Beiträge von Servius Artorius Reatinus

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    Original von Titus Aurelius Ursus
    Ursus nickte. Was da wohl dahinter steckte? Sie mußten vorsichtig und offen zugleich sein. "Ich möchte, daß Du Dich ab und an seiner annimmst, damit ich für meine Arbeit auch mal Luft habe, ohne mir auf die Finger gucken lassen zu müssen. Nimm den Duccier dafür zu Hilfe, dann hast Du ihn nicht auch immer am Wickel und er wird sich vielleicht nicht so bewacht vorkommen. Im Grunde haben wir nichts zu verbergen, aber es gefällt mir einfach nicht, daß der hier herumschnüffelt. Dieser Marius, der Praefectus Praetorio, ist ein Speichellecker von Salinator. Da der die Unterbringung hier angefordert hat, wird unser Besuch gewiß auch zu den Getreuen des Praefectus Urbi gehören. Der widerum hat etwas gegen Patrizier. Es wäre also schön, wenn die Truppe sich von ihrer besten Seite zeigen und hier keine dummen Witze über Salinator gemacht würden. Laß auch die Latrinen auf bösartige Sprüche hin kontrollieren." Man wußte ja nie und Ursus wollte sich nichts anhängen lassen. Das Kommando wollte er durchaus noch eine Weile behalten.


    Ein Untertan des Praefectus Urbi also. Reatinus schluckte fest... zwar drang hier nicht viel durch, was sich in den Senatshallen abspielte, aber Gerüchte über die Spielchen gab es durchaus, die durch diesen Mann veranstaltet wurden. "Verstehe. Und wir haben wohl keinen triftigen Grund, ihn auszusperren", sagte er ganz ohne zu spaßen, denn er würde es nach dem, was er gerade hörte, wirklich tun. Wenn er denn nur könnte. "Ich werde mich ein wenig um ihn kümmern... nach dem Rechten sehen. Die Sache gefällt mir nicht. Davon abgesehen, was treibt der so weitab von seiner Legion? Hat ein derart hochrangierter Offizier keine sinnvolleren Tätigkeiten, als bei uns rumzuschnüffeln?"

    Es wäre wohl eine Schande, dass Reatinus angesichts der vielen Verluste in der Familie noch nicht einmal wissen konnte, wie man ein Opfer vollzog. Dies musste er schon so oft tun, um die gefallenen und toten Artorier zu ehren. Zu oft, viel zu oft. Es war glücklicherweise so, dass Reatinus seinem Neffen unbewusst eine große Hilfe sein konnte. Er lächelte, nicht wegen der Tatsache, dass er seinem jungen Neffen half, sondern weil es ihn ehrte, dass die Celers Vater gemeinsam gedenken konnten. "Gut. Dann sollten wir Opfergaben beschaffen... ich kann aus meinem Fernhandelsbetrieb ein wenig Weihrauch abzapfen, wirst du dann die Opfergaben beschaffen? Besorge uns einige Früchte als Opfergaben, ich kann noch einige Münzen entbehren. Dein Vater wird sich darüber in Elysium sicher freuen."


    Die folgenden Ausführungen hörte sich Reatinus an und musste sich wieder wundern. Für ihn war doch alles in Ordnung, denn Hauptsache Celer war hier, es ging ihm gut und er blieb eine Weile. Er wollte nur für seine Zukunft vorsorgen und fühlte sich dabei ein wenig wie ein Ersatzvater, nachdem er von seinen Kindern nichts mehr gehört hatte. Er wollte doch nicht, dass der Junge sich für seine Entscheidungen rechtfertigte. Dies hatte er damals selbst nie getan und er hatte selbst klein angefangen, als Probatus und ein niemand!
    "Dein Anliegen kann ich durchaus verstehen", ermunterte er Celer und klopfte mit der freien Hand auf seine Schulter. Das Essen war kurz vollkommen vergessen. "Ich werde Dir ein Empfehlungsschreiben aufsetzen. Gleich nach dem Essen."


