Beiträge von Marcus Petronius Crispus

    Das konnte Crispus sich nicht recht vorstellen - Augusta Raurica war eine römische Kolonie, Arae Flaviae ein Municipium, Colonia Agrippinensis war Colonia und so weiter und so fort. Wahrscheinlich hatte eher der Statthalter seine Kontrolle nicht aufgeben wollen - aber naja, sie würden es letztlich schon herausfinden...


    "Das denke ich auch. Soweit ich weiß, sind seine Legionen und Amtsträger nämlich noch nicht so bescheiden, also wird er das Gold gut gebrauchen können, das wir hierher geschafft haben."


    erklärte er dann. Dabei dachte er sich, dass die Kategorien "Bescheidenheit" und "Pragmatismus" hier in Rom und aus dem Mund eines Patriziers wohl sowieso etwas anderes bedeuteten als das, was er darunter verstand. Außer seinem Ex-Patron kannte er jedenfalls keinen bescheidenen Senator... und Palma war ja immerhin Statthalter in Asia gewesen, wo man sich angeblich gegen unverschämten Reichtum gar nicht wehren konnte!


    "Begegnest du ihm oft?"


    fragte der Alte dann weiter.

    Die Frage des Kaisers verwirrte Crispus ein bisschen - Vala hatte ja schon angedeutet, dass es vielleicht einfacher sein würde, als sie gedacht hatten. Aber dass der Kaiser scheinbar nur darauf gewartet hatte, dass man ihn endlich bat, damit hatte er bei allem Optimismus nun wirklich nicht gerechnet! Im Grunde stimmte es natürlich, was Palma sagte - aber das Stadtrecht war ja auch mit dem Recht verbunden, das römische Bürgerrecht zu verleihen (wenn auch gegen gemeindliches Engagement), sodass der alte Petronier doch ein bisschen mit Feilschereien gerechnet hatte.


    Entsprechend wusste er auch erst einmal nicht, was er sagen sollte. Nach einer kleinen Pause meinte er dann schließlich:


    "Äh, naja - deine Thronbesteigung war eben ein guter Anlass. Wir wünschen uns das ja schon länger, aber wo wir dir sowieso zu deinem Regierungsantritt gratulieren wollten... naja, dachten wir, dass es ein guter Anlass ist."

    Zitat

    Original von Aulus Tiberius Verus
    "Der gute alte Neptun-Jünger," lachte Verus auf und grinste dann verschmitzt. "Ja," erklärte er nüchtern im Anschluss. "Er verkehrt oft mit hohen Gesellschaften." Verus nahm sich dabei aus und erwähnte sich selbst nicht, da er sich selbst nicht mehr als hohe Gesellschaft ansah.


    "Naja, er is' ja immerhin auch Patrizier."


    bemerkte Crispus respektvoll - selbst wenn Vitamalacus damals alle gleich behandelt hatte, wusste er von mehr als genügend Tribunen und Legaten, dass das keineswegs der Normalfall war. Und wenn er es genau nahm, blickte ja schon er selbst auf die armen Schlucker herab, die in Mogontiacum von der Hand in den Mund lebten...


    "Naja, weißt du... Naja, du musst wissen, dass mein ehemaliger Patron auch aus dem Geschlecht der Tiberier kam. Tiberius Vitamalacus hieß er. Und seit ich diesen Lepidus getroffen habe, frage ich mich, ob ich ihn nicht fragen sollte, ob er mein Patron werden will. Ich meine - weißt du, wie genau er mit Vitamalacus verwandt ist?"


    Traditionell war es ja üblich, die Klientel innerhalb der Familie weiterzugeben. Nur dummerweise hatte sein Patron sich damals wohl irgendwie nicht so recht darum gekümmert, denn Crispus hatte schon nur per Zufall erfahren, dass Vitamalacus tot war - die überlebenden Tiberier hatten sich dann nie wieder für ihn interessiert und hätten ihm wahrscheinlich sowieso kaum helfen können. Immerhin hatte der Alte sich in Mogontiacum auch aus eigener Kraft eine respektable Existenz aufbauen können. Aber jetzt, wo Lucius es hier zu etwas bringen sollte...

