Beiträge von Marcus Petronius Crispus

    Lucius schien noch immer nicht zufrieden zu sein, denn sein Blick war weiter bedächtig und er schien darüber nachzudenken, was der Nubier ihm gesagt hatte. Doch ehe er weitere Fragen stellen konnte, erhob sich Silko wieder und lobte die Klugheit des Jungen - für Crispus ein zweifelhaftes Kompliment, hielt er dieses viele Gefrage doch eher für mangelnde Fähigkeit zur Zurückhaltung! Dennoch lächelte der alte Magistrat natürlich, auch wenn es aufgesetzt klang und meinte


    "Ebenfalls. Lucius, bedank' dich auch bei dem netten Mann!"


    "Danke und viel Spaß, schwarzer Mann!"


    befolgte Lucius den Befehl seines Vaters artig, wenn er nicht diese seltsame und unverschämte Anrede daran gehängt hätte, was ihm einen mahnenden Blick des Vaters einbrachte. Auf weitere Strafe verzichtete er, sondern zog seinen Sohn stattdessen weiter zu Marsus.


    Lucius hatte jedoch wieder eine neue Frage, die er nun an seinen Vater stellte


    "Was ist Meroe?"


    "Keine Ahnung, wahrscheinlich eine Stadt oder ein Landstrich bei den Nubiern."


    antwortete Crispus und zuckte mit den Schultern. Geographie war nicht seine große Stärke, soweit es sich nicht um Legionsstandorte handelte. Und in Parthia hatte er durch den Krieg ein wenig gehört...Meroe war allerdings nicht dabei gewesen.


    Schließlich kamen sie beim Duumvirn an und Crispus begrüßte seinen Vorgesetzten.


    "Bona Saturnalia, Duccius! Darf ich dir meinen Sohn Lucius vorstellen?"


    Lucius sah mit großen Augen zu dem fremden Mann hinauf. Scheinbar war er ein wenig eingeschüchtert von den Liktoren und der gewissen Macht, die der Duumvir ausstrahlte.

    Crispus fasste sich an die Stirn, mit der er gegen den Ellenbogen des Hünen gestoßen war. Sie schmerzte ein wenig, doch das war nicht der Rede wert. Lucius wirkte unterdessen einigermaßen erstaunt, dass der Riese sprach. Scheinbar hatte er aus irgendeinem Grund nicht damit gerechnet.


    "Nein, nein, kein Problem!"


    antwortete Crispus daher stellvertretend für sie beide, während er etwas erleichtert war, dass der Nubier scheinbar kinderfreundlich war und sich seinem Sohn zuwandte. Seine Erklärung war einigermaßen kindgerecht und Crispus wollte sich schon bedanken und weitergehen, als Lucius noch eine Frage stellte.


    "Warum ist die Sonne bei euch näher? Ist die da nicht am Himmel oben?"


    Für einen Augenblick fragte sich Crispus, ob sein Junge ein kleiner Philosoph war oder warum er ständig weiternachfragte und niemals zufrieden war mit dem, was er gesagt bekam. Ein Soldat fragte nicht warum!

    Als Rufus eintrat, blickte Crispus auf und wunderte sich, den jungen Mann aus dem Bad wiederzusehen. Seitdem hatten sie sich nicht gesehen und der Magistratus fragte sich, ob der blaue Fleck an seinem Hintern schon verschwunden war. Dann jedoch überwog die Frage, was der junge Duccier hier eigentlich wollte.


    "Nein, komm' 'rein! Wie kann ich dir helfen?"


    Mit einer Geste wies Crispus seinen Scriba an, die Tabula sinken zu lassen, da er das Diktat wohl längere Zeit zu unterbrechen gedachte.

    Natürlich war auch Crispus zu den Saturnalien erschienen. Am Tage zuvor hatte er bereits zu Hause das Fest begangen und Besuch erhalten, nun wollte er ein wenig an die frische Luft und das etwas misslungene Essen gestern durch umso bessere gekaufte Ware aufwiegen. Gemeinsam mit ihm waren nicht nur Lucius und Armin, sondern auch Gunda und Morag gekommen. Crispus hatte jedem von ihnen ein wenig Geld gegeben, sodass sie sich etwas kaufen konnten.


