Ich brachte noch meine Schriftrollen in Reihenfolge... und war aufgeregt. Die zwei vorangegangenen Referate waren eine scharfe Vorgabe...
Gleich würde ich aufstehen...
Ich brachte noch meine Schriftrollen in Reihenfolge... und war aufgeregt. Die zwei vorangegangenen Referate waren eine scharfe Vorgabe...
Gleich würde ich aufstehen...
Ich konnte es nicht abwarten, wann würde man die mensa freigeben? Würde man noch vor dem Essen den Laren opfern? Ich hoffte nicht; ganz gegen alles, was mein Bauch sagte... und meine Leber...
"Oh, wie sieht das alles gut aus!", freute ich mich und währenddessen grollte mein Magen wie ein Seeungeheuer.
Zu Metellus geneigt flüstere ich: "Verzeih, Bruder, ich hoffe ich habe Dich nicht allzusehr gereizt - lass uns für den heutigen Abend Frieden halten... und vielleicht könnten wir uns einmal aussprechen, Vater würd' es wohl erfreuen."
Ich freute mich sehr über das Lob, doch etwas peinlich war es schon vor den Anderen! Und kaum mochte ich nochamls auf meine Frage zurückkommen...
Mir geröteten Wangen wandte ich mich dem Meister zu: "Ich sah wohl Dampf, doch bin ich überrascht, dass nicht einmal ein Flämmchen oder Glimmen aus der Kammer trat, als Du sie öffnetest. Steht das in Verbindung mit diesem Lungensack, der jetzt leer ist?"
Ich machte eine kurze Pause des Nachdenkens
"Was, wenn man ihn aufbliese? Ich meine: wenn man das Herz noch nicht rausgeschnitten hat, bläst man den Sack auf und schneidet dann in die linke Kammer - würde das Feuer austreten?"
Ich war ganz Feuer und Flamme für dieses kleine magische, rote Kämmerlein...
Mein Vater hatte eine Eigenschaft, die ich sehr schätzte: Auch wenn etwas sein Missbilligung fand, wusste er seine Haltung zu wahren und gab einem zu verstehen, dass letztlich alles bis zu einem gewissen Grade verzeihlich sei.
Ich beruhigte mich und fand zurück in umgänglichere Töne. Trotzdem war es schwer seiner gelassenen Frage zu antworten, sie war recht pointiert.
"Verantwortung zu übernehmen ist ganz sicher auch mein Ziel, und wenn ich der Familie damit Ehre einbringen kann, umso mehr. Aber - bis jetzt weiß ich nicht, an welcher Stelle am nützlichsten bin."
Ich blickte ihn an und machte wohl ein leicht zerknirschtes Gesicht, wahrscheinlich der groben Menge Weins wegen, wahrscheinlich...
"Ich habe geglaubt, Vater, Du hättest etwas bestimmtes im Sinn mit mir, als Thukydides, Dein Freund, mich vor Wochen in zu Euch zurück sandte..."
Tja, der griechische Thukydides, mein Pater - den habe ich Dir nun leider schon vor Tagen angedichtet, kennst Du ihn ?
Was Helana sagte, hörte ich in einer strengen Deutlichkeit; der sentimentale Rest ging unter...
"Wer die Kunst der Medici als ein unwürdiges Handwerk erachtet, sollte nicht über sie sprechen dürfen.", bemerkte ich, mittlerweile deutlich angesäuert über die andauernde Kritik.
Eigentlich wurde mir genau in diesem Moment etwas sehr, sehr klar! So schien mir jedenfalls.
"Würde ich denn mein Auskommen habe, Gratianus? Standesgemäß natürlich und ohne, dass man Anstoß daran nehmen könnte, dass ich, Sohn des Proconsuls, einer Sklavenarbeit nachgehe?", fragte ich also und zeigte keinerlei Gefühl oder Ausdruck dabei.
