Beiträge von Manius Tiberius Durus

    "Wenn du Wert darauf legst."


    kommentierte Durus. Für ihn war dies alles eine lästige Angelegenheit und er wollte sie so schnell wie möglich erledigt wissen. Allerdings verbot es der Anstand, einfach zu gehen, während ein Amtsträger Roms in seinem Atrium wartete. Also blieb ihm nur eines übrig: Die Zeit zu überbrücken um dabei mehr über den jungen Vigintivir zu erfahren.


    "Sag, Iulius - wie geht es eigentlich deiner Familie?"

    Durus nickte. Er selbst war ja gerade noch rechtzeitig erschienen, um einen Teil von ihnen mitzubekommen - und sie waren wahrhaftig großartig gewesen. Daher verstand er es, wenn der Aurelier nicht erschien und ließ zur Ruhe mahnen. Natürlich erfolgten zuerst Opfer an die Staatsgötter, die jeder Contio vorausgingen, dann begann die eigentliche Sitzung mit einer Eröffnung durch den Pontifex pro Magistro:


    "Hiermit eröffne ich im Namen des Pontifex Maximus die Contio Quinta diesen Jahres."


    Er blickte in die Runde. Wie von selbst trat der Pontifex Minor, der die Absenzenliste führte, vor und berichtete:


    "Nicht erschienen sind der Flamen Dialis, der zur Zeit das Bett zu hüten hat, sowie die Pontifices Aurelius Corvinus wegen seiner Tätigkeit als Aedilis Curulis, Pinarius Dorso wegen einer Erkältung und Sestius Gallius, der sein Proconsulat in Africa Proconsularis absolviert."


    Interessiert hörte der Tiberier zu. Er hatte sich keine allzu großen Gedanken um den Gesundheitszustand des Collegiums gemacht, doch die Ausfallquote war heute doch recht gering. Wahrscheinlich war es ein günstiger Termin.


    Nach einer kurzen Pause fuhr der Pontifex pro Magistro fort:


    "Bene. Auf der heutigen Tagesordnung steht einerseits der Rückblick, andererseits die Planung der Feierlichkeiten des Monats Maius - wie wir wissen, ist er besonders den Maiores geweiht.


    Zuerst möchte ich jedoch meine lange Absenz entschuldigen. Ich weiß nicht, wie viel in dieses Collegium durchgedrungen ist, jedoch hatte ich auf meinem Landgut in Baiae einen Unfall, infolgedessen ich mir mein Bein brach. Es war mir daher die vergangene Zeit nicht möglich, nach Rom zurückzukehren. Jetzt bin ich jedoch glücklich, mein Amt wieder ausfüllen und unter Euch sein zu können.


    Jetzt jedoch bitte ich um einen Bericht über die Feiertage seit dem letzten Regifugium. Wie sind sie verlaufen?"


    Er blickte in die Runde. Sicher gab es für jeden Feiertag einen Verantwortlichen, der nun eine Relatio abgeben konnte.

    Aurelia Prisca...Durus musste einen langen Augenblick nachdenken, ehe ihm ein Gesicht vor Augen kam. Eine überaus hübsche junge Dame, soweit er wusste (wie aber fast alle Aurelierinnen).


    "Flüchtig. Sie war schon auf der einen oder anderen Feier in meinem Hause. Aber ich habe bisher wenig mit ihr gesprochen."


    erklärte er wahrheitsgemäß. Einen Moment dachte er nach, dann beschloss er, das Thema anderweitig zu verschieben (was ihm natürlich nicht besonders filigran gelang).


    "Welche Damen hast du denn sonst so kennen gelernt? Kennst du vielleicht diese Vinicia Petronilla?"


    Der alte Tiberier hatte erfahren, dass sie vor kurzem in Rom eingetroffen war und eine hervorragende junge Dame war. Allerdings war er ihr nie persönlich begegnet und war daher auch persönlich interressiert, was für ein Mensch sie war. Abgesehen davon war eine Verbindung mit dem consularen Haus seines Patrons sicherlich keine dumme Idee...

    Durus sagte nur noch wenig im weiteren Verlauf der Sitzung. Als es dann zur Abstimmung ging, war er jedoch ein wenig unkonzentriert, wohl weil er mit einem Nachbarn über einen anderen Kandidaten diskutierte. Und daher stimmte er aus Gewohnheit genau anders stimmte als Germanicus Avarus:


    Quintus Claudius Lepidus: Decemvir litibus iudicandis


    Faustus Octavius Macer: Quaestor Consulum

    Zuerst war Durus hoffnungsvoll, denn die ironische Bemerkung wirkte doch irgendwie beruhigend. Dann jedoch wurde Furianus belehrend, geradezu beängstigend - 'Du verlangst viel von meiner Loyalität!'. Doch andererseits wollte der Tiberier nicht glauben, dass Furianus ihn verriet. Zwar war diese Offenbarung mehr einer Eingebung als sorgfältiger Planung gefolgt, dennoch: Wem sollte er trauen, wenn nicht Furianus?


