Mit einem "Vale, Legatus!" verabschiedete sich auch Reatinus und machte kehrt. An den Zustand seiner Nase hatte sich nach wie vor nichts geändert, worauf auch der senatorische Tribun aufmerksam machte. Natürlich war Reatinus nicht zu stolz dazu, Hilfe anzunehmen. Wenn jemand ihn jetzt behandeln konnte, war es der Medicus im Valetidunarium. Zu diesem sollte er wohl gehen. Aber auch Ursus sah nicht gerade unbehührt aus.
"Natürlich, Tribunus. Ich werde wohl einen kleinen Sprung ins Valetidunarium machen.". Reatinus lächelte Ursus freundlich zu. "Ich schulde dir etwas. Wenn du jemals etwas brauchst, so lass es mich wissen. Ich vergesse sowas nicht.".
Beiträge von Servius Artorius Reatinus
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Überraschend wurde der Optio von Romanus aufgesucht. Reatinus freute sich, ihn wieder zu sehen, doch er gab sich mit seiner Antwort ziemlich zögerlich. Er erhob sich zuerst von der Feldpritsche und fasste sich an die Wunde. Sie war verspannt und fühlte sich an, als würde sie ganz auseinander gezogen werden. Als würde sie in zwei Hälften zerspringen. Wenn Reatinus seinen Arm zu bewegen versuchte, brannte die Schulter fürchterlich. Aber immerhin war es besser als letzte Nacht.
Während Reatinus nun aufrecht auf seiner Pritsche lag, grüßte er den Vexillarius endlich. Der Mann schien seit ihrer letzten Begegnung befördert worden zu sein. "Salve, Romanus. Man lebt halt. Es geht mir zumindest besser als letzte Nacht.", erklärte Reatinus und blickte sich selbst auf die Schulter. Bis die Wunde weg waren, würden einige Tage vergehen.
Gemächlich versuchte Reatinus, aufzustehen. Er wollte ein wenig frische Luft sehen, der Geruch von Blut hier stieg ihm langsam zu Kopfe.
Angestrengt und jauchzend setzte der Optio seinen Fuß auf den Boden. Bloß keine Schwäche zeigen. Nachdem der Optio ein wenig nach Halt suchte, schaffte er es letztendlich, gerade zu stehen. Endlich konnte er wenigstens wieder laufen und gehen. Kein Problem... die anderen Soldaten hier beneideten ihn darum, dass er jetzt wieder stehen konnte."Siehst du? Bin doch fit...", meinte Reatinus ironisch grinsend zu Romanus.
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Mit Argusaugen kontrollierte Reatinus die Arbeiten vor diesem Baummeer. Der Tribunus verabschiedete sich mittlerweile genauso plötzlich, wie er gekommen war. Der Kerl hatte es aber eilig. Aber kein Wunder, schließlich musste er doch arg beschäftigt sein, ein Auge auf alle Arbeitsbereiche zu werfen.
Die Zeit verstrich langsam, bis die Sonne am Horizont langsam aber sicher unter ging und Germanien in das sanfte Licht der Abendröte tauchte. Die Arbeiten waren für die Legionäre sicherlich anstrengend gewesen, doch sie hatten diese gut gemacht! So langsam war es an der Zeit, den Feierabend anzuläuten.
"Milites, venite!", brüllte Reatinus und winkte den Cornicen herbei, der zur Verstärkung seiner Worte kräftig ins Horn bließ. Obwohl eigentlich jeder Legionarius für seine eigene Verpflegung verantwortlich war, wollte Reatinus die Männer für ihre gute Arbeit belohnen. Das war zwar völlig untypisch für ihn, aber Ausnahmen sollten auch damals schon die Regeln bestimmen.
"Ihr habt heute gut gearbeitet, Männer! Dafür gibt es eine kleine Belohnung!". Reatinus pfiff kräftig und schon eilten einige Legionäre mit Säcken und Feldflaschen herbei. In den Säcken befand sich Räucherfleisch und in den Feldsflaschen reines Wasser. Vor allem Letzteres sollte doch willkommen sein. Man bekam oft genug dieses eklig schmeckende Essigwasser vorgeworfen.
"Lasst es euch schmecken! Aber fresst euch mir nicht zu voll, ihr sollt morgen noch arbeitsfähig sein!", grinste Reatinus.
Sim-Off: Hab jetzt einfach mal ein nahendes Tagesende angeleiert... hoffentlich ist das okay so.