Nobilität, hörte ich. Das war nichts als eine schöne Fassade. Ich stand lange davor und mocht nicht mehr an sie glauben, an diese Form ohne Inhalt.
Helenas Bereitwilligkeit aber lockte...
Ich stützte mich mit den Unterarmen auf den Tisch, beugte mich etwas vor und verlangte: "Zeig mir, was Du machst! Zeig mir Deine Tempel!"
"Standesdünkel, wie immer bei euch; hier der saufende Plebs, da ihr die Gründer Roms - aber steht Dir ganz gut", lachte auch ich
"Aber was gerade ICH noch sehen will? So, wie Du fragst, klingt es eher danach, als hättest Du schon eine Idee? Vielleicht könntest du mir einmal die etwas... mmm... standesgemäßeren und möglicherweise patrizischeren Dinge zeigen, die hoffentlich auch Tarraco aufzuweisen hat?", neigte ich meinen Kopf auf exakt 12 Grad Schräglage.
"... Wein einschenken? "Sicher, für mich allein wär diese Menge wohl noch zu früh"
Ähem, vielleicht hätte ich mal besser "zuviel" sagen sollen, nachher hält sie mich für den Apfel, der nicht weit vom Stamm fällt...
Ich reichte ihr die Karaffe herrüber, wie am Vorabend - wenn ich mich daran erinnerte schienen mir Jahre vergangen seitdem.
"Nur keine Zurückhaltung!"
Tja, der Wirt war wohl ein Geistesverwandter, dachte ich und sprach ihn darauf an:
"Guter Man, Du verstehst den Durst zu gut um ans Wasser zu denken! Bitte bring noch die gewünschte Karaffe für meine Schwester, sei so gut!"
Der Wein lockte, doch hielt ich mich zurück, bis auch Helena ihren Trank erhalten hätte.
"Hauptsächlich eine Arbeit über Dioskurides unter dem Gesichtspunkt der Pneuma- und Vier-Säfte-Lehre. Man möchte meinen, dass da nichts zu stöhnen sei, allein ist Dioskurides ein Enzyklopaedist unter den Medici, sehr bedacht, genau und Umfangreich in seinen Beobachtungen...", antwortete ich.
Ob ihn soetwas interessierte? Ich fuhr fort...
"...entsprechend genau und methodisch ist also in einer verkürzten Darstellung zu Werke zu gehen. Dioskurides legte Wert auf eine Medikation, die möglichst reproduzierbar ist und weist für einige Hundert Pflanzen und andere Stoffe Zubereitungen - er nennt sie Darstellungen - nach..."
Ich nahm einen Schluck Wein.
"... wenn man sich nun vorstellt, dass ich erst die verschiedenen Öl-Darstellungen von ihm gefunden habe, ist es ein Leichtes, nachzuvollziehen, dass mir der Gedanke an die Aegyptischen Heilverfahren, über welche ich..."
und nahm noch einen Schhuck Wein...
"hernach zu referieren habe, kein Angenehmer ist - ", stoppte ich und lächelte Gratianus an.
"... sicher, es ist kein gelehrtes Rhetoriker-Urteil. Aber man kann es fühlen...", schob ich nach.
Ich biß auf meine Unterlippe, das war etwas zu viel... blickte dann, als hätte ich nie etwas gesagt
Ich hatte ein Parr Blutsprengsel im Gesicht, hielt die Schale und blickte aufs Duodenum. Und ich dachte, hepar, frigidus et humidus ... sanguis et chole...
"Danke, Gratianus, darf ich es mir überlegen? Ich bin noch nicht ganz hier und stecke tief in der Bibliothek und ihrem Staub. Zwei Arbeiten habe ich in den nächsten drei Tagen zu erledigen, bis dahin leider...", ich machte eine Bewegung mit meiner Handfläche über meine Augen und blies meine Backen auf.
Hoffentlich verstand Gratianus was ich damit andeuten wollte.
