Auch Crispus hatte sich selbstverständlich gut auf diese Zusammenkunft vorbereitet. Im Voraus war er noch einmal gemeinsam mit Privatus alle wesentlichen Punkte seines Entwurfes dieser Kapitalgesellschaft durchgegangen. Dann jedoch war er in die Therme, hatte sich rasieren lassen und außerdem eine frische Tunica angezogen. Sie stammte aus seiner Officina, war jedoch wesentlich hochwertiger als die Legionärshemden, die dort sonst produziert wurden. Eine hochwertige Toga hatte er noch von seinem Amtsantritt als Magistratus, daher hatte er an dieser Stelle gespart.
Nachdem er sich persönlich fertig gemacht hatte, war er noch einmal das Haus durchgegangen. Die Organisation des Essens und des Drumherums hatte er Crispina anvertraut - natürlich nicht ohne eine eindringliche Warnung, was passieren würde, wenn sie wieder irgendwelche Mätzchen machte. Doch als er durch das Haus ging, das auf Hochglanz gebracht worden war, konnte er nichts aussetzen. So ging er in das Triclinium und setzte sich auf die Kline, Privatus nahm an einem Tischchen Platz, an dem er heute Abend Protokoll führen sollte. Wie immer, wenn es sehr wichtig wurde, wurde der Petronier von Minute zu Minute nervöser, holte sich von Privatus die Tabula mit den Stichpunkten, ging zurück auf seinem Platz, um erneut aufzustehen und auf- und abzugehen.
Dann endlich hörte er Geräusche, die nicht aus der Küche, sondern aus dem Garten kamen. Rasch eilte er hinaus - einem Statthalter kam man schließlich entgegen! - doch Vinicius war bereits eingetreten und stand mit seinen Leibwächtern und den übrigen Gästen im Garten. Mit einer Geste zog er Lucius herbei und trat dann vor die Gäste.
"Salve, Legatus Vinicius! Ich freue mich, dass Du mich mit Deinem Besuch beehrst. Darf ich Dir einen Becher Wein anbieten?"
Wo war nur Crispina mit dem Weintablett? Oder Gunda? Naja, wer auch immer - er sollte am besten jetzt auftauchen! Aber halt, jetzt hatte er Lucius ganz vergessen. Mit einem leichten Stoß ließ er den Knaben vortreten und meinte
"Das ist übrigens mein Sohn Lucius."
"Salve, Legatus Vinicius!"
grüßte der Neunjährige brav, wie Crispus es ihm eingebläut hatte. Eine Hürde war genommen, folgten die weniger delikaten Begrüßungen:
"Salve, Reatinus, salve Hadrianus. Ich freue mich natürlich auch, dass ihr gekommen seid! Darf ich euch auch meinen Sohn Lucius vorstellen - naja, Reatinus, du kennst ihn ja schon."
"Salve, Artorius, salve Hadrianus!"
begrüßte Lucius auch die anderen beiden Gäste. Hatte die Erziehung des Jungen doch etwas gebracht! Er sah sogar ausnahmsweise nicht ganz so ängstlich drein, wie sonst. Aber irgendwie auch fast ein wenig zu lebensfroh - ein bisschen mehr Unterwürfigkeit vor dem Statthalter wäre vielleicht doch besser gewesen...