Am Nachmittag marschierte der Centurio auf den Exerzierplatz um den Männern ein wenig praktische Erfahrung mit Formationsbildung einzuüben.
"Milites venite!"
Am Nachmittag marschierte der Centurio auf den Exerzierplatz um den Männern ein wenig praktische Erfahrung mit Formationsbildung einzuüben.
"Milites venite!"
"Das hier ist nicht die Fremdenlegion*! Versteht ihr eigentlich Latein?"
brüllte Crispus die Männer nun an. Was die Kerle da von sich gaben, war ein höchst eigenartiger Gruß und dazu ein innerhalb der Armee höchst unüblicher. Wenn sie so Achtfinger-Gaius trafen, würde er ihnen die Zunge rausschneiden!
* ich weiß, die Fremdenlegion ist noch nicht erfunden
"Na also! Auch das hat seinen Grund, denn wer sein Feldzeichen verliert, verliert seine Ehre und bei einem mutterseelenalleinen Signifer vor der Linie wäre das zu gut möglich.
In dieser Formation wird also gekämpft, dabei können ausfallende Kämpfer in der ersten Reihe leicht durch ihre Hintermänner ausgetauscht werden."
Jetzt klang das sehr theoretisch, in der Schlacht bedeutete "ausfallen" jedoch zumeist den Tod.
"Während kürzerer Kampfpausen können außerdem ganze Reihen getauscht werden, um eine zu schnelle Ermüdung zu verhindern."
Damit hatte er alles erklärt, was ein Probatus wissen musste, daher beschloss er.
"So, das war's für heute. Heute mittag auf dem Campus!"
Marcus Duronius Canus
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Auch Canus hörte aufmerksam zu. Ein berittener Bote war ein leichtes Fressen für die allermeisten Wegelagerer, von denen er je gehört hatte. Vermutlich ein unerfahrenes Bürschchen, das sich ganz allein aufgemacht hatte. Das war ein aussichtsloser Job - es sei denn, die Räuber hatten ihn bereits als Sklaven verkauft und er lief ihnen zufällig über den Weg...
"Wie sieht er denn aus?"
fragte er daher zusätzlich.
"Los, noch einmal - ich will mindestens fünf Treffer bei jedem!"
brüllte der Centurio die Probati an, während er anerkennend Rufus' Ergebnis betrachtete. Einmal noch...dann konnte er es gut sein lassen.
"Ein kompetenter Soldat, Tribun? Ich hoffe doch, dass alle dies sind!"
Crispus fragte sich, ob dies eine Fangfrage war. Dann jedoch der zweite Satzteil...war eine Stelle frei geworden?
"Für welche 'Weihe' speziell meinst Du, Tribun?"
fragte er sicherheitshalber, ehe er alle aufzählte, die ihm bisher positiv aufgefallen waren.
Der Bursche öffnete, erkannte den Tribun und bat ihn herein. Der Centurio war glücklicherweise gerade zu Hause, sodass er ihn in seinem Officium empfing.
"Salve, Tribun!"
grüßte er den Offizier.
Der Centurio rümpfte die Nase über diesen Gruß. Offensichtlich waren die Männer schwerhörig.
"Das war wohl ein kleiner Scherz! Nochmal!"
brüllte er deshalb.
Auch die zweite Runde wurde ähnlich wie die erste, wobei gegen Ende leichter Wind aufkam und das Zielen erschwerte
"Pfeile holen und zwanzig Schritt weiter!"
Zwar konnte Crispus auf diese Entfernung nicht mehr sicher treffen, aber die Probati wussten das ja nicht und eigentlich war dies schon vorgeschrieben...
"Abi!" (Wegtreten!)
befahl Crispus prompt und wunderte sich weiter über den wunderlichen Probatus. Naja, der Bursche würde es schon noch lernen...dafür war das Militär ja da - die Schule des Lebens!
Der Centurio hörte anfangs zu, als der Probatus begann, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Nach einiger Zeit war er jedoch trotz der abwechslungsreichen Geschichte etwas gelangweilt und lehnte sich zurück, erpicht darauf, den springenden Punkt zu erreichen.
Als er dann auf die Kampfesweise zu sprechen kam, horchte er kurz auf. Dann jedoch wieder weniger, denn es war schon etwas ausführlich und Crispus war kaum überzeugt, dass diese Kampfesweise mit einem handelsüblichen Legionsgladius sinnvoll war. Außerdem störte ihn die Geringschätzung der üblichen Vorgehensweise. Die Legions-Kampfeskunst war für den Kampf in großen, bewaffneten Einheiten das Optimale...soweit der Petronier wusste.
"Hm, da liegt noch 'ne ganze Menge vor dir. Zuerst einmal Respekt vor der Fechtweise der Legion. Nur weil sie nicht wie ein Tanz aussieht, heißt es nich, dass sie nicht effektiv ist. Ich hoffe, dass du schon bemerkt hast, dass es bei uns genauso auf Präzision und Taktik ankommt. Wenn nicht, dann wirst du es mit Sicherheit lernen."
knurrte er. Ihm war nicht klar, was der Bursche hier von ihm wollte...
