Durus kam nach Hause und ignorierte die Einladung des Sklaven zu einem weiteren Gastmahl Milos. Milo feierte ständig irgendetwas und Durus hatte noch viel zu erledigen. Eigentlich hatte er nur eine Sache zu erledigen: Ein Brief an Fabia.
So ging er eilig auf sein Zimmer, setzte sich an den Schreibtisch und holte Feder und Briefbogen hervor. Geschwind setzte er den Briefkopf auf. Dann saß er da. Er hatte kein Gedicht gefunden, das passte. Er holte Fabias Brief aus dem Sinus seiner Toga und legte ihn auf den Tisch.
Ad
Manius Tiberius Durus
Curia Miseni, MISENUM
Fabia Durum s.p.d.
Die Götter meinten es gut mit dir, als sie dich sicher nach Misenum geleiteten - das freut mich sehr. Noch mehr allerdings freut mich dein Schreiben, das mich heute erreichte. Auch ich vermisse solche Sonnenuntergänge, obgleich es mich doch wundert, dass dies das einzige zu sein scheint, das dem Magistratus Miseni im Gedächtnis geblieben ist, diesen Abend betreffend. Ich hoffe natürlich, mich zu irren, nicht zuletzt deines Briefes wegen.
Ovid war in der Tat ein kluger Mann, doch auch Gaius Sallustius Crispus war bewandert, was die Literatur angeht. War nicht einer seiner Äußerungen die folgende?
Tantummodo incepto opus est, cetera res expediet.
(Es bedarf nur eines Anfangs, dann erledigt sich das Übrige.)
Wie Recht er doch damit hatte!
In Hoffnung, bald wieder Sonnenaufgänge mit dir erleben zu dürfen,
Fabia
Hm, ein Bezug? Irgendwie fühlte Durus sich an seine Zeit auf der Rhetorikschule in Alexandria erinnert. Dort hatten sie auch "Antwortreden" schreiben müssen. Allerdings hatte er dazu weniger Catull, sondern vielmehr Cato oder Cicero in der Bücherei verschlungen...
Er musste auf jeden Fall direkter werden als das letzte Mal. Scheinbar waren ihre Briefe sicher - sonst würde sie nicht so eine Offenheit fordern. Er stellte die Öllampe etwas näher zum Papier. Plötzlich begann er, einfach von der Seele zu schreiben. Er verwendete bewusst "Manius", um die Enge ihres Verhältnisses zu betonen, auch wenn es Fabia wahrscheinlich gar nicht auffiel...
Ad
Helvetia Fabia
Casa Helvetia
Mons Esquilinus, ROMA
Manius Fabiam s.p.d.,
Sonnenuntergänge sind eigentlich bedeutungslos für mich. Es gibt nur einen Grund, warum man sie ansehen muss: Dich! Lieber würde ich noch einmal mit dir an der Seite durch die finsteren Gassen Roms spazieren und dabei überfallen werden, als mir allein das verschwinden des Sonnenrads anzusehen.
Ich werde wohl bald wieder nach Rom kommen und dann werde ich bei dir vorbeikommen. Ovid hat Recht - Man sollte anfangen, der Rest ergibt sich von selbst. Also fange ich einfach an:
Plötzlich stockte er. So etwas konnte er doch nicht einfach schreiben! Das war doch...ungehörig! Sein Vater hätte ihn bestimmt zum Verwalter seiner Villa in Germanien gemacht, wenn er so etwas mitbekommen hätte. Man konnte doch nicht so unverschämt eine junge Dame anschreiben!
Unzufrieden sprang er auf, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und lief im Kreis umher...