Beiträge von Marcus Petronius Crispus

    Tatsächlich fiel auch Crispus auf, dass Ragin ein ganzes Stück gewachsen war (obwohl er ihn natürlich unter dem Namen Duccius R. kannte). Aber so war das eben mit der Jugend: Man wuchs und wuchs! Es wurde auch Zeit, dass sein kleiner Lucius endlich einen Wachstumsschub machte! Und was der junge Duccius alles seit ihrem letzten Treffen erlebt hatte! An der Schola war er also gewesen, hatte wahrscheinlich auch ein bisschen mehr Kultur gelernt, denn das Museion war sogar einem alten Legionsveteranen bekannt! Und dazu hatte er auch noch eine staatliche Anstellung gefunden!


    "Die Stadtverwaltung! Respekt!"


    meinte Crispus. Für eine stadtadelige Familie, wie es die Duccier hier offensichtlich war, war es eigentlich nicht ungewöhnlich, dass ihre Sprösslinge sich bereits am Beginn ihres öffentlichen Lebens in der Stadt bekannt machten, indem sie eine Magistratur bekleideten. Auch Crispus hatte derartige Pläne für seinen kleinen Lucius - wenn er denn endlich einmal etwas fleißiger lernen würde!


    Und dann kam auch Capitolinus heran. Seine Begrüßung war fast ein wenig überschwänglich. Ein grandioser Aufstieg? So hätte er seine Magistratur nicht bezeichnet. Aber immerhin war es ein Anfang für eine grandiose Karriere...irgendwann vielleicht.


    "Salve, Hadrianus! Kennt ihr euch bereits?"


    fragte er die beiden. Eine präventive Vorstellung vermied er lieber, da er den vollständigen Namen des jungen Duccius nicht mehr wusste. Abgesehen davon kannten sich hier doch sowieso alle - es würde ihn nicht wundern, wenn sie sogar irgendwie verwandt waren!

    Westlich von Mogontiacum befanden sich einige Dörfer, die zur Civitas Mogontiaciensis gehörte. Die Bewohner waren Peregrini, ihr Land war formell Eigentum des römischen Staates, weshalb sie auch kaum Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen hatten. Nur ihre Vicani konnten im Ordo Decurionum sprechen, die anderen Einwohner mussten von ihrer bescheidenen Landwirtschaft leben oder fertigten zu Hause Produkte, die sie auf dem Markt in Mogontiacum anboten.


    Genau diese mehr oder wenigen Rechtlosen hatte sich Petronius Crispus ausgewählt für seine Geschäfte, denn wer wenig Rechte hatte, den konnte man auch besser übers Ohr hauen. In diesem Fall handelte es sich um Bauern mit Schafen, die zu Hause ihre Wolle sponnen und zu Stoffen webten. Seine Angestellten mussten dann nur noch kommen und die Stoffballen abholen, um sie in die Fabrica am Hafen zu bringen. Natürlich waren die Preise schlecht und die Verträge ungerecht, sodass mancher Weber Schwierigkeiten hatte, die vertraglich festgelegten Mengen zuverlässig und termingerecht zu liefern.

    Crispus runzelte die Stirn, als das Mädchen ihm eine Geschichte erzählte, die er gar nicht hatte wissen wollen (oder zumindest nicht danach gefragt hatte). Offensichtlich konnte sie wirklich noch nicht besonders gut Latein - wie konnte man seine Kinder nur ohne diese Sprache aufwachsen lassen? Heutzutage war so etwas doch geradezu unübertrefflich wichtig! Aber der Junge erklärte es kurz darauf: Hinterwäldler! Kein Wunder, dass sie sich über die römische Baukunst wunderten!


    "Oh, ein paar Monate - im Winter dauert so etwas immer ein bisschen länger. Die Brücke war ziemlich stark beschädigt, müsst ihr wissen!"


    erwiderte er in einem Ton, als wären Bauarbeiten innerhalb kurzer Zeit und im Winter das Normalste der Welt für einen Römer - was es aber definitiv nicht war!