    Zuletzt wirkte er jedoch trotz allem interessiert. Einen Augenblick überlegte Durus: War er nur vorsichtig, dennoch ein Sympathisant? Oder wollte er ihn in eine Falle locken und weitere Hintermänner finden? In Wahrheit hatte er noch niemanden an der Hand, andererseits konnte es sicherer für ihn sein, wenn er sich nicht als Einzelkämpfer zu erkennen gab.


    "Quarto ist kein legitimer Nachfolger des Kaisers, ebensowenig wie irgendein anderer Aelier. Nur ein Ulpius kann Kaiser werden nach unseren Gesetzen. Valerianus' Sohn ist ein Knabe, er wird kaum ein würdiger Nachfolger werden - zumindest noch nicht. Es ist nicht einmal bekannt, wo der Junge steckt! Und wir können es uns wohl kaum leisten, zu warten, bis er die Macht übernehmen kann - er ist noch nicht einmal zum Caesar ernannt worden!"

    Schweigend lauschte der Tiberier der Geschichte des jungen Mädchens. Sich in Rom zu verlaufen war zweifellos keine Schwierigkeit, jedoch für einen Tiberier fast ein wenig peinlich (hatte man doch üblicherweise Sklaven, die den Weg wussten - wenn nicht, konnte man in durchaus gefährliche Gebiete der Stadt kommen!). Jedoch sagte er nichts und schaltete sich erst wieder ein, als Septima ihn ansprach.


    "Natürlich."


    meinte er nur kurz und holte tief Luft.


    "Ich denke, ich muss mich nun leider entschuldigen - ich bin erschöpft von der Reise."

    Tiberius Durus war selbstverständlich ebenfalls gekommen, denn immerhin ging es heute um seinen Sohn und seinen Klienten. Und so saß er schweigend in der lichten Zahl der Arvalbrüder, gestützt auf seinen Stock und wartend, dass beide sich gut verkauften.

    Eine Weile herrschte Schweigen, während Durus um sich blickte. Der eine oder andere erschien, doch einige andere schienen zu fehlen.


    "Ich denke, wir können beginnen. Ich nehme an, dass Aurelius zur Zeit stark mit seinem Aedilat beschäftigt ist, nicht wahr?"


    Er blickte um sich, ob es Einwände gab.

    Durus nickte. Natürlich hatte er nichts gehört - niemand hörte irgendetwas. Irgendwie hätte es den Tiberier kaum mehr gewundert, wenn der Kaiser verstorben wäre - in aller Stille. Doch während seines unfreiwilligen Exils hatte er viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken, vor allem auch über den Stellvertreter des Kaisers, diesen Salinator. Ein charakterloses Kind charakterloser Eltern! Als er dann zurückgekehrt war und die Debatte um Decimus Livianus verfolgt hatte, war er letztendlich zu einem Schluss gekommen: Es wurde Zeit, dass man sich einen neuen Kaiser suchte!


    Er blickte um sich und befahl den Sklaven mit einem Fingerzeig, den Raum zu verlassen. Dann wurde sein Ton etwas gesenkter, als er erwiderte:


    "Überhaupt nicht. Aber ich habe lange darüber sinniert, habe die Philosophen zu diesem Thema studiert und bin traurigerweise zu einem schlimmen Entschluss gekommen: Der Kaiser ist völlig unfähig, dieses Reich zu regieren. Dass sein Stellvertreter absolute Freiheit hat, haben wir im Senat hören müssen. Das muss an die Ohren des Kaisers gelangt sein und er hat nichts getan. Du wirst vielleicht Consul und ich weiß, dass folgende Gedanken Hochverrat sind, doch mit wem sollte ich sie teilen, wenn nicht mit dir?


    Wir müssen den Kaiser beseitigen und jemand anderes an seinen Platz stellen!"


    Er schwieg einen Augenblick, erhob dann jedoch mahnend den Finger.


    "Höre meine Erklärung, ehe du etwas einwendest: Man wird sagen: Vescularius Salinator ist das Problem. Doch ich sage dir, dass der Kaiser allein mit der Auswahl dieses Stellvertreter einen Beweis seines Versagens gegeben hat. Nur er verleiht Salinator Legitimität. Valerianus ist vermutlich ein passabler Soldat gewesen, aber er besitzt nicht die politische Erfahrung und Willenskraft, um ein Reich zu regieren. Das ist nicht die Aufgabe des Princeps!