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Reatinus´ hatte eine unruhige Nacht, schlief schlecht, genauso wie seine übrigen verletzten Kameraden. Das Wundfieber machte ihm zu schaffen und ließ ihn Schwitzen. Doch während die anderen Soldaten sich auf ihren Feldpritschen wälzten oder wiederum einige kräftig husteten, gegen ihre Verletzungen kämpften und voller Schmerzen aufstöhnten, blieb Reatinus stumm liegen. Stumm wie eine Statue. Doch diese Statue, welche Reatinus symbolisiert ,war zerbrochen und in tausend kleine Stückchen aufgegangen. Wie betäubt blickte er abwechselnd zu seinen Nebenmännern, welche die Blicke nicht erst wahrnahmen. Der Schmerz und das verdammte Fieber schienen ihn äußerlich nichts auszumachen. Tatsächlich hatte der Optio größere Sorgen. Diese Nacht lag ihm schwer im Magen. Die Geschehnisse ließen ihn daran Zweifeln, ob es denn eine Ehre war, Soldat zu sein. Es blieb nicht dabei, dass die Plage einfach nur beseitigt wurde. Jetzt hatten unschuldige Knaben und Kinder daran zu leiden. Einige Bilder von Marcomers Frau schossen Reatinus durch den Kopf und ließen ihn nur noch weiter ernüchtern. "Verdammter Bastard" hatte sie ihn genannt. Reatinus verübelte ihr das nicht. Vielleicht hatte sie recht.
Reatinus lauschte den Nachtgeräuschen und dem Wind, der ihm an den Ohren vorbeisauste. Es half dem erschöpften Optio dabei, einzuschlafen. Doch hatte er es geschafft, einzuschlafen, währte der Schlaf nicht lange. Fieber und die schmerzende Wunde weckten ihn auf und sorgten dafür, dass dieser Zustand von Dauer blieb - beinahe die ganze Nacht über.Allmählich wurde es hell draußen. Reatinus war eh schon wach und hörte sich das Treiben im Lager an. Einige Legionäre plauderten um sich abzulenken, einige fluchten und beklagten sich über die letzte Nacht und ihre schlechten Träume. Die Offiziere brüllten ihre Befehle, welche schnell von den Milites in die Tat umgesetzt wurden. Die Befehlsausgabe der Kreuzigungen versuchte Reatinus zu verstehen. Doch er verstand sie nicht.
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Mit prüfenden Blicken nahm der Torwächter die drei Nichtsoldaten unter die Lupe. Sie sahen vielleicht nicht unbedingt aus, als würden sie Ärger anstellen wollen, aber sicher war eben sicher. Doch sie schienen nichts dabei zu haben, womit sie Unfug anstellen konnten.
"Salve.", grüßte der Wachmann anschließend, "Der Tribunus Laticlavius ist zu sprechen, aber wo er ist, weiß ich nicht. Versucht´s mal in seiner Casa, wenn er nicht im Officium ist.".
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"Jawohl, Legatus.", bestätigte Reatinus nickend. "Harter aber fairer Vorgesetzter", sagte Ursus. Reatinus war erfreut darüber, das zu hören. Genau das versuchte er nämlich zu sein. Schien so, als hätte er dies zum Großteil auch geschafft. Reatinus lächelte dem Aurelier schmunzelnd zu. "Ich werde dir die Unterlagen schnellstmöglich zukommen lassen, Legatus.", hängte Reatinus noch an. Nachdem er sich in seinen Unterkünften gewaschen hätte, würde er sich deswegen sofort an seinen Schreibtisch setzen.
Aber bevor er los konnte, wartete Reatinus darauf, wieder entlassen zu werden. Man lernten immerhin schon als Probatus, erst kehrt zu machen, wenn der ranghöhere Offiziere dies befahl. -
Die ganze Zeit über wurde Reatinus von einem unbekannten Eques durch die Wälder transportiert. Er blieb stumm und hörte sich die Marschgeräusche der Soldaten an, die noch laufen konnten und denen es im Vergleich zu den anderen Verletzten noch gut ging. Dieser gleichmäßige, im Takt ertönende Marsch... er kündigte den Gegnern der Legionen normalerweise sein Ende an. Selten erfuhren römische Soldaten eine Niederlage. Auch heute änderte sich an alle dem nichts. Obwohl das, was heute geschah für ihn schon eine kleine, persönliche Niederlage war.