    Schweigend verfolgte er die Rede des Duumvirn und fragte sich, ob Iullus Bantius Maecilianus eigentlich so inkompetent war, dass er einem so jungen Amtskollegen so viele wichtige Geschäfte überließ. Abgesehen davon fragte er sich, ob es mit der Gleichheit der Saturnalien vereinbar war, irgendwo mit Liktoren aufzukreuzen (andererseits: was wusste ein junger Germane schon von römischen Sitten?). Crispus zumindest hatte für heute eine schlichte, langärmlige Tunica und darüber sein Sagum gewählt. Auf dem Kopf schützte ihn ein Pileus, den er vor kurzem für sich und Lucius gekauft hatte, vor der Kälte. Seinen Sklaven hatte er sicherheitshalber keine gekauft - nicht dass sie glaubten, sie wären jetzt frei!


    Als die Rede geendet hatte, schien Morag jemanden gesehen zu haben, den er kannte, denn er wandte sich an Crispus und fragte


    "Darf ich 'mal da rüber schauen, Herr?"


    "Wenn du mich die nächsten Tage Crispus nennst, darfst du hingehen, wo du willst!"


    erwiderte Crispus und fragte sich wieder einmal, wie lange es wohl dauerte, seinem Haushalt einzubläuen, wie Saturnalia abzulaufen hatten. Vielleicht sollte er es Marsus doch nachsehen, dass er Liktoren mitgebracht hatte, wenn nicht einmal seine eigenen Sklaven die einfachsten Regeln nicht verstanden!


    "Lucius, komm mit! Ich stelle dich den Duumvirn vor!"


    meinte Crispus zu seinem Sohn, der treu nickte. Eigentlich war Lucius noch viel zu klein, um sich politische Kontakte zu verschaffen - andererseits war Marsus noch so jung, dass er wohl auf dem Höhepunkt seines Einflusses war, wenn Lucius in Crispus' Fußstapfen trat. Daher war es sicher kein Fehler, die beiden bekannt zu machen.


    Gerade wollte er sich in Richtung Tribüne drängen, als er mit einem riesigen Nubier zusammenstieß, der offensichtlich gerade mit einem Säckchen in seinen Pranken beschäftigt war. Fast war Crispus versucht, den Sklaven (denn welche anderen Nubier kamen schon bis ins kalte Germanien?) anzufahren, dann erinnerte er sich jedoch an die saturnalischen Regeln und murmelte


    "Entschuldigung."


    "Warum ist der Mann denn so schwarz?"


    fragte Lucius hingegen in seiner kindlichen Unschuld, was Crispus dazu veranlasste, sich für seinen Jungen zu schämen. Warum stellten kleine Kinder nur immer so ungehörige Fragen? So etwas fragte man doch nicht!

    Tage später besuchte Petronius Crispus die Thermen. Obwohl das Heißbad zur Zeit nicht benutzt werden konnte, war es immerhin möglich, ein paar Runden zu schwimmen (und das auch im Winter). Doch da sich der Magistrat schon längere Zeit nicht mehr um die Baustelle gekümmert hatte, beschloss er, einmal vorbeizusehen. Natürlich war es nicht schwierig, den Bademeister zu überzeugen, dass er befugt war, den abgesperrten Bereich des Bades zu betreten. So erschien er nackt und nur mit Holzsandalen bekleidet im Caldarium. Der Raum war ohne das Heizen inzwischen wesentlich kühler als das Tepidarium, weshalb Crispus ziemlich fröstelte, als er eintrat. Ausnahmsweise mussten ihn seine Holzsandalen nun vor der Kälte der Steinplatten schützen. Rasch verschränkte er die Arme vor der Brust, um möglichst Wärme abzugeben.


    Es dauerte nicht lange, bis er Canuleianus gefunden hatte, der gerade damit beschäftigt war, seine Gesellen dabei zu beaufsichtigen, wie sie eine der Marmorplatten, die früher die Beckenwand gebildet hatten, mit einer Säge durchzuschneiden (scheinbar entfernten sie den kaputten Teil des Marmors). Unterdessen schleppten zwei andere schweißüberströhmt eine neue Platte durch den Raum.


    "Na, wie läuft's?"


    fragte der Magistratus den Steinmetz, welcher mit den Schultern zuckte und meinte


    "Naja, bassd scho'! Bald sim'ma feddich!"


    Wieder einmal musste der Petronier nachdenken, was Canuleianus gesagt hatte, doch es klang optimistisch, somit ging er davon aus, dass sie im Zeitplan blieben. Noch ein wenig blickte er sich um, dann wurde es ihm jedoch zu kalt und er kehrte zum funktionierenden Bade zurück.

