Beiträge von Claudia Antonia

    Nur einen Atemzug lang dachte der Knabe nach, bis ihm schließlich die unausweichliche Eingebung der Antwort kam. Schon dergestalt von seinem Talent überzeugt, dass er nicht einmal mehr die Bestätigung der Richtigkeit seiner Antwort abwartete, ritzte Minor seinen Rufnamen ins Wachs, was Antonia ebenso interessiert verfolgte, wie die Gestaltung des restlichen Briefes. Ein unverdrehtes 'S' legte somit das Ende jener Arbeit fest, die auch ein Ovid nicht besser hätte meistern können. Zugleich hoffte die Claudia natürlich, dass ihr Sohn keinesfalls den Weg jenes Dichters würde einschlagen, hatte sie doch eine weitaus bedeutsamere Zukunft für ihn vorgesehen.
    Darob mit sich selbst und dem Sohne höchst zufrieden, ging ihr allein beim Anblick seiner strahlenden Augen das Herz auf, ließ es vor mütterlichem Stolz beinahe bersten. So dauerte es nicht lange, bis die erwartete Belobigung über ihre Lippen kam.
    "Jetzt ist es sogar so gut, dass dein Vater in ungläubiges Staunen verfallen wird, sobald er deinen Brief in Händen hält.", versicherte sie in der Annahme, es gebe für einen Jungen kein größeres Lob als die Anerkennung des Vaters. "Ich bin sehr stolz auf dich, Minimus. Wir werden so schnell wie möglich den besten Boten der Flavier losschicken, um dein Schreiben zu überbringen."
    'So schnell wie möglich' beinhaltete allerdings noch ein Zeitfenster, in welchem sie selbst eine kurze Erläuterung verfassen musste. Und eben diese würde das Absenden des Briefes noch bis zum nächsten Tage verzögern.

    Geduldig darauf wartend, dass dem Sohne letztlich die Erleuchtung würde kommen, beobachtete Antonia schweigend sein Dilemma. Schnell flog sein Blick zwischen Wachstafel und ihr selbst hin und her, um letztlich hilfesuchend auf der Mutter zu verharren. Gutmütig lächelte sie, als er ängstlich nach einer Bestätigung der Richtigkeit fragte.
    "Es ist alles richtig, ja.", versuchte sie die offenbar aufkommende Unruhe zu beschwichtigen. Augenscheinlich vermutete er vielmehr einen Fehler seiner Tätigkeit als einen abgängigen Teil des Briefes, so dass sich die Claudia gezwungen sah, des Rätsels Lösung zu offenbaren, indem sie auf den freien Bereich unterhalb des Fließtextes wies.
    "Zwar hat dein Vater nur einen Sohn und dass jener ihm schreibt weiß er durch die Anrede, doch wird ein Brief immer womit abgeschlossen?"
    Soweit sollte es genug Schubbs in die richtige Richtung gewesen sein, allfällig gar ein zu Großer. Doch länger wollte sie Minor nicht mit verdrehten Hinweisen quälen - welche er ohne Zweifel dennoch entschlüsselt hätte, dessen war sie sich sicher.

    Wie vermutet benötigte der Knabe keineswegs die stete Iteration der zu schreibenden Worte. Sogar beide Sätze vermochte er dieses Mal aus dem Kopf niederzuschreiben, sodass Antonia sich für die nächste Übung vornahm, den Sohn erneut mehr zu fordern und weniger zu bevormunden, um seinen Geist entsprechend zu schulen. Was passierte, wenn man dies nicht tat, hatte sie nun ja bemerkt. Gerade den Mund geöffnet, um Minor noch auf die fehlerhafte Anordnung eines Buchstabens hinzuweisen, entdeckte dieser bereits selbst den Lapsus und tilgte ihn. Erneut wallte der Stolz in ihr auf, in der stillen Gewissheit, kein Kind habe bisher derartig großes Talent in so kurzer Zeit entwickelt.
    Schließlich verkündete der Junge, er habe sein Werk vollendet und schob ihr die Wachstafel entgegen. Unwillkürlich erschien ein zufriedenes Lächeln, das das Mienenspiel des Sohnes zu spiegeln schien. In der Tat glaubte Antonia dieses Mal eine Beglückung im Gesicht des Kindes zu erkennen und ausnahmsweise interpretierte sie sogar richtig.
    Als berühre sie ein heiliges Relikt, zog die Claudia andächtig die Wachstafel zu sich, um eine letzte Revision des Geschriebenen vorzunehmen. Mittlerweile an die Schrift ihres Sohnes gewohnt, hatte sie die wenigen Zeilen schnell überflogen.
    "Ausgezeichnet.", konstatierte sie feierlich. "Nun fehlt nur noch eines, um deinen Brief perfekt zu machen."
    Mit einer schnellen Handbewegung schob sie die Wachstafel zu ihrem neuen Herrn zurück.
    "Und was ist das?"