Bald kamen sie schon wieder in Wigands Dorf an. Vielleicht würden sie dieses Dorf zum letzten Mal sehen. Reatinus zumindest wünschte sich, schnell wieder zu verschwinden. Ins Castellum, um das alles zu verdauen. Aber wie es das Schicksal wollte, würde wohl bald das Wundfieber einsetzen. Es war nur eine Frage der Zeit. Reatinus sah die Centuriones etwas besprechen, einige andere Legionäre saßen derweil ruhig da und machten sich ihr Essen. Nachdem dieser junge Centurio seine Befehle erteilte, wurde Reatinus von zwei Legionären weggeschleppt. Der Weg führte ihn nun in das Lazarett, wo schon eine Gruppe Verletzter gegen ihre Wunden ankämpfte. Jetzt konnte Reatinus ihnen Gesellschaft leisten!
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Zitat
Original von Titus Aurelius Ursus
"Erlaubnis erteilt, Duplicarius." Er nickte Primus zu und wandte sich dann wieder an den Centurio, in der festen Gewißheit, sich auf den Terentier verlassen zu können. Offiziere wie er konnten einem das Leben schon sehr erleichtern."Damit wäre ein weiteres Problem gelöst, denn ich gehe mal davon aus, daß wir uns mit den Germanen einigen werden", sagte er zu Raetinus, während er beobachtete, wie die Männer den Baumstamm von seinen Ästen befreiten. "Hoffen wir, da die Götter uns gewogen sind und das Wetter sich weiter so gut hält. Dann werden wir gut voran kommen." Der Tag neigte sich zwar langsam schon seinem Ende zu, doch was sie geschafft hatten, konnte sich sehen lassen.
Sim-Off: Weitere Planung siehe Privatforum
"Davon gehe ich aus, Tribunus.", meinte Reatinus, der schon Erfahrung sowohl mit freundlichen als auch feindlichen Germanen gemacht hatte. Der Tribun hatte recht. Wenn das Wetter so gut blieb, mussten die Soldaten sich um ihre Arbeiten keine Sorgen machen. Die größere Sorge war, dass ihnen vorzeitig die Puste aus ging und diese Wahrscheinlichkeit war bei durchtrainierten Legionären sehr gering.
In der Zwischenzeit passierten schon wieder einige Baumstämme mit Kurs auf die Arbeiten dort vorne am Limes. Reatinus fragte sich, wie die Erweiterung voran schritt. Garantiert war der Limes, der römisches Gebiet von den wild lebenden Germanenstämmen trennte um einige Meter reicher geworden. -
"Da sagen wir nicht nein. Danke, Tribunus!", entgegnete Reatinus erfreut über die Ankündigung der besseren Verpflegung. Reatinus war stolz darauf, dass seine Männer ihr Handwerk so fleißig verrichteten. Eine Belohnung musste neben der harten Arbeit eben auch mal sein!
Weniger Momente später ließ sich Primus blicken, den Reatinus militärisch mit einem "Salve!" grüßte. Aufmerksam hörte sich Reatinus an, was der Mann zu sagen hatte. Ein Dorf, welches sie gegen Bezahlung versorgen sollte... ein Tauschhandel quasi. Das würde zwar den ein oder anderen Sesterz kosten, aber dafür mussten die Milites keine zusätzlichen Strapazen mit aufwendiger Jagd aufbringen. Insofern ein fairer Tausch, so lange die Versorgung gut und frisch war, die sie erhielten. Reatinus verfolgte die Reaktion des senatorischen Tribuns mit.
Schon nach dem ersten Krachen und rascheln der Bäume auf den Waldboden hätte man sich denken können, dass die Milites jetzt nicht mehr allzu heimlich zu Gange waren. Diesmal fiel ein etwas größerer Baum während der Duplicarius redete, was sich in der Lautstärke des Getöses wiederspiegelte. Aber so lange die Einheimischen die Arbeiten nicht beeinträchtigten, war alles in Ordnung. -
"Bei meiner Centurionenehre, Legatus.", antworte Reatinus gelassen und in militärischer Formalität, "Ich behandele meine Männer hart, aber fair, das kann jeder bestätigen. Diese drei Kerle haben jedoch extrem wenig Einsicht gezeigt. Zwei Wochen Latrinenputzen dafür, dass sie sich in gröbster Weise über meine Probati hermachen. Das dulde ich nunmal nicht.".