    Der Senator brachte ihre Pläne nun vor und sparte nicht mit Lob für die Stadt - obwohl Crispus sich noch hier und da ein paar Beteuerungen mehr hätte wünschen können. Aber andererseits kannte Vala den Kaiser besser als er selbst - vielleicht langweilte ihn das schwülstige Gewäsch auch, das der alte Petronier für Rhetorik hielt.


    "Unser - äh - Patron Medicus Germanicus Avarus unterstützt unsere Bitte ebenfalls. Er ist - äh - dummerweise aber krank, deshalb hat er seinen Neffen Paullus Germanicus Aculeo geschickt, der für ihn sprechen wird."


    sagte er deshalb, nachdem der Senator diese Fürsprecher vergessen hatte. Achja, und eines war vielleicht auch noch wichtig:


    "Außerdem - äh - würden wir zum Dank für die Verleihung des Stadtrechts natürlich unsere Stadt nach deinem Namen benennen. Und zu deinen Ehren jährlich Spiele veranstalten."


    Letzteres war zwar nicht so direkt mit dem Stadtrat abgesprochen, aber die anderen Gesandten hatten zugestimmt - und eigentlich verstand sich sowas ja von selbst!

    Zitat

    Original von Aulus Tiberius Verus
    "Für einen Römer ist eine Pflicht, mit aller Kraft der Res Publica zu dienen," erklärte Verus ein wenig großspurig, nachdem Marcus Petronius Crispus die Prima als ehrenhaft betitelt hatte. "Ich denke, dass, sofern man nicht anderweitig gebraucht wird, der Dienst "sub aquila" jedem römischen Mann zu besonderer Ehre gereicht." Er nickte, während er seinen Blick zur Seite wandern ließ. [...]


    "Römer aus dem kalten Norden," warf der Patrizier freundlich ein. "Also soll dein Sohn Karriere machen? Vielleicht kann ich ihn mit meinem Gensmitglied Tiberius Lepidus ein wenig enger vertraut machen." Immerhin konnte er so seinem Verwandten einen neuen Verbündeten bringen, wenn nicht sogar Klienten und so die Machtbasis der Tiberier erweitern. Auch würde er so Lepidus indirekt Dank zollen können, für alles, was er getan hatte. "Du, Petronius, hast es doch weit gebracht. Der Primus Pilus ist ein bedeutende Ehre?" Verus staunte, ob der Aussage des Petroniers.


    Die Rede von Ehre und Pflicht gefiel Crispus immer gut - auch wenn es eher Floskeln waren, die man von vielen Veteranen und jungen Leuten zu hören bekam. Die Praxis im Tagesdienst sah dann oft weit weniger blumig aus - Latrinenputzen, schweißüberströmt durch Regen und Schnee marschieren, sein eigenes Blut bei Ring- oder Schwertübungen schmecken - das war es, was das Soldatenleben in der Praxis bedeutete! Trotzdem wollte er dem Jungen nicht seine Illusionen nehmen - die würde er früh genug verlieren.


    Stattdessen ging er lieber auf diesen Tiberius Lepidus ein:


    "Tiberius Lepidus kennen wir schon - oder ich. Ich hab' ihn in den Thermae Agrippae getroffen."


    erklärte er deshalb ein wenig stolz - immerhin traf man ja nicht alle Tage einen Patrizier (zumindest wenn man aus der Provinz kam...). Den Kommentar dazu fand er allerdings ein bisschen unverständlich, sodass er etwas verwirrt fragte:


    "Verkehrt er wohl nur mit besonders ehrenvollen Leuten?"


    Nicht, dass der alte Petronier sich Sorgen machte - ein Primus Pilus war bei vielen Leuten angesehener als so mancher Tribun oder Legat, denn er verdankte seinen Posten ganz sicher nicht nur den guten Beziehungen von Papi...

    Dunstkreis? Crispus hatte keine Ahnung, was zu bedeuten hatte - nach Verwandtschaft klang es allerdings nicht...


    Als er die beiden Petronier dann so respektvoll begrüßte, vergaß der Alte beinahe, dass er gerade eben noch unglaublich zornig gewesen war. Stattdessen schenkte er dem jungen Mann ein freundliches Lächeln.


    "Die Prima - eine ehrenhafte Einheit. Hat ja jetzt auch im Bürgerkrieg erst gekämpft, oder? Da haben sie sicher Bedarf an Nachwuchs."


