Beiträge von Titus Tiberius Flaccus

    Ein Ianitor öffnete die Türe, als er das Klopfen gehört hatte. Doch im Hintergund passierte Flaccus wie zufällig den Gang zum Vestibulum und schaute zur porta, es war nicht der Zufall, sondern eher die Neugier, die ihn gerade auf diesen Weg trieb.
    Der Ianitor verneigte sich leicht vor der Dame und fragte dann:
    Salve, was kann ich für dich tun?

    In all seiner Ruhe saß Flaccus auf dem Korbsessel, als Durus auch schon wieder aufsprang und sich verabschieden musste. Sicherlich wäre ein Amt in der Verwaltung oder ähnliches in der Politik nicht seine Sache. Die Hektik des Alltags würden ihn schon nach kurzer Zeit zermürben und das Dasein als Priester verschaffte ihm die Möglichkeit zu lesen und seine "Geschäfte" in aller Bedächtigkeit auszuführen.
    Vale, Durus. Du bist jeder Zeit willkommen.

    Als der sacerdos zum Tempel kam und Flaccus sah, wie er die Stufen hinaufging, ließ er die Sklaven die Kiste öffnen. Es war eine schöne Kiste aus Nussbaum, die von innen mit purpurnem Samt verkleidet war. Flaccus hatte diese Kiste auf seinen Reisen bei sich. Und weder bei den beschwerlichen Reisen auf Land, noch bei denen auf Wasser, trug eben jene Kiste einen Schaden davon. So hielt er gerade sie für besonders geeignet, hier seine Utensilien für das Opfer aufzubewahren.


    Die Sklaven füllten eine tiefere Schale mit Wasser und stellten die foculi in die richtige Position. Die Kohle war bereits angeheizt. Als sacerdos Iulius nun dabei war, begann Flaccus das Opfer.


    Er wusch sich die Hände in der Schale mit Wasser und nahm danach das edle Tuch, dass ihm der zweite Sklave reichte. Nach der zeremoniellen Waschung und Reinigung trocknete Flaccus seine Hände daran. Er nahm etwas Weihrauch und verbrannte diesen im ersten Opferherd. Die Dämpfe stiegen schnell auf und erfüllten die Halle mit einem wohligen Duft; dafür sorgten die Öle, die Flaccus beigegeben hatte. In eine Schale zur linken füllte Flaccus aus einer edlen Karaffe etwas Milch, in eine Schale zur rechten füllte er Wein als Trankopfer.
    Er verharrt einen Augenblick, damit der Gott auch das Opfer bemerkte. Er zog sich seine Toga über den Hinterkopf wandte seinen Blick auf die Statue des Gottes und streckte die Arme mit den Handflächen nach außen nah oben. Sodann fuhr er mit seinem Gebet fort.
    Mercurius, Gott der Reisenden und fliegenden Händler!
    Mercurius, der du beschützt die Römer auf ihren Wegen um den Erdkreis und ihnen ihre Worte verleihst, ich, Titus Tiberius Flaccus, stets ehrfürchtiger Diener der Götter, erbitte von dir deine Wachsamkeit. Begleite und bewahre Manius Tiberius Durus auf seinen Reisen und Wegen fern von Rom und seiner Familie! Schütze ihn vor Gefahren und verleihe ihm Wachsamkeit.
    Mercurius, Gott der Reisenden und fliegenden Händler, erhöre mein Gebet, denn auch weiterhin werde ich dir huldigend Opfer darbringen, so dass du die Wege meiner Familie behüten mögest.

    Einen Augenblick verweilte er, nahm dann die Arme wieder herunter. Er wandte sich nach rechts ab, trat nun zur Kiste und nahm etwas gesalzenes Dinkelmehl heraus und zwei gewürzte Opferkuchen. Das Dinkelmehl streute er zuerst in den größeren foculus und zischend und glühend durch die Hitze flog es wieder empor. Dann folgten die Opferkuchen, die er nun in selbigen Opferherd verbrannte.
    Links stand nun die Schale mit Milch, rechts die mit Wein. In der Mitte der Opferherd mit den brennenden Kuchen, gleich daneben dampften die Schwaden von Weihrauch und Ölen... Flaccus trat wenige Schritte von dem Geschehen zurück und beobachtete selbst.