    Kurze Zeit später war es so weit: Alle Hausbewohner hatten sich in der Küche versammelt, wo Gunda einen großen Bottich aufgestellt hatte, in dem man zu zwei sitzen konnte. Crispus bestand darauf, dass zuerst Gunda und Armin in die Wanne stiegen. Die beiden schienen das warme Wasser zu genießen, doch blieben sie nicht lange, sondern verließen das warme Nass recht schnell, um wieder in ihre Kleider zu schlüpfen. Unterdessen streifte Crispus seine Tunica ab und wies auch Lucius an, sich seiner zu entledigen. Wenn Crispus seinen Sohn so betrachtete, machte er sich ein wenig Sorgen: Der Knabe war etwas schmächtig und dünn - so würde er wohl kein guter Soldat werden! Er würde sich in Zukunft mehr darum kümmern, das der Junge genug aß!


    Obwohl das Wasser in der Wanne schon eine Zeit lang stand, war es noch immer angenehm warm, als die beiden Petronier hineinstiegen. Crispus setzte sich und Lucius nahm auf seinem Schoß Platz. Diese Situation erinnerte den Alten an ein bestimmtes Erlebnis aus seiner Kindheit: Auch er hatte am ersten Tage der Saturnalien gemeinsam mit seinem Vater gebadet (soweit dieser zu Hause war). Und dabei hatte man sich immer die Geschichte von Saturn und seinem Zeitalter erzählt. So wollte er diesmal auch seinem Sohn die Geschichte erzählen:


    "Lucius, weißt du, warum wir die Saturnalien feiern?"


    fragte er daher. Bei der Antwort des Jungen musste sich Crispus allerdings fragen, ob die Schule des Xanthos wirklich die beste war:


    "Nein, warum, Papa?"


    Mit großen Augen sah Lucius zu seinem Vater hinauf, der zuerst ein nachdenkliches, dann ein freundliches Gesicht machte. Wahrscheinlich hatte Xanthos ihnen schon etwas darüber erzählt, nur hatte Lucius wohl nicht aufgepasst - normalerweise hätte das Wut bei Crispus erzeugt, doch heute waren Saturnalien, da vergab man das schonmal.


    "Saturn war einmal der Herrscher des Himmels, bis Iuppiter gekommen ist, und ihn vertrieben hat. Da hat er nicht gewusst, was er tun sollte und ist auf die Erde gekommen. Dort hat er dann Ianus getroffen und zwar in Latium - weißt du, wo Latium liegt?"


    "In Italia!"


    antwortete Lucius rasch und Crispus nickte. Wenigstens etwas hatte sein Junge in der Schule gelernt! So fuhr er fort.


    "Ianus hat Saturn an seiner Herrschaft beteiligt und als Dankeschön hat Saturn den Menschen den Ackerbau beigebracht. Und natürlich den Weinbau! Seine Herrschaft war eine tolle Zeit: Niemand musste säen, aber man hat in Hülle und Fülle ernten können! Außerdem waren alle gleich, es hat keine Sklaven und Herren gegeben - warum auch? Jeder hat ja gehabt, was er wollte! Aber leider haben die Leute bei all dem Wohlstand vergessen, was wichtig ist: Ordnung, Disziplin, vor allem in der Religio. Deswegen haben die anderen Götter wieder Ordnung geschafft und Saturn in Ketten gelegt - wie einen Verbrecher! Damit war es aus mit dem tollen Leben für alle - die Leute mussten wieder hart arbeiten und die Götter fürchten.


    Wenn du Saturn heute anrufst, kannst du manchmal sogar das Klirren seiner Ketten hören!"


    Mit großen Augen sah Lucius seinen Vater an. Dieser lächelte - seine Geschichte hatte Wirkung gezeigt. Sie war zwar nicht das, was sein Vater ihm damals erzählt hatte (dieser hatte die Zeit des Saturn etwas positiver dargestellt und die anderen Götter eher als missgünstige Neider dargestellt, sodass Saturn etwas besser wegkam), doch sie transportierte dafür seine wichtigsten Werte - Ordnung und Disziplin - besser und das war es, was Lucius vor allem lernen musste.


    "Heute vor vielen Jahren ist der Tempel des Saturn in Rom geweiht worden und deswegen feiern wir dieses Fest und lassen ihn sozusagen ein paar Tage nochmal regieren."


    "Und das macht den anderen Göttern nix aus?"


    "Nein, die dürfen ja den Rest des Jahres regieren!"


    Bei dieser Aussage war sich Crispus zwar nicht so sicher, doch die Tradition der Maiores war über jeden Zweifel erhaben und wenn sie sagten, dass die Saturnalia zu feiern waren, dann war das auch so - außerdem war Saturn sonst sicher böse!