    Wie man hörte, waren die Verluste bei Vicetia auf beiden Seiten hoch gewesen - so viele sinnlos geopferte Soldatenleben! Aber er hatte jetzt keine Zeit, die Toten zu betrauern...


    "Wir sind nicht aus Rom - wir kommen aus Mogontiacum, Germania Superior. Und da gehe ich auch wieder hin. Lucius bleibt hier und soll sehen, dass er zum Eques erhoben wird und es ein bisschen weiter bringt als sein alter Herr..."


    Er blickte hinüber zu Lucius, an dessen Wange noch immer der Handabdruck zu sehen war - allerdings fiel dieser dem alten Petronier überhaupt nicht auf. Stattdessen ärgerte er sich ein wenig, dass sein Sohn so unfreundlich dreinblickte...

    Das hatte Crispus wohl falsch verstanden - wahrscheinlich hatten sich die Strukturen von Befehl und Gehorsam zu sehr in seine Wahrnehmung eingegraben. Allerdings wechselte der Tiberier sowieso das Thema und kam lieber auf den Grund ihrer Anwesenheit zu sprechen.


    "Naja, die Chancen scheinen nicht so schlecht zu stehen - wir wohnen bei Duccius Vala, der aus unserer Gegend stammt. Naja, aber ich bin mir nicht so ganz sicher - immerhin wird's wohl einen Grund geben, warum die Provinzhauptstadt von Germania Superior nach hundert Jahren immer noch kein richtiges Stadtrecht hat."


    Er machte eine wegwerfende Handbewegung.


    "Aber ehrlichgesagt kenne ich mich in der Reichspolitik auch nicht so richtig aus. Wir haben jedenfalls sicherheitshalber eine Stange Geld in Geschenke für den Kaiser investiert - das wird hoffentlich reichen, ihn dazu zu bewegen, uns weiterzuhelfen. Kostet ihn ja eigentlich nix, soweit ich weiß."

    "Genau."


    brachte Crispus hervor, als der Kaiser sich über die Herkunft der Kronen informierte. Zwar wusste er es nicht so ganz genau - einige der Kronen waren auch aus anderen Städten zusammengekauft worden, da es nicht so viele Goldschmiede in Mogontiacum gab - aber immerhin hatten sie ein Exemplar ausgesucht, das etwas aufwändiger gestaltet war und ringsherum ein Relief mit Ebern hatte. Das war tatsächlich die Idee des alten Petroniers gewesen - der Eber war ja das Wappentier der II. ...


    Während der Kaiser die Krone musterte, blickte Crispus fragend zu seinen Mitgesandten, dann hinüber zu Vala, der die Ehre hatte, die Verleihung des Stadtrechts anzusprechen und dabei auf den absolut städtischen Charakter Mogontiacums, besonders den wirtschaftlichen Reichtum, der sich in den sündhaft teuren Geschenken widerspiegelte, die Verdienste im Bürgerkrieg, das Versprechen ewiger Dankbarkeit - natürlich auch in Form kultischer Verehrung und der Verewigung der kaiserlichen Gens im Namen (ursprünglich hatte man noch mit einem Municipium Ulpium geplant, dann kurzzeitig mit einem Municipium Vescularium und jetzt sollte es wohl ein Municipium Cornelium Mogontiaciensis werden) - und natürlich die namhaften Unterstützer des Ansinnens - neben den postalischen Unterstützern waren auch Germanicus Aculeo und Cossus in Vertretung ihres kranken Vaters erschienen - hinzuweisen. Und natürlich, dass man schon einen Gesetzestext vorbereitet hatte - dessen Vorstellung dann aber wieder Crispus übernehmen durfte.

    Ein Rekrut, soso - unwillkürlich straffte der alte Petronier sich ein wenig, wie er es gegenüber Grünschnäbeln stets getan hatte - auch wenn er heute eigentlich niemanden mehr beeindrucken musste.


    "Nein, ich bin kein Soldat mehr."


    kommentierte er dann die Vermutung des... Tiberius - Tiberius? Den Namen hatte er doch vor ein paar Tagen in den Thermen gehört!


    "Du bist nicht zufällig einer von diesen Tiberii, zu denen auch der amtierende Quattuorvir in urbis purgandis gehört, oder?"