    Obwohl Crispus sich bei der letzten Sitzung ein wenig geärgert hatte und insbesondere bei einer seiner letzten Amtshandlungen, der Einweihung der Brücke wenige Decuriones aufgetaucht waren, erschien er auch heute in der Curia, um seine Ehrenrechte wahrzunehmen.


    Als er den Saal betrat, stellte er fest, dass ein junger Mann dort stand, den er doch irgendwoher kannte (und es waren nicht die Sitzungen des Ordo Decurionum!). Richtig! Aus den Thermen kannte er ihn! Ein Duccius...Duccius...Duccius R...naja, irgendetwas mit "R". Aber was tat der hier? Wollte er nicht zur Legion? Oder hatte er es sich anders überlegt, von seiner Familie etwas finanziell unterstützen lassen und wollte nun doch lieber Politiker werden?


    "Salve, Duccius! Was machst du denn hier?"

    Crispus hatte von der Versetzung seines Freundes gehört und da er wusste, wie aufwändig die Vorbereitungen für eine solche waren, kam er selbst ins Castellum, um sich noch einmal zu verabschieden. Er wusste nicht genau, wann der Artorier gehen wollte, doch der Zufall wollte es, dass er gerade noch rechtzeitig erschien. Bereits von weitem erkannte er, dass Reatinus wohl schon aufsteigen wollte und beeilte sich, rascher näher zu kommen.


    "Reatinus, warte!"


    rief er bereits vor Ferne und als er näher kam, fiel er seinem Freund japsend in die Arme. Seit seiner Entlassung hatte sein Leibesumfang stetig zugenommen und inzwischen bereitete ihm sogar ein solch kurzer Spurt gewisse Schwierigkeiten - er sollte unbedingt ein wenig aktiver werden!


    "Den Göttern sei Dank *keuch* - du bist noch da!"


    begrüßte er ihn.

    Zwei Germanen kamen dazwischen und sprachen den Sacerdos auf Germanisch an. Glücklicherweise hatte Crispus in der Zeit seiner Stationierung ein paar Brocken des örtlichen Dialekts gelernt, sodass er grob verstand, worum es ging.


    "Ah, sehr erfreut."


    erwiderte er die Vorstellung und musterte die beiden genauer. Der Junge war wohl noch recht jung, sein Haar wirkte beinahe etwas ungepflegt und auch sein Bart war nicht so dicht und lang, wie man es von vielen Germanen kannte. Dafür wirkte das Mädchen umso germanischer: Sie war fast etwas größer als Crispus, blond und blauäugig. Als Sklavin hätte sie sicherlich einen guten Preis gegeben, doch sie war römische Bürgerin, wie er feststellte.


    "Lebt ihr schon länger in Mogontiacum?"


    fragte er dann auf Latein. Er konnte sich nicht erinnern, die beiden schon einmal gesehen zu haben, doch man konnte nie wissen. Zumindest die germanische Sprache, die sie verwendeten, sprach dafür, dass sie üblicherweise nicht unter Römern lebten.

    Kaum hatte er zur Küche geblickt, als auch schon Crispina auftauchte und den nächsten Gang auftrug. Ihm lag bereits auf den Lippen, ob sie sich nicht zu ihnen gesellen wollten, doch ihr Blick hatte wieder einmal eine neue Höchstform an Distanziertheit und Hass erreicht. So unterließ er es lieber und wollte gerade weiterreden, als sie das Essen auf den Tisch knallte.