Natürlich war der Legat in einer schwierigen Situation, so etwas zu entscheiden und wollte mehr über diese Geschichte in Erfahrung bringen. Doch Reatinus dachte nicht daran, zu lügen und sich auf eine schändliche Ebene hinab zu bewegen. Alles was er erzählte war wahr. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dem Centurio der Faden riss und er sich dieser schwarzen Schafe entledigen wollte. -
Zu Reatinus´ Verwunderung hatte der Tribunus die Zeit erübrigt, sich blicken zu lassen. Weniger verwunderlich war die Frage nach dem Status der Arbeiten, die zurzeit ziemlich gut voran gingen. Reatinus hatte bei solchen Leistungen nichts zu verbergen und gab sofort Preis, wie gut die Arbeiten voranschritten.
"Ah, Tribunus. Es geht sehr gut voran. Wir haben mittlerweile schon...", Reatinus sah auf seine Tabula, auf welche die Zahl 18 notiert war. Doch gerade fuhr wieder ein Muli mit einem Baumstamm im Schlepptau vorbei. "... XIX Baumstämme. So schnell wie es voran geht, werden die Jungs bei den Arbeiten da vorne wohl keine Pause mehr einlegen können. Die Ärmsten!". Reatinus grinste verschmitzt.
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Nun lag der Optio an diesem wärmenden Feuer und kämpfte gegen seine Wunden an. Sowohl die Psychischen als auch die Körperlichen. Der einst so stolze Artorier, ein harter aber fairer Optio, war nun ein kümmerlicher Haufen Elend. Nicht wegen der Verletzungen. Nicht, weil er Marcomer getötet hatte, dieses Schwein. Sondern die Überlebenden seiner Gefolgschaft machten dem Artorier zu schaffen, jene, die ihm bedingungslos gefolgt sind. Die meisten von ihnen bis in den Tod, für ein einziges, großes Unrecht. Reatinus hätte kotzen können. Grausamkeit wurde doch nicht mit Grausamkeit vergolten... das erzeugte nur noch mehr Grauen. Reatinus sah in wehleidige, in trauernde Augen. Er hörte Schluchzen, Wimmern und Weinen und ließ sich im Nu von der Stimmung anstecken. Einige Männer, gute Männer aus der Truppe fehlten. Sie waren wie verschwunden. Sie mussten gestorben oder verschollen sein. Bilder von dem Gemetzel schossen Reatinus durch den Kopf. Schreie, Tote, Blut. Reatinus hatte sich für eine Militärkarriere entschieden, doch das war zu viel. Mehr, als er vertragen konnte. Denn mit Kampf hatte das nichts mehr zu tun. Eine Plage wurde beseitigt, doch sie wurde mit gleicher Boßhaftigkeit zurückgezahlt, an teilweise unschuldigen die nur die eine Wahl hatten, mitzukommen. An Knaben und Frauen, die jemanden hätten eh nichts tun können. Sie waren es, welche nun den Anblick ihrer Väter und Männer ertragen mussten, welche nun leblose Körper waren, die regungslos im Dreck lagen. Reatinus wurde es speiübel.
"Nein... verdammte Scheisse... warum das alles...", murmelte Reatinus vor dem knisternden Feuer. Er schloss zutiefst bestürzt die Augen. Eine Träne rollte gemächlich die Augenlieder von Reatinus hinunter. Doch Reatinus wischte sich die Träne jeher weg, als er Schritte hörte, die immer lauter wurden. Es war kein männliches Stapfen, sondern kurze, zahlreiche und geschmeidige Schritte. Jemand kam auf ihn zu. Doch es war nicht der Centurio. Weder ein Legionär, noch ein Eques, einfach kein Soldat. Nein, es war eine Frau. In ihrem Blick sah man die selbe Verzweiflung wie bei den anderen Überlebenden. In der Meinung, er würde halluzinieren, rieb sich Reatinus die Augen. Die Frau war echt, denn sie stand noch da.
"Was ist passiert mit meinen Mann?", fragte die Frau stammelnd auf Germanisch, dann jedoch erneut in schlechterem Latein.
"Dein... Mann...?", Reatinus blickte die Frau fragend an. Männer gab es viele, die heute gefallen sind. Für seinen Geschmack zu viele.
"Marcomer.", rief die Frau knapp.
