SEPULCHRUM PETRONIORUM
AN DER VIA BORBETOMAGA
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PETRONIUS CRISPUS HATTE SEINER ERSTEN FRAU HEILRUNA EIN MITTELGROSSES GRABMAL ERRICHTEN LASSEN. DER VON IHM ANGESTELLTE STEINMETZ WILLIGIS HATTE EIN RELIEF, DAS DIE DAMALIGE FAMILIE, BESTEHEND AUS MARCUS, HEILA UND IHREM GEMEINSAMEN SOHN LUCIUS ANGEBRACHT UND DARUNTER EINE INSCHRIFT GEMEISSELT.
FÜR DEN FALL SEINES TODES PLANTE CRISPUS JEDOCH, EINE NEUE UNTERSCHRIFT UNTER DAS KUNSTWERK ZU SETZEN UND NEBEN HEILA BEGRABEN ZU WERDEN.
Der Leichenzug bewegte sich vom Haus der Petronier langsam die schnurgerade Straße entlang bis hin zum Stadttor. Da es unverkennbar war, zu welchem Zweck die Gruppe die Stadt verließ, wurden sie ohne Beanstandungen hindurchgelassen. Eine Weile mussten sie noch an älteren Gräbern vorbeiziehen, bis sie zu einer Lücke kamen, die alsVerbrennungsplatz ausgewählt worden war.
Einige Arbeiter aus Crispus' Steinbruch hatten hier Reisigbündel aufgeschlichtet, worauf Heila nun gelegt wurde. Mit noch immer geröteten Augen trat Crispus, nachdem er die Last abgelegt hatte, vor und bat um Ruhe. Er hatte sich vorgenommen, ein paar Worte zum Abschied zu sagen.
"Wir bestatten heute meine Frau, eure Tochter, Mutter, Nachbarin und Freundin.
Ich kenne sie seit vielen Jahren, wir hatten eine wunderbare Zeit. Sie hat immer ihren Eltern geholfen, aber auch mir, wenn ich Probleme oder Sorgen hatte. Vor allem hat sie mir aber einen Sohn geschenkt, der prächtig geraten ist. Leider hat das Schicksal beschlossen, dass sie nie erleben darf, wie er zum Mann wird. Sie ist bei der Hausarbeit von einer Leiter gestürzt und in unserer Küche verstorben. Ganz plötzlich, ohne Vorwarnung.
Jetzt müssen wir sehen, wie wir ohne sie zurecht kommen. Ich gelobe, Lucius im Andenken an sie aufzuziehen und werde mein bestes geben. Aber ich werde niemals seine Mutter ersetzen können."
Er brach in Tränen aus, als er daran dachte, wie sehr Heila im Haus und insbesondere ihm fehlen würde. Gunda trat heran und stützte ihn, doch er stieß sie beiseite und ergriff die Fackel, die einer der Arbeiter bereit hielt um Heilas Scheiterhaufen zu entzünden.
Er wollte es zuende bringen. So stieß er die Fackel in den Reisighaufen, der sofort Feuer fing (er war auch teilweise mit Öl begossen worden, damit es schneller ging). Eigentlich hatte Crispus ein paar persönliche Gegenstände mit ihr verbrennen wollen, doch die germanischen Sitten sahen so etwas nicht vor, weshalb ihre Eltern dagegen gewesen waren. So brannte sie ganz allein in ihren neuen Kleidern, wovon man aber nichts erkennen konnte, denn die Flammen loderten hoch und alle mussten ein wenig Abstand von dem Haufen nehmen.
Eine Weile standen alle schweigend vor dem Scheiterhaufen, doch schließlich trat Gunda vor und sprach das Wort
"Ilicet!"
was bedeutete, dass die Gäste gehen durften. Dies taten auch die meisten Nachbarn, Willigis und seine Leute. Zurück blieben nur Crispus, Lucius, Armin, Morag und Gunda. Sie warteten geduldig, bis der Haufen heruntergebrannt war. Crispus, Armin und Lucius weinten still, während sie an die schönen Momente mit Heila dachten. Crispus erinnerte sich wieder an ihr ersten Treffen, die Vorstellung bei ihren Eltern, ihr erstes Mal, an die Nachricht, dass er ein Kind bekommen würde.
Nach einiger Zeit schienen die Kinder müde zu werden, sodass Gunda sie bei der Hand nahm und nach Hause brachte. Crispus und Morag blieben mit einer großen Amphore Wein zum Löschen des Haufens zurück. Seine Tränen waren getrocknet und er blickte über den inzwischen ziemlich heruntergebrannten Scheiterhaufen hinweg in die Ferne, wo die Sonne bereits den Horizont küsste. Langsam malte sich ein gewisser Trotz auf die Züge des Petroniers: Es musste weitergehen! Und es konnte weitergehen!
Während Morag weiter teilnahmslos da stand, begann Crispus in Gedanken, Heila zu erzählen, was er nun vorhatte: Er würde Lucius in die Schule schicken, selbst versuchen, zum Magistraten zu kandidieren und ihr zu Ehren zu Wohlstand und Ansehen kommen. Und er würde sie niemals vergessen und immer wieder zu ihrem Grab kommen und mit ihr beraten, was zu tun sei.
Endlich war der Scheiterhaufen heruntergebrannt. Von Heila war kaum etwas übrig außer Knochen und Asche. Nur hier und da glimmte der Reisig noch, doch das meiste war verbrannt. Crispus beschloss, dass es genug war und ergriff die Amphore.
"Gallicus, hilf mir!"
meinte er und der Sklave half ihm. Gemeinsam löschten sie die Überreste des Feuers und begannen schließlich, die Knochen einzusammeln und in ein Tongefäß zu füllen, das Sigubald als Urne für seine Tochter angefertigt hatte. Es dauerte eine ganze Zeit und die Dämmerung hatte sich schon breit gemacht, als sie fertig waren.
"Beeil'n wir uns!"
mahnte Morag, der die Totengeister fürchtete, die nachts die Friedhöfe unsicher machten. Doch Crispus war sowieso fertig, weshalb er sich erhob und den Deckel auf die Urne legte.
"Wir müssen die Urne nur noch zu Heilas Grab bringen, dann sind wir fertig."
sagte er und deutete auf die Amphore.
"Du kannst sie schon nach Hause tragen."
Das ließ sich Morag nicht zweimal sagen! Er ergriff die Amphore und ging schnellen Fußes in Richtung Stadt, während Crispus allein zurück blieb. Er blickte sich um: Ringsherum waren nur Gräber - keine Menschenseele, nicht einmal ein Tier war zu sehen.
Die Urne mit beiden Händen haltend machte er sich schließlich auf den Weg die Straße hinab. Nach kurzer Zeit erblickte er das aus Kalkstein gehauene Grabmal. Willigis hatte ganze Arbeit geleistet, wie er feststellte. Sofort erkannte er sich und seinen Sohn auf dem Relief, nur Heila war nicht ganz so gut getroffen (der Steinmetz hatte sie ja auch nur tot gesehen). Doch alles in Allem war Crispus sehr zufrieden - eine würdige Ruhestätte für Heilas Überreste!
Er öffnete das Bauwerk und stellte die Urne an ihren Platz. Dann verschloss er das ganze. Morgen würde Willigis kommen und das Grab fest verschließen, damit niemand die Urne stehlen konnte. Doch eine Nacht würde schon nichts passieren.
Zum Schluss betrachtete der Petronier noch einmal das Grab, seufzte tief und wandte sich schließlich in Richtung Stadt. Ohne Eile schlenderte er auf seine Zukunft ohne die Frau seines Lebens zu...aber es würde schon gut gehen!