    Der Bursche war auf jeden Fall recht nett und weil er offensichtlich beschlossen hatte, zu den Adlern zu gehen, war er dem Alten sowieso sofort sympathisch. Somit kam er ein bisschen ins Plaudern:


    "Und naja, wir ziehen hier gar nicht ein - nur mein Sohn Lucius hier. Ich bin übrigens Marcus Petronius Crispus, wie gesagt Primipilaris und Veteran der Legio II Germanica."


    Während seiner Vorstellung verfiel er sofort in militärischen Tonfall - das passierte ihm noch immer ständig.

    Erwartungsvoll blickte der alte Petronier zu dem Tiberier hinüber. Hatte er etwas falsches gesagt? War er vielleicht unter der Würde des Quattuorvir mit jemandem zu sprechen, der das Amt nicht einmal ordentlich einordnen konnte und würde gleich wegschwimmen?

    Lucius hielt den Mund - er hatte die Lektion also verstanden. Als der Makler dann aber weg war, tauchte plötzlich ein neues Gesicht in der Tür auf. Der Bursche (er konnte kaum älter als dreißig sein) hatte ein großes Bündel mit Sachen - darunter auch Waffen! Crispus war ein wenig alarmiert - er wusste ja, dass das Waffentragen hier in der Stadt verboten war und wenn es doch jemand tat - dazu noch mit solchen hochwertig verzierten Exemplaren - dann gehörte er wohl zu einer der Stadteinheiten. Die waren ja auch öfter in zivil unterwegs und trugen dann wahrscheinlich auch nicht das Cingulum Militare, das Crispus ja sogar als Veteran stets mit Stolz trug! Dass die Cohortes Urbanae und Praetoriae sich allerdings für familiäre Konflikte interessierten, hatte er nicht gewusst...


    "Hier ist alles in bester Ordnung, Soldat!"


    sagte der alte Petronier schließlich bestimmt - wenn er beim Militär etwas gelernt hatte, dann, dass man nach Möglichkeit bei allen Unstimmigkeiten so wenig Leute einbezog wie möglich. Und schon gar keine Ordnungskräfte!


    Um besonders unverfänglich zu wirken, verschränkte er die Arme hinter dem Rücken und meinte in beiläufigem Ton


    "Besuchst du hier Verwandtschaft oder so?"


    Wenn ein Soldat hier mitten in einem Mietshaus im dritten Stock ein Bündel herumtrug, war ja davon auszugehen, dass er es irgendwie abgeholt oder gebracht hatte. Da ein Soldat aber normalerweise in seiner Kaserne wohnte, war es wohl die Verwandtschaft. Dachte zumindest Crispus.

    Crispus traute seinen Ohren kaum - da besaß dieser Rotzlöffel doch tatsächlich die Frechheit, ihn nach all seinen Mühen, den unverschämt hohen Kosten für diese Wohnung, die beste Ausbildung, die er in Mogontiacum hatte bekommen können und die Etablierung in der mogontinischen Oberschicht, in aller Öffentlichkeit dumm anzumachen!


    Noch bevor er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, war seine Hand vorgeschnellt und hatte Lucius eine Ohrfeige verpasst, dass sein Gesicht zur Seite geschleudert wurde.


    "So nicht, Freundchen!"


    fuhr er ihn an und hielt ihm den ausgestreckten Finger hin. Was bildete dieser Bursche sich eigentlich ein, so mit seinem Vater zu reden? Wenigstens schien er jetzt begriffen zu haben, dass er es zu weit getrieben hatte, denn er machte keine Anstalten, noch weiter aufzumucken.


    Also wandte der Alte sich dem ziemlich perplexen Makler zu und sagte mit deutlich ruhigerer Stimme:


    "Wir nehmen die Wohnung! Armin, zahl die Provision aus!"


    Etwas verdattert nahm Popilius Maro die Münzen entgegen, dann murmelte er nur


    "Die Miete geht an Atilius Pansa, wie gesagt. Dann viel Spaß mit der neuen Wohnung!"


    Damit drehte er sich um und verschwand - scheinbar war er nicht sehr erpicht darauf, noch einen Wutausbruch dieses komischen Kerls zu erleben!