    "Weißt du eigentlich, was am Saturntempel so besonders ist?"


    "Dass er einem alten König der Menschen geweiht ist?"


    "Nein, Quirinus Romulus ist doch auch ein König der Menschen gewesen und hat einen Tempel! In seinem Tempel ist das Aerarium Saturni, der Staatsschatz! Er muss darauf aufpassen!"


    Wieder einmal fragte Crispus sich, ob sein Sohn in der Schule eigentlich gar nichts Vernünftiges lernte! Vielleicht sollte er ihn irgendwann nach Italia schicken, damit er ein bisschen römischer wurde...

    Ihr schien zu frösteln, was Crispus ein wenig verwunderte - er hatte extra ein Kohlebecken aufgestellt, um die Gliederschmerzen, die ihn seit neuestem bei niederen Temperaturen quälten, zu mindern. Sie schien sehr ergriffen - Crispus hingegen ein wenig verwirrt: Sein letzter Wunsch? Lange Krankheit? Viel Nachdenken? Etwas bringen? Fast fühlte sich der alte Petronier ein wenig schuldig: Sein Bruder war offensichtlich kläglich zugrunde gegangen und er hatte nicht einmal etwas davon mitbekommen! Zwar hatten sie sich niemals sehr gemocht, doch der Umstand, dass Sequester nun niemals wieder auf Erden wandeln würde und im Streit mit ihm von dieser Welt gegangen war, berührte ihn doch ein wenig. Und dann auch noch das Bemühen um Aussöhnung! Denn zweifelsohne hatte er seine Tochter nicht hierher geschickt, um ihm einen Brief zu schicken, der ihm nahelegte, seinem Bruder zu folgen!


    Er streckte die Hände aus, um die Schatulle zu ergreifen und nun fühlte er sich wirklich ein wenig schlecht, wo er so von seinem eigen Fleisch und Blut, das er so kühl empfangen hatte, zurechtgewiesen wurde. Vielleicht musste er ihr doch eine Chance geben...

    Als Crispus am Morgen der Saturnalien aus seinem Cubiculum kam, war er nicht schlecht überrascht: Der gesamte Garten war unter einer weißen Decke verschwunden. Dann hörte er auch schon Kinderlachen und kurz darauf kamen Armin und Lucius aus dem Triclinium gerannt. Jeder von ihnen trug einen Zweig mit Süßigkeiten. Während Armin die Strenae noch bewunderte, hatte Lucius bereits begonnen, sich ein Honigplätzchen nach dem anderen in den Mund zu schieben.


    Doch ehe gefeiert werden konnte (und Crispus hatte bereits Vorräte angelegt), mussten die rituellen Pflichten vollführt werden. Und diese begannen mit einem Bad.


    "Lucius! Komm, wir holen Wasser!"


    rief Crispus daher seinem Sohn zu - traditionell mussten die Sklaven an diesen närrischen Tagen nicht arbeiten, doch in diesem Moment kam Gunda aus dem Triclinium und sagte


    "Wir haben das Bad schon vorbereitet, Domine! Ich wollte dich gerade wecken!"


    Offensichtlich hatte Gunda früher noch nicht in einem römischen Haushalt gedient - oder zumindest in einem, der die Saturnalia nicht feierte. Seufzend schüttelte der Petronier den Kopf.


    "Gunda, die nächsten Tage Crispus! Es sind Saturnalien! Da gibt's keinen Herrn und keinen Sklaven! Also arbeitest du auch nicht! Bade am besten mit! Wo steckt eigentlich Morag?"


    Gunda grinste - scheinbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass Crispus diese Feiertage so ernst nehmen würde. Dann antwortete sie


    "Er kauft das Schwein für das Opfer!"


    Noch einmal musste Crispus den Kopf schütteln. Hier war noch viel Romanisierung zu betreiben - sonst zürnte Saturn ihm am Ende!

    Crispus folgte dem Duumvir etwas schleppend, denn seit letztem Jahr machten ihm im Winter seine Beine Probleme - vielleicht sollte er mal die Heilbäder des Grannus aufsuchen und um göttliche Heilung beten? Doch das verschob er doch lieber auf dann, wenn die Brücke und die anderen Projekte einigermaßen vollendet waren. Daher ignorierte er den Schmerz und kam kurz nach Marsus an der Baustelle an. Einen Augenblick brauchte er, um sich zu orientieren, dann erkannte er jedoch den Centurio, der bereits die Einheit gestern geführt hatte. Offensichtlich sprach er gerade mit seinem Architectus Nerva, während seine Männer sich über die Brücke hermachten. Es wurden bereits Balken zu ihrem Bestimmungsort transportiert, während andere an Seilen zu der tragenden Konstruktion hinuntergelassen wurden, wo man ebenfalls Teile ausbessern musste.