Crispus als absoluter Nicht-Fernkämpfer überwachte das Abschießen der Pfeile eher schweigsam. Nur ab und zu konnte er gröbere Fehler aufdecken, aber sicherlich hatten Leute wie dieser Rufus, der sich ausnahmsweise als Gruppenbester auszeichnete, deutlich mehr Ahnung von der Sache. Aber es musste nunmal abgehandelt werden.
"So, holt eure Pfeile - das ganze nochmal!"
befahl er schließlich, nachdem das ganze Pulver (bzw. die Pfeile) verschossen war.
Crispus deutete auf den Duplicarius, der neben ihm stand.
"Das ist Quintus Octavius Varus, Duplicarius von der Legionsreiterei. Er wird euch zeigen, wie man reitet - soweit ihr das noch nicht könnt."
Auch dies war eine Disziplin, die nicht gerade Crispus' Spezialgebiet war und deshalb war er sehr froh, dass es hier Spezialisten dafür gab.
"Korrekt. Er führt eine Art Bank - ihr könnt dort auch Geld hinterlegen, sodass es sicher verwahrt ist. Abgesehen davon solltet ihr freundlich zu ihm sein, denn er zahlt auch den Sold aus."
Damit war diese Sache erledigt und es fehlten nur noch wenige Dienstgrade.
"Dann haben wir die Stabsoffiziere: Praefectus Castrorum, Tribune und der Legat.
Der Legat ist der absolute Herr über die Legion. Er wird vom Kaiser als Oberbefehlshaber ernannt, ist für uns verantwortlich, darf uns nach Gutdünken belohnen, bestrafen, befördern oder degradieren.
Seine direkten Mitarbeiter sind die Tribune. Die ritterlichen Tribune, erkennbar am schmalen Purpurstreifen auf der Tunika, sind Männer, die schon einmal irgendwo gedient haben. Sie haben folglich auch Ahnung vom Betrieb und bekommen ihre Aufgaben direkt vom Legaten zugewiesen.
Der Tribunus Laticlavius hingegen ist normalerweise der Spross irgendeiner Senatorenfamilie und leistet seinen Militärdienst ab, um dann endlich den Cursus Honorum beschreiten zu können. Von ihm ist weniger militärische Ahnung zu erwarten, obwohl er zu Hause vielleicht auch das eine oder andere gelernt hat. Abgesehen davon kann's aber gut möglich sein, dass der Legat ihn dort einsetzt, wo er möglichst wenig Schaden anrichtet.
Der Praefectus Castrorum ist dagegen der erfahrenste all dieser Männer. Er ist Lagerkommandant, kümmert sich um die gesamte Verwaltung und ist im allgemeinen ein erfahrener Soldat, oft sogar ex caliga hochgedient.
Dann noch eine kleine Frage: Wie heißen der Legatus Legionis, der Praefectus Castrorum und der neue Tribunus Laticlavius?"
Wieder deutete er mit dem vitis auf Sabinus.
...die da lauteten:
"Jeder nimmt sich einen Bogen und einen Köcher, dann stellt ihr euch in dreißig Schritt entfernt auf und schießt erstmal. Und denkt dran, dass der Pfeil wie beim Pilum einen gewissen Bogen fliegt."
Noch einmal machte er die flache, ballistische Bahn eines Geschosses mit dem vitis nach.
Der Morgen auf dem Platz...ach ja, genau. Der Terentier war irgendwie herumgehampelt. Offensichtlich war ihm die Sache peinlich...aber was wollte er dann hier?
"Dann erkläre."
meinte er, etwas gespannt, was nun kommen würde.
Tatsächlich kam der Centurio, gefolgt von seinen Probati, aus der Porta heraus auf den Platz. Wie immer war auch der Optio mit von der Partie, als Crispus sich am Rande des Platzes aufbaute und
"Milites venite!"
brüllte. Sie befanden sich neben einer Reihe von strohernen Zielscheiben, neben denen sich ein Gestell mit entspannten Bögen und zugehörigen Pfeilen befand. Heute war das Bogenschießen an der Reihe.
Der Bursche des Centurios öffnete, erkannte den Probatus und reichte ihn weiter ins Officium. Dort saß auch der Centurio selbst und las irgendwelche Berichte. Als Primus eintrat, sah er auf.
"Probatus Terentius? Worum geht's?"
Der Centurio sah auf, als er ein Gesicht erblickte, das er lange nicht gesehen hatte. Optio Iulius, ehemals sein Legionär. Offensichtlich hatte auch er Freizeit und für ihn bot sich ein Besuch in den iulianischen Thermen an, da er ja in der Stadt arbeitete.
"Optio Iulius, wie geht's?"
fragte Crispus freundlich und lächelte den Burschen an.
Am nächsten Morgen war der Exerzierplatz anders als zuvor. Diesmal standen nämlich einige Pferde bereit, außerdem war der Centurio in Begleitung eines Duplicarius auf dem Platz erschienen. Wegen der Pferde schrie er auch nicht ganz so laut
"Milites venite!"