    Das nächste Thema war die Frage nach dem Patron, die sich Reatinus oft genug selbst gestellt hatte. Und es war dabei nur eine ganz einfache Rechnung:
    Hilfsbereitschaft + Einfluss = Guter Patron


    So schilderte er seine Idee: "Ich habe einen Patronen, Vinicius Lucianus, ehemaliger Legatus Legionis. Er hat mir oft aus der Klemme geholfen und beim Aufstieg. Oder Aurelius Ursus, ein guter Freund von mir. Bei dem kannst du hier in der Legion vorstellig werden, er ist ein Patrizier mit viel Einfluss als Legatus Legionis und auch mit Kontakten außerhalb der Legion, da er den Cursus Honorum beschritten hat. Egal zu wem du gehst, du musst eine wichtige Frage beantworten: Warum sollte er dich als Klienten annehmen? Wenn du das beantworten kannst, hast du in 90% der Fälle sehr gute Karten."

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    Original von Titus Duccius Vala
    "Der Kompetenzen, Tribun?", schmunzelte Vala den Reatiner an, "Sicherlich, auch. Allerdings wärst du damit eine Rarität, gewissermaßen ein Genie des Militärs. Und mit dieser Tatsache allein auf weiter Flur, wenn du mich fragst... maßgeblich scheint mir vor allem das... wie soll ich sagen... nein... DIE soziale Kompetenz, wenn du verstehst was ich meine."


    Die Ausführung des Tribunen über die Unterschiede zwischen den Legiones nutzte Vala um seine Kehle mit verdünntem Wein zu benetzen. Fürchterlich schwaches... weiches... weibisches Zeug. Wann genau hatte er sich eigentlich das letzte Mal bis zur Besinnungslosigkeit gesoffen? Sicherlich Jahre her. Und das ließ Vala das Gefühl kommen, er wäre uralt. Dabei hatte er, Pi mal Daumen mal kleinen Zeh, vielleicht gerade mal die zwanzig Jahre erreicht. Vielleicht war er schon lange drüber... und vielleicht steuerte er noch darauf zu. Wer wusste das schon? Er nicht.


    "Die Politik ist ein Krieg der ewig währt und im Stillen tötet, und je mächtiger die Kontrahenten desto größer die Zahl der Verluste.", paraphrasierte der junge Germane seine Vorstellung von Politik. Er hatte mitbekommen wie selbst das Geschacher zwischen einem Fischer und einem Fuhrmann einem anderen Fuhrmann die Lebensgrundlage entzogen hatte, das war vor mehr als einer Dekade gewesen. Und er hatte schon damals nicht lange gebraucht um zu verstehen: Politik tötet. Ständig. Immer. Und sie ist allgegenwärtig.


    Eigentlich verstand er nicht wirklich, was mit DER sozialen Kompetenz gemeint war, was er sich natürlich nicht anmerken lassen wollte. Deshalb musste er nachdenken, und diese Zeit gab er sich selbst unter dem Vorwand noch einen Schluck zu trinken und nutzte sie, indem er wohl über die Bedeutung dieser Aussage grübelte. "Wäre ich nicht Centurio geworden, hätte wohl niemand mir Aufmerksamkeit gezollt. Ich hatte gewissermaßen auch Glück, dass ich eine Chance bekommen habe, indem ich meine eigenen achtzig Mann in den Kampf führen durfte", führte er an, "Das ist zwar kein Erfolgsrezept, zumal man sich beweisen muss, aber eine Chance durchaus! " Damit sprach er das Thema "soziale Kompetenz" nur indirekt an.


    Er nahm einen weiteren Schluck und leerte damit seinen Weinbecher. "Schmutzige Geschäfte gibt es überall... ich sehe Politiker als Soldaten, nur in einem ganz anderen Schlachtfeld."
    Ob das Schlachtfeld jetzt im Krieg oder in der Politik war, konnte manchmal sogar unwesentlich sein. Wenn man jemanden töten wollte oder musste, so wurde dieser jemand meistens getötet.

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    Original von Titus Aurelius Ursus
    [...]


    "Was hältst Du davon? Eine Woche soll er bleiben, ist also nicht einfach nur auf der Durchreise. Und dafür kommt er von Britannien." Sicher würde der Praefect danach nach Rom weiterreisen. Aber merkwürdig blieb die Sache dennoch.


