" Körperkraft und Ausdauer ist die Vorraussetzung für euch als Soldaten. Warum sage ich das ? Um euch zu schikanieren und somit, einem Vorwand nachkommend, über Felder und den Campus zu scheuchen ? Nein, alles was ihr hier in der Grundausbildung lernt, werdet ihr als Soldat brauchen. Wenn ihr in der Schlachtreihe auf dem Feld steht, dann werdet ihr noch um jede Runde, um jede Liegestütze, die ihr hier absolvieren musstet, mehr als dankbar sein. Denn dort kann sich der Moment über Leben und Tod davon entscheiden, ob ihr noch eine halbe Hora länger oder nicht aushaltet. Darum, übt gut, denn mit dem Können hier, bestimmt ihr über ein langes oder kurzes Leben. Darum werdet ihr am Anfang auch schwerere Schilde haben als später, um euch einzuüben ! "
Mit seinem Kinn wies Tiberius auf die geflochtenen Schilde und die Holzwaffen, wovon schon das Schild um die 20 kg wog. Hinter dem Quintilier angekommen musterte Imperioiosus prüfend seine Bewegungen, korrigierte nur ein wenig an der Schulterhaltung und nickte sehr zufrieden. Ein Naturtalent, wie es ihm erschien. So ging der Artorier auch der Reihe entlang, verbesserte die eine oder andere Position und murmelte etwas leiser zu einem Probatus etwas. Schließlich stellte er sich abermals zurück, betrachtete die übenden Männer.
" Behaltet immer einen sicheren Stand. Wenn ihr merkt, daß euch dieser verloren geht, lieber auf einen Schlag gegen den Gegner verzichten und gewinnt dann eure Ruhe und Sicherheit im Kampf zurück. Kopflos kämpfende Soldaten können wir in einer Schlachtreihe nicht gebrauchen. Die römische Legion beruht auf Disziplin und dem militärischen Genie unseres Volkes. Die Barbaren stürmen drauf los und werfen sich in Schildreihen, kämpfen nackt und ohne viel Geist dahinter. Wir nicht und darum obsiegen wir gegen die barbarischen Horden. "
Zumindest hatte Tiberius das- wie die Barbaren im Krieg kämpften- so gehör. Ob in Afrika oder in Germania, da machte Imperiosus keine allzu großen Unterschiede.
" Bearbeitet den Pfahl als ob er euer Feind wäre. Versucht ihn an den Beinen, den Oberkörper oder den Kopf zu treffen. Macht Ausfälle und greift den Pfahl immer an. Doch wenn ihr zustecht, passt gut auf euren Arm und eure Deckung auf. Achtet darauf das Schild schön vor euren Torso zu halten, euren Kopf zu schützen und auch euren entblößten Schwertarm. Und das will ich jetzt sehen. Solange, bis ich euch Einhalt gebiete. Auf, auf ! "
Noch während die Probati auf die Pfähle einschlugen, ging Tiberius hinter ihren Rücken auf und ab, dann einmal um die Pfähle herum, um auch ihre Haltung von vorne betrachten zu können, während er unablässig sprach.
" Das Gladius ist eine vielseitige Waffe. Ihr könnt damit zustechen, aber auch mit der Seite zuschlagen, es ist scharf genug. Dennoch benutzen wir Soldaten es hauptsächlich darum, um den Feind nieder zu stechen. Ein Stich über den Schildrand oder an der Seite ausgeführt ist für einen römischen Soldaten am Effizientesten. Denn ihr dürft nie vergessen, meist kämpfen wir in einer Schlachtreihe. Fangt ihr an mit der Seite zu schlagen, kann es ganz schnell passieren, daß ihr bestenfalls ausholt und das Nachbarschild Eures Mitsoldaten weg schlagt, Schlimmstenfalls- aber auch das wollen wir tunlichst vermeiden- schlagt ihr eurem Nachbarn den Kopf ab. Also, zustechen, das Schwert dabei blitzschnell nach vorne stoßen und immer auf eure Haltung achten…. "
In dem Moment trat Tiberius heran- es war wohl mehr Zufall, daß er wieder Lupercus erwischte- und schlug mit seiner Vitis gegen Titus Schulter als dieser nach vielen und schweren Übungen zu stach. Imperiosuis schlug nicht allzu hart zu, doch schmerzhaft genug.
" Müdigkeit ! Die Erschöpfung ist euer schlimmster Feind, manchmal arger als der aus Fleisch und Blut. Denn dann macht ihr Fehler und lasst- wie ihr gerade sehen konntet- die Schludrigkeit sich in euren Kampf einmischen. Darum trainiert ihr hier schön bis zum Umfallen. Damit ihr im Ernstfall solche Fehler nicht macht. "
Tiberius nickte Lupercus kurz zu, hatte das nur als Demonstration genutzt und nicht, um die Übungen des Quintiliers als mieserabel darzustellen. Suchend sah sich Imperiosus auf dem Campus um und winkte einen seiner Centuria heran, der gerade selber am üben war- einen älteren Soldaten.
" Brutus, behalte die Probati im Auge ! "
Brutus, der ältere Soldat nickte. Tiberius verschränkte seine Arme hinter dem Rücken und wandte sich den Probati zu.
" Ihr macht weiter, bis die Sonne den Wetterhahn an der Principia erreicht habt. Brutus hier wird euch im Auge behalten und mir melden, wenn ihr nachlässig euch ertüchtigt. Alle viertel Hora dürft ihr eine kurze Pause von 120 Herzschlägen einlegen. Danach sucht ihr die Thermen auf, dann den Contubernium zum mittäglichen Essen und danach geht’s auf den Wachgang. Quintilius, Du sorgst dafür, daß alles so ausgeführt wird. Und morgen früh bringst Du sie wieder hierher. Wenn ich vor euch auf den Campus komme, dann wird euch einige unangenehme Sonderübungen blühen. Und seid sicher, ich bin früh am Morgen da. "
Tiberius wartete nicht ab, bis die Probati etwas erwiderten, sondern nickte nur Brutus zu und marschierte vom Campus herunter, um sein Frühstück einzunehmen und sich um die Belange seiner Centuria zu kümmern.