Wenige Tage nach jenem denkwürdigen Ereignis war die Welt wieder leidlich in Ordnung. Sigubald hatte nach gutem Zureden seitens seiner Frau die Schwangerschaft seiner Tochter akzeptiert.
In den folgenden Monaten schwoll der Bauch von Heila ständig weiter, sodass Crispus dazu gezwungen war, seine Freundin häufiger zu besuchen, den Geräuschen unter ihrer Bauchdecke zu lauschen und sich zu freuen. Er hatte inzwischen realisiert, dass er bald einen Sohn und Erben haben würde. Zusätzlich würde dieser - wenn er die Legion überlebte - sein Erbe werden und vielleicht in die Provinzaristokratie aufsteigen.
Etwa sechs Monate nach jenen Geschehnissen, die das Leben der germanischen Familie völlig verändert hatten, wurde Crispus von seiner Schwiegermutter eiligst herbeigeholt...
In der kleinen Wohnstube lag Heila hechelnd auf der Bank, eine Nachbarin, die sich mit dem Kinder-zur-Welt-bringen auskannte, war ebenfalls geholt worden. Mit deutlichen Spuren, dass er gerade noch gearbeitet hatte, stand Sigubald etwas planlos herum.
Die Tür öffnete sich und Crispus in seiner üblichen Militärkleidung trat ein, dicht gefolgt von Gisil, der Frau des Sigubald. Sofort eilte der Centurio zu seiner Freundin und ergriff ihre Hand.
"Heila, geht's dir gut?"
Schweißperlen standen auf der Stirn der Germanin. Sie nickte rasch, dann war auch schon die Nachbarin da.
"Geh' mal weg! Es is' gleich so weit - Los, mein Kind! Pressen!"
Sie ergriff selbst Heilas Hand und das Mädchen presste ihre Lippen aufeinander. Sie stöhnte auf - offensichtlich bereitete Kinderkriegen große Schmerzen.
Crispus wurde langsam blass, während er wieder in paar Schritte zurücktrat. Sein Blick traf sich mit Sigubalds und zum ersten Mal schienen beide das gleiche zu fühlen. Diese Hilflosigkeit! Heila, ihrer beider Liebling, lag da und presste sich die Seele aus dem Leib und es gab keine Möglichkeit, etwas zu tun. Gisil hatte inzwischen ein paar Tücher herbeigeschafft und reichte Sigubald eine Schale. Auf Germanisch meinte sie
"Hol' Wasser! Los!"
Sigubald schien erst murren zu wollen, dann seufzte er jedoch und machte sich auf den Weg. Kaum hatte er den Raum verlassen, entfuhr Heila ein heiserer Schrei - offensichtlich hatte sie heute schon mehrmals geschrieen.
"Los, weiter, weiter! Immer weiter pressen!"
Inzwischen war die Nachbarin ans untere Ende der Bank gewechselt und hatte die Tunika der Gebärenden gelupft. Dort schien sich irgendetwas zu tun...Crispus konnte jedoch nicht hinsehen, denn Heila schrie erneut auf. Als er sich wieder hindrehte, konnte er etwas kahles, leicht blutiges zwischen den Beinen von Heila erkennen. Die Nachbarin packte es und zog, während Heila immer wieder rhymthmisch schrie. Ihre Mutter hielt inzwischen ihre Hände. Nach und nach erschienen Schultern, Ärmchen, ein Bäuchlein, Beinchen. Am Bauch hingen zwei Dinge. Eins davon sagte aus, dass es sich um einen Jungen handelte, das andere schien irgendwie mit Heila verwachsen zu sein.
Die Nachbarin gab dem Baby einen Klaps auf den Po und es begann zu schreien. Crispus musste fast weinen vor Rührung. Er nahm den Kleinen ab, während sie seinen pugio aus der Scheide zog und die Nabelschnur durchtrennte.
"Heila, schau! Ein kleiner Junge! Schau ihn dir an!"
Er hielt den schreienden Kleinen etwas hoch und langsam rappelte sich die schweißgebadete Heila auf. Sie lächelte müde.
"Oh mann, schau ihn dir nur an, den kleinen Lucius!"
Jetzt strahlte Crispus förmlich. Er hatte eine Sohn und der lebte auch noch! Er trat an seine "Frau" heran und umarmte sie. In diesem Augenblick kehrte Sigubald mit einer Schüssel Wasser zurück.
"Makus, wasch' den Kleine!"
meinte Gisil. Auch sie hatte Tränen der Rührung in ihren Augen. Sigubald blieb zuerst stehen, sah dann zum Baby, zu seiner Frau, zu Heila und zuletzt zu Crispus. Er lächelte.