    Was hatte sie denn jetzt schon wieder? Er hatte er ihr doch gar nichts getan? Bisher war doch alles so gut gegangen! Hatte er vergessen, irgendeiner Gottheit zu opfern, die sich nun durch Crispina an ihm rächte? Ihre Einflüsterungen ließen seine Fassade jedoch zerbrechen: "Ich hoffe es schmeckt dir und hilft beim Denken." - diese und die folgenden Worte drangen leise an sein Ohr, und doch drangen sie sofort in seinen Geist und ließen ihn die Augen aufreißen. Was bildete sie sich ein? Musste sie ihn nun sogar vor dem Statthalter und seinen Geschäftspartnern bloßstellen? Oder hatten sie es nicht gehört? Hoffentlich! Ihm blieb keine Zeit, das Gesagte zu reflektieren, sondern beeilte sich, seinen Mund, der sich bereits zu einer Erwiderung geöffnet hatte, zu schließen. Was bildete sich dieses Gör ein? Glaubte sie, der Ruhm Roms war auf Menschenfreundlichkeit und Gnade gegründet? War das der Dank der Stadtrömer dafür, dass sich Soldaten an den Grenzen des Imperiums die Finger schmutzig machten und in vielen Fällen noch von Albträumen geplagt wurden? Die hatten doch keine Ahnung, wie ihr Wohlstand und Frieden bezahlt wurde! Einen Augenblick erinnerte sich an den letzten Mord, den er begangen hatte: Es war ein halber Knabe gewesen, den er im Wald bei Borbetomagus erschlagen hatte. Noch immer konnte er sich gut an das Gefühl des warmen Blutes auf seinem Arm erinnern. Und dennoch war es richtig gewesen!


    Als er geistig wieder zur Runde zurückkehrte, fühlte er sich angestarrt. Sicherlich war es den Gästen nicht entgangen, dass irgendetwas nicht stimmte - das durfte nicht passieren! Wie sah das denn aus? Einen Augenblick rang er nach einer plausiblen Erklärung, dann meinte er


    "Entschuldigt, ich muss euch leider sagen, dass wir keine Datteln bekommen haben. Wir müssen uns zum Nachtisch wohl mit heimischem Obst begnügen."


    Er versuchte, ein Lächeln zustande zu bringen. Vermutlich sah es völlig aufgesetzt aus - diese Kunst beherrschte er leider noch nicht. Es musste rasch ein neues Thema finden - am besten eines, das nicht so heikel war!


    "Hat man eigentlich etwas über den Brand im Hafenviertel gehört? Wie konnte das passieren?"


    Vor kurzem hatte er davon gehört und glücklicherweise kam es ihm gerade jetzt - zum rechten Zeitpunkt - in den Sinn!

    Bitte als Mutter von Torquatus Petronia Fabia eintragen, als Vater einen gewissen Tiberius Sulpicius Torquatus, einen ehemaligen Legionär der Legio I (der allerdings unglücklicherweise vor Ende seiner Dienstzeit starb, weshalb Torquatus den Namen seiner Mutter trägt).

    [Blockierte Grafik: http://img14.imageshack.us/img14/7499/luciusgrer.jpg]| Lucius Petronius Crispus


    Inzwischen lasen die Knaben der Xanthos-Schule die römische Literatur ganz gut. Nachdem sie Caesar hinter sich gelassen hatten, hatte sich Xanthippus eine neue Teufelei ausersonnen: Nun wartete er den Jungen auch noch mit einer zweiten Sprache, dem Griechischen, auf. Das war zu viel für Lucius: Er hatte vor kurzem erst einen sicheren Umgang mit den lateinischen Buchstaben erreicht - nicht zuletzt aufgrund der Nachhilfe seiner Cousine - doch nun zeigte sich, dass diese verflixten Buchstaben auch noch andere Bedeutung erhalten konnten und noch einmal ergänzt wurden. Lucius war sich von Anfang an sicher, dass er es niemals schaffen würde, diese Sprache wirklich zu beherrschen.