    Offenbar schien er nach wie vor ihren Worten blind zu vertrauen, sodass Antonia zumindest diesbezüglich keine Schmälerung ihrer Autorität oder ihres Ansehens beim Sohne fürchten musste. Wieder erkannte sie eindeutig seinen Vater in ihm, der selbst so oft ihr die kleinen und größeren Unzulänglichkeiten hatte nachgesehen. Dass es nun jedoch schon Minor tun musste, rief eine ungeheure Scham in der Claudia wach. Glücklicherweise war der Sohn mit Schreiben beschäftigt, sodass sie selbst kurz den Blick gen Himmel wenden konnte, um den Kloß im Hals herunterzuschlucken.
    Seine Kopfbewegung wahrnehmend richtete sich ihre Aufmerksamkeit wieder auf das wächserne Werk Minors, an welchem es erneut nichts zu beanstanden gab, außer der Tatsache, dass sie zu deutlich die Vorgaben ihrerseits zu erkennen glaubte. "Hast du sonst noch etwas, das du deinem Vater mitteilen möchtest?", fragte sie, um sich nicht erneut die Blöße geben zu müssen, etwas vergessen zu haben.
    "Wenn nicht", fuhr sie unumwunden fort, "würde ich eine kleine Änderung der Verabschiedung vorschlagen. - Gute.. "
    Sie hielt abrupt inne. Um ein Haar hätte sie vergessen, dass Minor nichts von Gracchus' Krankheit wusste, hätte beinahe vorgeschlagen, ihm zum Abschied eine gute Besserung zu wünschen. Verlegen lächelnd sah sie ihren Sohn an, schnell eine Alternative suchend.
    ".. Mögen die Götter immer über dich wachen.", kam schließlich mit kurzer Verzögerung der ebenso wohlgemeinte Wunsch.

    Obgleich Minors Standardanrede für seinen Vater einem Brief angemessen war, wie Antonia fand, glaubte sie doch, zur Verabschiedung müsse etwas bedeutsameres her, als 'Vale, Papa', trotz des anfänglichen Hinweises, die Anrede sei stets das Wichtigste in einem Brief. Nachdenklich wog sie den Kopf hin und her, auf der Suche nach einem Ersatz, als der Junge sie aus eben diesen Gedankengängen riss und sich schließlich einer leicht verdutzten Mutter gegenüber sah, die den Sohn anblickteh, als habe er soeben eröffnet, er wolle von nun an Gaukler werden.
    So selbstverständlich, so offensichtlich war sein Einwand, dass sie langsam an ihrem eigenen Gedächtnis zu zweifeln begann. Die Konfusion wich schließlich dem Amüsement, die gerunzelte Stirn verschwand zugunsten eines gelösten Lachens. "Oh Iuno, Minimus, du hast Recht. Für mich ist es bereits so selbstverständlich, dass du schreibst, dass ich es gänzlich vergaß. Du siehst also, man muss dieser Tätigkeit stets seine gesamte Aufmerksamkeit widmen, sonst schleichen sich Fehler ein. Sogar bei jemandem, der oft Briefe schreibt."
    Was ihr erneut die eigene Unzulänglichkeit vor Augen führte. Sicher, sie hatte verlernt selbst dergleichen Dinge im Kopf zu behalten, hatte sie doch stets ihr wandelndes Lexikon um sich, das sie an alles erinnerte und ihr somit die Übung im Erinnern nahm.
    "Hm, gut. Wie schreiben wir also, dass du schreiben kannst? Vielleicht - 'Hast du es nun erraten? Ich habe Schreiben gelernt und diese Zeilen selbst verfasst.'. Oder hast du eine Idee?"
    Wieder hatte sie es getan. Wieder hatte sie ihm die Lösung praktisch vorgegeben. Eine fürchterliche Angewohnheit, wie sie feststellte. Auch daran würde sie wohl baldigst arbeiten müssen.

    Minors unsicheres Lächeln fehldeutend, glaubte Antonia dieses Mal nun jegliches Selbstbewusstsein ihm genommen zu haben, die kindliche Freude am Schreiben durch jenes Versäumnis ihm aus dem Leib gerissen zu haben. Welch Überwindung würde es ihn von nun an kosten noch einmal zum Stylus greifen zu müssen. Unverzeihlich. Wie hatte sie dies nur vergessen können? Natürlich konnte er nicht wissen, wie man Ulixes schrieb, sie wusste das, doch er machte sich wohl unsägliche Vorwürfe. Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne und schalt sich selbst einen Dummkopf. Offenbar war sie doch zu geizig mit dem Lob gewesen und hatte zu oft ihn ermahnt. Doch geschehen war geschehen, es galt nun lediglich noch den Schaden zu begrenzen. Erneut entschuldigen konnte sie sich nicht, war es doch unmöglich den Status den Sohnes einerseits zu erhöhen ohne sich selbst andererseits zu erniedrigen, was sicherlich der Sache auch nicht dienlich war. Es galt also, vom beschämenden Thema abzulenken und jenen Brief zu einem Ende zu bringen.
    "Wie verabschiedest du dich denn für gewöhnlich von deinem Vater?", fragte sie, die Lippe wieder in die Freiheit entlassend und zugleich Minors Gemurmel unterbrechend. Möglichst wenig wollte sie nun noch vorgeben, glaubte sie doch ohnehin den Sohn bereits zu sehr bevormundet und andererseits zu wenig angeleitet zu haben.

