Laut aussprechen oder nicht? Gestehen, was ohnehin des Öfteren in ihrem Kopf herumspukte oder es weiter für sich behalten?
    „Weißt du es denn nicht? Siehst du es denn nicht? Schau mich an, ich zittere.“
    Zum Beweis hob sie eine ihrer Hände, welche in der Tat nicht so ruhig war, wie sie sein sollte.
    „Wie könnte ich ohne zu lügen nein sagen? Frauen liegen dir zu Füßen, Aquilius. Du weißt es und ich weiß es.“
    Auch Antonia entdeckte schließlich das Ladenschild des Juweliers. Rettende Insel in stürmischer See. Bald würde sie ihre Gedanken wieder kontrollieren können.
    „Ich bin nicht mehr und nicht weniger. Auch nur eine Frau... “



    [SIZE=7]Edit: Zu viel Eifer => Zu viele Rechtschreibfehler ^^[/SIZE]

    Es war nun schon einige Tage her, dass Antonia und ihr Gatte ein folgenschweres Gespräch geführt hatten. Seither hatte die Claudia nachts kaum geschlafen und sich tagsüber wie ein Schatten ihrer Selbst hauptsächlich in ihrem Cubiculum verkrochen, gedanklich immer das Damoklesschwert über sich. Es ließ ihr keine Ruhe.
    Sicher, die Entscheidung war richtig. Sie musste richtig sein. Außerdem wollte sie es ja nicht für sich selbst tun, sondern für ihren Gatten. Gewiss würde Iuno das verstehen. Doch die Ungewissheit nagte an ihr, sodass sie an diesem Morgen zum Iunotempel aufgebrochen war. Sollte sie den Zorn der Göttin auf sich gezogen haben, wollte sie zumindest versuchen, diesen zu beschwichtigen.
    Ein wichtiges Anliegen erforderte ein entsprechend großes Opfer. So hatte sie auf dem Markt das weißeste Schwein erstanden, das sie finden konnte. Eben jenes trottete nun gemütlich neben einer Sklavin her, die das Tier an einem Strick hinter ihrer Herrin herführte. Ab und an gab es ein kurzes Grunzen von sich, welches Antonia in tiefste Verunsicherung stürzte. War das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Sie würde es wohl bald erfahren.
    Am Tempel angekommen fand sich recht schnell eine Sacerdos, welche Antonia hilfreich zur Seite stehen würde. Gutes oder schlechtes Zeichen? Antonia verkniff es sich, auf den Fingernägeln zu kauen.
    Ihrer Sklavin bedeutete sie indes, vor dem Tempel auf sie zu warten, während sie selbst sich ins Innere begab. Langsam, fast bedächtig erklomm sie die Stufen, bis ihr der typische Weihrauchduft entgegenschlug. Aufzublicken wagte sie dennoch kaum. Sie wusste ohnehin, wie es im Tempel aussah, hatte sie doch schon oft hier gestanden und den Segen der Iuno erfleht. Als wäre es ein Reflex, streckte sie ihre Hände in ein nahes Wasserbecken, um sich für das bevorstehende Opfer zu reinigen. Heute schrubbte sie ihre Hände allerdings sorgfältiger als sonst, fast, als wären diese über und über mit Schmutz bedeckt. Und für Antonia waren sie dies auch.
    Der unstete Blick der Claudia fiel auf das Weihrauchschälchen, welches eine der Sklavinnen ihr entgegen hielt. Eine Hand glitt hinein, umfasste so viele Weihrauchkörner, wie in die schmale Handfläche passten und warf sie ins Feuer. Umgehend waberten Rauchschwaden gen Himmel, um Iunos Aufmerksamkeit zu wecken. Den Kopf zu heben fiel ihr heute schwer, das Antlitz der Statue, welche vor ihr stand, anzusehen schien selbst wie ein Opfer zu sein.
    „Große Iuno.“, erhob sie schließlich ihre Stimme, welche sonderbar gefestigt klang. Wie ein Sterbender, der mit dem Leben abgeschlossen hatte. Und vielleicht war es auch so… viel schlimmer konnte es ja im Grunde genommen nicht werden.
    „Iuno Sospita, gütige Himmelskönigin, Schützerin der Frauen und Mütter, ich flehe dich an. Kein Kind hast du mir bislang gewährt, große Iuno, darum stehe ich hier vor dir und bitte dich, gewähre mir einen Sohn. Schenke mir ein Kind, woher es auch immer kommen möge.“
    Sie hielt inne. Genauer konnte sie es hier, an diesem öffentlichen Ort unmöglich formulieren. Nicht ihr Gatte würde der Vater seines Erben sein, sondern sein Vetter. Sofern Iuno über diesen Ehebruch hinwegsehen konnte.
    Langsam, fast schon zaghaft, legte sie den mitgebrachten Früchte in eine, frische Blumen (ein wahres Kunststück im Winter welche aufzutreiben) in eine andere Opferschale.
    „Diese Gaben, große Iuno, für dich. Gewähre mir deine Gunst. Gewähre mir deinen Segen. Mäßige deinen Zorn.“
    Orangerot züngelten Flammen empor, welche der Göttin die Gaben ‚überbringen’ sollten. Sie verbrannten restlos, so sprach nichts dafür, dass das Voropfer wiederholt werden musste.
    Eine Drehung nach rechts beendete diesen Teil des Opfers. Doch nun hieß es den Tempel verlassen, um auf dem Vorhof das Schwein an den Mann, beziehungsweise an die Göttin zu bringen.
    Durch den nahezu perfekten Verlauf des Voropfers ein wenig beruhigt, schritt Antonia würdevoll die Stufen wieder hinab, um sich zum Altar zu begeben. Schon von oben sah sie die Sklavin mit ihrem Schwein auf sie warten.
    Erneut wusch die Patrizierin ihre Hände, ehe man ihr das Opfermesser reichte. Mit der anderen Hand griff sie erneut nach dem Weihrauch, welcher wieder in glühende Kohle geworfen wurde. Einen Moment gestattete sie sich, dem hellen Rauch nachzublicken, widmete dann jedoch ihre Aufmerksamkeit dem Opfertier. Unschuldig grunzend blickte dieses zurück, nicht ahnend, dass seinem Leben gleich ein Ende gesetzt werden würde, um für ein Neues zu bitten.
    „Iuno Sospita, Mater Regina, wie es dir gebührt gebe ich dir dieses Schwein, auf dass du meine Bitte erhörst und mir meine Taten vergibst. Iuno Sospita, Mater Regina, gewähre mir deine Gunst und verschließe nicht dein Gehör vor meinem Flehen.“
    Sogleich war das Messer wieder zur Hand. Mit der stumpfen Seite strich Antonia langsam vom Schweinehals bis zum Ringelschwanz, bevor sie dem Tier schließlich die scharfe Schneide an die Kehle hielt. Ein kurzer Schnitt durchtrennte die Haut und Adern, saugte zugleich Blut und Leben aus dem Tier. Seine Beine knickten ein, der Körper fiel zu Boden, doch das Blut floss in die Opferschale einer Popa.
    Wäre dies ein gewöhnliches Opfer, Antonia hätte wohl die Sacerdos jene Arbeit erledigen lassen. Doch sie wollte Buße tun, wollte Iuno zeigen, dass sie bereute und dennoch nicht anders konnte, als tun, was sie tun musste. So schnitt die Claudia dem Schwein selbst den Bauch auf, um anschließend die Organe zu entfernen und in eine weitere Schale zu legen. Sorgfältig auf jede Unregelmäßigkeit achtend, verließ ein Organ nach dem anderen die warme Bauchhöhle. Physisch schien alles in Ordnung zu sein. Zumindest sagte die Sacerdos nichts Gegenteiliges und auch Antonia, welche auf diesem Gebiet allerdings nur Laienhafte Kenntnis besaß, konnte nichts Kränkliches entdecken.
    Kaum war dies erledigt, richtete sie sich wieder auf. Die Schale wechselte den Besitzer, wanderte von den Händen der Sacerdos in die Hände der Ehefrau.
    Zischende Laute verbreitend endeten Leber, Niere und einige andere Innereien schließlich auf einem nahe stehenden Kohlebecken.
    „Iuno Sospita, Mater Regina, gewähre mir deine Gunst und mäßige deinen Zorn.“
    Angespannt starrte sie auf die Kohlebecken.

