Der Festtag der Fortuna Redux war ein Feiertag für Soldaten - auch wenn Crispus um diese Jahreszeit nie auf Kriegszug gegangen war, hatten seine Kameraden und er diesen Feiertag Jahr für Jahr begangen - früher oder später konnte es einen ja erwischen. Auch wenn er jetzt schon seit Jahrzehnten nicht mehr bei den Adlern war, musste er an diesem Tag doch immer an seine Kameraden denken, besonders an die, die nach ihren Operationen nicht mehr zurückgekehrt waren. Obwohl er nur in Friedenszeiten gedient hatte, waren sowohl damals, als sie gegen die Piraten gekämpft hatten, als auch bei der Strafaktion gegen die Banditen bei Borbetomagus nicht alle zurückgekehrt - irgendwen erwischte es immer.
Und dieses Jahr war sogar die ganze Legion ausgerückt - nicht zu einer kleinen Strafaktion mit großer Übermacht wie zu seinen Zeiten, sondern in einen blutigen Bürgerkrieg. Diesmal würden garantiert Männer sterben - gute Männer, abgeschlachtet von anderen Römern. Obwohl er es manchmal vermisste, nicht doch die Option angenommen zu haben, als Evocatus noch den Praefectus Castrorum zu machen, beneidete er seine Kameraden nicht. Stattdessen spürte er ernste Sorge um die Männer, die er noch bei der Truppe kannte. Manchen von ihnen hatte er damals selbst ausgebildet.
Deshalb hatte er beschlossen, den Feiertag zu nutzen und seinen Beitrag zu leisten, dass möglichst viele der Männer gesund und wohlbehalten zurückkehrten. Tatsächlich hatte er weder Kosten, noch Mühen gescheut und ein Lämmchen von seinen Auftragswebern gekauft - das mochte keine gewaltige Opfergabe sein, doch immerhin war es deutlich mehr als üblich. Auch seiner gesamten Familie hatte er Bescheid gesagt, selbst wenn nur Lucius und Morag kommen mussten - ob Octavena sich so sehr dafür interessierte, wusste er nicht recht und strenggenommen war es ja auch nicht notwendig, dass sie anwesend war. Das Opfer würde so oder so ankommen.
So standen sie vor dem Lararium, auf dem leider keine Statue stand - die Petronier hatten zwar Statuetten für die Laren, den Genius und auch für Iuppiter, Mars, Iuno und Minerva, aber eine eigene Fortuna gab es nicht. Aber das war ja auch egal, denn die Statue half ja sowieso höchstens den Opfernden.
Nachdem er kurz überlegt hatte, was er sagen wollte, legte er seine Toga über den Hinterkopf und begann mit dem familienüblichen Anfangsgebet an Ianus, das der Alte selbstverständlich seit Kindesbeinen auswendig konnte:
"Ianus, Durchgang, du Tor zur Götterwelt!
Wie der Weihrauch zum Himmel steigt, so trägst du unsere Bitten zu den Unsterblichen.
Nimm an diese duftenden Kräuter und trage meine Bitten hinauf zu Fortuna Redux."