    Reatinus konnte es gerade recht sein, wenn Ursus das Thema auf sich beruhen ließ. Wenn es an jemandem war, diese Sache zu verarbeiten, dann nur an ihm und niemand anderem, fand er. Das war sein ganz persönliches Problem, wo auch die Freundschaft, sei sie noch so gut, einen Schritt zurücktreten musste.


    Sie gingen wieder zum dienstlichen durch und mit skeptischen Blicken las Reatinus den Brief, den er vom Aurelier überreicht bekam. "Der hat sicher mehr vor als hier zu rasten", meinte Reatinus. Denn das tat man sicher nicht tagelang! "Ich kann mir keinen Reim darauf machen, aber womöglich kommt da noch etwas." Er legte die Schriftrolle wieder auf den Tisch und während er grübelte, starrte er auf seine verletzte, professioneller verbundene Hand.

    Reatinus nickte, während er genüsslich ein Stück vom Spanferkel kaute und beobachtete Celer mit einem dezenten Blick. Sicherlich hatte ihn nicht nur der Hunger zu ihm getrieben und so wartete er, suchend nach Bestätigung um seine These. Und die kam durchaus. Er lächelte: "Wenn nicht jetzt, wann dann?" So legte er zunächst das Stück essen, welches er bearbeitete auf den Tisch, um seinem Neffen aufmerksam zuhören zu können. "Ich würde gerne mitopfern, schließlich lag mir dein Vater auch am Herzen. Aber du fragst um Erlaubnis", fragte er mit gespielt schockierter Mine, "Ehre die Toten, wo und wann du nur kannst."


    Dieses Thema war noch das Einfachere für Reatinus, denn Celer kam kurz darauf in Karrierefragen zu sprechen. Auch er konnte Fortschritte verzeichnen... wenn auch nur winzig Kleine. Etwas Zweifel kam in Reatinus hoch, ob Celer sich wirklich einem Leben als bedeutungsloser Schreiberling widmen wollte. Sicherlich eine ruhige Tätigkeit, man schuftete nicht so hart, doch all der Ruhm, Respekt und die Lorbeeren, konnte man die auch dort finden? "Es ist deine Entscheidung, Celer", sagte er mit nachdenklich angehauchter Stimme, "Ich stehe voll und ganz zu dir. Der Legat hat Kontakte, die dir beim Ein- und Aufstieg gewiss helfen könnten."

    Und die Sklaven hatten sich mit dem Essen sichtlich Mühe gegeben, denn Reatinus genoss es. Vor allem nach dem arbeitsreichen Tag war ein leckeres und stärkendes Mahl eine sehr willkommene Belohnung für ihn. Die Vorspeise hatte der Artorier recht schnell zu sich genommen, da der Magen leer war und förmlich nach etwas Essbarem schrie - obendrein mochte er Oliven und gegen Mulsum hatte er nie etwas auszusetzen. Das Brot und den Schafkäse konnte er allein schon wegen seines Hungers in einem Bissen verzehren.
    Dann kam die Hauptspeise, ein vorzüglich vorbereitetes Spanferkel. Und ja, der Sklavenhändler hatte nicht gelogen, als er ihm Sklaven mit guten Kochkenntnissen versprochen hatte!


    Just in dem Moment, als Reatinus beginnen wollte, kam sein Neffe herein. "Ah, salve Marcus", grüßte er freundlich, "Ja, es war so wie immer! Du hast die Vorspeise verpasst, aber bedien dich doch bitte trotzdem. Es schmeckt vorzüglich!"

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    Original von Titus Aurelius Ursus
    Ursus schmunzelte. "Vermutlich möchte er erst ein paar eigene Erfahrungen machen, bevor er in Erwägung zieht, seinem Onkel zuzuhören. Sind nicht alle jungen Leute so? Also, sprich nochmal mit Deinem Neffen. Und wenn er weiß, was er möchte, dann will ich gerne meine Beziehungen spielen lassen." Sofern er passende Verbindungen hatte. Aber daran zweifelte Ursus eigentlich weniger.


    "Und wie geht es Dir? Ist alles in Ordnung? Cimon berichtete mir, daß er Dir begegnet sei. Und er meinte, Du seist verletzt gewesen?" Vor allem hatte der Sklave berichtet, daß Reatinus so gewirkt hätte, wie ein Mann, den schwere Sorgen drückten. Aber gar so deutlich wollte er es noch nicht sagen.