Als Reatinus das hörte, lief sein Gesicht blutrot an. Was sollte er dieser Frau sagen? "Ich habe deinen Mann getötet.". Na toll, das wäre ja eine wirklich elegante Antwort gewesen! Er hatte jetzt die Frau eines Mannes vor sich stehen, den er vor wenigen Stunden umgebracht hatte. Dieser Mann lag derzeit tot im Schnee, irgendwo in den Wäldern.
"Es...", stammelte Reatinus geschwächt, "... tut mir... leid. Ich hatte keine... Wahl... er ist tot... gestorben durch meine Hand.". Hieß es nicht, dass es erleichternd wäre, wenn man über seine Probleme redete? Nun, für Reatinus war das nicht der Fall. Gerade jetzt schien halb Germanien auf seinem Herzen zu lasten. Genauso fiel auch die Reaktion der Frau aus, welche sich entgeistert das Gesicht und die Hände steckte.
"Nein... nein...", wimmerte sie, "BASTARD! DU BASTARD! SOLLEN DIE THURSEN DICH HOLEN!!", kreischte sie wild auf Germanisch und zog einige Blick auf sich. Reatinus verstand nichts, doch es war nichts Nettes, wie ihm sein Bauchgefühl verriet. Und das wusste er erst recht nach dem gezielten Tritt auf die Verbände, Reatinus´ Wunde. Das Grauen schien wohl kein Ende zu nehmen. Naja, dass Reatinus überlebt hat, war schön und gut. Aber die Götter waren scheinbar nicht zimperlich, sich andersweitig Genugtuung zu verschaffen. Der Verband durchblutete ein wenig, doch die Wunde schien nicht sehr stark verschlimmert worden zu sein. Der Schmerz war jedoch groß genug, dem Artorier ein schmerzerfülltes Stöhnen entrinnen zu lassen. Doch die Frau hielt sich nicht lange bei Reatinus auf und rannte davon. Wohin, vermochte Reatinus nicht zu sagen, aber weg kam sie nicht. So war das eben leider. Als Soldat war man nebenberuflich auch Witwenmacher...
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Die Milites der IV. Centuria ließen sich die Befehle nicht zweimal brüllen und machten sich sofort ans Werk. Reatinus stand mit einer Tabula und einem Stilus in der Hand da und zählte sorgfältig durch, wie viele Baumstämme auf dem Weg zum Lager waren. Die Zahlen notierte er sich sorgfältig. Eigentlich musste er dies nicht tun, aber er tat es der Formalität wegen trotzdem, um den Tribunen später darüber informieren zu können. Außerdem war ihm langweilig.
Laut und zahlreich ertönten die dumpfen Schläge auf die Bäume. Immer wieder in unregelmäßigen Abständen hörte man die Legionäre "Achtung, Baum fällt!!" brüllen und dem folgte ein lauter Knall auf den Boden vermischt mit dem Rascheln von Blättern. Kein Wunder, fand man hier in den dichten Wäldern doch fast nur Eichen und sehr selten Tannen und andere Nadelbäume vor. Hoffentlich lockte der Lärm wirklich keine Feinde an.
Das Schreiben wurde so allmählich jedoch auch langweilig. So langsam spielte Reatinus mit dem Gedanken, sich unter die Männer zu mischen. Und zu zeigen, wie die Profis das machen.
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Die Gegenfrage des Legaten überraschte Reatinus natürlich nicht, zumal er erst jetzt merkte, wie schnell sie eigentlich zur Sache gingen. Obwohl Reatinus wusste, dass der Legat es mochte, wenn man schnell und direkt die Begebenheit schilderte. Doch er war gerne gewillt, auch dies zu erklären:
"Richtig, Legatus. Meine eigenen Männer haben mich schändlich angegriffen. Es sind ein paar schwarze Schafe aus meiner Truppe. Sie haben, erneut wohlgemerkt, Mist gebaut und wurden dafür von mir gestraft. Es muss eine Racheaktion gewesen sein, andere Motive gäbe es nicht, Legatus. Egal was es für Motive waren, sie haben einen Offizier der Legion angegriffen. Oder besser gesagt drei Offiziere, da sie sich gegen den Tribunen und den Optio auch gewehrt haben.".
Gespannt wartete Reatinus auf die Reaktion von Lucianus. Das Besondere an dem Mann war ja seine Unberechenbarkeit. Man wusste irgendwie nie, wie er auf etwas reagiert.