    "Da vorn ist Carteius Nerva, der Baumeister. Er hat die Pläne und so gemacht. Gehen wir 'mal zu ihm."


    Er führte den Duumvirn hinunter zum Ufer, wo es offensichtlich gerade um Abrechnungen ging, denn Nerva antwortete dem Centurio soeben mit


    "Hm, dann -"


    In diesem Augenblick erkannte er den Magistratus mit seinem Besucher und salutierte vor beiden. Seine militärische Disziplin litt offensichtlich nicht unter seiner Eigenständigkeit, die er hier ausleben durfte. Crispus stellte die Anwesenden vor (soweit er die Namen kannte):


    "Das ist Carteius Nerva und Centurio...Falinius? Sie gehören beide zur Legio II und sind uns kostenlos zur Verfügung gestellt worden."


    Den Duumvir brauchte er wohl kaum vorzustellen - er war stadtbekannt (auch bei den Legionären, obwohl diese ja gar nicht wählen durften oder seiner Zuständigkeit unterstanden).

    Zuerst schien keiner etwas sagen zu wollen, dann erhob sich jedoch ein Germane, der, wie Crispus wusste, im Handel tätig war. Obwohl der Rhenus nicht so starke Überschwemmungen mit sich wie der Nilus, doch bei starkem Regen konnte er durchaus über die Ufer treten und das Hafenviertel überschwemmen, wo viele ihre Kornspeicher hatten. Somit konnte es der Magistratus durchaus verstehen...


    "Aber grundsätzlich wärt ihr schon bereit, die Feier zu unterstützen?"


    fragte er dennoch. Natürlich konnte niemand die Unwägbarkeiten ignorieren, doch eine grundsätzliche Tendenz wollte Crispus schon haben.

    | Titus Sextilius Canuleianus


    Sim-Off:

    Ich mach schonmal weiter, auch wenn es weiterhin möglich ist, wegen des Marmors etc. zu verhandeln


    Am Tage nach der Baustellenbegehung mit dem Magistratus konnte Canuleianus endlich mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Er war nicht allein wegen diesem Job aus Italia gekommen, sondern weil er gehört hatte, dass in den Provinzen ein wesentlich größerer Bedarf an neuen Thermenanlagen bestand, es aber wenige Spezialisten gab. Seine Gesellen waren beispielsweise heute früh von einer Villa Rustica gekommen, deren Eigentümer (ein germanischer Häuptling) nun stolzer Besitzer eines hauseigenen Bades war. Bisher hatte es sich in jedem Fall gelohnt, der Heimatstadt den Rücken zuzukehren, nachdem er den Betrieb von seinem ehemaligen Meister geerbt hatte (da keine leiblichen Söhne existierten).


    Und da dies nicht die erste Reparatur einer Thermenanlage war, die unterdessen weiterbetrieben wurde, hatte Canuleianus als erstes dafür gesorgt, dass die Hypokausten in seinem Abschnitt verschlossen wurden, sodass es nicht ganz so heiß wurde beim Arbeiten. Diese Aufgabe oblag traditionell dem neuen germanischen Lehrjungen, den er aufgenommen hatte (weil er der kleinste war). Da diese Aufgabe überaus unangenehm war (nämlich das Klettern auf glühend heißen Ziegeln durch eine enge und rauchige Dunkelheit), hatte er den Rest des Tages frei. Es würde nun zwar noch ein wenig dauern, bis alles abkühlte, doch solange schafften die Gesellen das Werkzeug herbei, um den Mörtel an den Fugen der Marmorplatten zu entfernen.


    Und tatsächlich war es am Abend des ersten Tages soweit, dass die erste Marmorplatte, die Risse aufwies. Der Steinmetz hatte allerdings keine Ahnung, wie jemand es geschafft hatte, ein ganzes Stück des Steines abzubrechen - wahrscheinlich hatte er seine Badesandale irgendwie in einen kleinen Riss bekommen und sie dann nass werden lassen (was in einem Bad kaum schwierig war). Von den Steinbrüchen her kannte man die gewaltige Kraft, die aufgeschwemmtes Holz entwickelte. In jedem Fall würde die Platte zerteilt zweifelsohne noch für kleine Hausbadeanlagen verwendet werden können. Und sicherlich ließ sie sich von der Stadt billig abkaufen, denn diese Beamten kannten selten den wahren Wert von Baumaterialien.




