Durus saß mit verschränkten Armen auf der Verteidigerbank und hörte sich die Worte des Anklägers an. Immer wieder schüttelte er den Kopf - er konnte sich nicht an ein vergleichbares Plädoyer erinnern: Eine Aneinanderreihung von Schlagworten, die offenbar irgendetwas beweisen sollten.
"Verehrte Iudices,
die Anklage spricht von der Mos Maiorum und den Gesetzen. Ich möchte also darauf Bezug nehmen. Beginnen wir mit ersterem: Ich verstehe durchaus, dass Germanicus Avarus geneigt ist, seinen Fehltritt vor vielen Jahren vergessen zu machen. Dass er jedoch versucht, die Mos Maiorum dazu zu verwenden, seinen unverzeihlichen, geradezu staatsfeindlichen Kommentar über eben jene Maiores, die diesen hervorragenden Staat geschaffen haben, zu missbrauchen, halte ich nicht nur für unangemessen, sondern vielmehr für ungeheuerlich, zumal ich mich nicht erinnern kann, jemals eine öffentliche Dementierung seiner Worte vernommen zu haben. Doch dieser Fall wird hier nicht verhandelt und ich möchte hier auch keine Verurteilung in diesem Fall bewirken.
Vielmehr dienten meine Aussagen dazu lediglich, die Welt meines Mandanten dem Gericht verständlich zu machen, seine Beweggründe für die ihm zur Last gelegten Äußerungen zu erklären. Entsprechend der Mos Maiorum bedeutet eine Nota Censoria den Ausschluss aus dem Senat, diesem Prinzip fühlt sich mein Mandant verpflichtet.
Kommen wir damit zur Gesetzeslage, deren Beachtung die Anklage ebenso fordert, wie ich es tue - nach ihr soll gerichtet werden. Ich kann nicht bestreiten, dass Flavius Furianus den Beklagten nach objektiven Maßstäben beleidigt hat. Aus den eben genannten Gründen, seiner Sicht der Welt, dem Umstand heraus, dass er sich in seiner Befähigung zum Staatsdienst, dem Sinn seines Lebens, bedroht fühlte, ließ er jedoch die Möglichkeit einer Straftat außer Acht, obschon es ihm in einer anderen Lage möglicherweise klar gewesen wäre. In diesem besonderen Falle handelt es sich jedoch um Fahrlässigkeit, die nach unseren Gesetzen nur unter Strafe steht, wenn sie im Gesetz ausdrücklich erwähnt ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, daher beantrage ich einen Freispruch.
Das Gesetz steht über allem - möge es also angewendet werden."
Er verneigte sich leicht vor der Richterbank, dann nahm er Platz. Nun war Zeit für die Richter, ihr Urteil zu fällen. Der Tiberier war relativ zuversichtlich.