Beiträge von Manius Tiberius Durus

    Die Reaktionen der anderen waren absehbar gewesen: Viele zögerten, prinzipiell fand er weitgehend Zustimmung. Besonders dankbar blickte der alte Tiberier zu Lucianus, der sich klar hinter ihn stellte und seinen Standpunkt verteidigte. Eigentlich sprach sich nur Modestus klar gegen eine solche Lösung aus - alles in allem eine überaus erfolgreiche Bilanz für den Inhalt dieser Rede!


    "Ich verstehe eure Unsicherheit."


    Zuerst sah er zu Modestus, der als erster Einwände geäußert hatte. Zwar hatte bereits der Vinicier etwas dazu gesagt, allerdings wollte auch Durus noch etwas dazu sagen:


    "Auch ich würde eine politische Lösung vorziehen. Aber sind wir ehrlich: Die Cohortes Urbanae stehen unter Kontrolle Salinators, er wird einen solchen Rufmord nicht ungestraft lassen. Und man muss nicht besonders gerissen sein, um zu ahnen, wer hinter einer solchen Kampagne steckt. Das Problem ist: Salinator genießt das uneingeschränkte Vertrauen des Kaiers! Wir haben ihn bereits vor dem Vescularier gewarnt, aber er hat unsere Warnungen in den Wind geschlagen!"


    Dann ging er weiter zu Avianus, der sich offenbar um seine Familie und wohl auch sich selbst sorgte - ein berechtigter Einwand!


    "Natürlich bin ich mir vollstens bewusst, welch einer Gefahr ich uns allen aussetze. Daher steht es jedem frei, jetzt nach Hause zu gehen und vorzugeben, von nichts gewusst zu haben. Ihm wird nichts nachzuweisen sein!


    Wer allerdings bereit ist, sein Leben zu opfern für das Wohl der Res Publica, der sei herzlich eingeladen. Wie das Schwert des Damokles wird auch das des Praefectus Urbi über unserer Unternehmung schweben.


    Allerdings sollte es natürlich nicht darauf hinauslaufen. Ich habe noch keinen konkreten Plan, aber ich denke, dass es nicht allzu schwierig sein dürfte, Vescularius zu töten. Die Frage, was danach geschehen soll, ist allerdings ebenfalls berechtigt. Ich sehe verschiedene Alternativen:


    Wir könnten Valerianus nach dem Tod Salinators zur Zusammenarbeit mit uns zwingen. Wir müssten die Prätorianer auf unsere Seite ziehen und über sie Druck auf ihn ausüben. Ich denke, dass es uns durchaus gelingen könnte, Rom unter Kontrolle zu bringen, denn der Kaiser hat wenige Kontakte zum Senat oder zu anderen Machtfaktoren in der Hauptstadt. Vielleicht könnten wir ihm den Dolch auf die Brust setzen und ihn als Marionette kontrollieren, bis sein Sohn seine Nachfolge antreten kann. Möglicherweise kommt er aber auch einfach zur Vernunft, wenn wir die Krankheit Salinator geheilt haben.


    Eine radikalere, wenn auch leichter berechenbarere Lösung wäre es, auch Valerianus zu beseitigen. Wir müssten einen Nachfolger vorbereiten und inthronisieren, aber ich denke, mit Hilfe unserer Kontakte könnte dies gelingen. Gelänge es allerdings nicht, würden wir Rom ins Chaos eines Bürgerkriegs stürzen.


    Was immer wir tun: Es wird in jedem Falle äußerst gefährlich und gegen das Gesetz verstoßen. Aber was ist ein Gesetz wert, das mit den Mores Maiorum unvereinbar ist?


    Nein, ich bin überzeugt: Wir müssen handeln! Und wir müssen sehr sorgfältig planen und umsetzen, sonst wird Rom untergehen!"

    Die Worte seiner Gäste waren nicht ganz so, wie Durus es sich erhofft hatte: Alles wirkte doch recht zögerlich und nicht alle schienen sich völlig sicher, ob sie hier richtig waren. Avianus schien bereits voller Sorge um seine Familie, Modestus...Durus fragte sich plötzlich, warum er sich eigentlich so sicher war, dass der Annaeer geeignet für sein Vorhaben war! Aber nun war es wohl zu spät! Lucianus, Lupus und Gracchus bestätigten ebenfalls, ohne große Worte. Damit hatten alle eingewilligt, aber dennoch ging der alte Tiberier auf Nummer Sicher und bekräftigte seine Ankündigung erneut:


    "Möge Iuppiter jeden, der diesen Eid bricht, mit seinem Blitz erschlagen."


    Einen Augenblick ließ er diese Worte wirken, dann nahm er selbst Platz und atmete tief durch.


