Natürlich war Durus stolz auf seinen Sohn, der hier sein erstes öffentliches Opfer vollzog (soweit er sich erinnern konnte)! So blickte er fast ein wenig zufrieden drein. Unterdessen wurden Diva Iulia, Divus Nerva und Divus Traianus angerufen. Dann endlich kam der letzte göttliche Kaiser an die Reihe: Divus Iulianus!
"O Divus Iulianus, Schutzherr der Res Publica und des Imperium Romanum und aller Imperatores Caesares Augusti!
Als Du noch auf Erden wandeltest hast Du die Res Publica gut geführt, die Grenzen unseres Imperium erweitert, die Wirren des Staates beendet und erneut Frieden aufgerichtet unter uns, wie auch unseren geliebten Imperator Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus hervorgebracht! Und vom Himmel herab schenkst Du unserem Staat Huld und Segen und mehrst unsere Macht!
Nimm unser gerechtes Opfer, diesen makellosen, weißen Stier an, das wir Dir, die wir Dir stets makellose und gerechte Opfer darbringen, am heutigen Tage anempfehlen! Segne unseren geliebten Princeps, Deinen Sohn, den Imperator Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus! Schenke ihm Weisheit, Kraft und Stärke um seine Aufgabe zu erfüllen! Steh ihm bei als himmlischer Ratgeber und schenke ihm ewigen Sieg, wie er auch Dir zuteil wurde, aufdass der Staat gedeihe und wir Dir auch in Zukunft gerechte Opfer darbringen mögen zu Deiner Ehre und Nahrung!"
Als der alte Tiberier dieses Gebet hörte, musste er wieder daran denken, wie er dem alten Iulianus selbst begegnet war. Was für ein guter Kaiser er doch gewesen war - und was für eine schlechte Wahl er doch bei seinem Sohn getroffen hatte! Dessen Genius nun vollendete den Kreis der Göttlichen, vorgetragen von einem anderen Consular aus den Reihen der Arvalbrüder:
"O Genius Valeriani, Beschützer unseres geliebten Imperator Caesar Augustus, des Pater Patriae!
Du bewahrst unseren Kaiser, der die Geschicke unseres Staates wie ein Vater lenkt, vor aller Krankheit, schenkst ihm die Kraft, den ewigen Sieg, die Autorität, Frömmigkeit, Ehre, Gerechtigkeit und die Weisheit! Auch hast Du ihn mit Fruchtbarkeit gesegnet und den Bestand seines Geschlechts gesichert zur Erhaltung der Gens Ulpia und zum Frieden des Staates!
Nimm unser gerechtes Opfer, diesen makellosen, weißen Stier an, das wir Dir, die wir Dir stets makellose und gerechte Opfer darbringen, am heutigen Tage anempfehlen! Segne unseren geliebten Princeps, den Imperator Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus! Schenke ihm Weisheit, Kraft und Stärke um seine Aufgabe zu erfüllen! Besonders gewähre ihm Gesundheit in dieser schweren Zeit, leite ihn an und gewähre ihm ein günstiges Schicksal, aufdass der Staat gedeihe und wir Dir auch in Zukunft gerechte Opfer darbringen mögen zu Deiner Ehre und zum Wohle des Kaisers!"
Der Satz zur Gesundheit war aus besonderem Anlass eingefügt worden, ansonsten wurde aber sehr deutlich, dass der Genius des Kaisers fast auf einer Höhe mit den Divi Augusti stand, wie es Durus wieder einmal klar wurde. Allerdings würde der Genius wirklich einiges zu tun haben, wenn er Valerianus noch retten wollte! Wahrscheinlich hätte man besser zehn Stiere opfern sollen und gleich darum bitten müssen, den Kaiser schlicht zur Vernunft zu bringen!
Während diese Gedanken Durus beschäftigten, blickte er hinüber zu dem fetten Stellvertreter des Mannes, dessen Genius hier verehrt wurde - o tempora, o mores!
Beinahe hätte der Pontifex pro Magistro über diesen Gedanken die Fortsetzung des Rituals vergessen! Gerade noch rechtzeitig erinnerte ihn der ihm assistierende Opferschlächter allerdings daran, indem er ihn zeitgleich mit den vielen anderen fragte
"Agone?"
"Age!"
erwiderte Durus und kurz darauf auch die anderen Arvalbrüder, sodass die Hämmer niedersausten, Messer in die warmen Leiber der Rinder gestoßen wurden und das Blut spritzte. Es geschah wirklich selten, dass so viele Tiere auf einmal getötet wurden - heute war aber ein besonderer Tag und in dieser Situation des Staates war wohl jede Gottheit nötig, um ihn zu retten!
Eine Zeit lang war die Luft nur erfüllt vom Spiel der Flöten, während man darauf wartete, dass die Stiere ausbluteten und geöffnet wurden. Hinter jedem der Arvales Fratres trat einer der staatlichen Haruspices hervor und bekam die Vitalia gereicht. Heute musste alles glatt gehen, denn eine Instauratio war an einem solchen Tag besonders teuer! Allerdings hatte der Staat für diesen Tag, an dem es besonders wegen der Abwesenheit des Kaisers wichtig war, das Volk nicht zu verunsichern, natürlich ein wenig nachgeholfen!
Und so war es nicht verwunderlich, dass die Haruspices kurz darauf die Litatio ausriefen und damit das Startsignal für den Fortgang der Prozession gaben.