    Doch eine Sache war zumindest tröstlich: Xanthippus hatte angekündigt, dass die Griechen große Philosophen hervorgebracht hatten. Zwar sagten Lucius Namen wie Epikur oder Platon nichts, aber dafür kam ihm der Name eines gewissen Thales bekannt vor - hatte der nicht etwas mit Geometrie zu tun? Und auch andere Namen klangen interessant, nachdem Xanthippus diese als große Mathematiker vorgestellt hatte. Das hatte ihm auch die Angst vor den Buchstaben etwas genommen und er begann eifrig zu lernen. Diese Hoffnung wurde jedoch enttäuscht, denn diese verfluchte Sprache erwies sich als unglaublich schwierig und die Hoffnung, auch nur jemals einen Text dieser Philosophen zu lesen, versank in einem Meer aus Angst vor dem Aufrufen, verzweifeltem Anstarren von Buchrollen und Furcht vor der Schelte des Vaters beim Nach-Hause-Kommen.


    Eine seltene Freude blieb jedoch der Unterricht in Arithmetik und Geometrie, den Xanthippus sehr schätzte - wie auch Lucius, denn komischerweise machten ihm Zahlen wesentlich weniger Schwierigkeiten als Buchstaben, Worte und Sätze. Und das Beste: Darin war er wesentlich besser als Caius und konnte sogar mit Iulius gleichziehen!


    "Caius, wie groß ist der Winkel hier?"


    Mit seinem Zeigestab deutete der Lehrer auf eine Wandkarte, auf der ein geometrisches Gebilde aufgezeichnet war. Caius blickte das Bild abschätzig an und zuckte mit den Schultern.


    "Woher soll ich das wissen?"


    "Indem du hier ein bisschen aufpasst!"


    erwiderte Xanthos gereizt. Trotz allen Hasses auf Caius bewunderte Lucius seinen Klassenkameraden: Ihm schien der Tadel des Lehrers überhaupt nichts auszumachen, er zeigte sich vielmehr völlig unbeeindruckt davon! Er selbst wäre vermutlich sofort im Boden versunken, wenn Xanthos ihn so angefahren hätte. Doch andererseits nährte dies auch seinen Hass auf den vornehmen Jüngling: Wie konnte man nur so respektlos sein? Er glaubte wohl, bloß weil sein Vater ein Magistrat war, konnte er sich alles erlauben! Naja, der bekam ja sowieso alles hinterhergeschmissen! Doch auch Xanthos konnte nichts unternehmen, denn Vinicius, der Vater von Caius, hielt seinerseits ebenfalls nichts von Geometrie und sorgte nicht dafür, dass sein Sohn die Strafarbeiten im mathematischen Bereich machte. Also ging er weiter.


    "Antonius?"


    Auch der kleine Antonius machte einen Versuch. Wie immer, wenn er etwas nicht wusste, dehnte er die Antwort dabei und starrte das Problem an, als wäre es soeben erst aufgetaucht.


    "Hmmm....mal sehen...vielleicht...ungefähr...dreißig Grad?"


    "Falsch! Lucius?"


    kommentierte Xanthos und ging sofort weiter. In Mathematik war Lucius der Klassenprimus und natürlich erwartete der Lehrer, dass der Petronier die Antwort parat hatte. Und natürlich wurde er nicht enttäuscht, denn Lucius hob sofort seinen Kopf und antwortete wie aus der Catapulta geschossen:


    "Siebenundzwanzig Grad, Meister Xanthos!"


    "Und warum?"


    "Weil der Winkel da unten siebenundzwanzig Grad hat und die Gerade einfach die parallele Gerade schneidet, Meister Xanthos!"


    "Sehr gut, Lucius!"


    lobte der Lehrer. Dieser Zusammenhang war Lucius auch ohne seine Erklärung klar gewesen. Wenn man dieses Bild auf ein Papyrus malte und die es diagonal faltete, konnte man ja sehen, dass es der gleiche Winkel war! Nein, in Geometrie machte ihm so schnell niemand was vor.