    Flaccus kam wie angewiesen zum Tempel des Mercurius und betrat die Halle. Zwei Sklaven, die er mitgenommen hatte, trugen eine kleine Kiste, in die er verschiedene für das Opfer wichtige Gaben wie Utensilien hat packen lassen.
    Kurz schaute er sich um, ob er den sacerdos Iulius sehen könne.

    Flaccus überlegte nur einen Augenblick.
    Gerade bei großen öffentlichen Opferungen sind Flötenspieler wichtig, da sie störende, die Opferzeremonie beeinflussende Geräusche in den Hintergrund treten lassen.

    Flaccus hörte zu und war froh, dies etwas besser zu kennen.
    Die mola salsa ist ein wichtiger Bestandteil des Opferrituals. Das gesalzene Dinkelmehl wird von den Vestallinnen hergestellt und wird vor der Übergabe des Opfers an die Gottheit zusammen mit dem Wein über den Kopf des Opfertiers gestreut.

    Flaccus staunte.
    Nun, dann scheinst du ja bereits in die Arbeit eingespannt zu sein. Doch es ist nicht schlecht, dass dir solcherlei Aufgaben übertragen werden, anstatt du hinter einem Schreibtisch sitzt und nur Papyrusrollen sortierst. So kennt man in Rom dein Gesicht, so knüpfst du schon frühzeitig Kontakte. Führe deine Aufgaben zur Zufriedenheit aus, denn es ist schon beachtlich, dass man dir als scriba solche Verantwortung überträgt. Aber es freut mich zu sehen, dass ein weiterer Spross der Tiberier mit schnellen Schritten in das politische Tagesgeschäft einsteigt.

    Flaccus schaute kurz verdutzt, als er plötzlich den Korb mit den Opferkuchen in seinem Arm wiederfand. Er atmete einmal tief und stellte diesen dann vorsichtig vor sich auf den Boden.
    Nein, in der Regel bin ich in den Lehrräumen des Mercurius, wo ich von dessen sacerdos ausgebildet werde. Ich freue mich aber schon sehr darauf, hier auf dem Palatin, direkt neben der domus Augustana, in diesem von Augustus erbauten Tempel des Apoll zu dienen und dem Gott zu huldigen. Es ist ein wunderschöner Bau mit dem schönsten Ausblick in Rom. Als commentarius werde ich vielleicht schon bei Opfern behilflich sein können, vielleicht auch mal hier. Bisher lerne ich die grundlegenden Dinge des cultus.
    Dann erinnerte er sich an den conventus zurück.
    Es ging direkt zu Beginn hochher. Offensichtlich gefiel so manchem sacerdos die neue Regelung unserer Verwandten Claudia nicht.
    Flaccus verzog eine Augenbraue nach oben.

    Als er am Tablinum vorbeiging, wunderte er sich über den Mann, den er aus den Augenwinkeln sah. Doch dann erkannte Flaccus seinen Vetter Durus.
    Durus? Du bist doch erst vor kurzer Zeit nach Misenum aufgebrochen! Was verschlägt dich so schnell wieder nach Rom?
    Flaccus gesellte sich zu Durus und nahm ebenfalls auf einem Korbsessel Platz, bevor er mit einem Wink den Sklaven Wein zu bringen deutete.