    Crispus zuckte ein wenig zusammen, als Lucius sich so unverschämt aufspielte - er hatte heute Morgen schon mit ihm diskutiert, dass Rom kein Elysium war, in dem jeder bekam, was er sich wünschte und schöne Wohnungen auf der Straße lagen! Er hatte Haakon eine klare finanzielle Grenze mitgegeben und die war mit diesem Objekt schon leicht überschritten! Mehr war definitiv nicht drin!


    Ärgerlich machte er eine wegwerfende Handbewegung und meinte nur


    "Nein, die Wohnung ist völlig ausreichend für ihn!"


    Dann schnappte er sich Lucius Tunica-Ärmel und zog ihn an sich heran.


    "Hör mal zu, junger Mann: Das ist eine Top-Wohnung zu einem Top-Preis! Wir werden hier kein Theater veranstalten, das alles hier ist mehr, als deine Schulkameraden jemals haben werden! Also halt den Mund und sei zufrieden!"


    Damit ließ er ihn wieder los und sah ihn nochmals warnend an.

    Zwar plauderte Crispus auch gern von den alten Zeiten - normalerweise waren das aber seine eigenen und nicht die der Toten. Als Jugendlicher hatte er sich auch einmal für Geschichte interessiert, aber in seiner eigenen Familie kannte er eigentlich nur Onkel Varus als herausragende Persönlichkeit, dann hörte es auch schon auf - kein Grund also, ellenlange Diskussionen über die Ahnen zu führen. Aber die Tiberier waren natürlich eine Patrizierfamilie mit allerstolzester Tradition, also sagte er dazu lieber nichts. Ebensowenig dazu, dass der junge Aristokrat vor ihm scheinbar gar nicht plante, ein Tribunat abzuleisten - soweit er gedacht hatte, musste das jeder Senator! Für den alten Haudegen war dies natürlich nicht sonderlich ruhmreich, denn er hatte den Exerzierplatz immer dem Officium vorgezogen. Andererseits gab es für den Senatsadel natürlich wichtigeres als den Schwertkampf und seit den Zeiten von Vitamalacus hatte sich vieles geändert - er dürfte in etwa der letzte Tribun gewesen sein, den er beim Marschieren erwischt hatte.


    Also war es wohl geschickter, wenn er den jungen Mann eher von seinen wichtigeren Pflichten reden ließ, denn das half Crispus vielleicht ein bisschen, ihn besser einzuschätzen:


    "Dein Collegium untersteht - äh - den Aedilen, oder?"


    riet er ins Blaue - er hatte sich noch nie so intensiv mit diesen Hilfsmagistraten beschäftigt, aber da Straßenreinigung auch in Mogontiacum Aufgabe der Aedilen war, nahm er an, dass er damit richtig lag. Die Vicomagistri waren ja auch anderen Magistraten unterstellt...

    Gefolgt von Lucius marschierte Crispus im strammen Tempo hinter dem Makler das Ufer entlang. Wenn er daran dachte, dass er vor vielen Jahren einmal mühelos Rom mehrfach umrundet hätte, blieb ihm nur ein Seufzen - er war einfach zu alt. Aber immerhin war das hier eine bessere Gegend als die abgehalfterten Mietsbarracken, die sie in der Nacht ihrer Ankunft links und rechts des Weges gesehen hatten. Zumindest hatte der Makler in der Taverne das so behauptet. Er hatte auch behauptet, dass die Wohnung spottbillig war für ihre Größe und ihre Lage! Naja, für den Preis musste sie immerhin riesig sein - und damit vielleicht repräsentativ genug für einen jungen Anwärter auf den Ritterring.


    Also marschierte der Alte klaglos weiter, sah links und rechts repräsentative Anwesen von Händlern und Equites, immer wieder unterbrochen von vielstöckigen Insulae, die gelegentlich nicht sonderlich stabil wirkten. Die Straßen waren hier nicht ganz so eng und verdreckt wie in der Subura - aber das ruhelose Moloch Rom war auch hier zu spüren.


    Schließlich blieb der Makler - er nannte sich Popilius Maro und Haakon hatte ihn in irgendeine Taverne aufgegabelt - vor einem besonders hohen Exemplar einer Insula stehen. Neben der massiven Tür war links eine Garküche, rechts war das Ladengeschäft mit Holzlatten verrammelt. Dafür interessierte Maro sich aber überhaupt nicht, sondern er ging zur Tür, zückte einen Schlüssel und versuchte aufzusperren. Das Schloss schien etwas Widerstand zu leisten, dann aber schwang die Tür zurück und öffnete einen Flur in den Innenhof, den sie nun zusammen betraten.