    Eine ganze Weile schien es, als wolle Crispina nicht mehr antworten und für einen Augenblick fragte sich Crispus, ob das Mädchen einfach wieder gehen würde. Offensichtlich hatte sie der Empfang ziemlich verunsichert - das sprach dagegen, dass sie irgendwie ein schlechtes Gewissen hatte, ihm unter die Augen zu treten (etwa, weil sie Geld wollte).


    Als sie endlich etwas antwortete, war der Petronier sehr erstaunt: Diese Antwort war fast ein wenig aufmüpfig, zumindest jedoch mutig. Und natürlich hatte sie Recht: Sie war nicht ihr Vater, war 'nur' dessen Tochter. Doch war sie damit nicht aus dem Blute von Sequester, hatte wahrscheinlich den ein oder anderen Charakterzug geerbt, wie sie auch Teile seines Aussehens übernommen hatte?


    Die zweite Äußerung erstaunte Crispus allerdings. Bevor sie das letzte Wort gesagt hatte, hatte er schon innerlich triumphieren wollen, weil seine Vorahnung sich bestätigte und sie doch zum Betteln kam, doch das 'war' irritierte ihn. Es war sehr unwahrscheinlich, dass Sequester sie losgeschickt hatte und dann wieder hatte zurückrufen wollen, doch die zweite Interpretation konnte nur bedeuten, dass sein Bruder verstorben war. Doch warum hatte er seine Tochter dann ausgerechnet zu ihm geschickt? Onkel Varus wäre doch auch eine Möglichkeit gewesen - mit ihm hatte Sequester doch ein gutes Verhältnis gepflegt! Und überhaupt - hatte sein Bruder wirklich erwartet, dass Crispus jetzt seine Waise versorgte? Oder überbrachte sie nur ein Testament, um danach wieder zu verschwinden? Es gab nur eine Möglichkeit, Klarheit zu erhalten:


    "Und warum wollte er das?"


    fragte er, nicht mehr ganz so distanziert, doch noch immer abschätzig.

    Die Idee mit der Statue schien Marsus gut zu gefallen - vielleicht konnte er an diese Aufgabe ja Willigis überlassen und damit auch noch ein wenig Geld verdienen!


    Zu den Thermen war er jedoch wieder etwas kritischer. Er kannte sich nicht aus, aber er hatte einmal gehört, dass die hübschen leuchtenden Wandmalereien auf den noch nassen Putz aufgemalt wurden, sodass sie mit dem Trocknen einsogen oder so ähnlich. Doch das Bad war ja schon verputzt - ob das nicht zu teuer war?


    "Ich glaub', das ist relativ teuer, weil man dafür einen guten Maler braucht und außerdem müsste man dann den Putz 'runtermachen und neuen d'raufmachen.


    Er selbst besuchte das Bad ja regelmäßig, hatte sich aber noch nicht so darum gekümmert, wie leuchtend oder matt die Malereien dort waren. Aber er hatte schon ein paar Ideen - so war es ja nicht!


    Die Brücke war wohl das nächste Thema - der Duumvir wollte sich also selbst informieren, was den alten Petronier ein wenig misstrauisch machte. Traute er ihm nicht? Oder wollte er den Ruhm für die Renovierung selbst einstreichen? Einen Augenblick war er versucht, nachzufragen, dann jedoch meinte er nur


    "Ja."


    Der Duumvir war sein Vorgesetzter und einem Vorgesetzten widersprach man nicht! Aus dem Weg gehen war in Ordnung, aber offener Widerstand war unangebracht!

    Der Magistratus Petronius saß in seinem Tablinium, wo er gerade damit beschäftigt war, die Lohnlisten seines Steinbruches zu lesen. Gerade wollte er sich eine Notiz machen, als Morag seinen Kopf zur Tür hereinsteckte.


    "Da ist eine Frau, die behauptet, Deine Nichte zu sein. Sie heißt Petronia Crispina!"


