Es war heiß. Nächte in Rom waren immer heiß. Selbst, wenn man das Fenster offenstehen ließ, um so wenigstens die Kühle der Nacht zu einem kleinen Teil einzulassen, wenngleich das Offenstehen eines Fensters ein gewisses Risiko barg, Diebe und Mörder einzuladen. Doch Mela konnte sowieso nicht schlafen. Er lag auf seinem Lager und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt. So daliegend, starrte er an die kalkgeweißte Decke über seinem Bett.
Livilla. Er konnte an kaum etwas anderes denken. Das hieß, doch, er konnte schon. Aber er ließ es nicht zu, er wollte es nicht. Immer wieder sah er ihr fröhliches Lachen, wenn er die Augen schloss. Immer wieder hörte er das Klingen ihrer Stimme, wenn er in der Ferne Gemurmel vernahm. Mela drehte sich auf die Seite, versuchte zu schlafen. Was hatte Crispus gesagt? War er nicht der Meinung, dass Mela Geistern hinterherjagte? Aber genau das war es, was er nicht wahrhaben wollte.
Mela dachte an Germanien. Wie er Livilla zur Unterkunft ihres Vaters geleitet hatte. Wie er sie anschließend darum gebeten hatte, ihr den Sonnenuntergang zeigen zu dürfen, denn sie mochte Sonnenuntergänge so sehr. Unwillkürlich musste er lächeln, mit geschlossenen Augen. Und wieder sah er Livilla vor sich, wie sie das Haar zurückstrich und ihn beobachtete. Er fragte sich, ob es nicht vielleicht töricht gewesen war, ihr seine Gefühle zu gestehen. Ob er nicht besser gewartet und zuerst mit Numerianuns gesprochen hätte. Zumindest riet ihm sein Verstand, dass jenes genau das richtige Vorgehen gewesen wäre. Das Herz allerdings sagte ihm, dass es gut war, wenn er nicht hinter Livillas Rücken über Dinge entschied, die sie schließlich beide angingen.
Der Soldat seufzte schwer und versuchte krampfhaft, an etwas anderes zu denken. Er dachte an Valor, seinen Hengst. Er vermisste ihn auch, war aber davon überzeugt, dass man ihn während seiner Abwesenheit gut behandelte in Germanien. Langsam glitt er hinüber in einen leichten Schlaf. Seine Augenlider zuckten dann und wann.
Mela befand sich auf einem Schlachtfeld. Allein. Seinen Hengst führte er am Zügel. Es war totenstill, niemand regte sich. Nur der Wind, der einen süßlichen Geruch vorantrieb, blies schwach über den Campus. Langsam bewegte sich Mela mit Valor am Zügel über die leblosen Körper seiner Kameraden hinweg. Seine Füße verursachten kein Geräusch. Jeder Ton schien von der Erde verbannt. Blut war überall. Schließlich hielt Mela an und sah auf einen Toten zu seinen Füßen herab. Eine neue Pailette glänzte an einem Gurt. EIne römische. Mela ging langsam in die Knie. Seine Finger strichen vorsichtig, beinahe behutsam über das kleine Metallplättchen. Er wusste, wem es gehörte. War es nicht Crispus gewesen, der auf den Trajansmärkten ein solches Schmuckstück gekauft hatte? Langsam zog Mela seine Hand zurück. Dass der Soldat langes, gewelltes Haar trug, machte ihn stutzig. Es war braun und seidig. Und in diesem Moment drehte sich die Iulierin herum und starrte Mela aus anklagenden Augen an und - - -
Mela erwachte keuchend. Er war schweißgebadet und sah sich gehetzt im Zimmer um. Niemand war da. Lediglich die Vorhänge wogten sacht im Wind der Nacht. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Nur ein Traum... Doch warum träumte er solche Dinge? Wars sollte ihm dieser Traum sagen?
Verwirrt und allein blieb Mela in dieser Nacht in seinem Zimmer zurück.