    "Willkommen in Eurem neuen Heim, die Herren!"


    erklärte der Makler fröhlich und breitete die Arme aus. Hinter ihm öffnete sich ein relativ enger Innenhof mit einer Zisterne in der Mitte. Rundherum war eine sauber gekalkte Wand mit Türen in regelmäßigen Abständen. Darüber eine Ballustrade, dann wieder Türen, dann wieder Ballustrade, Türen, Ballustrade, Türen und so weiter. Insgesamt zählte der Alte sechs Stockwerke - so hoch war nicht einmal die Basilica Germanica in Mogontiacum! In den oberen Stockwerken hingen außerdem Wäscheleinen quer über den Innenhof. Eigentlich ganz nett - wenn es nicht so riesig gewesen wäre. Hier war wohl Platz für mehr Personen als in einem ganzen Kohortenblock des Castellums! Aber so war das eben in Rom - da würde Lucius sich dran gewöhnen müssen!


    "Na sauber."


    kommentierte er schließlich mit einem Seufzer, was dem Popilier wieder strahlen ließ.


    "Ja, nicht? Trans Tiberim mag einen schlechten Ruf gehabt haben, aber momentan gehört er zu den angesagtesten Wohngegenden! In dieser Straße gibt es weniger Ausländer als in jeder Insula auf dem Aventin, das sage ich Dir! Möchtet ihr gleich die Wohnung sehen?"


    Crispus nickte stumm und folgte dem Makler dann über die Holztreppe in den ersten, dann in den zweiten und schließlich in den dritten Stock. Seine Lippenbewegungen verrieten, dass er stumm die Türen zählte, bis er schließlich vor der vierten nach links stehen blieb. An ihr war ein großer Riegel mit Vorhängeschloss angebracht, für das ebenfalls ein Schlüssel gesucht wurde. Dreimal brauchte er, bis er das Schloss endlich geöffnet und abgenommen hatte, sodass sie endlich die Tür zur Seite schwingen konnten - oder eben so weit, bis die Tür auf dem Boden aufsetzte und genügend Platz ließ, um sich in die Wohnung zu schieben.


    Was sie dort erwartete, war allerdings ganz ordentlich: Vor ihnen war ein Vorraum mit einem klapprig wirkenden Bett - eindeutig für den Haussklaven, dahinter führte ein Durchgang in den Hauptraum, der für derartige Mietshäuser tatsächlich einigermaßen geräumig war. Rechts war schließlich ein Vorhang zu sehen, der scheinbar den Schlafraum abtrennte. Dummerweise waren alle Räume leer und an den Wänden erinnerten helle Flecken daran, wo einmal eine Kline, ein Regal und eine Truhe gestanden hatten.


    "Sehr ihr? Eine unfassbar geräumige Wohnung für den Preis! Der Vater kann hier schlafen-"


    Er zog den Vorhang beiseite und ließ damit das Licht des kleinen Fensters in einen finsteren Raum fallen, in dem längs ein altes Bett ohne Matratze stand.


    "-und der Sohnemann auf der Kline. Und der Sklave-"


    Er deutete zuerst auf Armin, der ebenfalls mitgekommen war, dann auf den Durchgang zum Vorraum.


    "-bekommt die Pritsche dort vorn. Damit sind alle bestens untergebracht!"


    Zufrieden lächelte er in die Runde.


    Crispus kratzte sich nachdenklich am Kinn. Im Grunde war diese Wohnung vergleichbar mit dem, was er damals als Centurio in der Kaserne gehabt hatte. Sicherlich war das nicht so viel wie die Domus in Mogontiacum, aber immerhin - für Rom sicherlich ganz ordentlich!

    Scheinbar ging es Avarus tatsächlich nicht nur momentan nicht so gut - was man sich aber auch hätte denken können, so routiniert wie sie auf den Schwächeanfall des Senators reagiert hatten. Trotzdem war das natürlich ziemlich ungünstig... Ihre beiden verbliebenen Gesprächspartner gehörten offensichtlich nicht dem Senat an, waren aber zumindest - wie sich jetzt herausstellte - enge Verwandte. Wobei er sich bei dem jüngeren nicht so ganz sicher war...


