Als der Gode zu beten begann, legte Crispus den Saum seiner Toga über den Hinterkopf - diese Gebetsgeste konnte sicherlich nicht schaden, auch wenn er nicht alle Wesenheiten kannte, die angerufen wurden. Er nahm an, dass sie eine Art Laren und Penaten waren. Als endlich sämtliche Geistwesen mit dem Blut des Bocks besänftigt worden waren (oder zumindest nahm er an, dass dies die Bedeutung des Rituals war), kam er an die Reihe.
Prompt trat Gallicus heran, der heute als Opferhelfer fungierte. Aus der Domus Petronia hatte er einen Foculus und einen Opferkuchen mitgebracht, die heute für die römischen Götter bestimmt waren:
"Mutter Iuno, ich bitte dich mit diesem Kuchen, sei diesem Paar wohlgesonnen und gnädig, segne sie wie ihre Kinder, ihr Haus und ihre Sklavenschaft. Ich bitte dich, gewähre diesem Paar und den Kindern, die aus ihrer Verbindung hervorgehen werden, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft deinen Schutz."
begann er zu beten, während er seine Handflächeln zum Himmel reckte. Dann wandte er sich nach rechts zu seinem Minister und legte den ersten Kuchen auf den Altar, wo er stinkend zu verbrennen begann.
"Mutter Tellus, ich bitte dich mit diesem Kuchen, sei diesem Paar wohlgesonnen und gnädig, gewähre ihnen wie ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft deine nährende Kraft und Fruchtbarkeit."
Der zweite Kuchen wanderte in die Flammen.
"Mutter Ceres, ich bitte dich mit diesem Kuchen, sei diesem Paar wohlgesonnen und gnädig, gewähre ihnen wie ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft deine reifende Kraft und dein Wachstum."
Den dritten Kuchen legte der Pontifex auf den bereits völlig verkohlten ersten Kuchen, sodass er vorerst nicht sofort brannte. Schließlich wurde noch ein vierter Kuchen hinzugefügt:
"Pilumnus und Picumnus, ich bitte euch mit diesem Kuchen, seid diesem Paar wohlgesonnen und gnädig, gewährt ihnen wie ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft eure nährende und schützende Kraft."
Damit war das Voropfer vollzogen. Als Pontifex und Decurio wollte der Petronier es sich aber auch nicht nehmen lassen, ein ebenso prestigeträchtiges Opfertier wie die Duccier aufzufahren. Deshalb musste Gunda nun ein Schaf, das sie an einer Kordel gehalten hatte, herbeibringen. Gallicus, der nun die Hände frei hatte, nahm es entgegen und führte es in den Ritualkreis. Der Anblick erinnerte Crispus, dass Lucius sich ausnahmsweise geweigert hatte, den Opferhelfer zu spielen - wahrscheinlich wollte er langsam als Erwachsener gelten und nicht mehr wie ein Kind wie ein Diener behandelt werden. Diesmal hatte der Alte seinen Sohn auch nicht gezwungen - er wollte sich die Freude über die Verbindung nicht durch Streitigkeiten verderben!
"Mutter Iuno, ich bitte dich, nimm dieses Opfer zu deinen Ehren an, sei den Brautleuten wohlgesonnen und gewähre ihnen deinen gütigen Segen!"
betete er und zog ein Culter, das Zeichen seines Amtes, aus dem Gürtel unter der Toga. Mit dem Messerrücken fuhr er über den Widerrist. Dann wurde das Tier wieder Gallicus anvertraut, der nun seinerseits ein Messer hervorholte.
"Agone?"
fragte er und blickte zu Crispus. Und Crispus nickte.
"Age!"
Blitzschnell wurde die Klinge über die Kehle gezogen und Blut spritzte. Das Schaf gab ein angstvolles Blöken von sich, dann brach es zusammen. Schweigend beobachte die Gemeinde, wie nach und nach der Lebenssaft aus dem Tier rann, bis es völlig zur Ruhe kam. Dann erst öffnete Gallicus den Körper des Tieres und zog die Innereien hervor. Crispus nahm sie entgegen und verbrannte sie direkt auf dem Foculus - er hatte wenig Ahnung von Eingeweideschau und vertraute einfach darauf, alles richtig gemacht zu haben.
Während die Innereien mit dem Opferkuchen langsam verkokelten, wandte Crispus sich nochmals nach rechts um und damit dem Brautpaar zu.
"Der Segen unserer Götter ist mit euch!"
Damit war sein Part bei der Hochzeit beendet. Er nahm die Toga vom Kopf und sah erwartungsvoll auf das Paar, das nun an der Reihe war.