Die Nachrichten von Lucianus waren zwar nicht ganz so erfreulich wie die eigenen, aber zumindest nicht schlecht - wenn die Classis still hielt und auch Hungaricus sich nicht auflehnte, dann würden sie zumindest keine Gefahr darstellen.
Dann aber kam Avianus direkt auf den nächsten Punkt zu sprechen, der nun zu klären war. Auch hier hatte Durus einige Gedanken zu äußern, die dann diskutiert werden konnten.
"Um auf deine erste Frage zu antworten: Ich gehe davon aus, dass unsere Schritte so rasch vonstatten gehen, dass der Senat und die Ritterschaft quasi vor vollendete Tatsachen gestellt werden oder aber überhaupt nicht bemerken, dass dies ein unnatürlicher Gang der Dinge ist."
Bewusst vermied der Tiberier den Begriff "Revolution" oder "Umsturz" - es war doch vielmehr eine Rückbesinnung auf die alten Werte und ein Hinwegfegen des Illegitimen und Illegalen!
"Dies hängt allerdings stark mit deiner zweiten Frage zusammen, die wir nun als nächsten Punkt zu klären haben. Dazu möchte ich den bisherigen Stand noch einmal zusammen fassen und kommentieren, ehe wir hoffentlich einen gemeinsamen Plan fassen können.
Ich für meine Person sehe folgende Alternativen:
Die erste wäre lediglich eine Beseitigung Salinators und eine direkte Beeinflussung Valerianus'. Diese Alternative erscheint mir inzwischen jedoch als verwirkt, da der Kaiser beide Prätorianerpräfekten entlassen hat und einen Gefolgsmann und Klienten des Vesculariers an ihre Stelle gesetzt hat. An seinem Einfluss werden wir kaum vorbeikommen, zumal der Kaiser in Misenum inzwischen so stark von den Prätorianern abgeschirmt wird, dass wir schon mit militärischer Macht den Zugang zu ihm erzwingen müssten. Dies jedoch wird sich kaum so schnell bewerkstelligen lassen, dass sich unsere Gegner nicht formieren werden."
Tatsächlich hatte Durus diese Variante schon beim ersten Mal eher genannt, um die Mitverschwörer behutsam auf den Kaisermord vorzubereiten - dass das funktionierte, war doch mehr als unwahrscheinlich!
"Die zweite und dritte Alternative sehen beide ähnlich aus: Zuerst müsste Valerianus getötet werden, vorzugsweise durch Gift und unbemerkt. Bereits im Vorfeld müsste allerdings sein Testament verändert oder ausgetauscht werden, in dem wir einen Nachfolger bestimmen und uns oder einen der unseren zur interimistischen Regierung ernennen. Dadurch würde die Regierungsgewalt an uns übergehen und wir könnten Salinator des Mordes an Valerianus bezichtigen und hinrichten. Gerade letzteres hat auch Annaeus Modestus dringend angeraten.
Dieses Ansinnen erscheint mir durchaus möglich, da ich als Pontifex pro Magistro Zugang zum Atrium Vestae habe, in dem sich das Testament des Kaisers befindet. Da eine meiner Verwandten bald ebenfalls zur Vestalin geweiht wird, würde sich dies wohl sogar noch erleichtern."
Ein Kind in diese Sache hineinzuziehen war zwar riskant, aber vielleicht konnte er sie ja auch aus dieser Sache heraushalten.
"Da Salinator zudem wenig Rückhalt im Senat hat und wir ja auch Indizien für seine Beteiligung fingieren können, erscheint mir dies als durchaus erfolgversprechend, vor allem wenn es uns gelänge, die Legio I zu diesem Zeitpunkt in die Nähe Roms zu bringen, um die stadtrömischen Einheiten zum Stillhalten zu zwingen."
Letzteres wiederum war ein riskantes Unterfangen und es wäre Durus am liebsten gewesen, den Praefectus Praetorio ebenfalls ermorden zu lassen - aber vielleicht gab es ja noch eine zündende Idee in der Runde...
"Der Unterschied der beiden Alternativen ist nun der, welcher Nachfolger in dem fingierten Testament erscheinen wird. So könnte dies entweder Maioranus, der Sohn des Valerianus, oder aber ein anderer angesehener und einflussreicher Senator sein, der testamentarisch adoptiert wird, wie dies auch bei unseren letzten Kaisern der Fall war.
Erstere wird von Annaeus Modestus präferiert. Dennoch halte ich sie für äußerst problematisch: Maioranus ist noch ein Jüngling, doch er hat bereits seine Liberalia hinter sich, sodass wir ihn vermutlich nur noch wenige Jahre kontrollieren könnten. Er wäre damit ein weiterer Risiko-Faktor, zumal wir wenig bis nichts über ihn wissen.
Folglich wäre es meines Erachtens weitaus sicherer, den jungen Maioranus gemeinsam mit seinem Vater zu töten und für diesen Fall einen anderen Mann zu bestimmen, der ein geringeres Risiko darstellt."
Damit hatte Durus seinen Standpunkt dargelegt und er blickte fragend in die Runde.