    "Der heutige Disput hat bereits deutlich gemacht, in welcher Gefahr unser Staat schwebt. Ich habe bereits mit manchem von euch über diese Angelegenheit gesprochen, ebenso lange darüber sinniert und die Sitten unserer Vorväter studiert, was eine solche Situation anbelangt.


    Es liegt auf der Hand, dass Potitus Vescularius Salinator nicht nur eine Gefahr für die persönlichen Interessen mancher Privatmänner ist, sondern die Pax Deorum selbst gefährdet! Er tritt die Mores Maiorum mit Füßen: Nur seine Günstlinge unterstützt er und schließt Tauschgeschäfte, anstatt die besten Männer in die Verantwortung zu ziehen! Er übertritt unsere Gesetze, indem er sich mit bewaffneten Barbaren umgibt, selbst innerhalb des Pomerium! Er beleidigt den Senat, wo er kann, und übergeht ihn als den entscheidenden Hort von Erfahrung um die Lenkung des Staates ohne mit der Wimper zu zucken! Aber ich denke, ihr alle kennt zu Genüge Beispiele für sein Verhalten!


    Lange habe ich zugesehen bei seinem Treiben, von ihm, der stets nur an seinen Vorteil denkt und sich bereichert, wo er kann! Oftmals habe ich mich beruhigt mit dem Gedanken, dass er der Erwählte des Kaisers, des Sohnes des Divus Iulianus ist, der das Imperium so lange und so gut gelenkt hat!


    Doch inzwischen bin ich mir sicher, dass jeder Tag, an dem wir untätig hier sitzen und die Zerstörung des Roms teilnahmslos betrachten - die Zerstörung unseres Vaterlandes, das Romulus einst gegründet, das unsere Ahnen im Schweiße ihres Angesichts erbaut und verteidigt haben, dieser Stadt, der Iuppiter selbst den Auftrag gab, die Welt zu beherrschen und zum Guten zu führen - das Gift Salinators nur immer tiefer in das Fleisch unseres Staates dringen lässt! Warten wir zu lange, wird Rom zweifellos untergehen in der grenzenlosen Gier dieses Mannes!


    Ihr mögt sagen: Valerianus vertraut ihm! Der rechtmäßige Imperator Caesar Augustus hat ihn eingesetzt und immer wieder bestätigt!
    Doch ich sage euch: Ich bin Valerianus gegenüber getreten. Er ist schwach und steht lediglich unter dem Bann des bösen Geistes Vescularius! Wie sich ein Dämon des Geistes eines guten Mannes bemächtigt, so bemächtigte er sich offensichtlich dem großen Krieger und erwählten Sohnes von Iulianus! Seine Krankheit mag dies entschuldigen, doch darf der Staat nicht darüber untergehen!
    Furianus und ich, wir gaben uns alle Mühe, ihn zur Vernunft zu führen, flehten ihn an, dem Senat, dem sein Vater und all die Kaiser vor ihm vollstes Vertrauen schenkten, seinerseits zu vertrauen und seinen Rat zu hören! Doch er speiste uns mit leeren Worten ab, denen keine Taten folgten!


    Senatoren, ich sehe nur eine Möglichkeit, diese ungeheuerliche Bedrohung von Rom abzuwenden: Wir müssen Vescularius Salinator beseitigen! Valerianus wird, solange er den Einflüsterungen dieses Mannes erlegen ist, seine Aufgabe niemals dem Spruch der Götter nach wahrnehmen!
    Es gibt nur diesen einen Ausweg, ihn zur Vernunft zu bringen!


    Man könnte sagen: Dies ist Hochverrat! Doch ich sage euch: Was sagt der Paragraph über den Hochverrat? - 'Es handelt hochverräterisch wer sich und Teile des Imperium Romanum der Herrschaft des herrschenden Imperator Caesar Augustus entzieht'! Potitus Vescularius Salinator ist ein Hochverräter, denn er lullt Valerianus ein, beraubt ihn seiner Kraft und entzieht ihm die Herrschaft über das Reich! Er muss sterben, wie es das Gesetz des göttlichen Iulianus verlangt!"


    Erneut sah Durus von einem zum andern. Er hoffte, dass seine Worte ihre Wirkung nicht verfehlt hatten. Selten hatte der Tiberier mit so viel Herzblut gesprochen, denn was er geäußert hatte, war seine tiefste Überzeugung (obwohl er eigentlich weiter gegangen wäre, denn nicht nur der Ast Salinator, sondern der ganze Baum Valerianus war faul und gehörte ausgerissen - aber dafür war sein Publikum möglicherweise noch nicht bereit).