    Als Minor letztlich den Stylus niederlegte, fragend und auffordernd zugleich seine Mutter ansah, nickte diese zufrieden, um ein letztes Mal die kindliche Schrift zu kontrollieren und eventuelle Fehler auszumerzen. "Oh.", hauchte sie halblaut, als sie zu jenem Heroen kam, dessen Schläue ihr Sohn sich wünschte. Zweimal musste sie das Wort lesen, ehe sie verstand, was er eigentlich geschrieben hatte. "Ulixes.. verzeih, den Namen hatten wir bislang noch nicht durchgenommen. Ich hätte ihn dir wohl buchstabieren müssen.. "
    Ob jener Unachtsamkeit über sich selbst den Kopf schüttelnd, nahm sie selbst das Schreibgerät in die Hand, um am Rande U-L-I-X-E-S ins Wachs zu ritzen. Weder schwungvoll noch verschnörkelt, wie es sonst oftmals ihr Stil zu sein schien, sondern vielmehr klar und nüchtern, sodass es gut lesbar war. "Siehst du? Es war fast richtig, nur in der Mitte.. nunja, es ist nicht schlimm. Bessere es schnell aus, dann machen wir uns Gedanken über die abschließenden Worte."
    Der Stylus wurde abermals auf dem Tisch abgelegt, darauf wartend vom jungen Flavius wieder aufgenommen zu werden.

    " - .. lernt -", wiederholte Antonia die letzte Silbe. Noch einmal überflog sie die beiden vollendeten Sätze, fand keinerlei Fehl daran und rief sich daher die weitere Abfolge ins Gedächtnis. Einmal mehr in ihrem Leben bedauerte sie, dass sie nicht mit dem Gedächtnis ihres Sklaven gesegnet war, der nie auch nur das kleinste Detail zu vergessen schien. Sie selbst entsann sich schon nicht mehr der genauen Formulierungen ihres Sohnes, dabei hatte er sie vor wenigen Minuten doch noch einmal wiederholt gehabt. Doch wenn sie selbst es schon nicht mehr wusste, würde Minor sich gewiss nicht an ein oder zwei geänderten Worten stören.
    " - Glaphyra hat mir die Geschichte von Ulixes erzählt. - " Gab es hierzu noch eine weitere Information? Grübelnd hob sie den Blick, studierte die Mienen der geduldig auf Anweisungen wartenden Sklaven. " - Aber ich habe auch Zeit zum Spielen. -", fuhr sie fort, ohne sich des Hinweises auf die similäre Intelligenz von Ulixes und Minor zu entsinnen, dem jedoch auch der Sohn bereits in der Wiederholung seiner Überlegungen verlustig gegangen war.
    " - Ich habe nämlich den Tempel von Iuppiter auf dem Kapitol gebaut. - "
    Endlich den Blick wieder auf den in höchstem Maße konzentrierten Minor lenkend, schlich sich ein Schmunzeln in ihr Gesicht. Derart angestrengt bearbeitete er das Wachs, dass gar seine Zunge wie ein Zaungast das Ergebnis jener Bemühungen zu observieren schien.
    " - Nur die Statue habe ich nicht richtig abbilden können.. - weil ich keine sitzende Figur habe.. - die aussieht wie Iuppiter. - "
    Darauf wartend, dass erneut der Stylus zur Ruhe kam, wagte die Claudia die Spannung des Sohnes kurz zu stören. "Siehst du, gleich haben wir es geschafft. Noch drei Sätze und die Verabschiedung."
    In der Hoffnung, die Aussicht auf die Zielgerade würde erneut dem Willen Minors dienlich sein, diktierte sie schließlich die letzten Sentenzen.
    " - Ich habe außerdem ein Holzpferd bekommen. - Jetzt kannst du wieder einen Absatz machen.. - Danke auch für dein Geschenk!.. Es.. gefällt mir.. sehr. -"

    "Gut.. bist du bereit?", erkundigte Antonia sich zu Beginn, um sogleich mit dem ersten Satz fortzufahren. " - 'Rate, was ich kann!' -", repetierte sie die Worte Minors, zugleich darauf achtend, dass er die Lettern in richtiger Schreibweise niederschrieb. So entging ihr nicht, dass die Striche und Bögen ein wenig eigensinnige Richtungen zu suchen schienen.
    "Minimus.. wie halten wir den Stylus?", wies die Mutter den Sohn sanft aber bestimmt zurecht, um zugleich auf seine Schreibhand zu weisen. "Nach 'kann' machst du am Besten einen Absatz, dann lässt sich das Geschriebene später besser lesen."
    In der Annahme es wäre nun am Besten, Minor Satz für Satz anzuleiten, anstatt immer wieder das gesamte Konzept zu wiederholen, wartete sie geduldig, bis der Prozess des Ritzens abgeschlossen und der Junge wieder aufnahmefähig war. " - 'Ich habe schon viel gelernt.' -"
    Während Minor schrieb, ging Antonia indes in Gedanken erneut die Informationen durch, welche wasserfallartig aus Minor herausgesprudelt waren. Ulixes, Tempel, Pferd, Gewachsen, Danke.

    Jeden einzelnen Punkt Minors Aufzählung mit einem Nicken bestätigend, blickte Antonia nachdem dieser geendet hatte schon wieder auf das feste Wachs, erwartend, dass er nun seine Gedanken niederschreiben würde, ehe er wieder alles vergaß. Seine Frage jedoch ließ sie wieder aufsehen, in das so verzweifelt wirkende Gesicht des Sohnes. Verdutzt studierte sie seine Miene, sich halb in Vorwürfen ergehend, den armen Jungen überfordert zu haben und halb ein Lachen unterdrückend ob des Weltenschmerzes in seinen Augen. Eines schnellen Grinsens jedoch konnte sie sich nicht erwehren, zu herrlich war das Bild, das sich ihr bot.
    "Nur deinen Namen am Ende, Minimus.", antwortete die Claudia und stuppste mit ihrem schmalen Zeigefinger auf die Nasenspitze des Sohnes. "Aber beginnen wir erst einmal damit, alles andere niederzuschreiben, ehe wir am Ende noch etwas vergessen."
    Langsam jedoch machte sich das schlechte Gewissen breit. Natürlich, gleich einen Brief an seinen Vater zu schreiben war sicher zu viel für ihren Sohn, in einigen Wochen frühestens hätte sie ihm eine derartige Aufgabe zuweisen sollen. Ihn nun jedoch davon zu befreien war aber ebenso undenkbar, würde er sich durch eine solche Bevormundung doch sicherlich zurückgesetzt und unzulänglich fühlen.
    "Soll ich es dir diktieren?", schlug sie schließlich vor, ausnahmsweise die Schwierigkeiten Minors wenigstens zum Teil richtig deutend. Dass die Worte auch noch aus den korrekten Lettern gebildet werden wollten, dies war eine andere Sache.