    Mehr noch: Beseitigen wir Salinator, wird er sich auf einen anderen Schleimer verlassen. Du wirst vielleicht sagen: Aelius Quarto ist doch sein Bruder! Aber der Umstand, dass nicht Aelius Quarto, sondern Vescularius Salinator sein Stellvertreter hier in Rom ist, beweißt, dass die beiden nicht besonders gut miteinander zurecht kommen. Ich weiß nicht, warum, aber die Fakten zwingen zu diesem Urteil. Doch wer dann? Niemand weiß es! Valerianus hat wenige Verbündete unter den Senatoren, wie ich meine. Vielleicht wird er am Ende einen seiner alten Offiziere holen, die wie er nur Schlachten auf dem Feld, nicht im Senat schlagen können. Salinator mag ein besonders charakterloses Exemplar von ihnen sein, doch was nach ihm kommen mag, weiß niemand.


    Es ist dennoch Hochverrat, magst du sagen, und er ist der Sohn des göttlichen Iulianus! Doch ich sage dir: Unser Gesetz hat wenig mit dem gemein, was einstmals die Res Publica unter den gerechten Kaisern wie den Flaviern auszeichnete. Es ist festgeschrieben, dass der Kaiser selbst das Staatsoberhaupt ist, nicht die Consuln. Und es ist festgeschrieben, dass stets der Sohn dem Vater auf den Thron folgt - gerade noch, dass nicht festgehalten ist, dass er ein goldenes Diadem und eine Trabea trägt!"


    Er hatte sich richtig in Rage geredet und hielt nun inne, um noch einen letzten Satz anzufügen:


    "Es ist unsere Pflicht gegenüber den Vätern dieses Staates, einen anderen Princeps zu finden und zu installieren und dem Staat seine altehrwürdige Ordnung wiederzugeben."


    Ein paar Schweißperlen standen Durus auf der Stirn. Was er hier verkündete, war nicht weniger als Hochverrat. Wenn Furianus nicht mitziehen würde und ihn anklagte und vielleicht noch einen Sklaven fand, der das hier mitgehört hatte, würde Durus im Mamertinischen Kerker gehängt werden. Daher war er völlig angespannt, während er auf eine Antwort von Furianus wartete.

    "Ich denke, dass es keine große Debatte geben wird. Ich werde das Land nehmen und meine Cousinen auszahlen."


    erklärte Durus knapp. Der Tod Dolabellas hatte ihn nicht sonderlich beeindruckt, da der junge Mann ohnehin wenig Kontakt zu ihm gepflegt hatte. Nichtsdestotrotz musste er natürlich Trauer heucheln und blickte dementsprechend ernst drein. Eine große rituelle Trauer würde es aber wahrscheinlich nicht geben.

    "Eine Aurelia? Wie interessant! Wie hieß sie denn noch?"


    fragte Durus, dem es eigentlich nicht soo gut in den Kram passen würde, wenn sein Sohn sich ausgerechnet in einen Sprössling des Hauses verguckte, mit dem man inzwischen mehr als enge Banden geknüpft hatte. Eine Aelia wäre vielleicht günstig...oder eine Flavia? Oder eine Claudia?

    Natürlich konnte Durus sich nicht mehr erinnern, wie genau es damals gewesen war, als er seinen Vater in die Öffentlichkeit begleitet hatte. Allerdings hatte er dies auch nicht besonders häufig tun können, denn sein Vater war ja Offizier gewesen und im Legionslager war ein achtjähriger Knabe doch recht fehl am Platz.


    "Ehrlichgesagt ist es sicher etwas langweilig, wenn man nicht all das versteht, was da vor sich geht. Aber man muss eben lernen, die Traditionen unseres Staates zu ehren und nicht nur seinen Wünschen zu folgen."


    erklärte er daher und fuhr auf die nächste Bemerkung noch fort:


    "Natürlich kann auch die Mutter dem Kind Lesen und Schreiben beibringen. In der Regel wird man sich jedoch einen griechischen Hauslehrer holen, der dem Knaben auch gleich Griechisch beibringt. Kinder lernen Sprachen ja unglaublich rasch."


    Er selbst war damals auch von einer Amme und einem Paedagogos aufgezogen worden, während seine Mutter sich um den Haushalt gekümmert hatte.


    "Natürlich habe ich sie hier. Allerdings bin ich sicher, dass auch die Aurelier derartig basale Literatur in ihrer Bibliothek haben - auch den Sokrates."


    Noch gut konnte Durus sich an diesen Philosophen erinnern, dessen Lehrform in Dialogen eine richtiggehende Basis der Bildung darstellten. Allerdings hatte er damals nicht besonders viel Interesse daran gehabt...