    Zitat

    Original von Aurelia Prisca et Caius Flavius Aquilius


    Noch immer etwas derangiert von der kurzen Begegnung mit ihrem Gatten, blickte Antonia überrascht zu Aquilius und dessen Begleiterin. Das Schmuckkästchen, welches sie in Händen hielt, reichte sie alsbald einem der gemieteten Freien, welche heute die Sklavenarbeiten übernahmen, erinnerte sie das Gewicht der Schatulle doch nur unliebsam an ihr erneutes Versagen im Angesicht ihres Gemahls. Umso erfreuter ist sie nun über ein wenig Ablenkung.
    Das war dann wohl die Frau, die ein glückliches Leben mit einem Mann erwarten konnte, der sie lieben und schätzen würde, dessen war Antonia sich sicher. Iuno, die junge Frau wusste sicher nicht einmal, welches Glück sie hatte. Wie so oft fühlte die Claudia in sich den Stich der Eifersucht und des Neides. Wäre Gracchus nur ein wenig wie sein Vetter, sie wäre die zufriedenste Frau der Welt. Doch die Parzen hatten es anders bestimmt. Das Lächeln in ihrem Gesicht indes kündet nichts von ihren Überlegungen.
    „Io Saturnalia.“, grüßte sie beide freundlich.
    „Aurelia Prisca.“, wandte sie sich sogleich an das neue Gesicht. „Ich habe schon so viel von dir gehört. Es ist mir eine wahre Freude, nun endlich mit dem Namen ein Gesicht verbinden zu können.“
    Und so ein hübsches Gesicht. Wieder unterdrückte Antonia einen Seufzer. Wie unzulänglich war sie selbst doch im Vergleich mit jener Aurelia.
    „Dieser Stoff?“, wiederholte sie dann und sah, leise lächelnd, an sich hinab. „Ein Glücksgriff. Wir-“, sie wies kurz zu Aquilius, „- waren eigentlich unterwegs, um dem damals zukünftigen Vigintivir eine toga praetexta zu kaufen. Wo war das noch? Im Laden von Joopus, nicht Aquilius?“
    Nicht ahnend, dass der Flavius keineswegs ein ebenso begeisterter Einkäufer war, wie sie selbst, fuhr sie fort:
    „Ich kann ihn nur wärmstens als Einkaufsberater empfehlen. Er ist so geduldig.“
    Womit sich vermutlich sein Schicksal besiegeln würde..

    Wie ruhig er war. Ruhig, besonnen, scheinbar sogar bester Laune. Allein diese Tatsache ließ Scham in ihr aufsteigen. Was hatte er schon gesagt? Es war ja nicht so, dass er sie in einen der Schmuckstände gezerrt und ihr die Kleider vom Leib gerissen.. irgendwie wurde es immer wärmer, fand sie. Und nie war ein Sklave greifbar, der einen Fächer bei sich trug. Doch wer hätte bei solchen Außentemperaturen auch ahnen können, dass die Herrin ins Schwitzen geriet? Not machte erfinderisch und so bemühte sie ihre eigene Hand, sich ein wenig Luft zuzufächern. Viel half es natürlich nicht.
    Seine Versicherung, es gäbe sicher noch mehr Männer, die dachten wie er, trug ebenfalls nicht unbedingt zur Beruhigung von Antonias rasendem Puls bei. Wie konnte sie nun jemals wieder ein männliches Wesen ansehen, ohne an jene Worte denken zu müssen? Sie schluckte.
    Und mit einem Mal verstand sie viel besser, warum ihre Freundinnen so sehr Gefallen an etwas fanden, was sie bislang hauptsächlich vom Hörensagen kannte.
    „Ich.. “, setzte sie zu einer Erwiderung an, ehe ihr auffiel, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte und erneut verstummte.
    Ob überhaupt etwas geschieht. Es war also keine rein theoretisch Überlegung für ihn, wie ihr schien. Er wollte tatsächlich.. hinter dem Rücken seines Vetters.. ihres Mannes..
    „Und.. Gracchus?“
    Kaum ausgesprochen, hätte sie jene Äußerung am liebsten ungeschehen gemacht. Doch es nagte an ihr, die altmodische Erziehung hatte sich offenbar fest in sämtliche ihrer Gedanken eingegraben und Ehebruch, so verlockend er auch sein mochte, war etwas, das sie sich bisher nie wirklich hatte vorstellen können. Oder nichts, was sie sich mit wachen Augen eingestanden hätte. Doch Aquilius davon erzählen, was in ihrem Kopf vorging, wenn sie alleine in ihrem Bett lag? Unvorstellbar.
    „Ich weiß es nicht.“, erwiderte sie schließlich auf seine Frage. „Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht wäre es tatsächlich besser gewesen, du hättest es für immer für dich behalten. Es ist eine Sache, sich etwas vorzustellen.. plötzlich zu wissen, dass aus der Vorstellung Realität werden könnte, eine andere.“