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"Danke...", meinte Reatinus knapp. Scheinbar hatte sich der Centurio wirklich um ihn gesorgt und das freute Reatinus trotz seiner Lage. Die Kämpfe hatten Spuren hinterlassen. Während Reatinus von den zwei Legionären zum wärmenden Feuer getragen wurde - selbst laufen konnte er in diesem geschwächten Zustand sehr schlecht - sah er den Haufen von Toten. Die Überlebenden wurden herzlos zusammengepfercht, wo normalerweise die Tiere hinkommen. Junge Knaben und Frauen waren es, die den verletzten Optio erblickten und ihre Blicke wurden erwidert. Reatinus hatte Mitleid mit diesen Menschen. Denn sie hatten vielleicht keine andere Wahl, als diesen Männern zu folgen... wer wusste das schon. Sie sahen wehleidig und in Verzweiflung aus, wie sie da standen, was Reatinus das Herz erschütterte. Obwohl er rein äußerlich gesehen keine Miene verzog, weinte er im Geiste über das, was geschah. Doch diese Räuben haben Unschuldigen das Leben gekostet und selbst Unschuldige mit hinein gezogen. Für sie konnte Reatinus keine Träne vergießen.
Momente später lag Reatinus ruhig am Feuer und wärmte sich. Stumm hörte er dem Knistern des Feuers zu und machte sich Gedanken über die Geschehenisse heute. Das war zu viel. Viel zu viel...
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Dicht hinter dem Tribunen trat auch Reatinus in der Officium ein, als das deutliche "Herein!" von innen ertönte. Gekonnt, schließlich hatte Reatinus jahrelange Übung, salutierte er vor dem Legaten. "Salve, Legatus." grüßte Reatinus gemeinsam mit Ursus. Der Aurelier ließ dem Centurio den Vorrang bei der Erklärung. Mit einem dankenden Nicken nahm Reatinus dieses Angebot an. Dies tat er nur zu gerne!
"Legatus.", fing Reatinus an und hob das blutverschmierte Handtuch, um seine Worte zu unterstreichen, "Drei Legionäre aus meiner Truppe haben gemeint, mich hinterlistig zu attackieren. Während man mir die Sicht raubte und zwei von ihnen mich fest hielten, prügelte der Dritte auf mich ein.". Reatinus erzählte nicht allzu gern davon, schließlich fühlte er sich dann so... schwach. "Der Tribun ist mir den Göttern sei Dank rechtzeitig zu Hilfe geeilt, danach auch Optio Iulius. Beide schlage ich für eine Auszeichnung vor. Ohne sie wäre mein Gesicht jetzt Matsch.". Danach legte Reatinus eine Pause ein und lächelte Ursus an. "Und was die Legionarii angeht... diese Schandtat soll nicht ungesühnt bleiben. Eine unehrenhafte Entlassung sollte der Gerechtigkeit genüge tun.". Gespannt erwartete Reatinus die Reaktion des Legaten. Vielleicht würde er zustimmen. Er konnte sich schlecht vorstellen, dass er einen Angriff auf einen seiner Offiziere so durchgehen lassen würde.
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Reatinus ließ sich nach wie vor auf dem Pferd transportieren. Sein Kopf fühlte sich schon wieder schwammig an, aber das Bewusstsein behielt er wenigstens. Er blickte aus der Ferne auf den Haufen von Toten in der Nähe. Hier schien ein weiteres Massaker stattgefunden zu haben. Er konnte nicht an die Toten denken, alles was hier geschah. Der Optio hatte andere Sorgen. Dort war der Centurio. Mit weit aufgesperrten Augen und fragend, wie er bei Reatinus´ Anblick reagieren würde, beobachtete er den Petronier aus der Ferne, bis er endlich ankam. Dann kam der Centurio auf ihn zu. Reatinus´ Anblick würde Crispus wohl nur insofern erfreuen, dass die Lebensgeister ihn nicht verlassen hätten.
"Centurio... ich lebe... noch.", sprach Reatinus völlig ohne Energie, "Ich... Marcomer hat uns verraten... ich habe...", er hustete kräftig, "Ihn getötet... gerechte Strafe...". Viel zu sagen hatte Reatinus nicht. Er hoffte nur, keine Schande über den Centurio gebracht zu haben.
