Beiträge von Servius Artorius Reatinus


    Der Optio merkte in seinem Arbeitseifer überhaupt nicht, dass die Nacht anbrach. Etwas erstaunt blickte er auf, als der Centurio ihn ansprach. Er hatte recht, langsam reichte es für heute. "Jawohl, Centurio!", bestätigte er. Jetzt noch schnell die restlichen Befehle schreien, kurz warten und dann konnte der Optio endlich zur Ruhe kommen.


    "Männer, grabt den Graben zu Ende, schafft das restliche Holz an den Wall und dann reicht´s für heute! Abite!"


    Dann wandte er sich im Geschäftston zum Centurio: "Wir haben heute gute Fortschritte gemacht, Centurio Petronius! Morgen kann das Lager wohl fertig gestellt werden!"

    Beeindruckt stand der Optio da und beobachtete den Centurio. Er hatte zwar Schlimmes befürchtet, aber dass er den Gefangenen gleich umbringt? Untätig beobachtete er, wie sich der Pugio des Centurios in den Hals des Germanen bohrte. Der Mann hätte lieber reden sollen... aus Reatinus Müdigkeit verwandelte sich ein weiter Blick mit Glänzen in den Augen. Doch mehr wollte er sich nicht anmerken lassen. Er war Unteroffizier und an der falschen Position für Mitleid.


    Der Optio trat also vor, um den Vorfall zu schildern.


    "Wir waren letzte Nacht auf dem Weg zum Lager, nachdem wir Probatus Rufus im Landgut da gelassen haben. Einige Meilen vom Lager entfernt haben uns mehrere Räuber aufgelauert. Ich glaube, es waren vier.", erklärte er, doch er war sich unsicher. Er hat nicht auf die Anzahl der Räuber geachtet.
    "Sie haben sich als Jäger getarnt, um uns überraschend anzugreifen. Doch es kam niemand zu schaden und wir haben alle getötet. Mit Ausnahme dieses Gefangenen, der ja jetzt auch tot ist, Centurio Petronius. Die Leichen haben wir weg geschafft!".

    Langsam wurde es Winter, und wie für diesen üblich wehte eine kalter Schauer über den Exerzierplatz. Gehüllt in seinem Sagum und dieses fest im Griff stolzierte Reatinus stolz über den Exerzierplatz. Diesmal durfte der gebürtige Optio endlich eine Grundausbildung selbst leiten. Ganz alleine, mit all den Neulingen! Was kann sich ein Optio denn sehnlicher wünschen?


    "Probati, venite!!" (Probati, angetreten!), hallte es über den Exerzierplatz. Reatinus war schon gespannt, wie lange sie beim ersten Mal brauchten.

    Diesmal flitzte Reatinus zu den letzten Grabungen. Die Soldaten hatten ihre Aufgabe wie befohlen erledigt und wie er schon merkte, war Contubernium III. auch fleißig und brachte schon erste Baumstämme für die Palisade. Reatinus nahm sich eine neue Tabula zur Hand und fing schon an darauf zu kitzeln, wo das Tor und zwei Aussichtsposten hin kämen. Es war wie immer nicht sehr ordentlich, doch mehr war auch nicht nötig.



    Er wandte sich an die Legionäre, die sich hoffentlich nicht langweilten. "Fangt schon an, die ersten Palisaden aufzubauen! Abite!"

    Der Optio merkte sofort, dass der Gefangene einer von den hartgesottenen Zeitgenossen war. Doch er unternahm nichts, denn es lag ja in des Centurios Hand, wie er den Mann zum reden bringen würde. Reatinus´ Blick schweifte abwechselnd zwischen Crispus und dem Gefangenen umher.

    Und da wurde der Optio schon wieder angesprochen. "Ähm...", antwortete er Primus mit Denklauten. "Macht erstmal 30 Stück, in einer einheitlichen Länge von knapp 15 Metern. Wenn wir mehr brauchen, weiß ich euch ja zu finden. Noch fragen?". Mit einem Fuß machte sich Reatinus schon bereit, wieder irgendwo hin zu laufen.

    Still grüßte der Optio Valerian und Primus mit einer Handgeste zurück und beobachtete den Centurio. Reatinus kannte die überzeugenden Argumente, die sein Centurio aufbringen konnte. Zwar nicht aus eigener Erfahrung, aber er hat sie gesehen, mit eigenen Augen. Er war schon gespannt, welche Geschütze der Centurio bei dem Burschen hier ausfahren wollte.

    Während es bei den Legionären und Probati des Contubernium III. ruhig und gelassen zu ging, stabilisierte sich auch die Lage bei den Schanzarbeiten etwas. Einige Legionäre waren schon fertig mit dem Graben, was ideal war, weil schon die ersten Baumstämme geliefert kamen.


    "Heh, ihr da!", rief Reatinus und zeigte auf einige freie Legionäre, "Helft ihnen mal mit den Baumstämmen, stellt sie irgendwo ab, wo sie frei sind!". Dann zeigte er wiederrum auf Primus und Sergius. Und schon war der Optio wieder weg, um die restlichen Schanzarbeiten zu besichtigen.