    Das Gespräch ging ein wenig weiter, wobei Durus feststellte, dass seine Gäste heute nicht sonderlich gesprächig waren. Dennoch kam zumindest eine kleine, wenig tiefschürfende Unterhaltung zustande, während die Männer dem relativ schwach gemischten Wein zusprachen.


    Nach einiger Zeit deutete der alte Tiberier schließlich an, dass er sich nun langsam zurückziehen wollte - natürlich auch mit Hinweis auf den anstrengenden nächsten Tag! Nachdem sich alle erhoben hatte, verabschiedete Durus sich zuerst von Macer:


    "Macer, ich weiß, dass der Wahlkampf für das Consulat verlangt, jeden Morgen früh auf zu sein, daher will ich mich zuerst von Dir verabschieden!"


    Er drückte die Hand des Purgitiers fest.


    "Grüße Albina schön von mir! Mein Sklave wird dir hinausleuchten!"


    Als nächstes ging er zu Menecrates und verabschiedete sich auch von ihm:


    "Claudius, es war ausgesprochen angenehm und ich freue mich, dich wieder einmal als meinen Gast begrüßen zu dürfen!"


    Ein Sklave mit einer Öllampe trat heran und begleitete den baldigen Consul und den baldigen Aedilis Curulis - was zu diesem Zeitpunkt wohl noch eher eine Ahnung als Gewissheit war - hinaus. Bevor Durus allerdings zum nächsten ging, erzählte er kurz eine Anekdote von einem seiner Heimwege, bei dem der Leitsklave seines Trosses offensichtlich etwas zu gut versorgt worden war, sodass er am Ende auf dem Aventin herausgekommen war.


    Dann plötzlich wurde seine Miene ernst und er verstummte. Sein fester Blick ging von einem zum anderen, während er sich ein letztes Mal die Worte zurechtlegte, die er nun sprechen würde.


    "Meine Herren, euch muss ich bitten, euch noch einmal zu setzen. Ich habe noch eine wichtige Angelegenheit zu bereden!"


    Mit einem Fingerzeig gebot er den anwesenden Sklaven, ebenfalls hinauszugehen und die Tür zu schließen. Langsam holte er Luft, dann begann er mit fester Stimme:


    "Bevor wir allerdings darüber sprechen, muss ich euch alle bitten zu schwören, dass das, was wir hier bereden, unter keinen Umständen diesen Raum verlässt. Ich gebe zu, dass es eine gewisse Gefahr birgt."


    Er blickte in die überraschten Gesichter.


    "Wer mit derartigen Dingen nichts zu tun haben möchte, dem steht es frei, ebenfalls nach Hause zu gehen. Ich werde es niemandem nachtragen!"

    Durus überging die Bemerkung über seine große Beschäftigtheit - natürlich war es wahr, aber er legte keinen großen Wert darauf, dies ständig zu betonen. Stattdessen lächelte er nur freundlich und meinte


    "Jetzt nehme ich mir aber für dein Anliegen Zeit. Also, du möchtest Vestalin werden, ja?"


    Die Frage war natürlich rhetorischer Natur, denn das hatte sie ja bereits während der Sponsalia von Lupus offenbahrt. Damals war auch schon ihr Alter zur Sprache gekommen - was natürlich weiterhin ein gewisses Problem darstellte:


    "Du bist allerdings etwas alt um die Ausbildung zu beginnen. Dennoch werden wir sehen, ob der Pontifex Maximus darüber hinwegsehen kann. Aber du wolltest noch von etwas berichten, soweit ich mich erinnere!"


    Er sah sie erwartungsvoll an. Tatsächlich war er etwas gespannt - sie hatte ja bereits ein paar kryptische Andeutungen gemacht!

    Nachdem Durus seinen Part an diesem Feiertag erledigt hatte, fühlte er sich gleich viel entspannter. Dennoch lag noch immer ein gewisser Weg vor ihm: Bereits der Abstieg bereitete ihm schließlich so viel Mühe, dass er einen seiner Calatores herbeiwinkte, damit dieser ihn ein wenig stützen konnte. Allerdings rächte sich dennoch der lange Weg, den er bereits gegangen war: Während sie das Capitol erklommen, begann nämlich ein dumpfer, pochender Schmerz in seinem Bein immer stärker zu werden - doch der alte Tiberier wäre nicht Pontifex pro Magistro geworden, wäre er nicht zäh! So biss er die Zähne zusammen und legte ohne fremde Hilfe die letzten Passi bis zu seinem Platz während des Trias-Opfers zurück.


    Das Stehen war schließlich wesentlich angenehmer und als die Pontifices sich die Hände waschen ließen (wobei sich der junge Gracchus allerdings etwas ungeschickt anstellte, wie Durus leicht amüsiert bemerkte), klang das Pochen langsam wieder ab, sodass der alte Tiberier fast ein wenig fröhlich dreinblicken konnte.

