Avitus betrachtete die sich abmühenden Probati, die mit ihren Scuta gegen Holzpfähle schlugen. Hin und wieder kam er zu einem von ihnen, korriegierte dessen Haltung oder gab einfach nur Tipps. Wie erwartet, begannen nach bereits einer Minute des harten Trainings die ersten schwer zu atmen. Mit seinem hohen Gewicht erlaubte das Scutum keinen ununterbrochenen Kampf, der über längere Zeit durchgehalten werden konnte, schon gar nicht, wenn ein Mann im Umgang mit ihm ungeübt und an die Größe und Schwere des Schildes noch ungewohnt war.
Bald hielt Avitus die Übung an und gab den Rekruten einen Augenblick Zeit, zu verschnaufen. Er ließ sie wieder antreten und richtete erneut das Wort an die Gruppe.
"Sieht einfacher aus, als es ist"
sagte er, ohne das Gesicht zu verziehen oder den harten Ton seiner rauen Stimme zu ändern. Dabei behielt er die angehenden Legionäre im Auge und merkte sich, wer in welcher Verfassung nach der kurzen Anstrengung war, um sich ein Bild von der Kondition der Männer zu machen. Laufen war eine Sache... Fechten eine andere.
Dann zog er sein Gladius, welches im Gegensatz zu allen anderen Rängen unter dem Seinen, an seiner Linken hing, und hielt das Schwert hoch, die scharfe Spitze gen Himmel. Der Schein der herbstlich tief stehenden Sonne ließ das Metall funkeln. Ein wunderschönes, todbringendes Werkzeug, mit dem Rom tausende und abertausende seiner Feinde in das Verderben geschickt hatte.
"Ein Legionär Roms hat mindestens drei beste Freunde und das ist einer von ihnen. Ihr müsst euch im Umgang mit ihm verstehen, als ob euer Leben davon abhinge... denn das wird es eines Tages. Das Schwert wiegt knapp einen scrupulum [ca. 1000g]. Die Klinge ist etwas länger als einen cubitus lang [ca. 55 cm] und ca. 2 unicae breit [ca. 5 cm] und beidseitig geschliffen..."
er machte eine kurze Pause, ehe er fortfuhr.
"Entgegen einer weit verbreiteten Meinung ist der Gladius seiner Natur nach kein reines Stichwerkzeug. Es lassen sich mit dieser Waffe auch hervorragend tödliche Hiebe austeilen. Wer schon einmal einem Gladiatorenkampf beigewohnt hat, weiß wovon ich spreche. Mit einem einzigen gut geführten Hieb kann ein Mann sogar enthauptet werden"
wieder schwieg er kurz und sah in die Gesichter der Milites.
"Wir Legionäre benutzen es allerdings als Stichwerkzeug, denn in einer geschlossenen Schlachtreihe ist es die effektivste Art zu fechten. Dabei zielen wir stets auf den Hals bzw. das Gesicht oder den Unterleib des Gegners"
Avitus senkte den Arm, den Blick auf die Männer gerichtet.
"Jeder Mann nehme sich ein Übungsgladius und stelle sich gegenüber einem Holzpfahl auf. Dieselbe Übung, wie vorhin, diesmal mit Schwert"
erteilte Avitus den Befehl. Er nahm eines der Scuta, ging zu einem Pfahl und stellte sich in Kampfstellung diesem gegenüber auf, um den Probati zu demonstrieren, was von ihnen verlangt wurde. Dabei machte er einen Ausfallschritt, dem ein brutaler Hieb mit dem Schildbuckel gegen das Holz seines unbeweglichen 'Gegners' folgte. Über die Oberkante ließ Avitus sein Gladius mit der Spitze voran hervorstechen, die sich in das Holz reinborte, wo im Falle eines Mannes der Hals oder das Gesicht gewesen wäre. Der Centurio drehte die Klinge beim Herausziehen und ging wieder in die Ausgangsstellung zurück, hinter dem Schild gedeckt. Dann folgte wieder ein Ausfallschritt und Hieb, diesmal mit dem Schild in das 'Gesicht' des Gegners, dem ein Stich mit dem Gladius in den 'Unterleib' unter der Schildkante folgte.
"So... jetzt ihr. Ordate"