"Nun", zögerte ich "ich wurde gelehrt, dass sie unbedingt zu ehren sind. Aber da Du mich nach den Römischen fragst: Thukydides sagte immer, sie seien vom ,Olymp gekommen'... das sagte er sicherlich, um meinen Widerspruchsgeist zu beleben und so war es dann auch: Ich fragte ihn dann, warum sie nicht auch griechische Namen tragen würden. Darauf lachte er und behauptete, die Römrer könnten halt kein Griechisch, was hätten die Götter also machen sollen..."
Das wollte sie jetzt sicherlich nicht hören, darum fuhr ich anders fort:
"Mir ist es bislang ein großes Geheimnis geblieben, warum mancher Gott uns Menschen seiner Aufmerksamkeit für Wert befindet. Denk an Mercurius, der selbst dem Gesindel, den Dieben Schirmherr ist... Ich glaube, es ist nicht dieser Gott, der das Gesindel unter sein Patronat erhebt, sondern das Gesindel drängt sich darunter - wir haben soeben einen lebendigen Beweis seiner Dreistigkeiten erlebt...", brach ich ab,denn möglicherweise könnte auch diese naive Offenheit böse folgen haben, wie fast alles in Tarraco.
"Ach, nein, nein, ich war nur in Gedanken... bei unseren Gaunern... Man kann es kaum glauben, wie gottlos die allermeisten von ihnen sind." Dabei schüttelte ich ungläubig meinen Kopf.
"Wenn dann aber ihre Stunde naht, ist's immer das nämliche: Sie werden so schnell gäubig, wie sie eine Tunica überstreifen - und das geht natürlich auch rückwarts, sollte es dem Medicus gelingen das Zeugnis seiner Meisterschaft - oder auch des Zufalls - abzulegen."
Ich lachte kurz auf, ich hatte es bildlich vor Augen...
Eine wahrlich schrecklich nette Familie, fand ich. Und ich konnte mich nicht enthalten allen Anwesenden ein ausgewählt falsches aber warmes Lächeln entgegenzubingen. Und schwieg weiterhin.
Es trat jemand ein und warf einen langen, skeptischen Blick auf uns, verschwand dann aber hinter einer Wand. Eine fabelhafte Stadt war dies, verzog ich meine Mundwinkel. Doch schon stand ein Wirt an unserem Tisch und frug nach unsrerm Begehr...
"Helena? Also Honigbrot und eine Beilage?", versuchte ich mich ihres Wunsches zu versichern und wandte mich zum Wirt "...außerdem eine Karaffe Wein, halb Wasser, ein Paar Würstchen dazu."
Wieder blickte ich zu Helena, während der Wirt wartete... und ich abermals an den mißbilligenden Menschen hinter der Wand dachte, dessen skeptischer, durchdringender Blick uns getroffen hatte.
Vielleicht war es wie ich vermeinte: Man spaziert als Pontifex nicht einfach so durch die Gegend und erlebt kleine Abenteuer -
Als sich mein Vater zu mir wandte, fiel eine Last von mir.
"Danke, Vater, schon ganz gut; Leicht genug habt ihr es mir ja gemacht. Es ist schön wieder hier zu sein!", sagte ich ein freundliches nichts - und lächelte kurz. Beredt war etwas anderes, aber das zerknitterte Vorspiel ließ nichts anderes zu.
...und ich stellte darufhin den Becher vor mich auf die mensa.
Ich atmete sehr tief durch und überwand mich, den Becher wieder aufzunehmen und es ihm gleichzutun.
Metellus hatte seine alte Zuneigung bezeugt und ich fortan keinen Grund mehr den Mund aufzumachen, es sei denn um zu trinken...
Ich hob den Becher und nickte in die Runde. Wahrscheinlich würde mein Bruder sagen, ich müsse einen Trinkspruch ausbringen, pah...