    Ja, das kannte Reatinus nur selbst von sich selbst und er fand es nicht einmal so dumm. Er war seinen eigenen Weg gegangen und jetzt dort, wo er war. Als ritterlicher Tribun. Er hätte selbst nie gedacht, so weit zu kommen. "Gut, das werde ich. Es war ohnehin abzusehen, dass du mir etwas Konkreterem mehr anfangen könntest", erwiderte er und war schon im Begriff sich zu erheben, als Ursus ein neues Thema aus seiner jüngsten Vergangenheit ansprach. Ein Unangenehmes noch dazu. Damit hätte er rechnen müssen, dass der Sklave erklären musste, was mit seiner Tunika vorgefallen sei...


    "Ja, das stimmt", sagte er ernst und mit ausdruckslosem Gesicht, "Aber halb so schlimm... es war nichts Großes." Mehr wollte er nicht preisgeben, wenn er nicht direkt nach dem "Warum" und "Wieso" gefragt wurde.

    Sim-Off:

    Ist von der Wertkarte abzubuchen! :)



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    Ad Herius Claudius Menecrates

    Villa Claudia
    ~~~
    Provincia Italia
    ~~~
    Roma


    ____________________________________________


    Salve, werter Claudius,


    ich schreibe Dir in einem Anliegen bezüglich des freien Marktes, über den Du in deiner Funktion als Aedilis Curulis die Aufsicht hast. Um genau zu sein, möchte ich Beschwerde einreichen und bitte Dich, diese Tatsache etwas genauer zu untersuchen, da sie mir langfristig und anderen Teilen des Marktes schadet.


    Ich möchte mich offen über den Wucher bei den Preisen beschweren, zu denen Eisen momentan gehandelt wird. Es herrscht auf dem Markt diesbezüglich eine Preisdiktatur, da momentan ein Mangel an Anbietern vorliegt. Ich finde jedoch, dass Preise von ca. 12 bis 13 Sesterzen pro Einheit horrend sind. Dieser Stand bezieht sich auf das Datum PRIDIE NON IAN DCCCLXI A.U.C. (4.1.2011/108 n.Chr.)
    Nicht zu vertreten ist derlei Preispolitik aus einem einfachen Grund: Unwirtschaftlichkeit. Du verstehst, Claudius, dass ich selbst einer der wenigen verbleibenden Werkzeughersteller bin und mein Werkzeug viel zu teuer verkaufen müsste, damit es sich rentiert. Dies zu tun bin ich jedoch nicht gewillt, da ich weiß, dass ich derlei Preise nicht rechtfertigen kann. So steht meine eigene Produktion und die Wirtschaftszweige, die von gutem, neuem Werkzeug leben, werden angesichts dessen gehemmt. Vor allem, weil die Werkzeugpreise der gleichen Anbieter ebenfalls zu hoch sind. Rein rhetorisch gefragt: Ist das so zu akzeptieren, dass mehrere Wirtschaftszweige dadurch beeinträchtigt sind, weil ich keinen fairen Preiskampf mehr ausüben kann? Dass die Monopolstellung einzelner Anbieter für Wucher ausgenutzt werden kann?


    Ich bitte Dich, Nachforschungen zu dieser Lage anzustellen, Claudius. Mögen die Götter Dich segnen.


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    Der Vorschlag von Ursus bot ihnen um Einiges mehr Möglichkeiten, was dem Artorier ein freundliches Lächeln entlockte. "Das wäre eine gute Möglichkeit und den Einsatz wüssten wir zu schätzen. Das stand uns vorher nicht offen, da ich zum Cursus Publicus leider keine guten Kontakte habe!"
    Da war aber noch das Problem, dass Reatinus selbst nicht so genau wusste, wohin mit Celer... ach herrje, das war alles so kompliziert! "Ich habe ihm auch geraten, zur Legion zu gehen. Die Erfahrung wird ihm gut tun und vielleicht kann er auch eines Tages in meine Fußstapfen treten... ich konnte ihn nur bedingt begeistern."

