[Blockierte Grafik: http://img55.imageshack.us/img55/7766/luciuspetroniuscrispuskex5.jpg]| Lucius Petronius Crispus
Viele Tage, Wochen und Monate waren vergangen, seitdem Lucius zum ersten Mal die Xanthos-Schule betreten hatte. Und inzwischen kannte er die Jungen hier alle zu gut. In ihre Clique jedoch war er nie so wirklich völlig hineingelangt. Stattdessen saß er immer auf einem Schemel in der hinteren Reihe. Leider hatte sich gezeigt, dass seine Begabung für das Lesen und Schreiben ebenfalls etwas mangelhaft war, sodass er gelegentlich von den anderen Jungen ausgelacht worden war, wenn er wieder einmal völligen Unsinn vorgelesen hatte - nur Antonius, der oft genauso schlecht war wie Lucius selbst war etwas, was man als Freund bezeichnen konnte. Lucius jedoch bewunderte Mucius am meisten. Er war immer der Anführer der Bande, durfte entscheiden und wenn er etwas sagte, dann galt es. Oft war Caius eine kleine Opposition, doch die überragende Autorität von Mucius, der stets rasch von den anderen unterstützt wurde, zwang auch den eingebildeten Magistraten-Sohn in die Knie.
Eigentlich besuchte er die Schule höchst ungern, denn meistens mussten sie sich doch mit dem Lesen und Schreiben beschäftigen, während die Mathematik, die Lucius wesentlich besser gefiel, einen sehr geringen Teil einnahm. Außerdem ging er hin, weil sein Vater es befahl. Einmal hatte er Armin, der ihn jeden Morgen in die Schule brachte, überredet, lieber aus der Stadt in den Wald zu gehen, doch als sein Vater es von Xanthos erfahren hatte, hatte der kleine Lucius die Tracht Prügel seines Lebens erhalten. Damals hatte er die ganze Nacht geheult und war am nächsten Morgen mit blauen Flecken in die Schule gegangen. Caius hatte ihn ausgelacht. Überhaupt machte Caius ihm am meisten Ärger - er schien geradezu Spaß daran zu haben, den kleinen und schmächtigen Lucius bei jeder Gelegenheit das Leben schwer zu machen. Nicht nur einmal hatte er von Meister Xanthos Ärger bekommen, weil Caius ihn in irgendeiner Weise (besonders mit seinem Stylus) vom Unterricht abgehalten hatte. Um genau zu sein, hasste Lucius ihn sogar!
Der Lernfortgang war dennoch weitergegangen: Aus Silben waren ganze Wörter geworden und heute nun hatte Meister Xanthos sich eine weitere Teufelei ausgedacht: Sie mussten einen Text des göttlichen Divus Iulius Caesar lesen! Gerade hatten sie etwas über diesen beeindruckenden Mann der römischen Geschichte erfahren - Lucius hatte nicht aufgepasst, sondern stattdessen auf seiner Tabula Kopfrechnen geübt. Natürlich hatte Iulius wieder eine Menge gewusst - Lucius fragte sich, woher - er hatte sogar die Überlegung angestellt, mit ihm verwandt zu sein, doch das hatte nur Gelächter hervorgerufen. Iulius' Vater mochte ein angesehener Anwalt sein, aber eine Verwandtschaft mit dem ersten Kaiserhaus war doch sehr unwahrscheinlich. Inzwischen hatte Xanthos aber die große Buchrolle aufgerollt und reichte sie an Lucius.
"Lucius, ließ uns die ersten Worte vor! Sie sind sehr bekannt!"
Der kleine Petronier nahm voller Angst das Buch entgegen und suchte den Anfang. Bereits jetzt hatte er Angst zu versagen: Das war doch nur eine endlose Reihe von Buchstaben! Wo war der Anfang? Und war dieses V jetzt wie vulnera oder wie urbs auszusprechen? Als er auf den Finger blickte, mit dem er dem Text folgen wollte, bemerkte er, dass dieser zitterte. Würden die anderen ihn wieder auslachen? Warum hatte Xanthippus nur ihn ausgewählt? Sollte doch der dumme Brutus sich blamieren!