    Flaccus nahm die Amphore Falerner und trug sie in den Tempeleingang. Das Opfertier müsse der Priester holen und dabei schauen, ob es sich richtig verhält und der Gott das Opfer annimmt. Doch was wäre, wenn das Klab nicht wollte? Das Opfer wäre dahin und Livia sicher unglaublich enttäuscht und mürrisch. Daran wollte Flaccus jetzt lieber nicht denken, sicher würde alles gut gehen.
    Der Kuchen, Livia, wird verbrannt, und das Fleisch wird von den Priestern zubereitet. Der Wein wird vor der Zeremonie über das Opfer gegossen.
    Er nickte Livia zu und schaute sich dann um....eigentlich hatte er sich darum gekümmert und gleich würde sicher auch ein Priester kommen.
    Hab ein wenig Geduld, Schwester, ich bin sicher, dass wir nicht lange warten müssen.

    Verzeih, dich zu erschrecken war nicht meine Absicht.
    Flaccus lächelte Livia an und geleitete seine Schwester nach draußen, um sich die Opfergaben an Apoll anzusehen. Da war das weiße Kalb, ein männliches Tier, wie Flaccus bei näherer Betrachtung deutlich feststellen konnte. Die Opferkuchen, um die Aufmerksamkeit des Gottes im Vorfeld zu erlangen, wunderbar. Da war der Wein, der dem Kalb vor dem Opferzeremoniell über den Kopf gegossen wurde, und ein großer Bund Blumen.....BLUMEN? Flaccus Miene verzog sich unmerklich. Hatte er nicht Lorbeer gesagt? Seiner Schwester waren die Lorbeergewächse vermutlich zu eintönig und so hatte sie sich wohl flux für die bunteren Blumen entschieden, anstatt auf ihren großen Bruder zu hören. Aber da sie ihn so liebevoll anlächelte und alles extra besorgt hatte, wäre es ihm wohl nicht im Traum eingefallen, sie jetzt auch noch zu kritisieren. (;))
    Sehr gut, du hast alles besorgt und es sieht gut aus. Wir müssen nur auf den Priester warten, der für uns die Opferung vollzieht.
    Er reichte ihr die Opferkuchen, da diese die leichtesten waren und bat sie mit einer Handbewegung und einem Lächeln, die Stufen hinaufzugehen. Als Livia sich umdrehte erfror sein Lächeln schlagartig und Flaccus nahm die Blumen und schlug sie dem Sklaven vor die Brust. War doch niemand anderes da, so war er nun der Schuldige.

    Flaccus hatte noch den Ausblick des Palatin genossen. Als er pünktlich 5 Minuten vor vereinbartem Termin am Tempel erschienen war, hatte er seine Schwester nicht ausmachen können. Doch alarmiert durch die Sänftenträger vor dem Eingang des Tempels, als er diesen wieder passierte, erkannte Flaccus die Ankunft Livias. So ging er, wenn auch in gemächlichem Schritt, zum Eingang des ehrwürdigen Hauses, um seine Schwester dort anzutreffen. Und so näherte er sich ihr langsam von hinten.
    Livia, Schwester, hast du alles vorbereiten lassen? Ich hoffe deine Sklaven haben die richtigen Opfergaben beschaffen können. Schließlich muss alles stimmen, um das Wohlwollen Apolls zu erreichen!
    Flaccus Stimme wirkte eindringlich und ernst, um Livia auch von der Wichtigkeit dieses Opfers zu überzeugen.

    Flaccus notierte auf seiner wachstafel, während der sacerdos sprach.
    Nein, sacerdos Iulius, bis hierhin ist alles verständlich. Also wir hier nicht durch die Anrufung des gottes dessen Aufmerksamkeit erregt, sondern es bedarf kleinerer Opfer, um diese zuerst zu bekommen, um dann das Gebet an die Gottheit zu richten. Darauf folgt erst die "eigentliche Opferung".

    Flaccus saß da und beäugte die Anwesenden, seine Anwesenheit war auch alles, was er hier als discipulus beisteuern konnte. Sicher, die Worte der Flaminca, die soeben die Sitzung eröffnet hatte, betrafen wohl gerade ihn, aber die lediglich in passiver Form. So hörte er gespannt zu, worum es nun im Detail eigentlich ging.