    Zitat

    Original von Titus Duccius Vala
    Lächeln und nicken, lächeln und nicken. Mit einem undeutbaren Schmunzeln nahm Vala die Worte des Artoriers hin. Ob dieser sich gleich am Anfang einen Affront leisten wollte, oder einfach zu gedankenlos war um sich der Herkunft Valas zu entsinnen, das würde sich noch im Verlauf des nächsten Jahres erweisen.
    "Man kann die Wirkung der Einheiten am neuen Limes und am Rhenus nicht zu geringschätzen. Darf man auch nicht.", lächelte Vala schmal und sehr politisch das potentielle Missverständnis weg, "Wohl ebenso wenig wie die des Offiziersstabs einer Legion für den Legaten. Als Mann aus den Rängen dürfte es dir nicht schwer fallen den Vergleich zu ziehen, es ist doch recht untypisch für einen Mann sich vom Probatus zum Tribun hochzuarbeiten..."


    Selbstverständlich war Reatinus nicht so dumm, es sich mit dem Duccier zu verscherzen. Erstens, hatte er dazu keinen plausiblen Anlass und zweitens hatte er doch schon Geschäftskontakte aus dem Hause Duccia in Mogontiacum gehabt. Gewundert hätte er sich doch sehr, wenn Vala empört reagiert hätte, würde das doch seine Selbstbetrachtung so hinstellen, als würde er sich auch als einer dieser "ungewaschenen Wilden" sehen, auf die der Artorier sich bezog. Doch da sie auf ein neues Thema übergingen, blieb es nur beim Austausch (möglicherweise böser) Gedanken.
    "Untypisch, in der Tat", bestätigte Reatinus mit einem verhaltenen Lachen, "Das ist der Weg, den ich eingeschlagen habe. Und ich habe viele Entscheidungen bis heute nicht bereut. Alles eine Frage der Kompetenzen. Was das Andere anbelangt... in erster Linie dient jede Legion dem Kaiser. Diejenigen am Limes schützen uns vor Gefahren außerhalb und sind daher von unermesslichem Wert für den Schutz des Reiches. Um einen Vergleich zu ziehen: Es gibt nicht viele innere Feinde, die man mit einer Armee bekämpfen könnte. Das wird dir als Politiker gewiss nicht neu sein."

    Reatinus hielt inne. Das war gar nicht so leicht zu beantworten, denn im Grunde wusste er selbst nicht, wo das Schicksal Celer wohl hinführen mochte, um ihn jetzt schon zu fördern. Er kannte es von sich selbst nur zu gut - nie hatte wirklich den Weg eingeschlagen, den er vor langer Zeit einzuschlagen glaubte. Es waren Launen der Zukunft, die einem immer bereitgehalten wurden.
    "Er ist viel zu bescheiden und sucht etwas Kleines", sagte Reatinus ganz sachlich, "Ich denke, ich werde ihn überzeugen, zur Legion zu gehen. Das liegt uns Artoriern eben im Blut." Reatinus lächelte und senkte den Kopf. Ja, das Miltitär. Unzählige Artorier hatten schon gedient - einige dabei ihr Leben verloren. "So genau ist das auch schwer zu sagen... er selbst versucht es auch als Schreiber beim Cursus Publicus. Und will ab und zu auch mal Botenjunge spielen." Reatinus legte eine Pause ein. "Vielleicht", sagte er verschwörerisch, "Kannst du ihn ja auf den Geschmack bringen, was die Legion anbelangt?"

    Er nahm einen Schluck aus seinem Becher, während Ursus ihm Antwort gab und erinnerte sich genau an ihr Gespräch vom letzten Abend. Celer hatte ihm erzählt, dass er lesen, schreiben und rechnen konnte. Und dass er zum Anpacken auch geeignet sei.
    Er stellte den Becher wieder auf den Tisch, welcher ein dumpfes Geräusch verursachte. "Er kann lesen, schreiben und rechnen, ist aber auch für körperliche Arbeiten zu gebrauchen, da er recht fit ist", gab Reatinus zur Auskunft, "Er hat eine gute Ausbildung genossen und ist durchaus gebildet. Er scheint auch sehr bescheiden zu sein, aufgrund seiner Erziehung... daher suchen wir jemanden, den wir kennen und von dem wir wissen, dass diese Bescheidenheit nicht ausgenutzt wird."

