Beiträge von Decimus Pompeius Strabo

    Ich lächelte ihr entgegen. Leider konnte ich ihr Gesicht so gar nicht zuordnen. Und ihren Rang noch weniger.


    "Ja, das kannst Du durchaus...", sprach ich salbungsvoll und zeigte auf die Statue des Mars, vor der wir nun standen.


    "Mars beobachtet uns und in diesen schweren Zeiten ist es wichtig, dass wir uns in seinem Haus die Wahrheit sagen... Und ich suche die Wahrheit. In den Marstempel von Mogontiacum wurde eingebrochen. Ein schwerer Frevel. Aber eine Sache dort machte mich stutzig. Erst nach ein bis zwei Tagen tat man dort etwas, um Mars zu besänftigen.


    Und noch mehr machte mich die Abwesenheit des Pontifex Germania stutzig. Weißt Du als Priesterin vielleicht mehr?"

    Ich sah sie eindringlich an. Was hatte ich da gerade eigentlich gesagt? Blut an meinen Händen... Seit wann sah ich denn meine damalige Arbeit in diesem Licht.


    "Wenn Du das alles als Bürde des Gesetzes, als Pflicht für Rom ansiehst...", sagte ich fast flüsternd und beugte mich vor, sodass nur sie mich hören konnte.


    "...siehst du einen Sklaven dann auch als Mensch an?"

    Schweigend trat ich in die geweihten Hallen des Mars. Mein Gladius und andere Gegenstände, die ich durch das Stadttor hatte retten können, waren draußen in den Satteltaschen meines Pferdes verstaut. Hier hinein würde ich sie ganz sicher nicht tragen.


    Vor dem Standbild des Gottes kniete ich nieder und vollzog dieselbe kleine Opferung wie in Mogontiacum.


    "Allgegenwärtiger Mars! Ich muss mich bereits vorhergehend bei Dir entschuldigen dafür, dass ich Untersuchungen anstelle, die die Arbeit einiger Deiner Priester infrage stellt.", flüsterte ich, sodass auch ein noch so leichtfüßiger Popa es nicht hören konnte.


    Schließlich stand ich auf. Auch hier schien der Betrieb erst noch einsetzen zu müssen. So rief ich mit meiner glockenhellsten Tonlage:


    "Salve, ist hier jemand?"

    Das hatte ich mir zumindest einmal pro Quartal verdient. Und während der Vorbereitungen zu den Spielen wurde ich sowieso nur stellenweise gebraucht. Da konnte ich mir ruhig ein bis zwei Tage frei nehmen, um ein wenig auszureiten. Das war die offizielle Version. Eine Ausgabe der Acta in der Hand ließ ich das Pferd durch das Stadttor traben. Mit starrem Blick registrierte ich das Stadtbild, das ich vor einigen Monaten noch als Quaestor von der Stadtseite her bewundern durfte.

    Ich nickte.


    "Sie war Dir sicher eine wunderbare Frau. Gibt es für die Germanen auch ein ähnliches Totenreich wie für uns Römer?"


    Ich hoffte, nicht zu neugierig zu erscheinen, denn das wäre respektlos Valentin gegenüber gewesen.

    Ich sah sie krampfhaft lächelnd an. Etwas düsteres bemächtigte sich meiner Gesichtszüge.


    "Danke den Göttern, dass Du niemals nachts in den Straßen Roms umherlaufen und entflohene Sklaven fangen musstest. Danke den Göttern dafür, dass du niemals mit ansehen musstest, wie ein Mensch solange bearbeitet wurde, bis seine eigene Mutter ihn nicht mehr wiedererkannt hätte.


    Britannia, ich hatte Blut an den Händen... und ich kann es jetzt, nach gut fünf Jahren noch immer nicht abwaschen. Es klebt da immernoch."


    Ich sah sie mit einem Funkeln in den Augen an, das man da schon sehr lange nicht mehr gesehen hatte. All das lief wieder vor meinen Augen ab.

