Arria kam an den Ort, wo schon zuvor ihre Lehrerin und ihr Freund der Iuno geopfert hatten. Normalerweise betete sie zu Ceres, doch noch war sie nicht verheiratet und von dem her war "ihre" Göttin nicht zuständig. Doch sie hatte lange gezweifelt, ob sie nun Iuno - diejenige, die die Braut zum Altar führte und über die Familie wachte - oder Venus - die Göttin der Liebe und der Leidenschaft - opfern sollte. Letztendlich hatte sie sich aber doch für Iuno entschieden, die Göttin, die im neueren Göttertrias neben Iuppiter und Minerva saß, zu ehren.
Die Popa Cerealis baute den foculus auf und nahm eine Statue hervor, die sie sich geliehen hatte. Sie stellte beides vor sich und verneigte sich kurz vor der Statue, ehe sie kurz verschwand, um die Opfergaben, die sie nicht mehr gleichzeitig hatte tragen können, zu holen.
Zurück kam sie mit etwas Weihrauch - leider keinen Opferweihrauch, den man beim Orakel benötigte, dennoch hoffte sie inständig, dass dieser für die hohe Göttin genügte -, einige Trauben, eine Feige und einige Oliven.
Arria war nervös. Sie hatte zwar bereits zu Mercurius gebetet, einmal unter Imperiosus' Anweisung und einmal alleine. Aber der Ablauf war genau derselbe gewesen. Jetzt war es anders. Sie hatte noch nie an einem foculus gebetet, hatte hier noch nie ein Opfer dargebracht und sie war sich auf einmal nicht einmal sicher, dass sie bereits alleine opfern durfte.
Arria atmete tief durch, versuchte, ihre Nervosität zu unterdrücken und sich zu beruhigen. Langsam aber sicher gelang ihr das auch, während sie vor dem tragbaren Altar stand. Mit bedächtigen Bewegungen breitete sie die Opfergaben aus und hoffte, bis dahin alles richtig gemacht zu haben.
Wie sie es im Unterricht gelernt hatte, zog sie einen Zipfel ihres Gewandes über ihren Kopf - capite velato. Sie atmete noch einmal tief durch und konzentrierte sich, wollte nichts falsch machen, als sie die Hand hob und den Weihrauch entzündete, der einen angenehmen aber sehr intensiven Geruch verströmte.
Weiterhin schweigend verharrte sie, bis sie sicher war, dass genug Weihrauch verbrannt war, um Iuno auf sich aufmerksam zu machen. Sicherlich hatte die Göttin vieles zu tun und konnte nicht sofort auf eine kleine, schüchterne Popa wie Arria aufmerksam werden.
"Iuno, du Schutzgöttin Roms und der Frauen, du große Göttin! Ich bitte dich, erhöre meine Worte."
Wieder hielt Arria inne, wartete, bis ein wenig mehr des Weihrauchs verbrannt war.
"Oh große Iuno! In Rom, in deiner Stadt weilt mein geliebter Imperiosus, er dient den Göttern, dem Gott Mercurius vor allem, wie auch ich eines Tages euch Göttern dienen werde. Bitte halte deine schützende Hand über ihn und lass ihn mich nicht vergessen. Ich liebe diesen Mann und wünsche mir, endlich wieder an seiner Seite zu sein, denn ich weiß, dort gehöre ich hin."
Und noch einmal stoppte Arria ihr Gebet, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie wusste nicht genau, wie sie sich ausdrücken sollte, ob die Göttin verstehen würde, was sie wollte und worum sie bat. Aber letztendlich beruhigte sie sich damit, dass Iuno sicherlich in ihr Herz sehen konnte und so wissen würde, was die junge Frau bewegte.
"Oh große Iuno! Meine Liebe zu diesem Mann ist so stark, dass mein Herz zu zerfließen scheint, wenn ich nur an ihn denke. Ich möchte ihm eine gute Frau sein, eine Frau, auf die er stolz sein kann. Bitte hilf mir, dass ich eine solche Dame werde, bitte hilf mir, Vater davon zu überzeugen, dass ich würdig bin, seine Tochter zu sein. Bitte hilf mir, bald an Imperiosus' Seite zu weilen und mich seine Frau nennen zu dürfen, die Frau die er liebt."
Eigentlich hätte Arria jetzt gerne geseufzt, doch sie hielt sich zurück. Sie wusste nicht, was das für einen Eindruck machen würde und so sammelte sie noch ein letztes Mal ihre Gedanken.
"Oh große Iuno! Ich bitte dich um deine schützende Hand, bitte dich darum, mich als Braut zu Imperiosus zu führen und mich zu seiner Frau zu machen", beendete sie ihr Gebet und verharrte stumm, ehe sie sich nach rechts wandte.
Anschließend nahm sie die Opfergaben und verbrannte diese Stück für Stück, ehe sie wartete. Sie wollte nicht einfach gehen, sondern ihre Gedanken waren so schön gesammelt, dass sie dies noch ein wenig genießen wollte.