    Mal wieder ein Appell. Reatinus hatte von diesen schon viel zu viele gesehen und allmählich hatte er das Gefühl, sich von einer aufmarschierenden, mächtigen Legion von der Tribüne aus nicht mehr wirklich den Autem rauben lassen zu können. Es war irgendwie zur Routine geworden - was schade war, denn der Anblick einer Legion, die mitten im Trubel eines Appells noch diszipliniert marschierte und Stellung bezog, war ein mächtiger Anblick.


    Reatinus bezog Stellung neben den anderen Tribuni Angusticlavi, die seine besten Kollegen waren. Sie kannten sich und mussten sich nur mit einem Nicken begrüßen. Auch der restliche Stab, allem voran der Legat, waren eingetroffen und bald eröffnete Ursus. Es schien so schnell, als hätte er es eilig.
    Ruhig stand Reatinus auf der Tribüne und regte sich nicht einmal. Mit nach hinten verschränkten Armen lauschte er. Aus der Ruhe gerissen wurde er just in dem Moment, als Ursus ankündigte, dass sie von diesem senatorischen Tribunen befehligt würden. Es war nicht wirklich überzeugend... der Kerl hatte doch überhaupt keine Erfahrung, eine Legion zu führen! Welcher Schaden mochte da wohl entstehen? Fragend, vewundert blickten sich die ritterlichen Tribunen gegenseitig an...


    "Macht mir Ehre! Für Rom und den Kaiser!"


    Sie wurden erneut unterbrochen.


    "ROMA VICTRIX!"

    Reatinus nahm mit einem freundlichen Nicken zum Dank Platz und ließ sich nicht zweimal bitten. "Dem ist nichts hinzuzufügen."
    Er hatte heute schon gut gegessen und demnach keinen großen Appetit, noch mehr in sich hereinzuschaufeln. Daher nahm er sich nur den zugeschobenen Becher, füllte ihn mit Wasser und einigen Tröpfchen Wein.


    "Nun, Ursus, es geht um meinen Neffen, der neulich aus der Versenkung aufgetaucht ist", begann Reatinus zu erzählen, während er einschenkte, "Genau genommen, ist er gestern gekommen braucht Arbeit und wird eventuell erst später zur Legion gehen, wenn überhaupt. Ich habe gehofft, du könntest uns in dieser Sache eine Möglichkeit eröffnen. Vielleicht hast du Bedarf an persönlichen Schreibern?" Zugegebenermaßen war diese Frage naiv - wahrscheinlich hatte Ursus für alles Erdenkbare persönliche Angestellte und Leibeigene...

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    Original von Titus Duccius Vala
    "Ich weiß, wer du bist, Tribun.", schmunzelte Vala den neu hinzugekommenen Mann an, während er sich aus einem Gespräch mit dem Castellpräfekten löste, "Sei willkommen. Mein Name ist Titus Duccius Vala, Sohn des Flavius Duccius Germanicus. Danke, dass du meiner Einladung folgen konntest.."
    Die Musterung beruhte auf gegenseitig und geschah so schnell wie unbewusst, dass Vala sich keine weiteren Gedanken darum machte. Ein Sklave bot dem neu eingetroffenen Gast auf einem Tablett eine Auswahl an Getränken darf, und Vala gab ihm Zeit sich zu entscheiden bevor er fortfuhr: "Es ist sicherlich ein Unterschied, ob man in Germania an der Grenze seinen Dienst versieht und sich vom einfachen Soldaten hocharbeitet, oder hier in Italia bei der Heimatlegion als ritterlicher Tribun die Stütze des Legaten ist. Darf ich annehmen, dass dir die Arbeit nicht trotzdem zu müßig wird?"


