Langsam schob sich die Kolonne gen Norden und die Flussmündung würde bald vor uns liegen. Misstrauisch blickte ich über die Reling hinaus zum Horizont, der hier kein Ende zu haben schien. Diese Landschaft wirkte unwirklich und lebensfeindlich, als wir sie durchfuhren. Schon am frühen Nachmittag waren dichte Nebelschwaden aufgezogen, die uns nun wie ein weißer Schleier umhüllten und alles am Ufer bedrohlich wirken ließen.
"Flussmündung voraus!", rief ein Späher und der Ruf wurde durch die Reihen weitergetragen. Rasch blickte ich mich um und sah bald, wie sich das Land um uns herum zurückzog und immer mehr Wasser zu sehen war. Der salzige Geruch des Meeres war nun deutlicher denn je zu spüren.
"Haben wir schon Feindsichtung?", fragte ich lauthals den Späher. Einige bange Minuten verstrichen, in denen ich mich immer wieder zu den Männern umsah, nur um sicher zu gehen, dass es ihnen gut ging.
"Nein, Herr. Bisher keine Feindsichtung!", kam die Antwort.
Erleichtert stützte ich mich an der Reling ab und versuchte etwas auszumachen im Nebel. Die maximale Sichtweite betrug gerade einmal 10 Meter. Ich verfluchte die germanischen Götter dafür, dass sie uns so bestraften.
"Verdammt nochmal! Wenn wir jetzt in dieser Suppe unsere Flotille ausfächern, liegen wir wie auf dem Präsentierteller...", fluchte ich und sah zum Späher.
"Späher, wie sieht es mit dem Nebel aus? Was ist die maximale Sichtweite?", fragte ich ihn rufend.
Wieder musste ich einige Minuten warten, bis die Antwort kam.
"Zwanzig Meter, aber garantiert nicht mehr!"
Ich schlug mit der Faust auf die Reling und überlegte krampfhaft. Wenn wir uns jetzt zu weit nach vorn bewegten, waren wir bei diesen Wetterverhältnissen den Briten ausgeliefert. Stumm zermarterte ich mir das Gehirn und versuchte eine Lösung zu finden. Doch ich musste resignieren.
"Triearchus, gib den Befehl zum Stoppen! Die anderen Kapitäne sollen ihre Schiffe im Kastenverband aufstellen. Die Handelsschiffe bilden den Kern, drumherum stehen unsere Kriegsschiffe. Verstanden?"
Der Triearchus nickte stumm und gab die Befehle weiter. Leicht erbost musste ich mit ansehen, wie jetzt erst einmal der Zwischenstopp der Operation eingeleitet wurde. Nach einer guten Viertelstunde standen die Schiffe in befohlener Formation und harrten weiterer Befehle.
"So, und jetzt sitzen wir uns den Arsch platt, bis sich die Suppe verzogen hat. Die Bogenschützen sollen an Deck Stellung beziehen und nach allen Seiten Ausschau halten."
Ich sah dem Boten nach und schaute dann wieder aufs Meer hinaus. Dieser verdammte Nebel...
Etwa zwei Stunden später konnte man die Sonne wieder durch den Dunst sehen, der sich langsam verzog. Bis jetzt hatte es keinen Feindkontakt gegeben, was mich sehr erstaunte. Das schrie geradezu nach einem Hinterhalt. Und dabei waren wir keine 20 Meilen von der germanischen Küste entfernt.
Endlich verzogen sich auch die letzten Dunstfetzen und ließen nur blauen, unberührten Himmel über uns zurück.
"Gebt das Kommando zum Lichten der Anker! Es geht weiter!"
Die Signalbläser tönten ihre Fanfaren durch die Luft und erfüllten mich mit grimmiger Zufriedenheit. Endlich ging es weiter. Langsam, aber sicher, setzte sich der Block wieder in Bewegung.
"Die Vorhut soll sich abspalten und mit doppelter Geschwindigkeit vorfahren. Die Nachhut drosselt die Geschwindigkeit und folgt dem Tross im Abstand von einer Meile. Lasst etwa 3 Triremen auf jeder Seite der Handelskolonne fahren, sodass es nach einem friedlichen Transport aussieht. Die restlichen Schiffe teilen sich beidseitig und fahren ebenfalls mit etwas Abstand."
Die Befehle wurden rasch weitergegeben und mit militärischer Genauigkeit fächerte sich die Formation langsam aus. Zufrieden nickte ich lächelnd und trat wieder näher an die Reling.
Stille. Einsame Stille. Sie umfing und umgab mich in jedem Augenblick und ich konnte mein Herz wild schlagen hören. Während der Takt weiter gleichmäßig vorgegeben wurde und sich der kleine Tross dahinschleppte, stand ich weiter an der Reling und beobachtete eine Möwe, die sich frech auf das kleine Häuschen auf dem Achterdeck setzte und sein Gefieder putzte.
"Fein in Sicht!", schallte es plötzlich durch die Luft. Aufgeschreckt flog die Möwe davon und auch mich hielt nichts auf meinem Stehplatz. Schon konnte ich die grimmigen und wilden Schreie der Barbaren hören, die uns immer näher einkreisten. Da nur wenige Schiffe wirklich auf Feindfahrt gingen und sich der Großteil noch zurückhielt, konnte ich daraus schließen, dass sie meinen Köder geschluckt hatten.
"Signalbläser, gebt das Signal, wenn sie auf etwa 500 Meter heran sind."
Während meine Befehle weitergegeben wurden, hörte ich bereits die ersten Pfeile durch die Luft sirren. Die Männer auf den Schiffen stellten sich zusammen, doch scheinbar nicht schnell genug, denn einige sackten sofort getroffen zusammen. Schnell trat der Hintermann an den Platz des Gefallenen.
Grimmig erwiderten die Nautae die Rufe der Briten und beide Parteien stachelten sich immer weiter auf.
"Jetzt!", rief ich plötzlich.
Die Trompeten wurden an die Münder geführt und bald erschallten die Fanfaren. In kurzer Zeit würde hier die Hölle los sein. Plötzlich hörte ich aus allen Richtungen, gedämpft und leise die Signalantworten der entfernten Schiffe.
Die Vorhut würde sich zurückfallen lassen, die Nachhut würde jetzt auf doppelte Geschwindigkeit gehen und die Seitenverbände würden den Kessel schließen. Soweit meine Taktik.
"Bogenschützen, Feuer!", wurden die Befehle weitergereicht. Sogleich flogen mehrere Salven Pfeile durch die Luft und verfehlten ihre Ziele hier und da. So langsam kamen die britischen Schiffe näher.
"Verdammt, wo bleiben die Anderen?", fluchte ich und sah mich um.
Während die Nautae weiterhin den Pfeilhagel mit ihren Schilden abwehrten, wurde die Zahl der Briten zusehends geringer, aber leider immernoch erschreckend hoch. Das mussten etwa 20 Schiffe allein hier und noch einmal etwa 20 bis 30 in der Reserve.