    Der kleine Reigen, den die kindlichen Emotionen ihres Sohnes tanzten, blieb selbstverständlich von der sonst so aufmerksamen Mutter weiterhin unbemerkt. Hätte er nur kurz die Nase gerümpft, sie hätte eine herannahende Erkältung vermutet und sofort einen Medicus herbeibeordert. Jedes kleine Zucken ratterte durch den mütterlichen Observationsapparat, erkannte jedes eingebildete Wehwechen. Allein die wirklichen Sorgen Minors vermochten sie nicht zu Tage zu fördern.
    "Nun, den Hinweis auf die Iuppiterstatue solltest du schon direkt im Anschluss an den Tempelbau geben, ja. Ob du allerdings zuerst von deinem Pferd berichtest, oder zuerst vom Tempel, das ist natürlich dir selbst überlassen."
    Still den Sohn betrachtend, während jener sich den Kopf über Formulierungen, Buchstaben und Worte zerbrach, kam ihr der Gedanke, wie schade es doch war, dass Gracchus seinen Sohn nicht so sehen konnte. Überhaupt hatte der Junge sich, in der Zeit seiner Absenz, doch deutlich verändert. "Weißt du, was deinen Vater noch interessieren könnte?", fragte sie, mehr um der Konversation willen, als dass sie eine wirkliche Antwort erwartet hätte. So gab sie umgehend selbst die Erwiderung. "Wie groß du schon geworden bist, seit er dich zum letzten Mal gesehen hat. Bestimmt ein oder zwei digiti bist du seither gewachsen. Nicht mehr lange und du wirst deine arme Mutter überragen."
    Was natürlich maßlos übertrieben war, war doch Antonia zum einen nicht außergewöhnlich klein und Minor nicht außergewöhnlich groß. Was sie an die Idee einer der Ammen erinnerte, sich im Garten einen Baum auszusuchen, um dort jährlich an Minors Geburtstag sein Wachstum zu markieren. Eine schöne Idee, wie sie fand. Allerdings hatte sie bislang noch keinen Baum gefunden, der ihren Ansprüchen genügte. Vermutlich würde letztlich der perfekte Baum aus einem Land importiert werden müssen, dessen Namen kein vernünftiger Römer aussprechen konnte.
    Minors Vorschlag bezüglich der Formulierung eines Dankes segnete Antonia mit einem Nicken ab. Sie vermutete, dass einer der Sklaven ihm bereits einige Auszüge aus der argonautica vorgelesen hatte und er offenbar Gefallen daran fand.Nicht verwunderlich, denn wie konnte er ein Geschenk von Gracchus nicht mögen?

    Nickend bestätigte Antonia die Korrektheit von Minors Formulierung. Zugleich glaubte sie jedoch, einen leichten Abfall in seiner Konzentrationsfähigkeit zu bemerken, denn hatte er zuvor nicht noch einige Dinge mehr erwähnt gehabt? Oder hatte er sich schlicht dazu entschieden, diese Episoden seines Lebens nicht zu erwähnen?
    "Na, das klingt doch schon, als hättest du in deinem Leben bereits hunderte Briefe geschrieben.", lobte sie und beschloss, nicht nachzufragen. Er würde sicher seine Gründe haben.
    Bisweilen war es ein äußerst schizophrenes Verhältnis, das Antonia zu ihrem Sohn hatte. Einerseits schottete sie ihn von allem ab, behütete und beschützte ihn, als sei er ein rohes Ei, das jederzeit zerbrechen konnte. Andererseits schien sie vorauszusetzen, dass er bereits die Denkstrukturen und Kenntnisse eines Erwachsenen hatte, der er in ihren Augen wohl jedoch erst sein würde, wenn seine Haare grau wurden.
    "Und hattest du vorhin nicht ein Holzpferd erwähnt?"
    Jenen kleinen Hinweis erlaubte sie sich, war es doch schon einige Textrevisionen her, dass der Junge sein neues Spielzeug zur Sprache gebracht hatte.
    "Auch sollten wir deinem Vater für sein Präsent danken. Die argonautica. Aber schreib erst einmal, was wir bisher haben."