    "Siebenundzwanzig Grad, Meister Xanthos! Weil der Winkel sonstwas blabla, Meister Xanthos! Kann ich nochwas für Euch tun, o großer Meister Xanthos?"


    flüsterte Caius dem kleinen Petronier mit einem bösen Grinsen zu. Natürlich wusste er, dass dies Lucius besonders stören würde, denn er stritt die ganze Zeit um die Anerkennung der Jungen und obwohl er Caius hasste, so fürchtete er doch seinen Spott. Er wollte kein Streber sein, hatte jedoch nicht diese Ruhe, die Iulius gegenüber derartigen Angriffen an den Tag legte.


    "Halt's Maul, Caius!"


    meinte er daher und drehte sich um. Xanthos hielt in seinem Vortrag inne.


    "Wie bitte?!"


    Sofort fühlte sich Lucius wieder ertappt und sah beschämt zu Boden. Er spürte, wie das Blut in seinen Kopf schoss, als er erkannte, dass der Lehrer diese Beschimpfung gehört hatte.


    "Nur, weil du diesen Winkel erkannt hast, heißt das nicht, dass du den Unterricht stören darfst! Solche unflätigen Worte schätze ich nicht in meiner Schule! Raus!"


    Das Blut verließ Lucius' Kopf schlagartig - sogar so viel, dass er erblasste. Hatte Xanthippus ihn soeben tatsächlich aus der Klasse geworfen? Und was würde sein Vater sagen, wenn er mitten am Tag von der Schule nach Hause kam? Wie furchtbar! Er würde ihn vermutlich noch extra bestrafen! Er wollte um Gnade bitten, doch er brachte nichts heraus. Stattdessen griff er seine Tafel und hob sie langsam hoch.


    "Na los! Ich möchte fortfahren!"


    schimpfte Xanthos und hinter sich hörte Lucius ein Husten, das ganz danach klang, als würde Caius sich ein Lachen verkneifen. Rasch steckte er die Tafel in seinen Beutel und warf den Stylus hinterher. Dann erhob er sich und verließ schnellen Schrittes die Schule. Kaum hatte er den Vorhang passiert, begannen die ersten Tränen seine Augen zu verlassen. Was sollte er denn jetzt machen?




    Lucius wirkte ein wenig betroffen über das Urteil des Vaters, doch vermutlich hatte ein Einsicht - die Urteile des Lehrers waren nicht viel anders! Außerdem interessierte ihn die Mathematik ohnehin viel mehr! Aber schon ging das Thema von ihm weg und zurück zum Vater, dem etwas auf den Lippen lag, was er rasch herunterschluckte: Ein Mann von der Armee heiratete und bekam Kinder, dann wurde ihm schon nicht langweilig! Doch darüber zu reden hätte ihn wieder einmal an Heila erinnert und diesen Gedanken ertrug er nicht. Obwohl es nun schon Jahre her war, schmerzte diese Wunde schlimmer als alle Narben, die ihm die Legion beigebracht hatte. Dann jedoch klarte sich sein Blick rasch wieder auf und er meinte


    "Naja, ganz gut eigentlich. Ich kann aufstehen wann ich will, essen wann ich will, schlafen wann ich will, arbeiten wann ich will - naja, solange ich genügend Geld hab' - aber das Entlassungsgeld is' ja ganz üppig. Ich hab' zum Beispiel mein Geld in einen Steinbruch angelegt. Und neulich hab' ich eine Schneiderei gekauft, da muss man auch dauernd nach dem Rechten seh'n...kommt einiges zusammen!"


    Er grinste. Im Augenblick hatte es sich ein wenig beruhigt. Seine Geschäfte liefen, obwohl sie noch immer nicht so viel abwarfen, wie er sich das gewünscht hätte.


    "Einem wird schon nicht langweilig!"

