Auf dem Forum hatte Crispus das Edikt gelesen, dass die Staatstrauer ausrief und war nach Hause geeilt. Er war kein Freund von Geschwätz über die kaiserliche Familie oder senatorische Intrigen, weshalb er wenig mehr gewusst hatte, als dass der Kaiser einen Sohn namens Maioranus hatte, der wenig in Erscheinung getreten war. Nach einigen Nachforschungen erfuhr er aber, dass der Praefectus Urbi sich auch an alle Römer gewandt hatte, dass der Kaiser und auch sein Sohn zu allem Überfluss ermordet worden waren - das war tatsächlich geeignet, auch einen alten Veteranen in Unruhe zu versetzen! Deshalb ließ er seinen Sohn vom Rhetor abholen und in sein Tablinium bringen.
"Lucius, es gibt wichtige Neuigkeiten! Ich hab' auf dem Markt gehört, dass der Kaiser ermordet wurde!"
"Ja, Eumenius hat den ganzen Vormittag damit verbracht, historische Beispiele für fragliche Thronfolgen durchzukauen."
Crispus stutzte - der Unterricht beim Rhetor war vielleicht doch keine so schlechte Idee gewesen, auch wenn es um sehr viel unnützes Gerede ging, wie er manchmal glaubte. Zum Ausgleich musste man dem Jungen ein bisschen Waffentraining angedeien lassen - was vielleicht jetzt auch nützlich sein konnte.
"Ah, gut. Und, was passiert jetzt laut Eumenius?"
"Naja, er meint, es würde vielleicht Krieg geben - so wie nach Neros Tod. Oder dieser Praefectus Urbi krallt sich dich Herrschaft gleich. Aber scheinbar ist es kein Geheimnis, dass der Senat ihn nicht besonders mag..."
Die Art und Weise, wie Lucius diese Perspektive ausbreitete, überraschte Crispus ein wenig. Er selbst hatte den Bürgerkrieg damals nicht wirklich erlebt, aber seine Eltern hatten ihm davon erzählt. Galba war in Tarraco gesessen, bevor er nach Rom gegangen war, um Kaiser zu werden, aber der Krieg hatte eigentlich nur in Italia getobt. Trotzdem wusste Crispus nur zu gut, was Krieg bedeutete - er hatte selbst Terror verbreitet.
"Das klingt gar nicht gut, Lucius. Germania ist ein wichtiger Faktor, denn hier sitzen eine Menge Legionen. Aber ich glaube, Salinator hat viele Freunde in Illyricum. Wir sollten also aufpassen, wie der Statthalter sich verhält und uns notfalls bereit halten, um zu fliehen."
Zwar bevorzugte Crispus es eigentlich, seinen Mann zu stehen und zu kämpfen - aber wenn sich ein paar Senatoren die Köpfe einschlugen und nicht abzusehen war, wer gewann, war es klüger, nicht zwischen die Fronten zu geraten. Andererseits bot ein Krieg natürlich auch Möglichkeiten zum Aufstieg...vielleicht konnte er Lucius ja bei irgendeiner Legion unterbringen...
"Wieso fliehen, Vater? Und wieso sollte der Krieg hierher kommen? Wird das ganze nicht sowieso in Italia stattfinden?"
fragte Lucius verständnislos. Und wahrscheinlich hatte er Recht...
"Wir werden seh'n, Lucius, wir werden seh'n..."