    Immer tiefer kam ich durch die Gasse. Um mich herum war es dunkel. Die Dunkelheit war greifbar und doch durchsichtig. Schritt um Schritt hallte an den Wänden wieder. Hatte diese Gasse denn kein Ende? Langsam griff ich mit meiner rechten Hand unter der langen Tunika an den Knauf des Dolches, den ich vorsichtshalber eingesteckt hatte. Instinktiv ging ich in abwehrende Stellung, als mich plötzlich ein Arm am Hals packte und zur Seite zerrte. Bevor ich irgend etwas tun konnte, stand ich an einer Wand, vor mir ein bärtiges, narbiges Gesicht.


    http://www.imperium-romanum.in…c/ava_galerie/Philipp.jpg | Philippos


    Was treibst Du hier, Römer?, fragte er mich aufgebracht und starrte dabei auf die Stelle, wo mein Dolch durch die Tunika blitzte.


    Verwirrt starrte ich ihn an, nicht imstande zu reden. Waren meine Instinkte und Reflexe wirklich so schlecht geworden in all den Jahren?


    Fuchtelst hier mit Deinem Buttermesser rum, als wäre eine Horde Germanen hinter Dir her!!!


    So langsam verstand ich seine Aufregung und sah hinunter zum Dolch, den ich noch immer krampfthaft festhielt.


    "Ich...ich suche Marius!", brachte ich endlich hervor.


    Und dafür brauchst du den Dolch?!


    Ich sah ihn ausdruckslos an.


    "Wo ist Marius?", fragte ich beständig...


    Der Fremde trat einen kleinen Schritt von mir weg. Erleichtert über den neugewonnen Freiraum trat ich von der Wand weg. Der Bärtige sah mich misstrauisch an. Scheinbar grübelte er über irgend etwas.


    "Ich fragte, wo ist..."


    JAJA...bin ja nicht schwerhörig!!!, fiel er mir ins Wort und kratzte sich leicht apathisch am Kinn.


    Ich hab ihn vor drei Tagen das letzte Mal gesehen...


    Ich sah ihn fragend an und trat näher.


    "Und Du weißt nicht, wo er stecken könnte?"


    Nein... verdammt nochmal!, murmelte er mehr zu sich selbst.


    Was willst'n überhaupt von dem?


    "Kunstgeschäfte. Man sagt, sakrale Gegenstände aus dem Marstempel wandern auf dem Schwarzmarkt umher...", log ich, weil mir nichts besseres einfiel. Vielleicht konnte ich ihn mit der Finte ja täuschen.


    Misstrauisch blickte er mich an und tat dann ausdruckslos.


    Ich weiß nix von irgendwelchen Gegenständen!


    Seine Augen verrieten mir etwas anderes. Langsam zückte ich den Dolch und hielt ihn ihm an die Kehle.


    "Kannst Du dich jetzt erinnern?"


    Er zeigte sich nicht gerade unbeeindruckt vom Dolch, schüttelte aber nur den Kopf. Mit einem schnellen Heben des Knies rammte ich ihm dieses mit voller Wucht in seine Kronjuwelen. Jaulend sackte er zusammen und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Abrupt zog ich ihn wieder hoch und drückte ihn fest gegen die Wand.


    "Na? Immer noch keine Ahnung?"


    Ich..., keuchte er atemlos.


    Ich hab da von einem Typen gehört, der die Sachen am Hafen vertickt und sogar bis nach Italia ausliefert...


    Ich sah ihm misstrauisch entgegen. Der Hafen war irgendwie logisch. Schließlich wollten die Täter das Zeug so schnell wie möglich aus der Stadt schaffen. Verächtlich ließ ich den Mann vor mir los. Etwas sank er zusammen und sah mich erwartungsvoll an.


    "Hat dieser Typ auch einen Namen?"