"Ga...lliae stohm - äh - Gallia est omniis diiuiissaai - ähm - diiviissaa iin paa...rrtees treessquaa - äh - quaarruumuun - quarumun? - ah! - quaruum unnaam in-c-oolll...uhnn-t beel - hä?"
stammelte er hervor. Irgendwie wollten diese verdammten Buchstaben keinen Sinn ergeben! Hilfesuchend sah er sich in der Klasse um. Antonius sah ihn mitleidig und etwas verzweifelt an, Iulius meldete sich bereits und Caius grinste hämisch. Und schließlich blieb sein Blick an Xanthippus kleben, der ihn streng und erwartungsvoll ansah.
"Hast du zu Hause Lesen geübt, wie ich es dir aufgetragen habe?"
Beschämt senkte Lucius den Kopf. Er erinnerte sich noch sehr genau daran, dass Meister Xanthos ihm das erst gestern aufgetragen hatte. Doch da sein Vater es nicht wusste, hatte er sich stattdessen mit den anderen Jungen getroffen und sie hatten eine Schneeballschlacht gemacht. Zuerst war alles ganz lustig gewesen, doch dann hatte Lucius Caius den Kratzer, den letzterer mit seinem Stylus gemacht hatte, heimzahlen wollen und ihm einen Schneeball direkt auf die Nase geworfen. Daraufhin war Caius wütend geworden, losgestürmt und hatte den viel schwächeren Lucius in den Schnee geworfen und sein Gesicht in einen besonders großen Schneehaufen gepresst. Eine Rangelei war entstanden und wenn Mucius die beiden nicht getrennt hätte, hätte Lucius wohl weitaus mehr als einen Riss im Mantel davongetragen. Zu Hause hatte es deswegen ordentlichen Ärger gegeben - sein Vater hatte ihm den Mantel weggenommen und entschieden, dass Lucius dann eben ohne Mantel leben musste, wenn er ihn kaputt machte. Heute morgen war er daher richtig froh gewesen, die Schule zu erreichen - zu kalt war es draußen gewesen, auch wenn er zwei Tunicae übereinander trug. Nun jedoch wünschte er sich in einen Schneesturm oder sonstwohin, wo Xanthippus bohrender Blick ihn nicht traf.
"Indem du schweigst, sprichst du, Lucius! Offensichtlich brauchst du mehr Kontrolle: Schreibe mir bis morgen auf, was du den ganzen Nachmittag zu tun pflegst. Und sieh zu, dass die Tabula ganz voll ist!"
Die ganze Tafel? Lucius war niedergeschlagen...dann fiel ihm etwas ein: Armin hatte doch von Morag ebenfalls gelernt zu schreiben! Und sicherlich würde Xanthippus es nicht bemerken, wenn er für ihn die Hausaufgaben machte! Dafür würde Lucius Armin eben einen Gefallen tun...hmm...vielleicht konnte er solange für ihn ausmisten! Der gute Asulf war Lucius sowieso nur sympathisch und er konnte es gar nicht erwarten, bis man ihm erlaubte, ihn zu reiten.
Während Lucius so nachdachte und dabei den Kopf gesenkt hielt, fuhr Xanthos mit dem Unterricht fort. Er rief Iulius auf, der sofort auswendig die ersten Sätze des Gallischen Krieges rezitierte. Natürlich auswendig!
"Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur. Hi omnes lingua, institutis, legibus inter se differunt. Gallos ab Aquitanis Garumna flumen, a Belgis Matrona et Sequana dividit.*"
Sim-Off:* Gallien in seiner Gesamtheit ist in drei Teile geteilt, von denen den einen die Belgier bewohnen, den anderen die Aquitaner und den dritten, die welche in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer Gallier heißen. Diese alle sind nach Sprache, Einrichtungen und Gesetzen untereinander verschieden. Die Gallier trennt von den Aquitanern der Fluß Garonne, von den Belgiern die Marne und die Seine.