    Petronia Crispina? Crispus musste einen Augenblick überlegen und fragte sich, ob sein Bruder Mela etwa geheiratet und eine Tochter bekommen hatte. Doch eigentlich konnte das nicht sein - soweit er wusste, hatte Mela die Armee nicht verlassen! Oder war er nicht sogar verschollen? In jedem Fall konnte er keine legitime Tochter haben. Doch dann blieb nur noch Tiberius Sequester, sein jüngster Bruder...tatsächlich erinnerte er sich gehört zu haben, dass dieser ein Balg in die Welt gesetzt hatte. Aber ob es ein Mädchen gewesen war? Im Grunde war es Crispus damals egal gewesen - er und Sequester hatten sich nie leiden können - das kleine Nesthäkchen hatte immer alles hinterhergeworfen bekommen! Während Crispus sich mit Mühe den Grammaticus erkämpfen hatte müssen, hatte Sequester sogar eine Zeit lang eine Rhetorenschule besucht - zumindest solange er den Ansprüchen dort genügt hatte! In Crispus' Augen war sein Bruder nämlich stets faul gewesen, hatte jeden Wunsch erfüllt bekommen und sich noch nicht einmal dankbar erwiesen!


    Das letzte Mal, als Crispus ihn getroffen hatte, war das ganze in einen gewaltigen Streit um die Besitzrechte an der Casa Petronia in Rom auseinander gegangen. Zwar hatte Sequester damals das Haus bewohnt, andererseits war er der Ältere und hatte damit eher ein Anrecht! Letztendlich war Crispus davongestürmt und hatte nachgegeben, da er ohnehin bei der Legion gewesen war und vorerst keine Verwendung für Grundbesitz in Italia besaß (ganz zu schweigen von der Möglichkeit, ihn zu pflegen und zu verwalten). Und nun stand die Tochter dieses miesen Weicheis vor seiner Tür? Crispus konnte das nicht glauben und ging davon aus, dass jemand das behauptet hatte, um von Morag eingelassen zu werden. Doch es war nur eine Frau und sie würde sicher keine Gefahr darstellen, also beschloss er, sie einzulassen.


    "Lass' sie 'rein!"


    seufzte er daher und griff nach seinem Gürtel, wo er noch immer seinen Soldatendolch trug - sicher war sicher!


    Und dann trat sie ein und Crispus musterte sie von oben bis unten: Sie besaß die berühmten Petronier-Augen, die ein wenig schmaler und mandelförmiger waren als bei anderen, ihre Haarfarbe war zwar rötlicher als die von Sequester, doch das lag vermutlich daran, dass sie mehr nach ihrer Mutter kam. Die Sommersprossen hingegen erinnerten wieder an Sequester, der diese als Kind gehabt hatte und auch die Kopfform erinnerte an ihn - es bestand wirklich kein Zweifel: Vor ihm stand die Tochter seines jüngsten Bruders!


    "Have."


    erwiderte Crispus und verschränkte die Arme vor der Brust. Das hatte er wirklich nicht erwartet. Und was wollte sie hier? Hatte Sequester etwa auch noch das Haus in Rom verzockt und wollte nun seinen Bruder, der es inzwischen zu etwas gebracht hatte, anbetteln? Aber wahrscheinlich traute er sich selbst nicht und schickte deshalb seine Tochter vor...doch Crispus dachte nicht daran, den Müßiggang von Sequester zu finanzieren!


    "Was willst du?"


    fragte er kalt.

    Zuerst hatte Crispus überlegt, ob er direkt bei den Händlern nachfragen sollte, dann erinnerte ihn Arminianus jedoch daran, dass dies keinen fairen Wettbewerb ermöglichen würde, weshalb ein Aushang getätigt wurde:

    Die Civitas benötigt Marmor


    Für die Renovierung der Thermae Iuliani benötigt die Civitas Mogontiaciensis rätischen Marmor. Anbieter mögen sich beim Magistratus Petronius Crispus in der Curia melden.


    Marcus Petronius Crispus

    Das klang gut - Crispus hatte noch immer ein kleines Finanzproblem, daher kam es ihm entgegen, wenn der Ordo nicht ganz so viel Geld verlangte. Damit ging die Sitzung eigentlich wesentlich schneller zuende, als der Petronier das zu Beginn befürchtet hatte - der Duumvir hatte glücklicherweise sein Tempo an die mangelnde Beteiligung der Decuriones angepasst.


    Nun war jedoch er an der Reihe, der er noch die ein oder andere Idee für Mogontiacum hatte.


    "Ich hätte da noch was.


    Ich weiß nicht, wie viele von euch sich an die Zeit erinnern, als hier in Mogontiacum noch die Feiern zu Ehren des großen Feldherrn Drusus Germanicus stattgefunden haben. Es war immer ein großes Fest, Vertreter aus allen Städten Galliens und Germaniens sind gekommen und das Heer hat Paraden abgehalten.