    Stummes Nicken begleitete Minors Ausbesserung, anstatt jedoch sofort weiterzuschreiben, wandte er sich erneut an Antonia. Er dachte nach, bevor er schrieb. Ein gutes Zeichen, wie die Claudia fand. Wenngleich sie ein wenig Mühe hatte, dem Redefluss des Jungen zu folgen. Es galt nun also, den Rohdiamant der Informationen noch ein wenig in Form zu bringen, damit er strahlen und funkeln konnte. Ein schwieriges Unterfangen, schließlich wollte sie alles nicht so weit verbessern, dass es nach ihr selbst, statt nach Minor klang.
    "Hm.. nachdem du ihn aufgefordert hast, zu raten, könntest du ihm im Folgesatz noch einen kleinen Hinweis geben, dann ist der Übergang zu deiner Erzählung etwas fließender. Das ist im Übrigen die nächste Lektion, Minimus. Die Übergänge. Es ist für den Leser leichter, wenn du nicht einfach nur Satz an Satz aneinanderreihst, ohne eine kleine Überleitung oder einen Bindesatz. Du könntest beispielsweise erwähnen, dass du bereits viel Neues gelernt hast, um anschließend die Ulixes-Geschichte anzuführen. Anschließend wäre eine Bemerkung darüber, dass du neben deinen Studien natürlich noch Zeit für andere Projekte findest, eine passende Überleitung zum Tempelbau, meinst du nicht?"
    Vermutlich hatte sie nun doch wieder zu viel vorgegeben. Jemand, der das diktieren von Briefen derart gewohnt war wie Antonia, hatte augenscheinlich Schwierigkeiten, sich eben dies wieder abzugewöhnen und anderen die denkende Tätigkeit zu überlassen.
    "Aber du kannst es natürlich auch in eigene Worten fassen. Das wird deinem Vater sicher noch besser gefallen."

    Erst am Abend war Antonia dazu gekommen, sich Schreibutensilien in ihr Cubiculum bringen zu lassen, um ein.. Ergänzungsschreiben an ihren Gatten zu verfassen. Gänzlich unkommentiert konnte sie schließlich die Epistel ihres Sohnes nicht nach Achaia schicken, würde Gracchus doch einige Dinge nicht verstehen, die darin standen. Zumindest nicht die Frage nach den sich streitenden Menschen.
    Seinen Brief in der Hand nahm sie an ihren Schreibtisch Platz, auf welchem sich, wohl geordnet, diverse Wachstafeln und Schriftrollen aneinanderreihten. Das zusammengerollte Schriftstück auf die Tischplatte legend, fuhr sie beinahe andächtig mit ihrem Daumen über die raue Oberfläche des Papiers, ehe sie zu einer leeren Wachstafel griff, den Stylus in die Hand nahm und.. nichts. Wie sollte sie beginnen?
    Liebster Manius
    Nein, war dies nicht viel zu kitschig, viel zu gewöhnlich? Sie waren schließlich nie das frischverliebte Paar gewesen, nie ließ allein der Anblick des anderen das Herz höher schlagen.. und wenn, dann nur aus Panik. Nun, zumindest war es einmal so gewesen. Ha! Eine Idee.. wie hatte er denn begonnen? Teuerste Gemahlin..
    Die glatte Rückseite des goldenen Stylus strich das eben noch eingeritzte Wachs glatt, entfernte den ersten fehlgeschlagenen Versuch und ersetzte ihn durch
    Teuerster Gemahl
    Ja, das klang gut. Kein Wunder, es war seine Formulierung, nicht ihre. Leise lächelnd sah sie in das Feuer der nahestehenden Öllampe, die das Zimmer trotz langsam untergehender Sonne hell hielt. Ein kurzes Flackern riss sie aus ihren Tagträumen, erinnerte sie daran, dass eine Antwort geschrieben werden wollte. Einige weitere Sätze waren schnell verfasst, gingen Antonia locker von der Hand, waren sie doch bis dahin mehr oder minder Standard, der jedem Schreiben an einen kranken Verwandten anhaftete.
    Kranker Verwandter.. jener Gedanke ließ die Claudia abermals inne halten. Schon seit geraumer Zeit plagten sie Zweifel. Ob er wirklich krank war, wirklich einen Rückfall erlitten hatte? Vielleicht wollte er nur allem entfliehen, der Familie, den Pflichten.. Rom. Doch er hatte so glücklich gewirkt, war so liebevoll zu seinem Sohn und zu ihr selbst gewesen. Aber diese überstürzte Abreise, nur ein Brief als Erklärung zurückgelassen und die lange Zeit, die er nun schon fort war.. konnte es nicht sein? Und wer konnte es ihm verdenken? Er hatte sich sein ganzes Leben für die Familie aufgeopfert, stand ihm eine Zeit voll Ruhe und Frieden nicht zu? Durfte man ihn darob überhaupt um eine schnelle, eine baldige Rückkehr bitten? Sie hatte Minor, möglicherweise war es an der Zeit, Maior loszulassen und ihn nicht weiter zu behelligen. Als sie bemerkte, dass sie ein tiefes Loch ins Wachs gebohrt hatte, besann Antonia sich und nahm erneut seinen Brief zur Hand.
    "Hm.. ", brummte sie. Er beschrieb Achaia, fasste so wundervoll in Worte, was seine Augen sahen, dass sie selbst glaubte, auf einer Terasse der Villa Rustica zu stehen und hinab auf das Land und das Meer zu blicken. Einen solchen Auszug brauchte ihre Antwort zweifellos nicht, denn er kannte Rom in der Hitze des Sommers, wusste um den herrlichen Garten der Villa Flavia, was eine Schilderung der Umgebung somit unnötig machte. Also ging sie dazu über, Minors Sentenzen zu erläutern, die auf einer anderen Wachstafel neben ihr verewigt waren. Noch immer entlockte der Blick auf die kindliche Schrift ihr ein Lächeln. Sein erster Brief.. es war wunderbar.
    Doch kaum waren jene Erklärungen zu Ende gebracht, sah sich Antonia erneut in der Zwickmühle. Ob es ihn interessierte, wie sie die Tage verbrachte, wie es um die flavischen Güter und die Familie stand? Hatte er, sofern er mit seiner Krankheit kämpfte, nicht andere Sorgen als die Verwandtschaft und Betriebe? Andererseits, vielleicht verhalf es ihm ein wenig sich abzulenken, waren die Tage auf dem Land doch sicher eintönig und eher dröge.
    Der Brief endete, wie er es immer tat, mit dem Schluss. Dem Schluss, der der Claudia ebenso wenig von der Hand wollte, wie es der Beginn getan hatte. Was passte, was war angemessen? Die Unterlippe zwischen die Zähne gesaugt, lehnte sie sich zurück und legte den Stylus beiseite. Sie hatte sich dazu entschlossen, zunächst das Geschriebene noch einmal durchzulesen, vielleicht würde so der abschließende Satz einfacher fallen.