    Heute. Noch heute wollte er mit Aquilius sprechen. Er schien es sehr eilig zu haben, doch dies konnte Antonia ja nur recht sein. Ob Aquilius dann auch schon heute.. ? Unmöglich. Aber falls doch.. sie musste sich so schnell wie möglich zumindest so weit herrichten lassen, dass sie wieder vorzeigbar war. Dass Gracchus sie so gesehen hatte war eine Sache – und schlimm genug. Doch konnte sie sich kaum vorstellen, dass der künftige Vater ihrer Kinder besonders angetan wäre von ihrem derzeitigen Anblick. Im Hinterkopf und mehr unterbewusst kramte die Claudia so bereits ihre Garderobe nach einer passenderen Tunika durch. Es war nicht sonderlich schwer, denn so ziemlich jede Tunika war passender als die Aktuelle.
    „Noch heute.“
    Wie so oft wiederholte sie stupide die Worte ihres Gatten. Anstandslos ließ sie sich aufhelfen, verließ den rettenden Boden, der sie aufgefangen hatte und musste wieder auf ihren eigenen Beinen stehen. Zu ihrem Erstaunen trugen ihre Beine sie, knickten nicht sofort wieder weg, als die Last ihres Körpers auf ihnen ruhte. Wenngleich die Offenbarung Gracchus’ sie erneut ins Grübeln stürzte. Was meinte er? Sollte das bedeuten, Aquilius würde ohne große Fragen und Probleme zu machen diese Pflicht auf sich nehmen? Würde in alle Ewigkeit stillschweigen darüber bewahren? Wollte er sie beruhigen?
    Oder war dies mehr auf ihr Geständnis gemünzt? Dass er die einzige Familie für sie war und sie nun für ihn? Alles für sie und ihre Kinder hinten anstellen würde? Antonia konnte es kaum glauben. Sie nickte, als hätte sie den Sinn hinter seinen Worten bereits ergründet.
    Wie gerne hätte sie noch eine Weile ihren Kopf an seine Schulter gelehnt, hätte vergessen, was war und was sein würde. Doch die Pflicht rief und gönnte niemandem eine Ruhepause.

    Für Gracchus schien Aquilius der Inbegriff eines wünschenswerten Vaters zu sein. Er lobte ihn in den höchsten Tönen und auch Antonia fiel auf Anhieb nichts ein, was gegen den Flavier als Ersatzmann sprechen würde. Sie versuchte sich vorzustellen, wie ein solches Kind aussehen würde und blanke Panik ergriff sie. Was, wenn das Kind die blonde Mähne seines Vaters erbte? Sie selbst, wie auch ihr Gatte, hatten dunkle Haare, jeder würde erkennen, dass es unmöglich Gracchus‘ Kind sein konnte. Alle würden wissen, dass sie eine Ehebrecherin war. Dass sie keinen Deut besser war, als so viele andere ihrer Vorfahren, welchen sie nie hatte nacheifern wollen. Das Maul würde man sich über sie zerreissen. Niemals würde man ihr natürlich ins Gesicht sagen, für wie verabscheuungswürdig man sie hielt und so würde sie sich auch nicht rechtfertigen können. Es wäre auch einerlei, was interessierte es die anderen, dass sie nur für ihn, nur um ihre Ehe zu retten es getan hatte? Je länger sie darüber nachdachte, desto unwohler fühlte sie sich bei dem Gedanken, jenen Schwur, welchen sie bei ihrer Eheschließung geleistet hatte, nun zu brechen. Doch jetzt einen Rückzieher zu machen wäre undenkbar.
    Und Aquilius? Würde er sich opfern? Um der Familie willen? Um seines Vetters willen? Welche Erklärung würde Gracchus ihm liefern, wenn er ihn darum bat, bei seiner Gattin zu liegen? Die Wahrheit? Gewiss, die beiden standen sich nahe, doch so nahe, dass Gracchus ihm beichten würde, dass er keine Kinder zeugen konnte? Einem anderen Mann gegenüber zugeben, dass ein entscheidender Teil nicht richtig funktionierte? Sie konnte es sich kaum vorstellen. Das ungleich größere Opfer, vielleicht einen Sohn zu zeugen, den man niemals würde ‚Sohn‘ nennen dürfen, ließ Antonia zu dem Schluss kommen, dass der Flavier in dieses Unterfangen nicht einwilligen würde. Doch wenn ihr Gemahl es sich so wünschte, abgeneigt war sie schließlich keineswegs.
    „Dann also Aquilius.“, bestätigte sie schließlich.
    Wie er ihn wohl fragen würde? Eine rechte Vorstellung von einem solchen Gespräch unter Männern hatte sie nicht. Fragte man geradeheraus? War so etwas am Ende gar nicht so ungewöhnlich, wie sie es empfand? Einfach zwischen Haupt- und Nachspeise beim abendlichen Familienessen eine kurze Frage eingeschoben, mehr nicht. Kaum der Rede wert. Was war es schon? Nur die Grundlage einer neuen Generation, die Fortführung eines uralten Familienzweiges, die Weitergabe seines Blutes. Ihr selbst konnte es ohnehin fast egal sein, ob nun Aquilius oder Gracchus der Vater sein würde, in beiden floss das edle flavische Blut, wenn auch Aquilius sich ob seiner hispanischen Herkunft stets einen Makel ankreidete, welcher ihrem Gatten fehlte. Doch perfekt konnte ein Kind, welches auch ihr Erbgut in sich trug, ohnehin nicht sein, war sie doch viel zu unzulänglich um solcherlei zustande zu bringen. Vielleicht war es tatsächlich besser so, dass Gracchus sich nicht selbst würde bemühen müssen. So konnte er, würde jenes Kind eines Tages nichts als Schande über die Familie bringen, doch einfach ihr die Schuld geben und konnte sich sicher sein, dass es an ihm nicht gelegen haben konnte. Wenn Fortuna ihr gewogen war, würden die dunklen Haare alles sein, was das Kind von ihr erbte, nur um der Tarnung willen.
    „Gut.. wenn du denkst, er würde dies tun. Aber.. falls er sich bereits erklärt.. ich.. würde gerne.. ich schiebe ungern eine Bürde vor mir her.. “
    Trotz oder gerade wegen des ehebrecherischen Themas spürte sie indes den starken Drang, Iuno ein Opfer darzubringen :P