    Crispus hatte keine Ahnung, was seine Gäste so schlimm daran fanden - für ihn war das Leben eines Germanen nicht viel mehr wert als das eines Sklaven - zumindest solange er ein kleiner, unbedeutender Bauer war! Abgesehen davon hatte das Leben ohnehin stark an Wert verloren, seitdem er es selbst immer wieder anderen weggenommen hatte. Was interessierte es schon die Welt, wenn so jemand zu Tode kam? Und was war schlimmer daran, ein Kind zu kreuzigen als einen Erwachsenen? Wer wusste schon, wie lange es andernfalls zu leben hatte? Nein, für derartige Sentimentalitäten hatte er kein Verständnis!


    "Naja, wenn ihr meint...aber für mich stirbt lieber ein potentieller Aufständischer als ich selber! Aber wenn ihr meint..."


    Heute wollte er es auf keinen Streit ankommen lassen, stattdessen aß er noch ein Ei. Dass sein Sohn offensichtlich von dem Gedanken, gekreuzigt zu werden, etwas erschrocken wirkte (obwohl dies für Crispus wohl etwas ganz Anderes gewesen wäre und er niemals beabsichtigt hätte, Römer zu kreuzigen), bemerkte er nicht. Stattdessen blickte er zum Legaten, ob er sich auch dazu äußern würde. Irgendwie war der Knabe ziemlich schweigsam heute - vielleicht ging es ihm nicht gut! Vielleicht sollten sie besser etwas vorankommen, damit er bald gehen konnte und vorher alles unter Dach und Fach war!


    "Darf ich den nächsten Gang auftragen lassen?"


    Er blickte kurz in Richtung Küche, wo er Crispina erwartete. Bisher hatte sie ihre Aufgabe ganz gut erfüllt, daher wollte er eigentlich nur sehen, ob alles bereit war. Inzwischen befürchtete er nicht mehr so sehr, dass sie sich als unvernünftig erweisen würde...

    "Hm, ich glaub' nicht. Aber mal schau'n - man weiß ja nie!"


    beantwortete Crispus die erste Frage. Natürlich hatte er bereits darüber nachgedacht, doch irgendwie hatte er im Augenblick kaum Interesse, sich für die Civitas zu engagieren, vielmehr wollte er seine Finanzen wieder ein wenig sanieren, ehe er erneut in den öffentlichen Dienst trat.


    Doch Drusus hatte sich auch schon seinem Sohn zugewandt, der seinerseits weiterhin den Centurio anstarrte. In den letzten Monaten hatte der Junge einen ganz schönen Wachstumssprung gemacht, doch noch immer war er nicht sonderlich groß für sein Alter, weshalb es wohl schwierig war, ihn zu schätzen.


    "Er ist jetzt Neun."


    antwortete Crispus daher und strubbelte dem Jungen durchs Haar, woraufhin dieser den Kopf ein wenig einzog. Die nächste Frage war fast ein wenig komisch, denn wer konnte schon von sich behaupten, vor solch eine Wahl gestellt zu sein? Vermutlich nur die Söhne von Senatoren...oder die eines Petronius Crispus!


    Gerade wollte Lucius zum Sprechen ansetzen, als Crispus lieber für seinen Sohn antwortete - immerhin hatte er bereits sehr konkrete Pläne für den Jungen!


    "Soldat soll er werden - wie sein Vater! Ich glaube nicht, dass er ein großer Redner wird!"


    Tatsächlich war Lucius ein sehr schweigsames Kind - zumindest gegenüber seinem Vater, sodass sich dieser fast Sorgen machte. Vielleicht musste er sich endlich mehr um ihn kümmern und ihm zeigen, wie man ein Schwert führte, damit er stark und mutig wurde!

    "Dann muss man eben ihre Tarnung wegnehmen. Fragt doch mal diese Dörfler - die reden schon, wenn ihre Kinder vor ihnen am Kreuz hängen!"


    erwiderte Crispus. Das war vermutlich keine besonders populäre Lösung, doch letztendlich war es doch notwendig, Frieden zu wahren und wenn ein römischer Offizier von Banditen entführt oder ermordet wurde, dann musste man den Germanen deutlich machen, dass so etwas nicht geduldet wurde. Wenn er noch Primus Pilus wäre, dann hätte er längst dafür gesorgt, dass eine Strafexpedition unternommen wurde!