    "Äh - ich weiß - äh - kenne dich leider noch nicht. Wir sind gerade erst in Rom angekommen und konnten uns noch nicht so recht schlau machen..."


    entschuldigte er dann seine Unkenntnis dieses Cossus. Der Sohn eines Senators konnte seinen Vater vielleicht vertreten - wobei ein Neffe vielleicht auch dazu taugte...


    Die Vorschläge Aculeos brachten sie nämlich leider nicht weiter, wie der Ovinier neben ihm direkt bemerkte:


    "Duccius Vala ist ein Verwandter unseres langjährigen Duumvir Duccius Marsus. Wir haben ihn bereits kennen gelernt und sind seine Gäste. Er hat uns seine Unterstützung bereits zugesagt."


    "Aber - äh - danke für den Hinweis."


    warf Crispus ein, um nicht ganz so abweisend zu klingen.


    "Wenn dein Onkel uns eine schriftliche Empfehlung mitgeben könnte, wäre das vielleicht auch nützlich, oder?"


    Etwas unsicher sah er zu Patulcius Merula und Ovinius Sabinus, die beide unschlüssig mit den Schultern zuckten. Wenn der alte Petronier sich recht erinnerte, hatte Vala auch vorgeschlagen, die schriftliche Unterstützung seines Patrons und des Consuls zu organisieren...

    Voller Spannung marschierten die Gesandten den Weg hinauf auf den imposanten Palast hinauf, bis sie schließlich in der Aula Regia standen, wo man sie erneut warten ließ. Crispus betrachtete neugierig den prächtigen Bau und riskierte den einen oder anderen ehrfürchtigen Blick auf den Thron, von dem aus der Imperator sein Reich regierte. Ihre Geschenke wurden unterdessen ein wenig weiter hinten platziert - versteckt hinter den Decurionen, aber auch weiteren Bittstellern, die scheinbar heute ebenfalls empfangen wurden.


    Kurze Zeit später erschien der Kaiser und der alte Petronier reckte zusammen mit den anderen Bittstellern den Kopf, um einen Blick auf den mächtigsten Mann des Reiches zu ergattern. Crispus war fast ein bisschen enttäuscht - der Sieger des Bürgerkriegs war weder sonderlich groß, noch sonderlich hübsch. Vielmehr sah er eher ein bisschen alt und verbraucht aus - strahlte aber zumindest so etwas wie Erhabenheit und Tatkraft aus. Zumindest glaubte Crispus das...


    Vor ihnen wurden andere, hochrangige Bittsteller empfangen. Allerdings hatte der Alte keine Zeit, darauf zu achten, was sie vortrugen - er war viel zu sehr damit beschäftigt, nervor seine Armillae zu drehen und seine Füße zu betrachten. Dann endlich - oder viel zu früh - rief der Herold die Gesandtschaft von Mogontiacum auf.


    Eigentlich hatte Crispus schon einiges erlebt - er hatte als Primus Pilus Reden vor der ganzen Legion gehalten, hatte sich als Decurio in die politische Höhle des Löwen und schon mit einigen Senatoren verkehrt - aber mit dem Kaiser plaudern war doch etwas anderes. Seine Knie fühlten sich richtig weich an, als er auf den Thron zumarschierte und sich verneigte.


    "Salve, Imperator!"


    grüßte er den Cornelier in seiner Nervosität fast ein bisschen zu laut. Er räusperte sich kurz, dann fuhr er fort:


    "Wir sind die Gesandten der Civitas Mogontiacum, der Sitz deines ehrenwerten - äh - Legatus Augusti pro Praetore der Provinz Germania Superior. Wir sind hier um Dir im Namen aller Bewohner des Oppidum und der ganzen Civitas unsere besten Wünsche anlässlich - äh - Deiner Thronbesteigung zu überbringen!"