    Trotz aller Geständnisse und Offenbarungen überraschte es Antonia, dass er sie erneut in seine Arme schloss, erneut Trost und Wärme spendete von einer Seite, die sie nie vermutet hätte. Es war, als säßen hier zwei andere Menschen. Nicht das gleiche Paar, das seit Jahren nebeneinander her lebte, sich mied, sich zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas vorgespielt hatte. Auch sie schloss ihre Arme um ihn, hielt fest, was sie sonst nicht einmal erkennen konnte. Gewiss, nun würde alles gut werden. Denn er brauchte sie. Und, wie die Patrizierin erkannte, er brauchte sie viel mehr, als sie ihn. In einer früheren Generation Claudier hätte Antonia dies wohl schamlos für ihre Zwecke missbraucht. Doch die Zeiten waren ruhiger und Antonia solche Intrigen fern.
    Stattdessen erkannte sie nun, wie niedergeschlagen er zu sein schien. Es musste schrecklich sein zu wissen, dass man keine Kinder zeugen konnte. Sie konnte dies nur zu gut nachfühlen, war sie sich doch lange Zeit sicher gewesen, dass bei ihr die claudischen Fruchtbarkeitsgene nicht angeschlagen hatten, dass sie die Schuldige der Kinderlosigkeit war.
    Während ihr Gatte in Gedanken bereits zwei potentielle – und potente – Kandidaten ausfilterte, versuchte sie selbst das Gleiche, kam jedoch zu keinem befriedigenden Urteil. Vielleicht auch, weil ihr die Überlegung Unbehagen bereitete. Marcus, eröffnete er den ersten Namen. Er nannte ihn beim Praenomen, es musste also ein Flavier, einer seiner Verwandten sein. Natürlich, was läge näher? Ihr selbst war die Idee gar nicht gekommen, hatte sie doch nicht angenommen, dass sich in seiner Familie ein Mann fände, welcher eine derartige Aufgabe auf sich nähme. Welcher Marcus es genau war bedurfte indes einiger Überlegung. Marcus. Marcus. Aristides? Antonias Augen weiteten sich. Epicharis‘ Verlobter.
    „Nein.“, sagte sie schnell. „Nicht Aristides.“
    Zur Bekräftigung schüttelte sie den Kopf.
    „Das geht nicht. Das.. kann ich meiner Verwandten nicht antun.“
    Womöglich war nicht allein die Rücksicht auf ihre junge Cousine der Grund für Antonias Ablehnung, hatte sie doch seit jeher Aristides‘ Kinder für eine Bande schlecht erzogener verwöhnter Gören gehalten. Dass dies vermutlich nicht an der Erbmasse sondern mehr an der Erziehung lag, blieb hierbei nebensächlich. Im Übrigen weilte der Flavius ja derzeit im fernen Parthien. Und sie wollte jene Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    Caius. Der zweite Name, der fiel. Noch ein Verwandter. Einer, bei dem allein die Erwähnung seines Namens bei diesem Thema genügte, um der Claudia die Schamesröte ins Gesicht steigen zu lassen. Sie fühlte sich ertappt. Ob Gracchus es wusste? Von jenem kurzen Kuss im Garten? Von jenem Geständnis, das Aquilius ihr auf den Märkten gemacht hatte? Sicher nicht, niemals würde er ihn vorschlagen, wenn er es wüsste.
    „Aquilius.“
    Sie wiederholte sein Cognomen mehr für sich, war sie sich doch relativ sicher, dass Gracchus jenen Caius gemeint hatte und keinen anderen. Ein Widerspruch fiel ihr nicht ein und so beließ sie es bei der Repetition.
    Ihre Haare ließ sie indes anstandslos sortieren, es war ihr sogar gänzlich entfallen, dass sie keineswegs so aussahen, wie sie sollten. Entspannend, regelrecht angenehm fühlte sich die monotone Berührung seiner Hand an.
    „Mir fällt niemand ein.“, gestand sie schließlich. Niemand, der annähernd geeignet wäre und nicht bereits genannt worden war. Sicher, es gab weitere Flavier. Doch waren sie nicht unbedingt das, was Antonia sich unter dem perfekten Vater ihrer Kinder vorstellte. Furianus? Gut, Proconsul Hispanias. Doch war er nicht einst bei den Vigilen gewesen? Gracchus hatte wohl noch einen Bruder, doch verkroch dieser sich noch tiefer in der Villa Flavia, als sie selbst dies tat, was wahrlich weder ein besonders gutes Zeichen, noch sehr einfach war. Felix? Würde sicher in schallendes Gelächter ausbrechen ob eines solchen Vorschlages.

    Nur widerstrebend hob sie ihren Arm und wären sie nicht hier, inmitten all dieser Menschen und Sklaven gewesen, sie hätte ihn wohl gänzlich bei sich behalten. Sich der neugierigen Blicke der Haushaltsgegenstände jedoch gewahr, legte sie schließlich ihre Hand auf Aquilius‘ Arm ab, darauf bedacht, in dennoch so wenig wie möglich zu berühren. Es war ihr nicht möglich, ihm in die Augen oder auch nur ins Gesicht zu sehen. Verlegen hielt sie den Blick auf den Boden vor sich gesenkt, als sie weiter gingen. Das hielt sie natürlich nicht davon ab, von Zeit zu Zeit verstohlen zu ihrem Begleiter hinüber zu linsen. Er wirkte so ruhig, als habe er soeben über das Wetter gesprochen. Sie verstand es nicht. Seit jenem Tag im Garten der Villa Flavia hätte sie nicht im Traum daran geglaubt, dass er sie auch nur annähernd anziehend finden könnte. Mehr wie Gracchus war er seither für sie gewesen, wenn auch nicht so kalt und abweisend.
    Vermutlich war sie knallrot angelaufen, ihre Wangen glühten zumindest wie das Feuer des Vulcanus persönlich. Antonia widerstand jedoch dem Drang, eine Hand an die Wange zu führen, um dies zu überprüfen.
    „Wie.. kannst du mir so etwas nur sagen?“, verlieh sie ihren Gedanken nun endlich verbale Gestalt. „Was soll ich darauf antworten? Was erwartest du? Soll ich tun, als wäre alles wie zuvor?“
    Unmöglich. Nie wieder würde sie ihn sehen können, wie noch vor wenigen Augenblicken.
    [SIZE=7]„Iuno.“[/SIZE], murmelte sie leise. Sie war verheiratet, gestattete sich nicht einmal unzüchtige Gedanken mit einem Gladiator, wie viele ihre Freundinnen es zu tun pflegten – auch über die Gedanken hinaus. Und nun wollten diese Bilder ihren Kopf nicht verlassen, in denen all ihre Sehnsüchte und Wünsche sich erfüllten.
    Überhaupt, wem schadete es denn? Für ihren Mann war sie ohnehin kaum mehr als netter Zierrat in seinem Leben, wie eine Statue oder eine Vase, vermutlich sogar ein eher unschönes Exemplar. Wem tat es also weh, wenn sie..
    „Ich wünschte, du hättest das für dich behalten.“
    Noch immer klang ihre Stimme recht leise, es war nicht zu übersehen, dass sie mit derlei Situationen völlig überfordert war.