    Der alte Tiberier saß auf seinem Stuhl, flankiert von seinen Sekretären. Die meisten von ihnen hatten Tabulae in ihren Händen, einer jedoch balancierte ein Tablett mit Weinbechern.


    "Salve, Aurelia!


    Entschuldige, dass wir keinen früheren Termin finden konnten. Irgendwie kam ständig etwas dazwischen."


    begrüßte er das Mädchen freundlich.

    Während der "Holsklave" davoneilte, um den Becher Wein zu holen, deutete Durus auf einen Hocker, auf dem sein Gast Platz nehmen durfte. Dann hörte er zu:


    Die Neuigkeiten waren allerdings ziemlich verwirrend. Die Erinnerung an Terentius Cyprianus war allerdings nur schwach - vor vielen, vielen Jahren hatte er sich einmal als popularer Politiker versucht! Dass er sich jetzt nicht viel um Traditionen scherte, war eigentlich nicht sehr erstaunlich - dennoch bedenklich!


    "War er nun auf einem Feldzug oder hat er prinzipiell keine Auguren in seinem Stab? Ich meine, Legionen haben doch immer ein paar Priester bei sich, darunter gewöhnlich auch einige Auguren! Aber vielleicht bedient er sich auch einiger Haruspices?"


    Formell gab es für einen Statthalter nur wenige kultische Pflichten: Er musste am Kaiserkult teilnehmen und den Kaiser auch sonst bei Ritualen vertreten. Inwieweit er allerdings den Rat der Götter einholte, regelte eher die Mos Maiorum denn die Gesetzeslage. Prinzipiell hatte er allerdings das Recht, Auspizien einzuholen (im Namen des Kaisers) und war gehalten, bei wichtigen Entscheidungen die Götter zu befragen.


    "Hält er die Feiertage nicht ein oder nimmt nicht an ihren Riten teil?"


    fragte er daher zusätzlich.

    | Stesichoros


    An diesem Tag war Stesichoros irgendwie nicht besonders fit: Den Einlass der Klienten zur Salutatio hatte er Privatus überlassen und sich noch einmal eine Runde hingelegt, jetzt kam er, blass und verschlafen, um zu öffnen.


    "Die Salutatio ist schon vorbei! Wer ist deine Herrin? Was will sie?"


    fragte er dann etwas unwirsch. Am liebsten hätte er sich heute den ganzen Tag in seinem Pförtnerhäuschen verkrochen!





    IANITOR – GENS TIBERIA

    "Deine Nachricht ist von höchster Wichtigkeit, Iulius! Natürlich empfange ich dich! Möchtest du einen Becher Wein?"


    erwiderte Durus ernst. Die Unterstellung war doch recht gewichtig gewesen, weshalb der alte Tiberier davon abgesehen hatte, sofort ein Anfrage an den Praefectus Aegypti zu schicken - würde ein Fehler darin liegen, konnte es ja doch recht unangenehm werden!


    "Kommen wir gleich zur Sache: Wie du berichtet hast, pflegt der Praefectus Aegypti seinen Kontakt zu den Göttern nicht? Kommt er seinen kultischen Verpflichtungen nicht nach? Berichte mir genauer!"

    | Stesichoros


    Stesichoros nahm die Tabula, sah sie kurz an und nickte dann.


    "In Ordnung, der ehrenwerte Augur darf eintreten!"


    antwortete er dann und führte den Iulier direkt zu seinem Herrn, der im Tablinium bereits auf ihn wartete.





    IANITOR – GENS TIBERIA

    Wie Durus es gewünscht hatte, war Iulius Centho erschienen. Lukios hatte heute Morgen noch einmal den Brief vorgelesen, sodass der alte Tiberier im Bilde war, als man den Quaestor bei ihm einließ.


    Auf seinem Stuhl thronend, erwartete der Pontifex pro Magistro daher den jungen Mann, flankiert von seinem Sekretär, einem weiteren Schreiber, der den Brief bereithielt und einem Sklaven, der bei Bedarf Dinge holen konnte.

    "Salve, Lepidus! In der Tat!"


    antwortete Durus, als sein Klient als erster auftauchte. Mit einem leichten Ächzen erhob er sich und ging auf den Claudier zu.


    "Wie geht es dir, mein Freund?"


    fragte er dann. Auch er hatte lange nichts mehr von Lepidus gehört und erinnerte sich plötzlich daran, dass er ja geplant hatte, Arvinia mit ihm zu verheiraten! Vielleicht ergab sich ja die Gelegenheit, kurz in dieser Sache mit ihm zu sprechen!