    Rasch schob er sich noch ein halbes Ei in den Mund. Das Essen war wirklich hervorragend! Vielleicht wurde doch noch etwas aus Crispina!

    "Das ist nicht gut!"


    bemerkte Crispus und rieb sich das inzwischen feiste Kinn. So etwas war tatsächlich gelegentlich auch früher passiert, doch diese Fälle waren normalerweise in den Mannschaften vorgekommen und Crispus war von schlichter Fahnenflucht ausgegangen. Doch ein Tribun, der bereits lange Jahre im Heer gedient hatte, floh nicht einfach! Wahrscheinlich waren es Banditen gewesen, die ihn ausgeraubt und ermordet hatten. Diese verdammten Banditen!


    Auch Lucius hatte sich der Vorspeise zugewandt und betrachtete seinerseits misstrauisch die Schnecken. Er hatte sich war eine genommen, doch nun hob er sie hoch und betrachtete sie angewidert - offensichtlich hatte er gedacht, dass die Gehäuse eine Art Dekoration waren.


    "Iss' ruhig, Lucius! Schmeckt ganz gut!"


    Lucius blickte seinen Vater an und wirkte dabei sehr ertappt, denn seine Wangen wurden leicht rosig. Dann zog er mit spitzen Fingern das Fleisch aus dem Gehäuse, blickte es noch einmal angewidert an, steckte es dann schnell in den Mund und schluckte sofort.


    Crispus lachte auf.


    "Siehst du, war doch gar nicht schlimm! Aber wenn's dir nicht schmeckt, macht's nix - dann bleibt mehr für mich!"


    Er nahm sich noch eine Schnecke und sog sie genüsslich aus dem Gehäuse. So toll schmeckte sie zwar nicht, doch vielleicht sah dann auch Lucius, dass er sich davor nicht zu ekeln brauchte.


    Dann jedoch wandte er sich wieder dem ernsteren Gesprächsthema zu.


    "Vielleicht sollte man noch härter gegen dieses Banditentum in den Wäldern vorgehen. Ich glaube ja, dass diese kleinen Dörfer richtige Hehlerhochburgen sind! Die Gauner müssen doch irgendwo ihr Futter herbekommen, weil geraubtes Geld können sie auch nicht essen! Und der Nachschub und überhaupt - irgendwer muss mit ihnen zusammenarbeiten!"

    [Blockierte Grafik: http://img55.imageshack.us/img55/7766/luciuspetroniuscrispuskex5.jpg]| Lucius Petronius Crispus


    Auch er mochte das Essen hier lieber, doch er dachte nicht einmal daran, seinen Vater um Geld dafür zu bitten. Er konnte sich bereits in seinen jungen Jahren denken, dass er dafür einen Lacher oder eine Ohrfeige bekommen würde.


    "Ja, das wäre toll! Vielleicht finde ich dann noch eine!"


    Seine Muschel war braun und er hatte sie in seinem Versteck untergebracht, zusammen mit den wenigen Münzen, die er bisher gefunden hatte.


    "Hast du schonmal Muscheln gesammelt?"




    "Mir geht's gut, danke! Genieße meine freie Zeit nach der Magistratur!"


    erwiderte er breit lächelnd. In Wahrheit hatte er es natürlich nicht geschafft, einfach untätig herumzusitzen, sondern sich auf seine Betriebe gestürzt. Aber solch eine Antwort wurde allgemein erwartet und so im Grunde machte ihm dies auch mehr Spaß als das politische Lavieren.


    "Ja, das ist Lucius. Ich bringe ihm ein bisschen römische Badekultur bei - er soll ja ein vernünftiger Römer werden!"