    Wie gut, dass die Sklavenschaft darauf getrimmt war, wegzuhören, wenn sich die Herrschaft unterhielt. Und wie gut, dass die ‚normalen Sterblichen‘ von eben jener Schar weit genug von den beiden Patrizierin weggehalten wurden, um Worte zu verstehen.
    Ungut war hingegen, dass Antonia ohne jede Vorwarnung stehen blieb, als endlich die Kerze in jenem Teil ihres Kopfes sich erleuchtete, welche für jene Begierden vorbehalten war. Es war ein sehr staubiger und kahler Teil, einer Mietwohnung in einer schäbigen Insula gleich, sträflich seit Jahren vernachlässigt. Doch war die schwer klemmende Tür nun aufgeschoben. Die Reaktion der Claudia löste einen entsprechend lauten Tumult unter den Sklaven aus, die bemüht waren, einerseits ihre Herren nicht umzurennen und andererseits die Einkäufe nicht fallen zu lassen. Irgendwie brachten sie beides zustande.
    Reflexartig hatte sie ihre Hand zurückgezogen, als sie Aquilius‘ Worte endlich verstanden hatte. Ihr rotbemalter Mund klappte auf und wieder zu, ohne etwas gesagt zu haben. Das war eine Situation, die ihr so völlig fremd war und unwirklich schien. Sie, deren Selbstbewusstsein sich seit ihrer Ehe dem Nullpunkt zugewendet hatte, sie verstand nicht, wie ein Mann sie auf diese Art begehrenswert finden konnte. Ob Aquilius‘ Ansprüche so viel geringer waren, als die von Gracchus? Sie konnte es sich kaum vorstellen.
    Innerlich aufgewühlt flogen ihre Augen zwischen denen ihres Begleiters hin und her, suchte nach dem Schalk in ihnen, fand ihn jedoch nicht. Nur noch immer jenes irritierende Funkeln.. Sie kam nicht umhin, sich entblößt zu fühlen, während der Flavier so über jenen Stoff auf ihrer Haut sprach. Instinktiv schlang sie einen Arm um ihre Hüfte, während der andere zum Hals wanderte. Auf eigentümliche Weise fiel es ihr plötzlich schwer, zu atmen.
    „Wie.. wie kannst du.. ?“
    Sich dabei ertappend, sich bildlich vorzustellen, was er nur beschrieb, wendete sie erneut den Blick ab, sichtlich um Fassung und Worte ringend. Wie die angemessene Reaktion hierauf wäre, war ihr mehr oder minder bewusst. Nichtsdestotrotz bekam Aquilius keine Ohrfeige, sie warf nicht herrisch den Kopf zurück und stolzierte davon. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, doch sie wusste, dass das nicht das Richtige wäre.
    „Du willst.. aber.. “

    Seine Worte leuchteten ihr ein. Sie glaubte sie zumindest. Vermutete keineswegs, dass er nichts halb so begeistert vom Einkaufen war, wie sie selbst. Daran gab es schließlich nichts, was keinen Spaß bereitete. So schluckte sie die bereits zurechtgelegten Worte über filigrane Goldschmiedearbeiten und die Auswahl der richtigen Edelsteine hinunter.


    Dass ihre Farce die rechte Wirkung verfehlte, entging ihr indes. Sie versuchte noch immer, jenen undeutbaren Blick irgendwie einzuordnen. Auch nur annähernd etwas wie Lust oder Leidenschaft in ihren eigenen Augen zu suchen war in diesem Moment allerdings vergebene Liebesmüh. Gerade als sie aufgeben will, richtete er Worte an sie, die vollbrachten, was sein Blick nicht konnte. Sie wandte den Blick verschämt nach unten. Aus einer anderen Scham zwar, dennoch konnte sie nicht länger ertragen, jenen Flavier anzusehen, der ihr die einzig vertraute Seele in ihrem zu Hause war. Wie ein warmer Regen prasselten dennoch die Sätze weiter auf sie herab.
    „Ich bin nicht trübsinnig.“
    In der Tat sie war es nicht. Zumindest nicht 24 Stunden am Tag, denn eine gewisse Zeit lang schlief sie.
    „Glaub mir, Aquilius, Juwelen sind der falsche Weg, um mich einem Feuer gleich zu sehen. Ich weiß nicht, wie es gehen würde, ich weiß nur, dass es damit nicht geht. Denn Juwelen habe ich viele, doch gelodert noch nie.“
    Den rechten Hintergrund seiner Worte hatte sie allerdings noch immer ergründet. Jede andere Frau hätte wohl spätestens bei Kombination von Blick und Worten verstanden, worauf der Flavius hinauswollte. Sie selbst, sie war anders veranlagt.

    Eindringlich musterte Antonia ihren Gatten während dieser seiner Angst Wortgestalt verlieh. Genau dieselbe Angst, wie sie selbst sie die ganze Zeit über gehegt hatte.
    „Ich?“
    Als hätte Gracchus einen Scherz gemacht, dessen Pointe sich erst nach genauem Nachdenken offenbarte, so sehr legte sie ihre Stirn in Falten. Beinahe hätte sie erneut angefangen zu lachen ob solcher Absurdität. Wie kam man nur auf solche Gedanken, wenn man war, wie er?
    „Du denkst.. Aber ich dachte, du willst die Scheidung?“
    Nagten an ihm etwa die gleichen Zweifel und Befürchtungen wie an ihr? Es schien ihr nichts absurder als diese Annahme. Dennoch war er hier, saß vor ihr, wie ein geprügelter Hund, der sich trotz allem freut, ein freundliches Wort von seinem Herrn zu hören. Bislang war es der Patrizierin jedoch immer vorgekommen, als sei sie selbst der Hund und ihr Gatte der Herr. War es möglich, dass es ihm ebenso ging wie ihr? Das konnte doch nicht sein, sie war nicht wie Gracchus. Sie war nicht so kalt und abweisend. Sie erreichte nicht annähernd seine Perfektion. Wieso sollte er sich von einem unvollkommenen Wesen wie ihr dergestalt verunsichern lassen?
    Ein unbeschreibliches Gefühl absoluter Zufriedenheit kroch in ihr empor. Gewiss, eine Ehe ohne diese Missverständnisse wäre weitaus einfacher gewesen, doch war es gut zu wissen, dass sie nicht die einzige gewesen war, die nachts wach gelegen und sich gegrämt hatte. Er bat sie sogar zu bleiben. Er. Er bat sie zu bleiben. Sein Gerede von seinen angeblich zahllosen Makeln konnte sie jedoch schon wieder nicht nachvollziehen. Kaum glaubte sie, Gracchus zumindest in gewissen Bahnen folgen zu können, begann er erneut mit einem Mysterium. Unsagbare Rührung erfasste sie. Vielleicht mochten diese Zeilen auswendig gelernt oder einer griechischen Tragödie entnommen sein, doch verfehlten sie ihre Wirkung nicht.
    „Manius.“, begann sie sehr leise, „Du bist die einzige Familie, die ich noch habe. Niemals würde ich dich freiwillig verlassen.“
    Nicht ein einziges Mal während ihrer Ehe hätte sie außerdem angenommen, dass sie diese Worte einmal aussprechen würde.
    „Ich hätte dir so gerne einen Erben geschenkt.“, seufzte sie. Einen richtigen Erben. Einen, in dem sein Blut floss. Das Blut der Flavier. Nun wurde ihr klar, dass sie bestenfalls einen Bastard zur Welt bringen würde. Sie. Eine Claudia. Kaum eine patrizische Familie war mit den Flaviern vergleichbar, ihre eigene einmal ausgenommen. Wer also sollte der Vater sein? Ein Sklave? Ein Gladiator am Ende? Das konnte er kaum wollen, schließlich würde es für alle anderen das Kind des Manius Flavius Gracchus sein.
    „Wer soll es sein?“