    Neben ihm trat nun Ovinius Sabinus hervor, der den zweiten Part der Begrüßung zu übernehmen hatte:


    "Wir sind den weiten Weg vom Rhenus hierher gekommen, um Dir, o Imperator, als Zeichen unserer guten Wünsche einige bescheidene Geschenke darzubringen in der Hoffnung, dass sie Dich erfreuen mögen:"


    Nun trat der fette Sabinus wieder beiseite und die Träger brachten die persönlichen Gaben heran: Zuerst öffneten sie die Truhe mit Bernstein, dann wurden auch Pelze und die Terra-Sigillata-Keramik ausgepackt. Dazu ergriff Orchius Duilianus das Wort:


    "Wir bringen Dir, o Imperator, die Erzeugnisse unseres Landes: Bernstein von den Küsten der germanischen Meere, die Pelze wilder Tiere aus den undurchdringlichen Wäldern Germaniens und die irdene Gefäße, Kunstwerke unserer Handwerker aus dem Ton des Rhenus!"


    Blieb noch das Kronengold, das natürlich nicht vollständig hier herauf geschleppt worden war. Hierfür war schließlich Tongilius Strabo an der Reihe:


    "Um Dich bei den Lasten der Regierung zu unterstützen und als Zeichen unserer Unterwerfung unter Deine Gunst, haben wir Dir, o Imperator, gemäß den Mores Maiorum außerdem goldene Kronen im Wert von 50 000 Sesterzen mitgebracht."


    Symbolisch hielt er eine der Goldkronen hoch und übergab sie an einen Palastsklaven, damit dieser sie an den Kaiser weiterreichen konnte. Blieb abzuwarten, ob er sich davon beeindrucken ließ - wenn ja, würde ihr senatorischer Fürsprecher eine günstige Gelegenheit haben, ihre Treue noch einmal zu betonen und ihr eigentliches Anliegen aufs Tableau zu bringen...

    Erstaunt und besorgt verfolgte Crispus, wie der Senator sich zurückzog. Glücklicherweise schienen die beiden anderen - die sich aber leider immer noch nicht vorstellten - bevollmächtigt zu sein, die Regie zu übernehmen. Also beschloss der Alte, einfach mit den beiden jungen Männern weiterzuverhandeln:


    "Naja, es wäre natürlich - äh - günstig, wenn der Senator uns bei unserer Audienz begleiten würde und - äh - naja, das Wort für uns ergreifen würde."


    Ob der Germanicer in seinem Gesundheitszustand überhaupt dazu in der Lage war? Vielleicht hätte er sich vorher informieren sollen, wie es dem Stadtpatron eigentlich ging...

    Da musste der alte Petronier nicht lange überlegen - auch wenn das letzte Zusammentreffen, ja selbst der Tod seines Patrons schon Jahrzehnte zurücklag, so hatte er ihn doch noch sehr genau vor sich: Ein langer, schmaler Mann mit einem ebenso langen, schmalen Gesicht, das nie zu lachen schien. Vitamalacus war für ihn immer ein Soldat gewesen - auch nach der Rückkehr aus Rom, wo er in der Politik mitgemischt hatte, war er immer der alte Centurio geblieben, der ihn ausgebildet hatte, der neben ihnen über den Exerzierplatz gerannt war und sich für keine Übung zu schade gewesen war! Genaugenommen war der Tiberier nicht nur ein Patron und Unterstützer gewesen, sondern auch ein Vorbild, dem der Alte irgendwie immer nachgeeifert hatte, selbst wenn es ihm nicht bewusst war - auch er hatte es letztlich zum Politiker gebracht und auch er sehnte sich insgeheim zurück nach der Zeit unter den Adlern!


    Diese Gedanken übermannten ihn ein wenig und ließen ihn versonnen ins Leere starren. Erst als er bemerkte, dass Lepidus ihn erwartungsvoll ansah, kehrte er aus seiner Gedankenwelt zurück und sagte


    "Er war..."


    Er stockte - wahrscheinlich gefiel es einem jungen Aristokraten wenig zu hören, dass sein Verwandter mit einem gemeinen Soldaten durch den Dreck gekrochen war...


    "...ein Soldat, durch und durch. Ein begnadeter Offizier, der mit seinen Männern durch jede Mühe und jede Gefahr gegangen ist. Er hat immer Höchstleistungen verlangt - von sich und von anderen."


    Das hatte nicht jedem gefallen - auch Crispus nicht, bis er eines Tages selbst Offizier gewesen war und gelernt hatte, dass man manchmal nur an der Überforderung wuchs...