    Ich fände es gut, diese alte Tradition wieder aufzugreifen und im nächsten Jahr im September, wo der alte Termin war, abzuhalten. Ich denke, das braucht eine lange Vorlaufzeit und genaue Planung, weil wir uns ja einer so großen Öffentlichkeit präsentieren, deswegen spreche ich es heute schon an.
    Was meint der Ordo Decurionum dazu? Glaubt ihr, die Stadt kann so ein Fest wieder schultern?"

    | Morag


    Petronia Crispina? Bereits der Name wies auf eine Verwandtschaft hin, was sich bestätigte: Sie war seine Nichte! Ein wenig verwundert war der Sklave schon, denn er konnte sich nicht erinnern, dass sein Dominus jemals etwas über eine Nichte verloren hätte - wahrscheinlich hatte er aber einfach nicht richtig zugehört. Und da er nicht davon ausging, dass das Mädchen vor seiner Tür ein Attentäter war, der den Magistratus ermorden sollte, meinte er


    "Komm rein! Ich melde dich an!"


    Er führte das Mädchen in den Innenhof des Hauses, wo der Schnee bereits den kleinen Garten bedeckt hatte. Auch der Brunnen war mit Holzbrettern abgedeckt, da man die Leitung ohnehin abgestellt hatte (ehe sie bei Frost platzte!).


    "Warte hier!"


    meinte Morag und spitzte in eine Tür. Offensichtlich war Crispus hinter dieser, denn kurz darauf wandte er sich wieder an Crispina und meinte


    "Kannst 'reinkommen!"


    Damit durfte die Petronierin das Tablinium, in dem Crispus zu arbeiten pflegte, aufsuchen.





    SKLAVE - MARCUS PETRONIUS CRISPUS

    Nachdem für die Renovierung grünes Licht gegeben worden war, rückten die Handwerker am kommenden Tag an. Crispus hatte einen Steinmetz aus Italia engagiert, der sich auf Thermen spezialisiert hatte - Willigis hatte ihm bereits vorher erklärt, dass er für diese Sache wohl nicht der beste Mann war. So musste eben jemand anderes den Lohn für die Arbeiten einstreichen. Und mit diesem Steinmetz (er hieß Titus Sextilius Canuleianus) besichtigte Crispus nun die Thermae Iuliani.


    Inzwischen hatte der Petronier solche Baustellenbegehungen schon häufiger durchgeführt (während er sich als Soldat meist erfolgreich um diese Baukoordinationen gedrückt hatte) und wusste einigermaßen, wann er zu schweigen hatte und wann er etwas drängen musste. Und so ließ er Canuleianus vorerst gewähren. Obwohl das Wasser für die Renovierung aus dem Bad gelassen worden war, konnte man nicht verhindern, dass die Wärme, die die Wände und Böden abstrahlte, für eine gewisse Hitze sorgten. Zumindest war das nicht die Betriebstemperatur des Heißbades, was jedoch nicht bedeutete, dass Crispus nicht auch so der Schweiß auf der Stirn stand. Canuleianus hingegen schien das weniger zu stören - als Italiker war er vermutlich höhere Temperaturen gewohnt. Voll konzentriert kletterte er stattdessen in das leere Becken und begutachtete die Risse im Marmor. Dann kam er wieder heraus, sah sich das ganze von oben an, ging etwas umher und analysierte so alles sehr genau. Dann verlor Crispus doch ein wenig die Geduld und fragte


    "Wie sieht es aus, Sextilius?"


    "Hm, is' ned so schlimm. Däd sag'n, dassmer nur die zwa Bladdn ausdausch'n müss'n. Un ich dengg' die ko ich okaff'n - hald ned zum Einkaufbreis."


    Der Nachteil an Sextilius Canuleianus war, dass er einen sehr breiten, italischen Dialekt sprach, der es selbst für Crispus als Muttersprachler schwierig machte, ihn korrekt zu verstehen. In Verbindung mit den Gesten konnte sich dann jedoch grob vorstellen, was der Steinmetz meinte: Offensichtlich wollte er die Marmorplatten kaufen (zumindest war dies die einzige Interpretation von 'okaffn', die Sinn ergab) und das ganze würde doch etwas billiger werden. Das war soweit schonmal sehr gut - Geld war nicht gerade das, was bei Crispus locker saß! Daher nickte er knapp. Im Anschluss sprachen die beiden über den Preis, wobei es Crispus hier doch nicht schaffte, ohne nachzufragen durchzukommen. Doch schließlich waren alle Formalitäten geklärt - Sextilius konnte mit der Renovierung beginnen!