    Sie wäre wohl versucht gewesen, aufzuspringen und ihm entgegen zu rufen, was er sich einbilde, sie derart vorzuführen, sie zu allem Unglück immer weiter zu verhöhnen. Doch brachte sie weder die Kraft, noch die rechten Worte auf, um dies zu tun. Wohl Glück für beide, denn wie sie erkennen musste, hatte sie ihn völlig missverstanden. Oder nicht?
    Antonia schwieg. Kaum hatte Gracchus geendet, umfing eine alles verschluckende und schwere Stille die beiden Eheleute. Immer und immer wieder wiederholte sie seine Worte in Gedanken, suchte eine List, einen verborgenen Sinn, etwas, das nicht auf den ersten Blick erkennbar war. Das konnte er nicht meinen, es war schlicht unmöglich. Warum sollte er das wollen?
    „Du.. du meinst.. du und ich? Wir beide? Zusammen?“
    Nach allem, was sie in dieser Ehe erlebt, beziehungsweise nicht erlebt hatte, hätte sie niemals auch nur den Bruchteil einer Sekunde angenommen, dass er länger als das sprichwörtliche Handumdrehen zögern würde, um sie los zu werden. Und nun wollte er, dass sie blieb?
    „Ich soll nicht.. du willst gar nicht, dass.. “
    Sie hatte sich vorgenommen, sich unter Kontrolle zu halten. Nie wieder hatte sie sich solche Blöße geben wollen, wie vor wenigen Momenten. Gracchus Befürchtung erfüllte sich. Sie begann zu lachen. Doch aus einem anderen Grund. Es klang jedoch auch anders als das Vorige. So musste ein zum Tode Verurteilter lachen, wenn er seine Begnadigung erhielt. Ein Ertrinkender, der aus den Fluten des Meeres gerettet wird. Und erneut rannen Tränen ihre Wange hinab. Sie hätte nicht geglaubt, dass überhaupt noch genug Flüssigkeit in ihrem Körper war, um dies zu bewerkstelligen, doch es geschah.
    Schnell beeilte sie sich zu Nicken, denn kein Wort brachte sie aus ihrer heiseren Kehle. Es war noch nicht alles vorbei. Sie konnte bleiben. Sie würde doch noch erfüllen, wozu sie bestimmt war. Dass das Unterfangen, doch noch ein Kind zu zeugen bedeutete, dass sie sich einem anderen Mann hingeben musste, kam ihr in diesem Moment nicht in den Sinn, obwohl es mehr als klar war.

    Immer wieder tat er es. Er überschüttete sie mit Spott und Hohn. Wozu eine Wohnung, fragte er. Wozu. Wollte er sie am Ende unter einer Brücke sehen, bei all dem anderen unwürdigen Gewürm, das von seiner Familie verstoßen worden war?
    „Soll ich etwa auf der Straße.. ?“
    In höchstem Maße irritiert sah sie ihren Gatten an. Jedes Wort, das er sprach, schien ein Rätsel zu sein. Wie eine Sphinx. Einfach geradeheraus zu reden war ihm seit jeher fremd gewesen. Doch heute, hier in dieser Situation, vermochte Antonia nicht des Rätsels Lösung zu erblicken. So stürzte auch die nächste Frage die Claudia nur noch tiefer in die Verwirrung. Was meinte er nur? Einen Makler, der ihr Wohnungen empfahl? Nein, gewiss nicht. Es half nichts, sie musste fragen. Fragen und so auch noch ihre Dummheit eingestehen. Nichts sollte ihr wohl an diesem Tage erspart bleiben.
    „Kandidat? Was.. für ein.. Kandidat?“
    Als hätte er ihr eröffnet, es gäbe keine Götter, so starrte sie ihn an. Hatte er ob Mangels seiner Zeugungsfähigkeit etwa den Verstand verloren? Oder war er betrunken? Hatte sich dem Wein ergeben, um zu vergessen, weil er bereits geahnt hatte, wie sehr seine Gemahlin ihn beschämen würde, sobald er ihr die Wahrheit eröffnete. Allerdings war kein Alkohol zu riechen. Auch lallte und schwankte er nicht.
    „Ich fürchte, ich verstehe nicht.“
    Es machte nun ohnehin nichts mehr. Für dumm hielt er sie ohnehin, warum nicht einfach seine Annahme bestätigen, spielte es doch jetzt keine Rolle mehr. Einmal nichts mehr vorspielen.

    Wohin gehen. Genau das war die Frage, die sich auch Antonia stellte. Zurück in die Villa Claudia? Dort war sie nun fremd, kannte kaum jemanden besser, als man es durch einige Familienfeiern tat. Sie würde dort nur zur Last fallen und wäre niemandem von Nutzen. Nein, zurück in ihr altes zu Hause wollte sie nicht. Sie sah es regelrecht vor sich, sie würde wie eine alte Jungfer enden, allein in einem Mietshaus sitzen, die anderen Mietparteien durch Zetern und Geschrei in den Wahnsinn treiben und sich damit vergnügen, dreimal am Tag eine Katze zu füttern. Ihr schauderte bei dem Gedanken.
    Wie gnädig er doch war. Sie musste noch nicht am nächsten Tag aus der Villa ausziehen. Natürlich, er würde es nie aussprechen, dazu war er viel zu höflich. Doch sie verstand auch so. Sobald wie möglich musste sie hier verschwunden sein. Stumm nickte sie.
    „Sobald ich eine Wohnung gefunden habe.“, erwiderte Antonia daher und atmete tief durch.
    Es war nicht ihre Schuld, dass diese Ehe zerbrach. Die Götter waren ihre Zeugen, sie hatte wahrlich alles getan, um zumindest den Schein aufrecht zu erhalten.
    Ihre Hände lagen mittlerweile gefaltet in ihrem Schoß, nervös knetete sie die Finger. In ihren Ohren klingelten bereits die Ratschläge und Kommentare der Hyänen, welche sie beste Freundinnen nannte. ‚Sei doch froh, nun bist du endlich frei. Ich sage dir, nach meiner ersten Scheidung.. ‘. Gewiss würden sie die Claudia von einem Gelage zum nächsten Zerren und das, wo Antonia Gelage und Feiern hasste. Und er? Saß immer noch den großzügigen spielend vor ihr. Wischte ihr sogar mit seinem perfekten Daumen die nassen Zeugen ihrer Schmach von der Wange. Wem machte er denn noch etwas vor? Und warum musste er sie nur so durchdringend ansehen? Sie sah furchtbar aus, rotgeweinte Augen, aufgelöstes Haar – unter seinem Blick schmolz jede Selbstsicherheit, die sich wieder hätte aufbauen können, um zumindest wieder auf die Beine zu kommen. Er ließ es nicht zu. Genau so wollte er sie wohl sehen. Am Boden. Zerstört. Am Ende.