    Lucius sah unverholen den Centurio an. Für sein Alter kannte er bereits viele Soldaten, doch einen nackten hatte er wohl noch nie gesehen.


    "Sag 'ave', Lucius! Iulius hat unter mir gedient."


    "Ave, Iulius!"


    befolgte der Junge den Befehl.

    Crispus hatte keinerlei Skrupel, seine Nichte zu derartigen Arbeiten heranzuziehen, denn wenn man nur eine bestimmte Zahl an Sklaven besaß, dann konnte man eben auch nur auf eine bestimmte Zahl zurückgreifen und seiner Meinung nach hatte eine Frau sich auf die Rolle als Hausherrin vorzubereiten und als solche würde sie wissen müssen, wie eine derartige Feier zu organisieren war. Außerdem konnte es ihr gar nichts schaden, wenn sie auch mal ein bisschen etwas körperlich arbeitete. Das mochte für eine Senatorengattin oder die Frau eines Präfekten möglicherweise nicht angemessen sein, doch aus derartig noblem Hause stammte Crispus nicht.


    Außerdem machte sie ihre Arbeit ganz gut, wie er feststellte. Das Essen hatte sie ausgewählt und der Salat mit dem Spargel, sowie den Schnecken und Eiern sah wirklich appetitlich aus - obwohl er eher annahm, dass Gunda das gezaubert hatte (obwohl sie so etwas noch nie gemacht hatte...). Dazu wurde Wein gereicht.


    "Alienus ist verschwunden? Wie das denn?"


    warf er dann ein, als Iustus darauf kam. Zwar waren die Getreidevorräte vermutlich ein wichtigeres Geschäft, doch weitaus weniger spannend, wie Crispus aus eigener Erfahrung wusste.


    Schließlich probierte er die Schnecke. So etwas hatte er noch nie gegessen, doch er war ein experimentierfreudiger Mensch, also zog er das gekochte Tier aus dem Gehäuse und ließ es in seinem Mund verschwinden. Es war überraschend fest, fast wie richtiges Fleisch!


    Sim-Off:

    WiSim - persönliches Angebot, Wein auf freiem Markt!

    Auch Crispus war wieder einmal in die Thermen gegangen. Zwar hatte der Frühling inzwischen auch in Germania Einzug gehalten und gerade die letzten Tage brannte die Sonne geradezu herunter, doch trotzdem musste man sauber werden. So hatte er sich gemeinsam mit seinem Sohnemann aufgemacht, mit dem er ein wenig mehr Zeit verbringen wollte (außerdem sollte er sich an den regelmäßigen Thermenbesuch gewöhnen, denn diese Germanen verstanden ja nichts von Badekultur!).


    Nachdem er am Eingang gezahlt hatte (wobei er sich ärgerte, dass Honoratoren der Stadt noch immer keinen kostenlosen Eintritt hierher hatten), kleidete er sich gemeinsam mit Lucius aus, hängte die Kleider ordentlich an den Haken auf und machte sich dann ins Caldarium auf.


    "Zuerst muss man heiß baden, damit man schön einweicht, Lucius!"


    erklärte er, woraufhin der Junge nickte. Dann blickte er sich um, wer noch so im Bade unterwegs war, denn hier erfuhr man stets den neuesten Klatsch und Tratsch! Und schon sah er jemanden, den er nicht erwartet hätte: Iulius Drusus, den Centurio, der aus seiner Centuria hervorgegangen war! Warum er wohl nicht im Legionsbad umsonst badete? Vielleicht wollte auch er Neuigkeiten erfahren. So ging er langsam auf den Soldaten zu. Der muskulöse Körper erinnerte ihn daran, was aus seinen ehemals stahlharten Muskeln geworden war: Um seinen Bauch hatte sich ein Speckring gebildet, auch sein Gesicht hatte stark an Kantigkeit verloren. Nunja, er war ja auch alt...


    "Salve, Iulius! Was für eine Überraschung, dich hier zu treffen! Wie geht es dir?"