    An Celerinas Reaktion sah die Claudia, dass sie offenbar wieder Hoffnung in ihr geweckt hatte. Ein sonderbares Gefühl ergriff Besitz von ihr. Sie war ein klein wenig stolz auf sich. Etwas, das so gut wie nie vorkam. Daher lächelte sie etwas unbeholfen, als die Flavia eine wahre Lobeshymne auf sie herabregnen ließ.
    "Ach.. du würdest doch dasselbe auch für mich tun."
    Nun, falls sie es vorher nicht getan hätte, so zumindest von nun an, war dies doch wahrlich kein kleiner Gefallen, den diese Aktion ihr abverlangte. Wenngleich Antonia diesbezüglich momentan keine Hintergedanken hegte. Doch wer wusste schon, was die Zukunft bringen würde?
    Ihre eigene Sklavin sollte also noch mitkommen. Das war umso besser, würde es doch zumindest die potentiellen Verdachtsmomente auf zwei Frauen verteilen.. und somit auch die sich verbreitenden Gerüchte. Doch nein, Pallas wusste, was er tat, niemand würde davon erfahren. Dass weibliche Wesen in seiner Umgebung den Ärmsten allerdings meist mehr verunsicherten, als ihm eine Stütze zu sein, war Antonia in diesem Moment nicht bewusst. Allerdings spielte es wohl auch keine Rolle, ob der Sklave sich wohl fühlte oder nicht.
    "Gut. Ich werde ihm sagen, er soll sie abholen und keine Sekunde aus den Augen lassen.", erwiderte sie daher und nahm sich vor, nachdem sie Celerina verlassen hatte, sofort alles in die Wege zu leiten. Schließlich galt es hier keine Zeit zu verlieren.

    Es schien Antonia eine kleine Ewigkeit her zu sein, seit sie nicht mehr in den Thermen des Agrippa gewesen war. Kein Wunder, waren doch die flavischen Badeanlagen in der Villa zum einen äußerst komfortabel und zum anderen wesentlich besser für die Claudia zu erreichen. Nichtsdestotrotz ließen sich natürlich außer Haus wesentlich besser Kontakte pflegen.
    Und da ihr Sohn ausnahmsweise für einige Stunden nicht unter ihren Fittichen stand, sondern seinem Lehrer übergeben worden war, beschloss sie, dass sie am heutigen Tage die mühselige Verwaltung der flavischen Güter einmal ihrem Sklaven aufbrummen würde und sie selbst sich stattdessen der Entspannung hingab.