    Zitat

    Original von Decima Lucilla


    „Ridibundus. Hm.“
    Das musste sie sich merken. Oder besser, einen Sklaven beauftragen, es sich zu merken. Und einen Händler ausfindig zu machen, welcher dieses Gebäck herstellte. Das einzig unangenehme, das Antonia an der Süßigkeit auffiel war, dass sich Nussstücke unangenehm in die Zähne hängten. So begann sie bereits während des Kauens unbewusst mit ihrer Zunge, diesen Makel umgehend wieder zu bereinigen.
    Und je länger das Spektakel dauerte, desto klarer wurde ihr wieder, warum sie nur selten zu solchen Veranstaltungen zu gehen pflegte. Es zog sich einfach viel zu sehr. Ob das nun beabsichtigt war oder nicht, es gefiel ihr nicht, andauernd auf das nächste Spektakel warten zu müssen.
    Die Frage nach der derzeitigen Beschäftigung der Tierfänger kann die Claudia daher auch nicht beantworten, hat sie doch schon einige Zeit gar nicht mehr ins Arenarund gesehen.
    „Hm? Anfeuern?“
    Noch bevor die Patrizierin auch nur ansatzweise verarbeitet hatte, was Lucilla damit meinte, war diese bereits aufgesprungen. Erst jetzt fiel ihr auf, wie klein die Senatorengattin eigentlich war. Sie hatte schon größere Zwölfjährige gesehen.
    Jenes gänzlich undamen- und unsenatorengattinenhafte Verhalten, das folgen sollte, lässt ihren Unterkiefer nach unten klappen, was nicht besonders intelligent aussah, aber dennoch perfekt ihre Überraschung ausdrückte. Wenigstens war der Mund gerade nicht voll. In einer Mischung aus Bewunderung für so viel Mut, sämtliche Anstandsregeln zu vergessen, und Bestürzung ob desselben Grundes starrte die Claudia den hispanischen Heißsporn an.

    Sämtliche Dämme brachen, als Antonia nun auch noch Gracchus‘ Berührung spürte. Ein einziges Mal in ihrer Ehe, war sie nicht die Schuldige, war sie nicht verantwortlich dafür, dass etwas nicht wie geplant geklappt hatte. Und dennoch wurde ihr in jenem Moment klar, dass es nichts änderte. Er würde sich trotzdem scheiden lassen, er brauchte sie nicht mehr. Wozu eine Frau, wenn man wusste, man würde niemals ein Kind von ihr haben? Noch dazu eine Frau, die einem nichts als Schande und Sorgen bereitete. Sie war unnütz, überflüssig. So erstarb der lachende Teil nur zu bald, machte einem umso gequälteren Schluchzen Platz.
    Allzu locker drückte er sie an sich, konnte seine Abscheu wohl doch nicht gänzlich verleugnen in jenem Augenblick. Es war ihr egal. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, presste ihren Körper nur umso fester an den seinen. Ein letztes Mal, so wie die Dinge standen. Eine ganze Zeit lang klammerte sie sich an ihren Gatten, nur um noch ein wenig länger ihr gewohntes Leben festhalten zu können. Denn kaum ließ sie los, würde er ihr sagen, sie könne ihre Sachen packen und schnellstmöglich die Villa verlassen. Das Unvermeidliche ließ sich jedoch nur Hinauszögern, nicht gänzlich abwenden, das wusste Antonia. So lockerte sie nach einer Weile ihren Griff, wischte mit einer Hand die Tränen von ihrer Wange und ließ sich nach hinten sinken. Langsam nickend signalisierte sie, dass sie seine Entschuldigung gehört hatte. Sie glaubte kein Wort, doch sie hatte es gehört. Erleichtert. In ihren Ohren klang er erleichtert, keineswegs bedauernd.
    „Ich.. verstehe schon.“
    Antonias Stimme klang ungewöhnlich krächzig, doch nach einem derartigen Heulkrampf war dies vermutlich nicht weiter überraschend.
    „Wann?“
    Nein, sein Mitleid wollte sie nicht. Wenn sie schon gehen musste, dann aufrecht und stolz. Schlimm genug, dass sie soeben vor seinen Augen sich derart hatte gehen lassen. Jedes Quäntchen Selbstbeherrschung, das sie finden konnte, kratzte sie zusammen, um endlich aufzublicken.
    „Wann soll ich gehen?“