    Während sich die ersten also aus dem Staub machten, machte auch Reatinus kehrt und begab sich in sein Zelt. Dort lag sein Marschgepäck, wo unter anderem auch etwas zu essen drinnen war. Zwar nur ein paar Brostücke und ein wenig Räucherfleisch, aber es würde als Frühstück reichen.
    Reatinus fischte sein essen aus dem Beutel und nahm es schnell mit einigen kräftigen Bissen zu sich. Er dachte nach, über den Gefangenen und was man wohl mit ihm machen könnte. Es gab ja die Möglichkeit, es schnell und schmerzlos zu machen, mit einem gewissen spitzen Gegenstand... andererseits hatte er gewiss einige Informationen. Denn die Gründe für den Überfall gestern ließen den Optio nicht kalt.


    Als er mit seinem Frühstück fertig war, lief er zu dem Gefangenen und wartete auf die anderen. Dieser Germane sparte bei Reatinus´ Ankunft nicht mit hasserfüllten Blicken. Doch er war gefesselt, also war das dem Optio egal, der schon viel Furchteinflößenderes erlebt hat...

    Reatinus schlief die ganze Nacht über wie ein Murmeltier. Doch wehe dem Cornicen, der ihn ausgerechnet jetzt wecken musste. Schwerfällig hob sich der Optio aus seiner Pritsche und betatschte seinen Kopf. Er hatte zu wenig geschlafen, weshalb sein Schädel brummte. "Wie penetrant...", murmelte er vor sich her und erhob sich. Wenigstens war er jetzt fitter als letzte Nacht.
    Schnell eine frische Tunika übergezogen, Rüstung angelegt und sonstiges Zeug bereit gemacht, schritt Reatinus nach außen. Rechts sah er auch schon eine Gruppe, die sich versammelte, wohin nun auch der Optio hin marschierte - mit dunklen Ringen unter den Augen.

    Jetzt ging es weiter wie gehabt. Irgendwie konnte sich Reatinus schon an diese Gänge zum Scorpiones holen gewöhnen.


    "Horreum III! Holt sie euch in Zweiergruppen und stellt sie an dem Exerzierplatz auf! Danach erklärt euch der Centurio, wie die Dinger funktionieren! Abite!"


    Reatinus blickte kurz zu dem Optio, der wohl immer hier Dienst hatte. Der sah etwas genervt aus.

    Alle traten schon wieder auf dem Exerzierplatz und der Optio schaute sie mit zaghaftem Blick an. Er nutzte die Stille, um die Aufregung bei den Probati in die Höhe zu treiben. Reatinus lief die Reihe entlang und verschränkte die Arme hinter dem Rücken, während er sich innerlich bereit machte, den Probati die spannende Nachricht zu verkünden.


    Doch ruckartig verpuffte die Stille.


    "Probati! Ihr habt euch wochenlang schinden und hetzen lassen! Ihr wurdet ausgebildet, vom Centurio und von mir! Wir haben euch bis an eure Grenzen und darüber hinaus geführt! Doch nun ist es für euch Zeit, die Früchte eurer Arbeit zu ernten! Denn ihr wart Waschlappen, und wir haben euch zu halben Portionen gemacht! Ihr seid am Ende eurer Grundausbildung angelangt und dürft euch bald darauf freuen, als Legionäre für den Imperator zu dienen!"


    Er pausierte kurz.


    "Doch das ist kein Grund, euch auf euren Lorbeeren aus zu ruhen! Denn euch erwarten weiterhin viele Jahre Dienst für den Imperator und für das römische Volk! Nun geht, und macht euch für den morgigen Apell bereit! Abite!"


    Das war das erste Mal, dass Reatinus selbst die Ehre hatte, so eine Ansprache zu führen. Normalerweise machte das immer der Centurio.

    Wieder einmal trat Optio Artorius vor dem Wachmann der Horrea. Hinter ihm versammelten sich auch schön die Probati aus Drusus´ Gruppe. Es war schon erstaunlich, wie oft sie in letzter Zeit die Scorpiones benötigten. Aber es gab auch ungewöhnlich viele Rekruten...


    "Optio Artorius! Wir brauchen ´mal wieder die Scorpiones!". Diesmal waren sie auch wieder zusammen gebaut.

    Gut, dass sich das Problem mit dem Vinum nun geklärt hat. Nun konnte Reatinus sich wieder auf sein Getränk freuen und setzte sich schweigend hin. Er war gerade dabei, unscheinbar und unbehelligt Däumchen zu drehen, als ihn der Fremde ansprach, mit dem er neulich verwechselt wurde. Schon erstaunlich, wie viele Leute einen ansprachen, wenn man alleine aus dem Castellum geht.


    "Och, vergessen wir´s.", antwortete Reatinus und kratzte sich am Hinterkopf. Er blickte Phaeneas kurz an. Er sah nicht allzu frei und wohlhabend aus - um nicht zu sagen, ein Sklave. Trotzdem war es Reatinus egal. Es war ja nicht sein Sklave! "Ich dachte schon, mir hätte jemand einen Streich gespielt!", fügte Reatinus noch an. Natürlich ließ er sich nichts anmerken.

    An der Baustelle entwickelte sich derweil ein riesiges Gewusel. Überall schanzten Legionäre, liefen eifrig umher und liefen von Ort zu Ort. Mitten in diesem Gewusel war Reatinus, der alles zu koordinieren hatte. Er schimpfte und dirigierte die Soldaten umher, um wenigstens ein wenig Ordnung bei zu behalten. Der Anfang war das Schwierigste, stelle er schnell fest. Zur Ruhe kam der Optio unter Zeitdruck nicht, denn überall gab es Brandherde, die bewältigt werden mussten.
    Aber so hatte Contubernium III. vorerst noch seine Ruhe.