    Der Sklavin Leto war es dieses Mal vergönnt, Handtuch- und Kleinkramträger für ihre Herrin spielen zu dürfen. Und eben jene Aufgabe erledigte sie äußerst gewissenhaft, als sie die Umkleiden betraten. Zufrieden seufzte Antonia auf, als ihre nackten Füße den beheizten Boden berührten. Dem allgemeinen Gewusel um sich herum, seien es andere Bädegäste oder Bedienstete der Therme, schenkte sie wenig Aufmerksamkeit. Stattdessen wandte sich schnurstraks in Richtung Frigidarium, um sich auf das Bad vorzubereiten. Wie so oft waren dort nur wenige Besucherinnen zu finden, lediglich 3 todesmutige Damen hatten den Kampf mit dem kalten Wasser aufgenommen. Nunja, draußen war es noch nicht allzu warm, zu späterer Stunde würde es sich sicher mehr füllen.
    Vorsichtig streckte Antonia einen Zeh ins Wasser, schnitt ob der Kälte eine kurze Grimasse und stieg langsam die Stufen in das Marmorbecken hinab. Scharf zog sie die Luft ein, als das Wasser sie nun gänzlich umschloss. Nichtsdestotrotz verweilte sie für einige Minuten hier, grüßte die anderen Anwesenden, von denen sie eine sogar wiedererkannte. Sofort begann diese zu schwatzen, von allerlei bösen Vorzeichen, die es in Süditalia gegeben habe. Eine Ziege sollte mit zwei Köpfen geboren worden sein, der Blitz in die Statue des Kaisers eingeschlagen haben und dergleichen mehr.Das Übliche. Wenig glaubhaftes, aber es füllte den Tag.
    Ob es nun die Kälte oder die Unterhaltung war, die sie hinaus trieb, nach kurzer Zeit jedenfalls verabschiedete Antonia sich, um das Frigidarium wieder zu verlassen. Leto stand bereit, um ihre Herrin in das mitgebrachte Tuch zu hüllen und folgte derselben schließlich in den nächsten Raum, in welchem sich bereits deutlich mehr Frauen tummelten. Die Temperatur war wesentlich angenehmer, sodass die Claudia im Vorbeigehen die reichen Wandverzierungen begutachtete. Da sich ihr Körper recht schnell an die Wärme gewöhnt hatte, verließ sie das Tepidarium wieder, um das Caldarium zu betreten. Hitze schlug ihr entgegen, kaum hatte sie die ersten Schritte hinter sich gebracht. Da nun jeder Fetzen Stoff am Körper zu viel war, reichte sie ihrer Sklavin das Handtuch zurück.
    Sie entschloss sich dazu ein nicht ganz so volles Becken zu nutzen, stieg die wenigen Stufen hinab und suchte sich einen freien Platz, während sie die ein oder andere Anwesende mit einem freundlichen Nicken begrüßte. Zufrieden seufzend ließ sie sich schließlich auf einer Marmorbank nieder und wartete darauf, dass Leto ihre Utensilien ablegte, damit sie ihrer Herrin die Schultern massieren konnte. Antonia indes ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Sieh an, augenscheinlich vertrugen sich Delmatica und Peducaeana wieder.. die beiden Frauen saßen eifrig schwatzend im Nachbarbecken.. ein Anblick, der noch vor wenigen Wochen Seltenheitswert genoss, hatte doch angeblich Peducaeana Delmatica den Geliebten ausgespannt. Ein Gladiator oder etwas in der Art.
    Gerade als Antonia wegsehen wollte, traf sich ihr Blick mit dem Delmaticas. Verdammt. Eine unerträgliche Klatschtante.. darum lächelte die Claudia überaus freundlich, nickte ihr zu und hoffte ansonsten, dass sie dies nicht als Aufforderung herüberzukommen verstehen würde. Schließlich wandte sie sich ab, um die restlichen Badegäste in Augenschein zu nehmen..

    Ein Hauch der Überraschung ließ sich nicht aus der Stimme verbannen, als Antonia nur “Richtig.. Streiten.“ erwiderte. Sah er es denn tatsächlich nicht? Dabei war sie sich so sicher gewesen, dass es lediglich die Eile war, in der ihr Sohn den Brief vollenden wollte, die ihn das ‚S‘ hatte spiegelverkehrt schreiben lassen. Eine kleine Unachtsamkeit, nicht schlichtes Unwissen. Sie wartete, zögerte einen weiteren Moment, doch offenbar entdeckte Minor es wirklich nicht.
    Bemüht, die Enttäuschung ob dieser Tatsache nicht zu sehr nach Außen dringen zu lassen, zeigte sie schließlich auf das Corpus Delicti. “Hier, siehst du?“ Da er es vorab nicht gesehen hatte, nahm die Claudia nicht an, dass Minor es nun entdeckte, daher fuhr sie umgehend fort. “Ein kleiner, unbedeutender Fehler. Aber wir wollen deinem Vater ja einen kunstfertig vollkommenen Brief senden, nicht wahr?“
    Da sie den Stylus ohnehin noch in der Hand hatte, schnörkelte Antonia ein schwungvolles ‚S‘ ins Wachs.
    “Bei einigen Lettern musst du sehr darauf achten, in welche Richtung du sie schreibst. Dein 'S' ist leicht verdreht. Aber das lässt sich leicht ausbessern.“ Dennoch wollte sie keinen Fehl an ihrem Sohn sehen. Nein, Minor konnte ja nicht ahnen, dass bei römischen Schriftzeichen keinerlei Kreativität und Gestaltungsspielraum vorgesehen war. Wie schrecklich dies für ihren überaus begabten Sohn sein musste. So suchte sie, wie üblich, die Schuld bei sich selbst. “Das hätte ich dir natürlich sagen müssen. Ich werde das von nun an bei unseren Studien bedenken.“
    Sie drehte das Schreibgerät in der Hand herum, sodass dem jungen Flavier nun das Ende entgegen ragte. “Und nun bist du wieder an der Reihe.“, ordnete sie lächelnd an.

    Dass Celerina nicht widersprach, nicht händeringend und mit Tränen in den Augen darum bat, doch eine andere Lösung zu finden, überraschte Antonia nicht weiter. Allein die Vorstellung, ein solches Kind in sich zu tragen, weckte bei ihr selbst eine innere Abscheu, wie die Flavia es aushielt, sich gar nach Außen hin noch recht gefasst geben konnte, empfand sie als höchst bewundernswert. Sie wusste nicht, ob sie selbst derart die Dignitas könnte wahren, doch wollte sie lieber nicht zu sehr darüber nachdenken, zogen sich doch schon jetzt sämtliche Eingeweide der Claudia in sich zusammen.
    Durchaus vernünftig waren auch Celerinas Einwände. Natürlich, hier in der Villa konnte ein solches Vorhaben nicht umgesetzt werden. Doch welches waren die Alternativen? In einem schäbigen Hinterzimmer eines Kurpfuschers? Nein, unmöglich. Celerina wäre nicht die erste Frau, die im Vorhaben einen Bastard loszuwerden das eigene Leben verlor. Diese Möglichkeit musste, so gut es nur ging, ausgeschlossen werden.
    "Hm.. ", brummte sie als erste Erwiderung und verwarf die ersten Einfälle, die ihr in den Sinn kamen sofort wieder. Jene Damen in ihrem Bekanntenkreis, die sich mit dieser Materie auskannten waren nicht minder geschwätzig als die meisten flavischen Sklaven. Sie selbst konnte sich ebenfalls unmöglich auf den Weg machen und Erkundigungen einholen, würde doch sofort jeder Mensch glauben, sie habe eine Affäre, nun, da Gracchus fernab von Rom war. Käme auch nur der Hauch eines solchen Verdachts auf, sie würde vor Scham in der Erde versinken.
    "Mh.", schloss sie schließlich das Murmeln ab, erhob sich aus ihrer Hocke und nahm erneut auf dem Sessel gegenüber Celerina Platz. Sie wusste jemanden, der verschwiegen war und der sich umhören könnte. Doch stand dieser jemand in einer derart engen Verbindung zu ihr selbst, dass sie ebenso gut jene plappernden Bekannten hätte befragen können. Allerdings sah sie derzeit keine andere Lösung. Er würde es eben so anstellen müssen, dass der Zweck seiner Recherchen nicht gar so offensichtlich erschien.
    "Mein Leibsklave. Pallas.", sagte sie also endlich. "Keine Sorge, er ist absolut loyal und wird niemandem etwas verraten. Wenn du willst, schicke ich ihn sofort los."

