Durus erhob sich. Heute hatte er beschlossen, einen anderen Aspekt hervorzuheben als bei der Ersten Anhörung. So hüstelte er leicht und erhob sich dann. Sorgsam strich er sich über die Toga, dann trat er auf die Tribüne um seine Verteidigungsrede zu halten.
"Iudices, verehrte Anwesende,
ich habe bereits in der Ersten Anhörung beantragt, dass diese Verhandlung vor dem Senat verhandelt wird, wie es § 51 des Codex Iuridicialis festlegt. Mein Mandant und ich sind jedoch auch weiterhin der Ansicht, dass der Tathergang in keinem Fall den Anforderungen einer Beleidigung gerecht wird und damit auch nicht die Ausnahme des § 51 erfüllt.
Dennoch muss ich vorerst die Entscheidung des Gerichts respektieren, den Fall an sich gezogen zu haben, da ich nicht davon ausgehe, dass diese Bagatelle weiter verfolgt werden wird. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Beleidigung, oder vielmehr die Üble Nachrede, die von meinem Mandanten mit den eben zitierten Worten begangen hat, schlimmstenfalls als fahrlässige Handlung und damit nach § 46 zu betrachten ist. Wie der uns allen bekannte Kommentar definiert, handelt fahrlässig, 'wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.'
Dies ist für meinen Mandanten aus mehreren Gründen zutreffend. Den ersten Grund habe ich bereits in der Anhörung dargelegt. Es handelt sich um den Verkehrskreis meines Mandanten. Wie wir wissen, stammt er aus der Gens Flavia, die bereits Kaiser hervorgebracht hat und zu den ältesten Geschlechtern dieser Stadt zählt, die daher eine sehr traditionelle Sichtweise auf den Staatsdienst vertritt. Ich denke, ich muss keinen Zeugen aufrufen um zu belegen, dass für eine derartiges Verständnis vom Senatorenstand nicht nur die dürftigen gesetzlichen Bestimmungen des Codex Universalis, § 10 (3) von Relevanz sind. Vielmehr gehört es für eine solche Familie zum senatoren Selbstverständnis, dass stetige Aufopferung für den Staat, Pietas gegenüber den Göttern und die Bewahrung unserer Mores Maiorum die Dignität des Senates ebenso, wenn nicht stärker bestimmen als die Berufung durch den Imperator Caesar Augustus. Dass all jene Kriterien von Germanicus Avarus nicht ständig eingehalten wurden und werden, ist gemeinhin bekannt und ich muss seine Worte nicht erneut zitieren. Aus diesem Grund nun war für meinen Mandanten seine Aussage wohl erweislich war - schließlich können es mehrere Zeugen bestätigen, auf welche Weise Germanicus über den göttlichen Romulus und die Väter Roms gesprochen hat.
Verstärkt wurde dies noch durch den Umstand, dass mein Mandant - was ebenso auf den Verkehrskreis zurückzuführen ist - die bewusst provokant formulierten Spekulationen des genannten Germanicus Avarus massiv bedroht fühlte, da der Dienst für den Staat im Ethos seiner Familie geradezu die Existenzberechtigung aller männlichen Nachkommen darstellt. In dieser Situation war es daher wohl kaum möglich, die Folgen seiner Worte abzusehen oder auch ins Auge zu fassen, dass diese den Tatbestand einer Üblen Nachrede erfüllen könnten.
Somit kann meinem Mandanten weder Vorsatz, noch bewusste Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weshalb ich beantrage, die Klage abzuweisen."
Damit war Durus ans Ende seiner langen Sentenzen gelangt. Er hüstelte noch einmal - die viele Arbeit und Aufregung der letzten Tage machte sich langsam bemerkbar - vielleicht sollte er sich nach der Wahl bis zum Amsantritt etwas schonen!