Nachdem sich die Hausbewohner gebadet hatten, schlüpfte Crispus in seine Festtagstracht: Eine Tunica, sowie einen Pileus, den er vor kurzem gekauft hatte. Auch Lucius erhielt eine solche Mütze, während er bei den Sklaven auf dieses Accessoire verzichtet hatte. Irgendwie widerstrebte es ihm, einen Sklaven symbolisch freizulassen und dann doch nicht. Außerdem hätten sie es vermutlich sowieso missverstanden, wie er heute feststellte: Sie kannten sich mit römischen Sitten nicht aus!
Schließlich versammelte sich die Familie vor dem Lararium, das Crispus gegenüber seines Schlafzimmers unter den Porticus platziert hatte. Da er die Figuren aus dem Lararium seiner Familie nicht mitnehmen konnte, hatte er neue Figürchen gekauft: Zwei tanzende Jünglinge, die die Hausgeister darstellten, dazu ein Genius für ihn und eine persönliche Iuno für Heila. Er hatte das Figürchen auch nicht weggeworfen, als sie verstorben war. Da es doch recht kalt war, trugen alle Mäntel (Crispus natürlich sein altes Sagum). Außerdem hatte er einen Kranz auf dem Kopf, denn das Opfer würde dem griechischen Ritus folgen. Lucius durfte als Opferhelfer fungieren, während Morag das Ferkel, das er gekauft hatte, schlachten musste. Zwar hätte auch das nach Crispus' Meinung Lucius tun sollen, damit er weniger zimperlich wurde, doch nachdem er zu weinen begonnen hatte, hatte Gunda erkämpft, dass er es doch nicht tun musste.
So stand Crispus vor dem Lararium, während Lucius neben ihm eine Dose mit Weihrauch, Armin Wein und Morag das Ferkel an einem Strick trug. Da Lucius noch nicht so flüssig lesen konnte, trug Crispus auch die Tafel, auf der das traditionelle Saturnaliengebet stand (so oft hatte er es doch noch nicht gesprochen):
"Der Kreis des Jahres teilt sich in vier Teile, und in den Ländern unserer Heimat und unserer Provinzen ist die dunkle Zeit von der Sommersonnenwende zur Wintersonnenwende die Zeit zu pflügen und den Boden zu bestellen und den Samen auszustreuen.
Wenn dies getan ist ruhen die Menschen aus in der Winterzeit, bis zur Rückkehr der Sonne. Drei alte Götter werden in dieser Zeit geehrt: Saturnus, Ops und Consus sind ihre Namen.
Saturnus, wir geben Dir dieses Ferkel, das Junge eines Schweines. Bewahre das Korn für die Saat und mache es fruchtbar für die Ernte!"
Das Opfer wurde vollzogen: Zuerst der Weihrauch, dann der Wein und zuletzt griff Crispus das Opfermesser, das zum Zubehör des Larariums gehörte, um das Ferkel rituell zu entkleiden.
"Age!"
erklang endlich der Opferbefehl und Morag ergriff das Tier, um ihm dann die Kehle durchzuschneiden. Das Tierchen quiekte kläglich, dann jedoch spritzte das Blut aus dem Hals und traf Lucius im Gesicht, der sofort vor Schreck aufschrie. Er hatte sowieso schon mitleidig ausgesehen, doch nun war er völlig verwirrt. Das ganze schöne Opfer wurde gestört! Rasch entriss Crispus seinem Sohn die Schüssel, die das Blut auffangen sollte und hielt es unter das Ferkel. Es dauerte einige Zeit, in der Lucius sich einigermaßen beruhigte, dann jedoch kam kein Blut mehr und das Tier zuckte nicht mehr.
Morag begann, das Schwein aufzuschneiden und die Innereien zu entnehmen. Sie wurden auf den kleinen Altar, der am Lararium war, verbrannt. Das Fleisch hingegen sollte heute Abend als Festtagsschmauß dienen. Da hier niemand Haruspex war, musste Crispus darauf vertrauen, dass die Götter das Opfer annahmen und beendete alles mit einem
"Bona Saturnalia!"
Gunda eilte zu Lucius, der das Blut auf seinem Gesicht etwas verschmiert hatte und weiterhin ziemlich verwirrt wirkte. Doch Crispus kam ihr zuvor und packte ihn an der Schulter.
"Ein Römer erträgt sowas diszipliniert und ruhig! Sowas gefällt den Göttern nicht!"
Dann wandte er sich ab und ging, sich eine neue Tunica anzuziehen und die Sigillae zu holen, die er an alle zu verschenken gedachte.