    Geduldig verfolgten Antonias Augen jede Auf- und Abbewegung des Stylus, formte gar lautlos mit ihren Lippen die jeweiligen Buchstaben. Der erste Satz war schließlich ins Wachs geritzt, fehlerfrei - wie auch sonst? Doch wollte sie ihren Sohn nicht ablenken und hielt sich zunächst mit einem Lob zurück. Übermäßiges Lob war, wie sie glaubte, ohnehin ein Fehler. So hätte sie Minor ständig und für jedwede Tat loben müssen, was zwangsläufig dazu geführt hätte, dass die positiven Worte irgendwann an Gewicht verloren. Hier ein Gleichgewicht zu finden war ein geheimer Schlüssel in der Erziehung eines Kindes, wie sie vermutete. Übertrieb man, wurde der Spross übermütig, geizte man zu sehr damit, würde es sich möglicherweise negativ auf das Selbstbewusstsein auswirken.
    Es folgten die Anfänge des zweiten Satzes, welche die Claudia jedoch eine Augenbraue in gänzlich flavischer Manier emporheben ließen. Zuerst gedachte sie allerdings, die Frage des Jungen zu beantworten. "Ein P.. ", sprachs und ritzte den entsprechenden Buchstaben ins Wachs. Den Stylus gab sie jedoch nicht sofort an den Sohn weiter, sondern deutete auf auf das erste Wort des zweiten Satzes.
    "Aber sieh dir das hier noch einmal an. Fällt dir etwas auf?"
    Bewusst deutete sie nicht auf den betroffenen Buchstaben, zweifelte sie doch keinen Moment daran, dass Minor selbst auf des Rätsels Lösung kommen würde.

    Sim-Off:

    Wollte nur sehen, ob du auch aufpasst :D ;)


    Es war augenscheinlich Schicksal ihres Lebens, männliche Flavier mit dem Cognomen Gracchus stets und meist unbeabsichtigt in tiefste Bedrängnis und Unsicherheit zu stürzen. Wie es auch vorbestimmt zu sein schien, dass sie selbiges nicht bemerkte, ja nicht einmal im Traum auf einen solchen Gedanken käme. So erwog Antonia auch in diesem Moment keinesfalls die Möglichkeit, ihr Sohn könne sich durch die vielen Fragen, die sie stellte und die er kaum beantworten konnte, zurückgesetzt fühlen. Nun war es jedoch seinerseits jener Sohn, der mit seiner Frage die Claudia ein wenig durcheinander brachte. Fast war sie versucht zu fragen 'Welche Leute?', als ihr einfiel, dass sie eine Ausrede erfunden hatte, warum ihr Gatte so plötzlich abgereist war.
    Nein, keine Ausrede. Eine Lüge. Frech und ohne Scheu hatte sie ihren einzigen Sohn angelogen. Eine tiefe Scham ob dessen überkam sie, ließ sie einen Moment lang die Lippen zwischen die Zähne ziehen und still verharren. Schließlich nickte sie, zögerlich und langsam. Gracchus würde kaum verstehen, was sein Sohn damit meinte, doch würde sie es wohl in ihrem Brief erklären können. Gewiss war es auch in seinem Sinne, dass Minor nichts von seiner Krankheit erfuhr. Zumindest noch nicht.
    "Ja. Gewiss. Eine ausgezeichnete Frage, Minimus.", schob sie nach.
    Ihre Stimmung hob sich sichtlich wieder, als der Junge von seinen Erlebnissen zu berichten begann. In der Tat, seinen 'Tempel des Iuppiter' hatte Antonia gesehen und ihn bewundernd dafür gelobt. Kein geringeres Bauwerk hatte er sich ausgesucht, als jenes zu Ehren des höchsten aller Götter. Ein Zeichen, dessen war sie sich sicher. Doch kaum etwas, das Minor tat, konnte die stolze Mutter nicht als Zeichen für irgendetwas deuten. Natürlich stets positive Dinge.
    "Oh, ich bin sicher, du wirst einmal so schlau sein wie Ulixes. Du bist auf dem besten Wege, mein Herz. Schreib deinem Vater das ruhig, er wird sicher stolz sein, von deinem Bauprojekt zu hören."