    "Redekunst in Griechenland ist nicht schlecht, das stimmt. Aber eine Abnabelung ist eigentlich nicht so wichtig: Vielmehr soll ein junger Mann ja im Geist seiner Familie erzogen werden. Viele Studenten in Griechenland nutzen den Aufenthalt weniger zu Bildungs- als zu Feierzwecken, was wieder eher für Rom spricht, wo man doch etwas besser auf seinen Sprössling Acht geben kann."


    Auch in Alexandreia gab es ganze Straßenzüge, die bei den jungen Römern in der Stadt bekannt waren. Glücklicherweise hatten die meisten genügend Geld, um zumindest die saubereren Bordelle und ordentlicheren Spielhöllen zu besuchen - in den falschen etwa in Rhakotis konnte man leicht in eine Messerstecherei geraten!


    "Mein Vater wurde nach Nikopolis versetzt, als ich noch recht klein war. Und da Alexandreia ja gleich in der Nähe ist und die wohl berühmteste Schule der Welt besitzt, habe ich meine Studien dort begonnen und vollendet. Selbst Athen mit seinen vielen Philosophenschulen kann nicht mit den Lehrern des Museions mithalten, das kann ich dir sagen!"


    Das nächste Thema jedoch sorgte für ein tiefes Seufzten bei dem Tiberier. Mit einem mitleidigen Gesicht meinte er nur


    "Septima, ich habe dir das doch schon erklärt! Das geht einfach nicht!"


    Er würde sich auf keine Diskussion darüber einlassen, denn eine junge Frau war nunmal für den Haushalt und nicht für die Politik bestimmt! Um eine solche zu verhindern, fuhr er einfach fort:


    "Nach dem Tirocinium fori kommt das Vigintivirat, eine erste Bewährungsprobe. Man muss allerdings bereits gewählt werden, wie du sicher weißt. In diesen Ämtern lernt man - meist als Beigeordneter eines Magistraten - noch einmal genauer, wie ein Magistrat arbeitet und arbeitet mit gleichaltrigen, jungen Senatorensöhnen zusammen, was bereits neue Kontakte ermöglicht."

    | Stesichoros


    Sich räuspernd trat Stesichoros an die Tür und erkannte sofort seine Herrin, weshalb er sofort die Tür aufriss und ihr Einlass gewährte. Nur mit Mühe konnte er das Kitzeln im Hals soweit unterdrücken, dass er nicht loshusten musste.


    "Ja, Herrin!"


    flüsterte er daher ein wenig heiser, um das Kitzeln nicht zu verstärken und bedeutete ihr, dass die beiden sich im Atrium befanden. Kaum war sie jedoch weg, schüttelte ein erneuter Hustenanfall den Ianitor.





    IANITOR – GENS TIBERIA

    Durus nickte - auch für ihn war es ja Zeit (doch in nächster Zeit, solange seine Gattin in Baiae blieb, würde es wohl schwierig werden mit einem leiblichen Sohn).


    Die nächste Frage hingegen machte ihn ein wenig nachdenklich: Zur Ruhe setzen?


    "Welche Ruhe sollte ein römischer Senator kennen, Furianus?"


    fragte er daher mit einem Lächeln. Im Grunde hatte er doch schon alles erreicht, war Consular, Pontifex pro Magistro - und auf militärischen Ruhm konnte er wohl gerade mit seinem Bein nicht mehr hoffen. Doch dafür gehörte er nun zu den höchsten Autoritäten!


    "Natürlich werde ich mich weiterhin im Senat für den Staat einsetzen!"

    "In der Tat, in der Tat! Damit können wir dein Tirocinium Fori ja als beendet betrachten! Ich denke, du hast alles gelernt, was du wissen musst. Und wenn du sonst Hilfe brauchst, kannst du natürlich dennoch fragen - du bist und bleibst schließlich mein Klient."


    meinte Durus gut gelaunt. Irgendwie machte es ihn stolz, den ersten jungen Mann in die Politik entlassen zu können, nachdem er ihm den einen oder anderen Kniff beigebracht hatte.

    Der hohe Herr ließ den Vigintivir ein wenig warten, was jedoch auch darauf zurückzuführen war, dass nicht überall im Hause Sonnenuhren aufgestellt waren und es in jener Zeit noch kein so striktes Verhältnis zur Zeit gab. Schließlich traf er jedoch ein: Gestützt auf einen Stock und einen Sklaven humpelte er ins Atrium, bekleidet mit der schlichten Senatorentunica.


    "Iulius - was führt dich zu mir?"


    fragte er knapp, als er Centho erkannte.

    | Stesichoros


    Stesichoros bekam einen Hustenanfalll, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Als er sich endlich wieder beruhigt hatte, meinte er


    "Verzeih! Ich bringe Dich zu meinen Herren!"


    Damit bat er den Iulier herein und führte ihn durch das Vestibulum ins Atrium.





    IANITOR – GENS TIBERIA