    Er bewegte sich. Sie spürte es mehr, als dass sie es sah, wagte sie doch noch immer kaum, ihren Mann unverwandt anzublicken. Je länger er im Raume verweilte, desto mehr schnürte sich ihre Kehle zu, desto fester krallten sich ihre Fingernägel in jene abgewetzte Tunika, die sie umhüllte. Jeden Moment mit dem verbalen Faustschlag ins Gesicht rechnend, bewegte sie schließlich doch langsam die Augen zu Gracchus. Sie war eine Claudia. Zumindest in die Augen sehen wollte sie ihm, wenn er ihr Leben auf den Kopf stellte. Ihre Mitgift würde sie zumindest haben. Eine kleine Villa auf dem Lande mit ein wenig Grund dazu, damit sie den Rest ihres Lebens in Ruhe und Frieden verbringen konnte. An einen neuen Mann war nicht zu denken, wer würde sie schon nehmen? Eine gebrauchte Frau? Noch dazu eine, die ihrem Gatten keine Kinder schenken konnte. In Rom bleiben? Undenkbar. Direkte Verwandte hatte sie ja kaum noch, die Flavier waren die einzige Familie, zu der sie noch ansatzweise eine Verbindung spürte. Und bald würde all dies vorbei sein. Doch all das hätte sie ertragen können, würde nur nicht jener Mann ihr all dies aufbürden. Jener Mann, dem sie um jeden Preis hatte Gefallen, alles hatte recht machen wollen. Nie hatte er es gewürdigt, geschweige denn zur Kenntnis genommen.
    Selbst zu Blinzeln traute sie sich in diesem Moment nicht, fürchtete sie doch, dadurch alles nur zu beschleunigen, im Laufe eines Augenaufschlags alles zu verlieren, was sie hatte. Und war es auch nicht viel, sie hing daran. Doch was tat ihr Gatte? Nicht ein Wort des Trostes vorab, kein beruhigendes ‚Es wird schon alles gut werden‘. Hätte er es nicht sagen können? Um ihretwillen? Nur ein einziges Mal um ihretwillen gelogen, anstatt um sie zu verhöhnen? Nein, er tat so etwas nicht.
    Wie hatte sie jenen unausweichlichen Moment gefürchtet. Nun war er also gekommen. Noch keine dreißig und schon das Leben verworfen. Was sollte sie nur tun? Zeit zu überlegen blieb nicht, denn schon kam der erste Schlag, endlich ausgesprochen, nicht mehr nur durch Blicke unmissverständlich an sie getragen: Es fehlte etwas in ihrer Ehe. Und er setzte sich, als er es sagte. Natürlich. Er, der tadellose Ehemann, er konnte sitzen. Die Last seiner nichtsnutzigen Ehefrau auf seinen Schultern war zu groß, um sie im Stehen zu tragen. Sie, die arme Sünderin, die Kinderlose, sie blieb stehen. Wie der Sklave vor dem Kaiser, so fühlte sie sich. Es fehlte nur der obligatorische Kniefall des Unfreien. Doch noch trugen sie ihre Beine.
    Keines Blickes würdigte er sie, während unablässig und gnadenlos die Vorwürfe auf sie herabprasselten. Ein Hagelschauer hätte nicht schmerzhafter sein können und so krümmte Antonia unbewusst ihren Rücken. Es zerfraß ihr Innerstes.
    Und noch immer starrte sie ihn aus leeren Augen an.
    ‚Sag es endlich.‘, schoss es ihr durch den Kopf. ‚Sag mir endlich ins Gesicht, wie abstoßend ich bin.‘
    Es folgte ein weiterer Tiefschlag. Und zugleich die Erklärung, für die Absenz seiner Person aus dem ehelichen Bett. Eine Sklavin. Ihr Gemahl ¬vergnügte sich mit einer Sklavin. Wundervoll. Als ob alles andere an diesem Tag nicht bereits Hiobsbotschaft genug für sie war. Warum nur zögerte er es so hinaus? Bereitete es ihm am Ende noch vergnügen ihr zu eröffnen, dass jene Sklavin nun vollbracht hatte, wozu sie, Claudia Antonia, Nachfahrin von Kaisern, nicht fähig gewesen war? Wahrlich, es musste sehr befriedigend sein.
    Und wenn sie auch von Natur aus mit allem rechnete, sich auf jede Gemeinheit und jede Eventualität innerlich vorbereitet hatte, die Beichte traf sie härter als alles, was er sonst hätte vorbringen können.
    „Deine Schuld.“
    Sie musste es wiederholen, um sicher zu sein, dass tatsächlich dies die Worte waren, die Gracchus soeben an sie gerichtet hatte. Vorbei mit der Beherrschung. Die Anspannung von Jahren löste sich in diesem einen Moment. Es begann langsam. Zunächst zuckten nur ihre Lippen kurz nach oben.
    „Deine Schuld.. Deine.. “
    War es ein Trick? Erneut eine Farce, um sie loszuwerden? Doch welcher Mann gestand so etwas, wenn es nicht der Wahrheit entsprach?
    Ihre Augen wurden feucht, bereits jetzt rannen erste salzige Tränen die blasse Wange hinab. Seine Schuld. Nicht ihre. Seine. Er, Manius Flavius Gracchus, er, der alles konnte, der in nichts scheiterte und immer die Kontrolle über alles und jeden hatte, er konnte keinen Erben zeugen. Ein undefinierbarer Ton entfleuchte ihrer Kehle.
    „Nicht meine, deine.“
    Es war wohl das schönste Geschenk, das er ihr hätte machen können. Er nahm die Schuld auf sich. Völlig egal, ob es wahr war, er sagte es.
    Das erleichterte Lachen, das aus ihrem Körper dringen wollte, hielt sich mit einer Hand vorm Mund zurück, die andere umklammerte noch immer ihren nun zitternden Körper. Zitternd vor Freude, zitternd vor Stress. Die Beine versagten endgültig ihren Dienst, in einer fließenden Bewegung, als bestünde ihr Leib lediglich aus Seide, glitt sie auf den Boden. Auf den Knien kauernd, wurde ihr Oberkörper immer heftiger von einer Mischung aus Lachen und Weinen durchgeschüttelt. Nicht einmal in Kindertagen hatte sie ihren Emotionen so freien Lauf gelassen.

    Sie schenkte dem Geräusch der sich langsam öffnenden Tür kaum mehr Aufmerksamkeit, als dem vorangegangenen Klopfen. Wohlig bewegte sie ihre Zehen, um die dauerkalten Füße ein wenig zu wärmen. Doch Gracchus begann zu sprechen.
    Oh, aus tausenden und abertausenden Stimmen hätte sie diese Stimme heraus erkannt. Jene Stimme, die es schaffte, ein Kompliment so auszusprechen, dass es wie eine Beleidigung klang. Jene Stimme, die nie ein Wort des Vorwurfs geformt hatte und sich dennoch unentwegt danach anhörte. Wie gut kannte sie diese Stimme, obwohl sie sie so selten gehört hatte. Mit einem Mal waren ihre kalten Zehen vergessen.
    „Manius!“, keuchte sie tonlos, wagte kaum von ihrer Lektüre aufzusehen, um dem unausweichlichen ins Gesicht zu sehen. Die patrizischen Augen weiteten sich zunehmend, als Antonia erkannte, dass ihr Gatte tatsächlich im Raum stand und sie ansah.
    Starr vor Schreck, wusste sie nicht, womit sie beginnen sollte. Rechnungen weglegen, Haare richten, aufspringen? Sie entschied sich für eine Kombination aus allem, warf die Wachstafeln unachtsam auf ein kleines Beistelltischchen, erhob sich erstaunlich flink von ihrem Sitzplatz und zupfte zugleich an ihrer, nennen wir es ‚Frisur‘, herum.
    „Was“, zischte sie ungehalten, „Was willst du denn hier? Jetzt? Du hättest doch…“
    Oh bei allen Göttern – er wollte doch nicht etwa? Endlich wollte er wieder seinen Pflichten nachkommen und sie selbst sah aus wie eine detonierte Kokosnuss.
    Die zittrigen Hände waren kaum imstande, das Haar zu glätten und so hielt die verzweifelte Gattin schließlich inne.
    „Starr mich doch nicht so an! Ich sehe furchtbar aus!“
    Wie sehr fühlte sie den durchdringenden Blick auf ihrer Haut, obgleich sie ihren Gemahl nicht einmal ansah. Gewiss, in seinen Augen konnte sie nie bestehen, doch nun, in einem solchen Aufzug? Sich innerlich verfluchend presste sie die Kiefer aufeinander.
    „Warum kommst du nur immer dann, wenn ich.. wenn.. was..“
    Sie war den Tränen nahe. Nichts war richtig. Ohne ihre schützende Fassade aus Schminke, Schmuck und Kleidung, fühlte sich die Claudia nackt und schutzlos. Gracchus gegenüber wohl mehr als jedem anderen. Unwohl verschränkte sie ihre Arme vor ihrem Körper. Das Gefühl des Versagens und der Unfähigkeit blieb. Es verstärkte sich nur umso mehr, als der flavische Gatte auf den Grund seines Besuchs zu sprechen kam.
    Ehe. Zukunft. Diese beiden Wörter reichten bereits, um ihr zu offenbaren, was das Ziel dieses Gesprächs sein würde. Er wollte die Scheidung. Sie konnte ihm keinen Erben schenken, darum setzte er sie vor die Tür. Einen Augenblick lang ist sie versucht, schluchzend und händeringend um eine weitere Chance zu bitten. Zu beteuern, sie würde es schaffen, sie konnte ihm einen Sohn gebären, sie wusste es.
    „Ihre Zukunft?“, wiederholte sie mit unstetem Blick.
    Die kleine Götterstatue bemerkte sie nicht, nichts im Raum nahm sie bewusst wahr. Nichts, außer ihm. Unter seinem Blick schien sie selbst immer mehr zu schrumpfen, während er selbst überlebensgroß wurde.