    Dareios nennt er sich..., schnaufte er.


    Ich nickte. Aber etwas war mir immer noch nicht geheuer. Was war mit Marius?


    "Nagut... du sagtest vorhin, du wüsstest nicht wo Marius stecken könnte. Das war doch gelogen, nicht wahr?"


    Ich beugte mich zu ihm herunter und hielt ihm den Dolch an die Kehle. Eine falsche Bewegung und seine Luftröhre wäre freigelegt.


    Die alte Tongrube am Stadtrand!


    Ich nickte und ließ ihn los. Er landete er auf dem Rücken.


    "Ich danke dir für das Gespräch. Vielleicht brauche ich dich noch. Ich empfehle dir also, die Stadt nicht so schnell zu verlassen."


    Ich drehte mich um und verstaute den Dolch in der kleinen Scheide. Irgend etwas war anders in mir. Ich war ein neuer Mensch geworden. Vielleicht war ich aber auch wieder zu Decimus Strabo geworden, dem Vigil ohne Gewissen. Ich freute mich bereits darauf, dieses Nest auszuheben.

    "Oh...nein, das wusste ich nicht. Tut mir leid!", sagte ich aufrichtig und sah ihn aus den Augenwinkeln an. Zuviel Aufmerksamkeit für dieses Thema würde ihn vielleicht zu traurig machen. Aber mir fiel nichts ein, was ich erwidern sollte außer meinem Beileid.

    "Ich habe Dir doch erzählt, dass ich bei den Vigiles gedient habe. Vielleicht kannst Du Dir vorstellen, wie peinlich es mich berührt, über diese Methoden zu reden..."


    Ich machte eine längere Pause.


    "...wo ich sie doch selbst oft genug angewandt habe."


    Ich senkte den Kopf und bekam kein Wort mehr heraus. Das war eine Vergangenheit, die mich plötzlich wieder einholte.

    "Sei Dir da mal nicht so sicher. In Rom habe ich andere Methoden gesehen, mit denen man jemanden, der von sich behauptete standhaft zu sein, sehr schnell für sich gewinnen konnte."


    Dass ich diese Methoden als Vigil nur zu gern angewandt hatte, verschwieg ich ihr lieber. Das waren Dinge, die besser unausgesprochen blieben und die nur meine ehemaligen Kameraden kannten. Diese Methoden waren mir peinlich und zugleich immer noch sehr geläufig. Einige Falten zeichneten sich auf meiner Stirn ab, während ich daran dachte, wie ich den einen oder anderen Täter zum Sprechen gebracht hatte.

    "Das stimmt schon. Aber es gibt immer wieder Leute, die sich darüber beschweren, dass an der Schola nicht so reichhaltig Kurse angeboten werden wie in Rom. Der Fakt, dass deswegen eine Abwanderung nach Rom geschieht, kann einfach nicht Ziel des Ganzen sein. Schließlich ist es römische Maxime, auch intellektuell diese Provinz zu befrieden."

    "Dann behalte Dir diese Einstellung und lass Dich nicht korrumpieren! Ich mag Deine Art und die Provinz soll noch lange etwas von Dir haben."


    Ich prostete ihr zu und trank dann einen Schluck vom Wein.

    Ich trat näher an die Auslage heran. Alles sah wunderbar aus und verströmte einen Duft, der mich fast ohnmächtig werden ließ vor Heißhunger.


    "Dieses Olivenbrot da sieht wunderbar aus."


    Es waren kleinere Brote, knusprig gebacken mit Oliven im Teig. Sicher würden sie köstlich schmecken.

    "Du solltest vielleicht doch in die Politik gehen. Wenn ich nicht schon davon überzeugt gewesen wäre, dass Germanien besser für mich ist, du hättest mich ganz sicher überzeugt...", scherzte ich schmunzelnd und nahm einen letzten Bissen vom Brot, bevor ich mich satt im Stuhl zurücksinken ließ.