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Phaeneas versetzte Reatinus mit seinen Argumenten nur bedingt ins Staunen. Ein wenig anders war seine Meinung ja schon, als er sich vorgestellt hatte. Und eben das schürte die Neugierde des Artoriers. Als Phaeneas beendete, wäre Reatinus beinahe ein verwundertes "Hat man das als Sklave?", herausgerutscht. Aber er ließ es noch rechtzeitig sein, noch bevor er Luft zu einer Antwort holte. Er verstand nicht ganz. Als Sklave galt man doch als Gegenstand, obwohl man Leben und ein Bewusstsein hatte, was ein lebloser Gegenstand nicht besaß. Allein der Gedanke an diese Tatsache ließ Reatinus schaudern, selbst ein solcher Sklave zu sein.
"Selbst wenn man halbwegs gut lebt - ich vermute es mal bei dir - würde ich das zu keiner Rechtfertigung machen, dass man ein wandelnder Gegenstand ist. Ich könnte nicht damit leben. Aber unsere Sichten sind verschieden. Du hast dein Leben, ich habe meines. Bei so einer Diskussion ist es ohnehin schwierig, auf einen gemeinsamen Standpunkt zu kommen.". Schließlich waren sie ja zu verschieden dafür. Und da kam wieder die Tatsache, dass wirklich keine Meinung absolut war, egal wie viele zustimmen konnten. Dem Artorier lief ein kalter Schauer den Rücken runter, während er auf Phaeneas Reaktion wartete.
Bedeutete die Tatsache, dass ein Sklave ein Gegenstand war nicht auch so, dass er manchmal als solcher behandelt werden würde? Wenn ein Gegenstand seinen Zweck nicht erfüllt, "kaputt" ist, was macht der Mensch mit ihm? Meistens schmeißt er ihn weg, wenn nichts zu retten ist. Und wenn ein Sklave also ein Gegenstand war...? Doch er verkniff sich eine solche Äußerung, wollte er dem Bythinier doch keine Schrecken oder Komplexe einflößen. "Was, wenn das neue Leben viel besser ist? Das neue Zuhause, die neue Gemeinschaft viel besser ist, als das, was man vorher gekannt hat?" fragte Reatinus. Er war der hitzigen Debatte verfallen und und vergaß das Drumherum in der Taberna. -
Langsam versammelte sich die Centurie mit den ganzen Mulis, den Äxten und sonstigem Werkzeug vor dem Centurio. So stellte er sich das vor: Schnell, unkompliziert, reibungslos! Reatinus erinnerte sich an die Worte des Tribunen am letzten Tag. Den baumfreien Streifen an der anderen Seite des Limes vergrößern. Keine große Herausforderung, wenn Reatinus darüber nachdachte, was für Jobs die anderen Centurien aufgehalst bekamen!
"Also gut, milites! Pergite!", brüllte Reatinus und setzte sich an die Spitze seiner Männer. Der Marsch war nur eine Sache von wenigen Minuten. Schließlich war es doch leichter, wenn man mit den Baumstämmen nur kurze entfernungen zurücklegen musste.
Mit heftigen Marschgeräuschen von circa 80 im Gleichschritt marschierenden Soldaten erreichte die Centuria IV die Zielgegend. Reatinus blickte sich um und verschaffte sich einen Überblick. Das war eine dichte Ansammlung von Bäumen, die mehr als Genug Holz für den Limesausbau bieten sollte. "Also gut, Männer! Wir sind da! Legt los und fangt an, das Holz zu schlagen! Danach lasst ihr die Maultiere die Stämme zum Lager transportieren!", gab Reatinus die Befehle aus. Derweil fragte er sich, wo der Optio überhaupt steckte. Der hatte sich kaum bemerkbar gemacht, und das war Reatinus ein wenig befremdlich. Normal war der Mann immer irgendwo in der Nähe...
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Nach dem Kampf erreichte Reatinus mit Aurelius Ursus zusammen das Officium des Obersten in der Legion. Der Centurio hatte sich nicht erst die Mühe gemacht, sich noch fein auszuputzen. Schließlich kam er gerade von einer unheilvollen Rauferei, und da dachte man selbstverständlich nicht über sowas nach. Der Tribun hingegen schien ein wenig weniger mitgenommen von der Schlägerei. Allerdings musste er ja auch weniger Einstecken.
Reatinus stand also da, rückte wenigstens seine Tunika zurecht. Ein blaues Auge und das Halstuch, an welchem ein wenig Blut von der Nase klebte, ließen immerhin auf die Geschehenisse schließen. Energisch klopfte Reatinus an und nickte Ursus freundlich zu.
*klopf, klopf, klopf*