    Nicht schlecht - der Junge wusste, wie man an die Dienstakten gelangte und wie man darin stöberte. Und war schlau genug, sich über seine Gäste zu erkundigen. Das war prinzipiell gut, doch Reatinus hatte nur zu beklagen, dass er über seinen Gegenüber weniger wusste als er über ihn. Und das mochte der Artorier wenig - glücklicherweise dennoch ein Umstand, den man ändern konnte. So breitete sich ein kleines schmunzeln über seine schmalen Mundwinkel aus, als der Duccier erläuterte, schon zu wissen, wer er sei. So genau wusste er das bestimmt nicht. Man konnte sich nicht einmal selbst gut genug kennen.
    "Der Schutz der Reichsgrenzen ist eine ehrenvolle Aufgabe. Die Legionen am Limes halten die ungewaschenen Wilden davon ab, marodierend durch das Reich zu ziehen", erwiderte Reatinus beiläufig, "Doch als Stütze des Legaten in der ersten Legion lässt es sich durchaus gut leben." Immerhin wussten auch die Centuriones und er, dass die Legio I eine der wichtigsten Legionen im Kernland des Imperiums war. Mit einem dankbaren Nicken nahm er sich von dem ihm ausgestreckten Tablett einen Becher Wein. Nebenher lief noch das Gespräch mit dem Iulier, das Reatinus am Rande mitverfolgte.

    Also war der Zeitpunkt im Prinzip genau richtig, an dem Reatinus gekommen war. Der hungrige Legat brauchte Gesellschaft beim essen und er hatte die Gelegenheit, sein privates Anliegen vorzutragen.
    "Sehr gut! Einen besseren Zeitpunkt gibt es nicht", grinste er und trat in den Raum, wo er den Legaten bei besagter Tätigkeit, einen Imbiss zu sich nehmen, vorfand. "Salve, Legatus", salutierte er und stellte sich in einem gebührenden, Respekt erweisenden Abstand vor seinen Tisch, "Ich habe gehofft, du könntest Zeit entbehren für ein persönliches Gespräch."

    Am Tage nach ihrem gemeinsamen Gespräch, genau genommen dem Treffen zwischen Celer und Reatinus, hatte sich herausgestellt, dass der Neffe Arbeit brauchte. Reatinus hatte versprochen, Ursus zu fragen, da dieser ein ehrbarer Mann war und ihm sicher eine gute Beschäftigung in einem guten Umfeld bieten konnte. Dies war dem Onkel mehr als nur wichtig. "Wichtig" wäre eine immense Untertreibung gewesen! Immerhin wollte er den Jungen fördern. Und bei dem Aurelier schien dies gerade passend zu sein.


    Der Artorier trat in den Vorraum, wo der Scriba seine Schreibarbeit erledigte. "Salve", grüßte er, "Ist der Legat zu sprechen?" Vorstellen musste er sich hoffentlich nicht - sein Gesicht musste ja ohnehin schon bekannt sein!

    Als Reatinus über die Einladung des neuen Tribunus Laticlavius informiert wurde, machte er sich sofort auf zu dessen Haus. Da die Häuser der ritterlichen und senatorischen Tribunen nicht weit voneinander entfernt waren, konnte der Artorier sich noch ein wenig Zeit nehmen, sich von seinen Sklaven ein wenig aufbrezeln zu lassen. Innerhalb weniger Minuten sah Reatinus nicht mehr aus wie ein vom Dienstalltag aufgebrauchter Tribun, sondern wie ein gut aussehender, vorbereiteter, seines Standes würdiger Ritter.
    So brach er baldmöglichst auf und suchte die Häuslichkeit des Ducciers. Dort wurde er von den Sklaven direkt als eingeladener Gast des Hausherrn erkannt und ins Triclinium geleitet. Durch das Haus geleitet, fragte er sich insgeheim, mit wem sie es dieses Mal zu tun hatten. Wieder einer von diesen Senatorenbengeln, die kurz hier waren, ein wenig Probleme machten in mit einem stattlichen Sold in der Hinterhand wieder ihre Politikkarriere fortsetzten? Oder war es dieses Mal eine der wenigen Überraschungen? Ein senatorischer Tribun, der wirklich etwas drauf hatte?
    Normalerweise klärte sich diese Frage schon beim ersten Gespräch. Er würde sehen...


    Im Triclinium saßen dort Licinus, den Reatinus schon kannte und Duccius Vala, den er im Leben noch nie gesehen hatte. "Salve", salutierte Reatinus, "Mein Name ist Servius Artorius Reatinus." Während er grüßte, musterte er den Duccier genau.